Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

Dann ist noch ein halbes Jahr ins Land gegangen, bis Sie eine Idee aufgegriffen haben, die nicht neu ist, die bereits in den Neunzigerjahren erfolgreich praktiziert wurde und von uns immer wieder ins Spiel gebracht wurde, bis Sie einen Wohnungsbaubeauftragten – oder Koordinator, wie Sie ihn nennen – eingesetzt haben. Und jetzt hören wir von Ihnen auch noch unterschwellig den Vorwurf, dass dieser Mann Genosse sei. Der Mann ist Genosse und deswegen können wir davon ausgehen, dass seine Arbeit Früchte tragen wird, aber er hat erst ein halbes Jahr Zeit gehabt.

(Beifall bei der SPD – Klaus-Peter Hesse CDU: So wie bei der Jugendeinrichtung Mit- te!)

Ich frage mich nur, wann Herr Müller auch da wieder Böses vermutet, aber dieser Koordinator wurde vom Senat bestellt.

Meine Damen und Herren! Wir haben gerade eine Wirtschaftsdebatte geführt, in der Sie versucht haben zu belegen, dass der Senat die internationale Wirtschaftskrise, die durch viele externe Faktoren bestimmt ist, in den Griff bekommen habe. Sie haben dann auch noch die Dreistigkeit besessen, Herr Roock, die Wirtschaftskrise 2008 als Begründung dafür anzuführen, dass der Wohnungsbau nicht mehr in Gang gekommen ist und haben damit die seit 2002 bestehende Krise im Wohnungsbau mit einer Krise von 2008 begründet. Ich frage mich nur, wie Sie für sich in Anspruch nehmen können, eine internationale Krise in den Griff zu bekommen, wenn Sie noch nicht einmal eine Hamburger Krise, die Sie selber mit verursacht haben, in den Griff bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Der Wohnungsbau und die Wohnungsbauförderung sind mit internen Maßnahmen in den Griff zu bekommen. Sie haben alle diese Maßnahmen versäumt. Es geht um die Flächen, die in Hamburg ausgewiesen werden, es geht um Wohnungsbauflächenpreise, die Ihre Finanzbehörde in die Höhe getrieben hat, und es geht um Auflagen für den Wohnungsbau, die zum Beispiel im Klimaschutz überzogen sind und damit den Wohnungsbau wei

ter beeinträchtigt haben, und dagegen haben Sie nichts getan.

(Beifall bei der SPD)

Hätten Sie sich die Mühe gemacht zu tun, was Sie in Hamburg hätten tun können, dann wären wir heute nicht da, wo wir sind, und hätten nicht viel zu wenige Wohnungen. An diesen Punkten werden wir ansetzen, wenn es darum geht, den Wohnungsbau in den nächsten Jahren wieder in Schwung zu bringen, und zwar so, dass die Hamburger wieder bezahlbare Mieten zu zahlen haben – auch bei neuen Wohnungen – und in den nächsten Jahren keine exorbitant steigenden Mieten verkraften müssen.

Herr Roock, ich finde es zwar toll, dass Sie uns sagen, die SAGA werde nicht verkauft, aber wen interessiert denn noch, was Sie zur SAGA sagen? Wir haben immer gesagt, dass wir die SAGA nicht verkaufen, und wir stehen dazu.

(Hans-Detlef Roock CDU: Aber Sie haben die Unterstellung gemacht!)

Was Sie in den letzten Jahren gemacht haben, Herr Roock, ist, dass Sie die SAGA systematisch ausgenommen haben. Sie haben 600 Millionen Euro aus dem Unternehmen gezogen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben mit diesen Mietergeldern Ihre Luxusprojekte finanziert, Mittel, die gefehlt haben, um Wohnungen in Hamburg zu bauen.

(Beifall bei der SPD)

Die SAGA hat von 2002 bis 2009 gerade einmal 1500 Wohnungen gebaut. Das größte Wohnungsbauunternehmen der Stadt, mit über 135 000 Wohnungen in seinem Eigentum, hat in neun Jahren 1500 Wohnungen gebaut. Das ist eine Armutserklärung und die Folge Ihrer Politik des Ausnehmens dieses Wohnungsbauunternehmens. In der gleichen Zeit hat die SAGA allerdings auch 1500 Wohnungen verkauft. Diese verkauften Mietwohnungen sind zu zwei Dritteln eben nicht an die Mieter verkauft worden, wie Sie das propagiert haben, sondern an Externe, und sind damit der Steuerung des Mietwohnungsmarktes in Richtung günstiger Wohnungsmieten entzogen. Auch das liegt in Ihrer Verantwortung und auch dafür müssen wir Ersatz schaffen.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben heute wieder einiges zu den Bezirken gesagt. Ich glaube nicht, dass Sie die Partei sind, die sich besonders dadurch hervorgetan hat, dass sie die Bezirke unterstützt. Ich habe abgefragt, was an Personal für Bebauungspläne, Wohnungsbau und Genehmigungen in den Bezirken zur Verfügung steht. All das ist in den letzten Jahren nicht besser geworden. Sie haben Ihre sogenannten Of

