Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

(Beifall bei der GAL und CDU)

Sie haben gesagt, das Thema Ambivalenz gebe es überall bei Gewalt in der Familie. Das gibt es auch überall und daran werden wir auch politisch noch viel zu arbeiten haben und darum haben wir uns auch in der Vergangenheit schon gekümmert. Aber diesen Fall – da hat Senator Wersich recht – müssen wir vor dem Hintergrund von interkulturellen Aspekten sehen. Hier ging es um den Kampf eines Mädchens, anders zu leben als ihre Familie es wollte, und das müssen Sie doch auch sehen. Es ging um eine interkulturelle Problematik, die wir angehen müssen, und deswegen war das Mädchen in ganz besonderer Weise dieser Ambivalenz unterlegen.

Meine Kollegin Frau Güclü, die wirklich, das werden Sie vielleicht zugeben, auf diesem Gebiet eine ausgesprochene Expertin ist, hat diverse Fälle dieser Art kennengelernt und könnte sich jetzt hier hinstellen und sagen, diese Ambivalenz ist gerade bei diesen Mädchen vorhanden.

Genau an diesem Punkt müssen wir natürlich auch dafür Sorge tragen – und deshalb gibt es auch den Antrag der weiteren Qualifizierung –, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom Jugendamt auch im Umgang mit diesen Problemen noch weiter zu Experten geschult werden als sie es jetzt schon sind. Da müssen wir ansetzen. Hier hat keiner gesagt, dass alles lückenlos und prima gelaufen ist, denn sonst hätten wir nicht in einigen Punkten nachgebessert. Natürlich muss man immer noch einmal genau hinschauen und wenn man sieht, dass man an der Arbeit noch etwas verbessern kann, dann wird das erledigt.

Nun zu Frau Veit. Als Sie mit Ihrer Rede anfingen, habe ich zunächst gedacht, Sie seien ein wenig einsichtig geworden, weil Sie sagten, Sie seien noch nicht am Ende Ihrer Analyse angekommen. Gleichzeitig haben Sie Ihre Rede wieder einmal mit einem vorweggenommenen Fazit beendet, nämlich

dass der Senat die rechtlichen Möglichkeiten hier nicht genutzt habe. Ich stelle erneut fest, dass Sie anscheinend an einer Aufklärungsarbeit nicht interessiert sind, weil Sie die Fakten schon vorweggenommen haben. Sie wissen im Voraus, was hier abgelaufen und passiert ist, Frau Veit, denn sonst kann es nicht sein, dass Sie die Ergebnisse vorwegnehmen.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich werbe darum, dass wir uns im Jugendausschuss weiter mit dem Thema beschäftigen und das tun wir auch. Der Vorwurf, hier wolle keiner politische Verantwortung tragen, wir liefen davor weg – das hat Andreas Dressel gesagt –, ist völlig absurd, denn sonst hätte der Senat nicht diese umfassende Aufklärungsarbeit in dem Ausschuss geleistet. Wir würden auch nicht ein weiteres Mal dort sitzen und noch einmal darüber sprechen, denn es ist in unser aller Interesse. Keinem von uns geht solch ein Fall nicht nahe. Wenn hier gesagt wird, wir hätten unseren Koalitionsvertrag abgeschrieben, dann zeigt das lediglich, dass Sie den nicht gelesen haben. Ich kann das zwar verstehen, es sind ja auch viele, viele Seiten

(Ingo Egloff SPD: Das ist ja auch langweilig!)

ja, das ist für Sie langweilig und das ist eben Ihre Uninformiertheit –, aber dann dürfen Sie sich nicht hier hinstellen und behaupten, das sei alles abgeschrieben.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn man Kritik übt, dann muss man wissen, worüber man Kritik übt. Gerade der Punkt der interkulturellen Qualifikation und der interkulturellen Arbeit mit Jungen ist ein Punkt, der nicht im Koalitionsvertrag steht und den man jetzt noch einmal in den Blickwinkel genommen hat und der jetzt eingefordert wird, weil er als Konsequenz aus diesem Fall gezogen werden muss.

Ich würde mir wirklich wünschen, wenn Sie endlich einmal anfangen täten, einige Handlungsempfehlungen aufzuzeigen. Frau Veit, Sie sagen, das machen wir, wenn wir fertig sind mit dem Ausschuss, aber Ihre Kritik und Ihre Ergebnisse haben Sie schon vorweggenommen und dann fangen Sie an zu handeln? Traurig.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Das Wort hat Frau Schneider.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da sich in der Debatte gezeigt hat, dass die Schlussfolgerung noch nicht gezogen und die Aufklärung nicht beendet ist, beantragen wir, dass der Antrag der SPD in den Familienausschuss überwiesen wird.

