Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Denn der Lösungsvorschlag der SPD ist der Beck'sche Bundesdauerwahlkampfschlager, nämlich Mindestlohn.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, das ist auch rich- tig so!)

Wie sagt es Beck immer so schön und möchtegern sozial motiviert: Jeder, der arbeitet, muss davon leben können.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren von der SPD, wie denn von 7,50 Euro, wie denn? Das haben Sie auf Ihrem Parteitag in Hamburg beschlossen. Fakt ist, dass man eine Familie von 7,50 Euro nicht ernähren kann.

(Ingo Egloff SPD: Wir haben nichts dage- gen, wenn Sie 9,50 Euro sagen. Das müs- sen Sie einmal Frau Merkel erklären!)

Herr Egloff, ich komme dazu – nicht so voreilig.

Fakt ist, dass die Familien allesamt auch mit Ihrem SPD-Mindestlohn weiter von Hartz IV abhängig bleiben würden. Sie würden weiter abhängig bleiben.

(Zuruf von Ingo Egloff SPD)

Herr Egloff, 97 Prozent der Aufstocker – schauen Sie sich einmal die Statistik an, auch Frau Badde – sind schließlich Familien. Fakt ist also …

(Michael Neumann SPD: Und Sie wollen 10 Euro! – Zurufe von der SPD)

Keine Hektik, Herr Neumann. Verfolgen Sie einfach meinen Gedankengang, dann werden Sie das schon mitbekommen.

Fakt ist also, dass das von Beck sozialpathetisch formulierte Ziel mit Ihrem eigenen Mindestlohn gar nicht erreicht werden könnte. Das ist doch absurd. Das Ganze, was Sie hier fordern, ist absurd.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Und deswegen sind Sie grund- sätzlich dagegen!)

Jetzt mache ich das, was Sie wollen, Herr Egloff. Jetzt mache ich das, was Sie wollen. Ich gehe diesen theoretischen Gedanken von Beck weiter. Ich spinne das einmal weiter. Jetzt machen wir einen flächendeckenden Mindestlohn, der deutlich höher ist, um das Ziel zu erreichen, nämlich die Menschen aus dem Niedriglohnsektor herauszubekommen und vom Staat unabhängig zu machen. Was muss man dann heranziehen? Man muss Hartz IV heranziehen und das auf eine Familie mit kleinen Kindern übertragen. Wenn ich das umrechne, komme ich auf weit über 10 Euro. Und jetzt rechnen wir noch ein …

(Unruhe im Hause)

Eine Hektik heute – hören Sie doch einfach zu, dann wissen Sie auch, wie der Gedankengang ist.

Jetzt rechnen wir einmal ein, dass Beck noch gesagt hat, dass die Menschen am gesellschaftlichen und kulturellen Leben angemessen Anteil haben sollen. Dann lägen wir noch weit höher. Ihr eigenes von Herrn Beck formuliertes Ziel, die Leute sollen von sozialen Transferleistungen nicht mehr abhängig sein, …

(Unruhe im Hause)

(Elke Badde)

Nein, ich muss den Gedankengang weiterformulieren, Sie sind so hektisch.

(Glocke)

Sie sind so hektisch und voreilig. Da kann man nicht noch unterbrechen, sonst versteht das keiner mehr von Ihnen von der SPD.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Ingo Egloff SPD: Das versteht auch so keiner!)

Wenn Sie jetzt so munter sind und sagen, Mindestlöhne könnte man auch ins Unermessliche schrauben, dann haben wir das Problem – das wird Sie sicherlich wieder nicht interessieren –, der volkswirtschaftlichen Gesetze. Die kann man nicht einfach aushebeln. Denn die Produktivität der Menschen häufig mit geringer Ausbildung entspricht schlicht oft nicht dem des benötigten Mindestlohns, um aus Hartz IV herauszukommen. Das ist es doch.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Woher wis- sen Sie das denn?)

Das ist schlicht erwiesen. Das ist schlicht erwiesen.

(Arno Münster SPD: Das ist eine Frechheit, was Sie da machen, nichts anderes!)

Wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, volkswirtschaftliche Gutachten zu lesen, dann wüssten Sie es. Die halbherzigen Vergleiche, die gern mit Volkswirtschaften anderer Länder gemacht werden, hinken. Die kann man nicht einfach vergleichen.

Wenn wir das einfach so machen würden, alle volkswirtschaftlichen Gesetze einfach außer Acht zu lassen, so wie die SPD das möchte,

(Zuruf: Ja, was machen sie dann?)

dann wäre die Folge …

Das kann ich Ihnen sagen. Dann müssten wir Arbeitsplätze abbauen.

(Dirk Kienscherf SPD: Kommen Sie doch einmal zum Punkt! Was wollen Sie uns ei- gentlich mitteilen?)

Gerade in Zeiten der Globalisierung gibt es viele Wege Arbeitsplätze abzubauen: Verlagerung der Produktion ins Ausland, Schwarzarbeit oder bestimmte Dienstleistungen würden gar nicht mehr angeboten werden. Wenn Sie wie auch in Ihrer Großen Anfrage immer diesen bösen Kapitalisten, den Sie vor Augen haben, darstellen, dann irren Sie. Oftmals ist es König Kunde. In der letzten Legislatur hat Ihr arbeitsmarktpolitischer Sprecher, Herr Dees, ein interessantes Beispiel dargelegt. Er sagte immer, dass viele örtlich gebundene Güter gar nicht ins Ausland verlagert werden könnten und deshalb eine Preissteigerung durch erhöhte Lohnkosten keine Auswirkung hätte. Er nannte die

sen Zusammenhang immer gern gebundene Blumensträuße. Aber wer sagt denn, dass König Kunde nicht statt Blumen Pralinen kauft? Wer sagt denn das, wenn Blumen so exorbitant teuer geworden sind? Wer sagt das?

(Ingo Egloff SPD: Was wollen Sie denn nun eigentlich? Sagen Sie doch einmal, was Sie wollen! 10 Euro oder 12 Euro?)

Herr Egloff, bei den Tante-Emma-Läden war es doch nicht anders. Da entschied doch auch König Kunde. Da hilft auch kein staatlicher Eingriff.

Herr Egloff, es genügt nicht, lautstark Mindestlöhne für alle und mehr Geld für Hartz IV et cetera zu fordern. Ein schnelles Patentrezept, um mehr Menschen davor zu bewahren,

(Ingo Egloff SPD: Deswegen machen Sie gar nichts!)

auf staatliche Transferleistungen angewiesen zu sein, …

Nein, Herr Egloff, ich komme dazu. Jetzt wird es auch langsam ein bisschen lächerlich. Verfolgen Sie meinen Gedankengang.

(Ingo Egloff SPD: Wer ist denn das? Das ist doch Ihre Kanzlerin, die das verhindert!)

Herr Egloff, verfolgen Sie meinen Gedankengang. Dann kommen Sie auch weiter.

Es reicht eben nicht, wenn man den Menschen helfen möchte, mit billigen Patentrezepten zu kommen. Das, was Sie darlegen, ist nichts anderes als ein billiges Patentrezept.

(Ingo Egloff SPD: Komischerweise funktio- niert das in anderen europäischen Ländern!)

Außerdem – wenn wir jetzt gerade hier sind und Sie sich als SPD so brüsten: Wie war das denn mit der Ausweitung des Niedriglohnbereichs? War das nicht die Agenda 2010 von Gerhard Schröder, dem SPD-Kanzler?

(Ingo Egloff SPD: Haben Sie die nicht mitge- macht?)

Es war also politisch motiviert, genau den Bereich, den Sie hier darlegen, auszuweiten. Und Sie stellen sich heute hier hin und sagen, das sei alles moralisch verwerflich, die Agenda 2010 war es.

Was war der Grund? Der Grund war, dass gesagt worden ist: Lieber Niedriglohn mit zusätzlichen Sozialleistungen als vollkommen arbeitslos ohne Perspektive. Das war die Devise der Agenda 2010. Wenn Sie sich jetzt davon distanzieren wollen – in Wirklichkeit hat diese Devise ihre Gültigkeit nicht verloren.