aber wir haben immerhin miterleben müssen, wie die DDR pleite gegangen ist. Ein Urgestein, und ich denke, ein relativ Linker in seiner Zeit aus der SPD, nämlich Peter Glotz, hat einmal im Zusammenhang mit Studiengebühren gesagt, dass wir ein bisschen weniger feige sein sollten. Ich denke, er hat an dieser Stelle recht gehabt. Das Gegenteil von feige ist mutig, und vor fast zehn Jahren haben Senator Dräger, der damalige Senat und die Fraktionen diesen Mut aufgebracht und die Herausforderung angenommen, in Hamburg Studiengebühren in Höhe von 500 Euro einzuführen. Das hat hier im Haus und auch anderswo immer wieder zu ätzender Kritik geführt, insbesondere von SPD und GAL.
Wir haben dann vor zweieinhalb Jahren einen Koalitionskompromiss erreicht und die Studiengebühren sind auf 375 Euro gesenkt worden; das ist eine Absenkung von 25 Prozent. Die wesentlichen Säulen dieser Studiengebühren waren: Erstens sollten sie sozialverträglich und nachgelagert sein, zweitens sollte eine zinsfreie Stundung der Rückzahlungen ermöglicht werden und drittens sollten die Rückzahlungen dieser als Kredit erhaltenen Studiengebühren einkommensabhängig sein. Der Hartz-IV-Empfänger, der vorher studiert hatte, sollte nicht plötzlich zur Kasse gebeten werden.
Die Einnahmenvolumen durch die Studiengebühren in Hamburg liegen bei 35 Millionen Euro. Das ist wahrlich keine Kleinigkeit und schon gar nicht ein Griff in die Portokasse. Der Studiengebührenanteil an den Gesamtkosten beträgt in Hamburg zwischen 3,5 und 7 Prozent, je nach Studium und den Kosten, die daraus entstehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Vorwurf, der auch eben von Frau Heyenn kam, der sozialen Ausgrenzung und der abschreckenden Wirkung
von Studiengebühren ist in vielerlei Hinsicht widerlegt. Eher ist das Gegenteil der Fall. Eine Untersuchung des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft vom September dieses Jahres hat ergeben, dass die Studienanfängerquote in Hamburg im Zeitraum von 2005 bis 2008 um 10 Prozent angestiegen ist. Das ist eine Entwicklung, die zeigt, dass Hamburg nach wie vor trotz der Studiengebühren ein attraktiver Universitäts- und Hochschulstandort ist.
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Herr Beuß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kühn?
Im Wintersemester 2008/2009 haben 35,5 Prozent aller Studenten an den Hamburger Hochschulen diesen Kredit in Anspruch genommen. Andersherum gesagt konnten über 70 Prozent diese Gebühren aus eigener Kasse bestreiten. Deshalb ist die sogenannte Abschreckung eine Fehlanzeige.
Erste Vizepräsidentin Barbara Duden (unterbre- chend): Sie können dem Kollegen Kühn die Möglichkeit einer Intervention nicht verwehren. – Herr Kühn.
Herr Beuß, ich möchte Sie einfach nur auffordern, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir einen doppelten Abiturjahrgang haben. Wenn Sie die Steigerung der Studienanfängerzahlen ansprechen, dann hat das eher damit zu tun, dass wir eine gestiegene Zahl von Schulabgängern haben. Sie werden übrigens im kommenden Jahr durch die Abschaffung der Wehrpflicht noch zahlreicher. Es hat nichts damit zu tun, dass Menschen aus armen Elternhäusern jetzt plötzlich ein Studium aufnehmen, sondern es hat schlicht etwas damit zu tun, dass wir deutlich mehr Schulabgänger haben.
Verehrter Kollege! Wer zuhören kann, ist klar im Vorteil. Ich habe von einem Zeitraum von 2005 bis 2008 gesprochen.