(Christiane Blömeke)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt zunächst einer Überweisung der Drucksache 19/566 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig geschehen.

Wer stimmt dem Überweisungsantrag der Drucksache 19/494 an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss zu? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Der Antrag ist abgelehnt.

Wer möchte den SPD-Antrag aus der Drucksache 19/494 in der Sache annehmen? – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist mehrheitlich abgelehnt.

(Wolfgang Beuß CDU: Beerdigung erster Klasse!)

Wir kommen zum Punkt 33 der Tagesordnung, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Steuergerechtigkeit im Vollzug der Steuergesetze herstellen – mehr Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer und Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder in Hamburg.

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Steuergerechtigkeit im Vollzug der Steuergesetze herstellen – mehr Betriebsprüferinnen und Betriebsprüfer und Steuerfahnderinnen und Steuerfahnder in Hamburg – Drs 19/271 –]

Hierzu liegen Ihnen als Drucksachen 19/564 und 19/565 zwei Anträge der SPD-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktion der SPD: Betriebsprüfung stärken und Vakanzen abbauen – Drs 19/564 –]

[Antrag der Fraktion der SPD: Betriebsprüfung stärken - Neue Betriebsprüfer ausbilden – Drs 19/565 –]

Alle drei Drucksachen möchte die GAL-Fraktion an den Haushaltsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Bischoff, bitte.

(Vizepräsidentin Nebahat Güclü übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich verstehe ja, dass es für den Großteil der Abgeordneten etwas langweilig ist nach diesem anderen Thema, das wir jetzt erörtert haben, aber es ist politisch doch auch ein sehr entscheidender Punkt.

Seit Jahren wird in der Bürgerschaft kritisiert, dass der Steuervollzug mittlerweile auch in Hamburg so lückenhaft ist, dass der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht mehr gewährleistet ist. Gerade für die Hansestadt trifft die Bewertung des Vorsitzenden des Bundesrechnungshofs Engels zu. Ich zitiere:

"Die Steuerverwaltung hat zunehmend Schwierigkeiten, Steuern ordnungsgemäß festzusetzen und zu erheben. Ein vollständiger, gleichmäßiger und rechtzeitiger Steuervollzug ist aber essenziell für die Sicherung der öffentlichen Haushalte. Vordringlich ist sicherlich eine durchgreifende Vereinfachung des Steuerrechts. Um die Steuergerechtigkeit wieder herzustellen, bedarf es aber auch einer effizienten Steuerverwaltung."

Der Landesrechnungshof ergänzt diese Bewertung:

"Um die Einnahmepotenziale optimal zu realisieren und eine gerechte Belastung der Bürgerinnen und Bürger zu erreichen, ist es notwendig, die Steuern vollständig, gleichmäßig und so früh wie möglich festzusetzen. Der ordnungsgemäße Vollzug des Steuerrechts stellt hohe Anforderungen an die Verwaltung, dem sie mit dem zur Verfügung stehenden Personal nicht immer gerecht werden kann."

Letzteres bezieht sich auf Hamburg. Fakt ist – und die Antworten auf unsere Anfragen, aber auch die von der SPD belegen dies –, dass die Personalausstattung im Steuervollzug in Hamburg absolut unzureichend ist. Die Deutsche Steuergewerkschaft und die Gewerkschaft ver.di spitzen den Vorgang zu. Das Ergebnis dieser systematischen Mängel beim Steuervollzug ist faktisch ein Zweiklassenrecht. Während Arbeitnehmern die Steuern pünktlich vom Lohn abgezogen werden, kommen steuerpflichtige Unternehmen oder Einkommensmillionäre häufig ungeschoren davon. Der Kollege Rose von ver.di bringt das auf die Formel – auch ihn möchte ich zitieren, weil das ganz griffig ist –:

"Weil Finanzsenator Freytag …"

der im Übrigen wieder einmal fehlt, wie immer bei den Themen –

(Ingo Egloff SPD: Der sucht die fehlenden Millionen!)

"… bei den Millionären beide Augen zudrückt, fehlt viel Geld in der Gemeinschaftskasse. […] Unten streichen […] und oben weggucken – so geht es nicht."

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte Ihnen zustimmen, Herr Rose, Ihnen aber gleichzeitig sagen, dass es offensichtlich

doch geht. Trotz der seit Jahren immer wieder vorgetragenen Klage, dass auch im Steuervollzug die Grundsätze eines demokratischen Rechtsstaates massiv verletzt werden, gibt es keine Besserung. Das ist das Problem. Es geht also doch. Insofern fragen sich die Rechnungshöfe selbst nach dem Grund – und das gilt besonders für Hamburg – für diese systematische Untätigkeit.

