Protokoll der Sitzung vom 24.11.2010

(Christiane Schneider DIE LINKE: Dann braucht man aber die gründliche Überle- gung!)

Es gibt vielleicht noch etwas unter uns zu beraten, aber wir sollten in Ruhe unsere parlamentarischen Pflichten noch einmal überdenken und gemeinsam eine Entscheidung treffen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der letzten Bürgerschaftssitzung hat DIE LINKE Sie, Herr Frigge, aufgefordert, vom Amt des Finanzsenators zurückzutreten. Da wurde vonseiten der CDU noch sehr hämisch gelächelt. Sie haben es heute getan, wir finden, es ist ein sauberer Schritt, auch wir respektieren das. Wir glauben allerdings auch, es war zu spät.

(Uwe Grund SPD: Das hätte gar nicht pas- sieren dürfen, Senator zu werden!)

Sie haben beklagt, dass Sie sich persönlich getroffen gefühlt haben. Alle hier wissen, wer in die Politik geht, muss damit rechnen, dass er persönlich angegriffen wird. Sie haben, wohl wissend, dass Sie in einem Konflikt sind, trotzdem dieses Amt angenommen. Ich denke, es wäre besser gewesen, Sie hätten es gar nicht erst angenommen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Herr Kerstan, wir können jetzt nicht so tun, als sei nichts passiert, und in der Tagesordnung so fortfahren, wie es vorgesehen war. Es ist schon ein gewaltiger Schritt, dass ein Finanzsenator, nachdem er den Haushalt vorgestellt hat, so plötzlich zurücktritt. Wir haben dadurch eine völlig neue Situation.

Insofern schlagen wir von der LINKEN vor, die Haushaltsberatungen für heute auszusetzen. Dies ist ohnehin kein großes Drama, denn wir sind sowieso schon drei Monate überfällig. Und wer sich den Haushaltsplan angesehen hat, weiß, dass daran noch dringend gearbeitet werden müsste und er auf die neuesten Zahlen aktualisiert werden müsste. Es fehlt eine ganze Menge an aktuellen Dingen. Insofern wäre es kein Problem, die Debatte im Dezember fortzuführen. Dafür werden wir uns heute auch sehr starkmachen.

Ich muss noch einige Worte zum Bürgermeister sagen. Ich finde, das Demokratieverständnis in diesem Hause ist manchmal ein bisschen merkwürdig.

(Zurufe von der CDU)

Wir von der Opposition haben schon sehr oft beklagt, dass das Parlament von diesem Senat missachtet wird. Dafür gibt es viele Beispiele, einige Abgeordnete müssen sogar zum Gericht laufen, um zu ihrem Recht zu kommen; das ist schon einmalig.

(Viviane Spethmann CDU: Der Rücktritt er- folgte hier, was wollen Sie noch mehr!)

Aber wenn der Bürgermeister sagt, das, was die Opposition mache, sei Pöbelei,

(Harald Krüger CDU: Da hat er recht!)

dann ist das undemokratisch und ungezogen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir haben allerdings in dieser Debatte heute sehr gut feststellen können, was pöbeln ist; das hat Herr Schira in eindrucksvoller Weise gezeigt.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Ich möchte ganz klar zurückweisen, dass Herr Hackbusch, wenn er ans Mikrofon geht, Hasstiraden von sich gibt; das hat er noch niemals getan.

(Zurufe von der CDU: Ha, ha!)

Das möchte ich absolut zurückweisen. Und das kommt ausgerechnet von Ihnen als Christen, überdies zitieren Sie auch noch die Bergpredigt, das ist einfach unglaublich.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir haben in den letzten Wochen und Monaten lähmende Situationen in der Stadt gehabt. Wir haben jetzt wieder einen Rücktritt und ich möchte insbesondere die GAL auffordern, den Kriechgang dieser quälenden Koalition endlich zu beenden und den Weg für Neuwahlen freizumachen.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort bekommt Herr Neumann.

Ich beantrage namens meiner Fraktion eine Sitzung des Ältestenrates.

Meine Damen und Herren! Dann ist die Sitzung des Plenums unterbrochen. Ich berufe den Ältestenrat ein.

Unterbrechung: 17.17 Uhr

Wiederbeginn: 17:36 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wiedereröffnet. Wir sind noch beim Tagesordnungspunkt 8, Senatsantrag: Haushaltsplan-Entwurf der Freien und Hansestadt Hamburg für die Haushaltsjahre 2011 und 2012, sowie Finanzplan 2010 bis 2014.