Ich komme zu dem, was Sie, Herr Kollege, eben angesprochen haben, nämlich der sozialen Ungerechtigkeit. Im Jahr 2005 haben in Hamburg
65 Prozent aller Beamtenkinder und 83 Prozent der Akademikerkinder ein Studium aufgenommen, also ganz klar eine sozial obere Schicht. Es studierten lediglich 17 Prozent der Arbeiterkinder und gar 23 Prozent waren Nichtakademiker-Kinder, wahrlich kein gutes Bild. Die Entwicklung 2006 bis 2009 hat eine Trendwende eingeleitet. Der Anteil der Studierenden aus höheren sozialen Schichten verringerte sich, dagegen betrug der Anteil aus niedrigen bis mittleren sozialen Schichten inzwischen 44 Prozent.
Neben dem Gebührenland Saarland gehört Hamburg damit bei den Studienanfängern zu der Spitzengruppe. Soziale Ausgrenzung durch Studiengebühren – in Hamburg Fehlanzeige.
Im Gegenteil, die Studienbedingungen wurden verbessert. Zusätzliches Lehrpersonal ist eingestellt worden, es gibt längere Öffnungszeiten in den Bibliotheken, es gibt mehr Computerarbeitsplätze und so weiter. 35 Millionen Euro wurden in die Verbesserung zum Wohle der Ausbildung der Studenten durch die Studiengebühren investiert.
Angesichts der Hamburger Haushaltslage wäre es deshalb unverantwortlich, diese Gebühren wieder abzuschaffen, weil es keine Kompensation der öffentlichen Hand geben kann, und DIE LINKE bedient sich aus imaginären Töpfen für alle möglichen Sachen. Wir haben eben etwas zu Hartz IV gehört, wir haben etwas zu Kita-Gebühren gehört und jetzt etwas zu den Studiengebühren, aber DIE LINKE sagt nie, wie diese entstehenden Defizite dann finanziert werden sollen. Das nenne ich unredlich.
Die in Rede stehenden 35 Millionen Euro wären nicht mehr vorhanden und würden zulasten der Qualität fehlen. Wollen Sie das wirklich? Um Hamburgs Position als zukunftsfähige Metropole in der Wissensgesellschaft zu stärken, braucht man leistungsstarke Hochschulen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich Studenten nach Qualität und nicht nach Sonderangeboten entscheiden. Und deshalb ist Hamburg mit seinen sozial verträglichen Studiengebühren auf dem richtigen Weg. Gefährden Sie den nicht.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Beuß, bei aller Kritik an dem Vorgehen der LINKEN mit Ihrem Antrag muss man Ihnen eines klar sagen: Das haben wir hier vor zwei Jahren alle einvernehmlich zu Protokoll gegeben, und nicht nur wir, sondern zum Beispiel auch der Allgemeine Studierendenbund. Es ist eindeutig trotz ihrer Zahlenspielereien: Studiengebühren behindern die höhere Bildung junger Menschen aus Familien mit geringem Einkommen. Deshalb sagen wir Ihnen ganz klar, dass Studiengebühren ungerecht sind und ausgrenzen.
Wenn Sie in der CDU und ihre neoliberalen Freunde von der FDP das nicht hören wollen, dann zeigt das doch nur, dass Sie an dem Thema mit Ideologie arbeiten
und nicht mit klaren, empirischen Ergebnissen zu der Frage, ob Studierende sich abschrecken lassen von der Aufnahme eines Studiums oder nicht. Sie wollen das nicht wahrhaben. Alle anderen in Deutschland wissen das und deswegen sind es auch nur die Bundesländer, in denen Sie das Sagen haben, in denen es diese ausgrenzenden Studiengebühren gibt. Wenn aber CDU-Regierungen abgelöst werden durch die SPD beziehungsweise durch Rot-Grün wie zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, dann gehört die Abschaffung allgemeiner Studiengebühren zum neuen Regierungsprogramm. Das soll auch in Hamburg so sein, wenn Wählerinnen und Wähler das im Februar 2011 so entscheiden.
(Beifall bei der SPD und bei Elisabeth Baum DIE LINKE – Wolfgang Beuß CDU: Aber wie Sie das bezahlen wollen, das sagen Sie nicht!)
Die LINKEN beantragen allerdings heute die Abschaffung von Studiengebühren, ohne die finanziellen Auswirkungen zu beachten.
Herr Beuß, für Sie ist das kein Grund zu klatschen, denn die Kredite bei der Wohnungsbaukreditanstalt sind durch Ihr Studiengebührenmodell in