Zwei Argumente kann man sich aus dem Umfeld, den Ergebnisberichten und den Erklärungen der Rechnungshöfe aneignen.

Erstes Argument: Die Länder sind gar nicht an einer Erhöhung der Zahl der Betriebsprüfer oder der Fahndungsprüfer interessiert, weil sie deren Gehalt aus ihrem Haushalt zahlen müssen. Die erheblichen Mehreinnahmen durch mehr Prüfer gehen über den Länderfinanzausgleich wieder verloren. Die Steuergerechtigkeit bleibt auf der Strecke.

Bei dem zweiten Argument wird es aus unserer Sicht noch schlimmer: Das Bundesministerium der Finanzen vermutet in dem Positionspapier über Effizienz und Effektivität in der Steuerverwaltung, dass die Länder in Versuchung geraten, die Intensität der Steuererhebung an zweifelhaften, standortpolitischen Interessen auszurichten. Im Klartext: Der mangelhafte Steuervollzug wird auf Länderebene – und das gilt gerade für Hamburg – als Standortvorteil begriffen.

Also, Herr Rose, das Weggucken von Finanzsenator Freytag hat Methode. Es ist nicht einfach eine Ignoranz, sondern es hat Methode. Die CDU, die in den letzten Jahren für den Steuervollzug in Hamburg verantwortlich ist, hat diese massive Kritik bislang ständig ignoriert. Deshalb haben wir jetzt den Antrag gestellt und freuen uns auch über die Zusatzanträge der SPD. Wir sind uns aber sicher, dass die Methode weitergehen wird. Dieser Senat und diese sich demokratisch immer aufspielenden Koalitionsfraktionen sind an einer Änderung dieser Praxis nicht interessiert. Der Senat wird, wie in der Vergangenheit, die Mahnung des Rechnungshofs und die Kritik der Opposition aussitzen, obwohl mit vergleichsweise geringen Veränderungen bei einigem politischen Willen deutliche Veränderungen in der Personalausstattung und deutliche Verbesserungen bei den Steuereinnahmen zu erreichen wären.

Am 20. Juni, also in zwei Tagen – ich möchte das den dünnen Reihen der Opposition dort mit auf den Weg geben –, wird im Bundestag dem Rechnungsprüfungsausschuss noch einmal vorgelegt: "Erkenntnisse und Empfehlungen der Rechnungshöfe zum Vorschlag einer Bundessteuerverwaltung". Man muss sich das einmal klar machen. Das heißt, auf Bundesebene gibt es bei allen Rechnungshöfen und dem Bundesrechnungshof das wirkliche Bemühen, zu einer Bundessteuerverwaltung zu kommen, weil die Praxis auf Länderebene nicht mehr akzeptabel ist und so sehen wir

es auch. Das heißt, wir können uns hier vor leeren Reihen auch damit abkämpfen, Sie werden an diesem Punkt nichts ändern und das ist schon eine Herausforderung für diese Stadt und dieses Gemeinwesen.

Der Rechnungsprüfungshof präsentiert dazu Schlussfolgerungen. Ich habe mir vier Punkte herausgegriffen – Hamburg wird da eine herausragende Rolle spielen –, die ich Ihnen vortragen möchte.

Erstens: 1994 forderten die Rechnungshöfe eine Aufstockung der Zahl der Fahndungsprüfer. Um die Unterbesetzung schrittweise aufzuheben, sollten jährlich 10 Prozent mehr Fahndungsprüfer eingestellt werden. Zwei Jahre später, 1996 – man muss sich wirklich an den Kopf greifen –, war genau das Gegenteil eingetreten. Die Zahl der Fahndungsprüfer war gegenüber 1994 um 23 Prozent zurückgegangen. Seitdem ist diese Rücknahme im Übrigen immer weitergegangen. Das heißt, die Rechnungshöfe fordern gegenwärtig in ihrem Papier, das sie übermorgen im Bundestag vorstellen, die Fahndungsprüfer auf 5000 Beamte aufzustocken. Hintergrund ist neben der Durchsetzung der Gleichheit vor dem Gesetz, es könnte ein größerer Teil der auf einen dreistelligen Milliardenbetrag geschätzten Steuerhinterziehung eingetrieben werden. Wir haben also zwei Punkte. Der eine Punkt ist, Sie ruinieren, Sie verletzen die Gleichheit vor dem Recht und Sie verzichten auf Einnahmen in Milliardenhöhe – das ist der Punkt, um den geht – und es ist Ihnen, wie man heute sehen kann, völlig egal. Es wird auch aus dieser Debatte keinerlei politische Schlussfolgerung geben.

(Jens Kerstan GAL: Dann brauchen wir nicht überweisen und können gleich abstimmen!)