(Jens Kerstan)

Wird das Wort gewünscht? – Herr Dr. Tschentscher, bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es fällt mir schwer, jetzt die inhaltliche Debatte zu einem 22-Milliarden-Euro-Haushalt zu führen,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Nur Mut!)

nachdem wir – und das hat nichts mit der Person von Herrn Frigge zu tun – keinen Finanzsenator mehr haben. Wir haben einen geschäftsführenden Behördenleiter und meine Fraktion empfindet das parlamentarische Verfahren, das uns CDU und GAL bescheren, als eine Zumutung ersten Ranges.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Ich will dennoch versuchen, zu diesem Doppelhaushalt das zu sagen, was zu sagen ist. Herr Senator Frigge, ich weiß nicht, ob ich Sie noch so nennen darf. Zunächst einmal vielen Dank für Ihre klaren Worte zur Lage des Haushalts. Vielen Dank auch im Übrigen ganz persönlich für die sachlichen und fairen Diskussionen, die Sie im Haushaltsausschuss mit uns geführt haben. Aber ganz besonders auch herzlichen Dank dafür, dass Sie die Lage so klar beschrieben haben, wie sie ist, und zwar deshalb, weil man zwischen Regierung und Opposition nicht vernünftig über ein Problem diskutieren kann, wenn eine Seite ständig behauptet, dass das Problem gar nicht existiere.

So war es in den vergangenen zwei Jahren mit einem Senat und Regierungsfraktionen, die für alles Mögliche viel Geld ausgegeben haben, aber keine Zeit hatten, den Sonderbericht des Rechnungshofs zu lesen, der im Frühjahr 2008 genau das beschreibt, was Sie heute beklagen: zu hohe Ausgaben bei zu geringen Einnahmen und eine steigende Zinsbelastung von schon jetzt über 1 Milliarde Euro.

Und noch einmal einen herzlichen Dank an Sie, Herr Frigge, dass Sie in dem Moment, wo die neue Steuerschätzung sagte, wir bekämen 500 Millionen Euro Mehreinnahmen, mit aller Klarheit gesagt haben, es würde nichts ändern an der Haushaltslage. Vor und nach der Steuerschätzung ständen wir mit dem Rücken an der Wand und hätten keinen Spielraum.

Es geht nicht darum, mit den Mehreinnahmen Schulden zu tilgen, wie gelegentlich erwähnt wurde, sondern es geht darum, einen dramatischen Anstieg der Neuverschuldung zu begrenzen. Statt geplanter 4,6 Milliarden Euro macht der Senat mit den Mehreinnahmen, wenn sie denn kämen, 3,2 Milliarden Euro neue Schulden mit über 100 Millionen Euro zusätzlichen Zinsen jedes Jahr. Und daran ändert auch ein Wechsel des Finanzse

nators nichts, liebe Abgeordneten von CDU und GAL.

Deswegen muss ich doch einige ergänzende Zahlen und Anmerkungen zum Finanzbericht vortragen, den Herr Senator Frigge vorgelegt hat. Es sind wichtige Eckdaten genannt, aber bestimmte Punkte zum Gesamthaushalt bleiben unklar. Es beginnt gleich mit dem Vorwort, in dem Sie darauf verweisen, dass der Geschäftsbericht der Stadt Hamburg im Internet nachzulesen ist.

(Heiterkeit bei Wilfried Buss SPD)

Dort steht, dass das Eigenkapital der Stadt zum 31. Dezember 2009 negativ sei. Noch vor wenigen Jahren hatte die Stadt Hamburg in der Konzernbilanz, das heißt, über die Kernverwaltung und alle öffentlichen Unternehmen hinweg, ein positives Eigenkapital von mehreren Milliarden Euro. Und das wiederum bedeutet, dass die CDU eine reiche Stadt übernommen und in wenigen Jahren, kaufmännisch betrachtet, in den Konkurs gewirtschaftet hat. Das ist der Satz, der im Vorwort zum Finanzbericht fehlt.

(Beifall bei der SPD)

Kommen wir zum Abschnitt 1 Ihres Berichts. Es geht um die Entwicklung vor der Wirtschaftskrise mit dem Hinweis, dass der Haushalt nicht einmal in den Boomjahren 2007/2008 ausgeglichen war. Schönen Gruß an Herrn Freytag. Herr Frigge, Sie haben von einer Tradition der Defizite gesprochen. Da möchte ich nun doch einige Zahlen ergänzen.

Die CDU hat in ihren Regierungsjahren bei guten Steuereinnahmen ein Defizit von 10 Milliarden Euro aufgebaut, also in den Jahren 2001 bis heute 10 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Sie haben 6 Milliarden Euro neue Schulden gemacht, für 4 Milliarden Euro Vermögen verkauft und 2 Milliarden Euro Vermögen vernichtet. Das sind die Zahlen, die in den Finanzbericht gehören, auf Seite 5.

Kommen wir zu Abschnitt 2 mit der Überschrift Haushaltskonsolidierung. Konsolidierung bedeutet, dass man die laufenden Ausgaben begrenzt, zum Beispiel so, wie in den rot-grünen Regierungsjahren bis 2001, auf einen Anstieg von 200 Millionen Euro, das sind 2,7 Prozent in vier Jahren. Schwarz-Grün erhöht die Betriebsausgaben um 1,35 Milliarden Euro, das sind 15 Prozent in vier Jahren. Das erklärt sich nicht durch einige Millionen Euro Mehrausgaben für Schulen und Kitas. Es erklärt sich auch nicht durch gesetzliche Leistungen oder Sozialhilfe. Das ist mangelnde Ausgabendisziplin auf breiter Front und das kann sich kein Bundesland leisten, egal, welche Partei die Regierung stellt, auch nicht bei boomender Konjunktur plus Vermögensteuer. Das geht so nicht.

(Beifall bei der SPD)