fensiven, die nie welche waren, nicht mit personellen Maßnahmen unterstützt, aber zeigen auf die Bezirke, wo Sie nur können. So geht es nicht. Wir brauchen starke Bezirke, um den Wohnungsbau in Hamburg voranzubringen, und auch da wird sich einiges ändern müssen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Frommann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Grote, lieber Herr Quast, das kommt einem ein bisschen so vor wie ein kleines Wettrennen um den Staatsratsposten in einer gewissen Behörde.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Haben Sie die Wahl schon verloren?)

Jeder versucht, sich noch einmal zu positionieren, und gemeinsam werden Große Anfragen formuliert. Zu denen komme ich gleich. Dieses Gepolter wird aber nicht reichen, um die Wohnungsnot – die in Teilen durchaus vorhanden ist, das haben meine Vorredner schon berichtet – zu lösen. Da muss Ihnen etwas mehr einfallen.

Sie schwelgen in Erinnerungen, Herr Grote – das ist schön, man kann sich die Welt so schön malen, wie sie für einen selbst früher einmal war –, ohne aber Konzepte oder Alternativen zu benennen. Sie sind nicht in der Lage, die Probleme zu konkretisieren, sondern werfen mit Floskeln um sich und erhöhen dabei einfach von heute auf morgen die Zahl der Wohnungslosen. Wie sah die Welt denn damals, zu SPD-Zeiten, aus? Ich habe miterlebt, wie es damals gelaufen ist. Als es zu wenige Wohnungen gab, hat man in den Siebziger- und Achtzigerjahren Hochhaussiedlungen auf die grüne Wiese gesetzt.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Man hat aber die U-Bahn vergessen! – Ingo Egloff SPD: Das war Standard in den Siebzigern!)

Man hat den Leuten eine Wohnung gegeben und diese wurden auch angenommen, weil es eine Möglichkeit war, der wachsenden Bevölkerung Herr zu werden. In den Neunzigerjahren hat man dann in nicht unerheblichem Maße Dachgeschossausbau betrieben. Auch das hatte damals einen guten Grund: Wir hatten einen großen Zuwachs aus den neuen Bundesländern.

(Ingo Egloff SPD: Nach der deutschen Ein- heit 130 000 Einwohner mehr!)

Es gab Wohnungsneubau, das wird nicht bestritten, Herr Egloff, aber die Frage ist doch, was wir aus der neuen Situation machen.

Seitdem die CDU 2001 die Regierung übernommen hat, wächst diese Stadt. Sie wächst deutlich

stärker als andere Städte. Wir haben die Situation, dass wir mit reduzierten Flächen umgehen müssen, nicht nur, weil wir nicht mehr bereit sind, Hochhäuser zu bauen, sondern wir müssen uns auch überlegen – und da ist der ehemalige Koalitionspartner prädestiniert, diese Debatte mit zu führen –, wie wir eine Stadt für die Zukunft bauen, in der auch grüne Aspekte berücksichtigt werden sollen.

Wie sieht es aber nun tatsächlich aus, wenn etwas vor Ort passieren soll? Ich komme da auf den Bezirk Hamburg-Mitte zu sprechen, Herr Grote, über den Sie sich vorhin ein wenig ausgelassen haben. Wie also sieht es dort aus? Wir haben neue Bebauungspläne diskutiert, zum Beispiel den B-Plan Wilhelmsburg 96 mit 350 Einheiten, gegebenenfalls sogar mehr. Vor rund drei Jahren sagte der Bezirk dann erst einmal ab nach dem Motto: Wie kann man an dieser Stelle Wohnungsbau betreiben. Das wollte der Bezirk nicht, der Investor wurde zurückgedrängt. Wie ging es weiter? Endrunde war gestern Abend mit einem Versuch, den B-Plan noch einmal aufzunehmen. Wer fehlte wieder einmal in der Runde? – Die SPD-Bezirksfraktion. Ihr Interesse am Wohnungsbau scheint da wirklich groß zu sein.

Kommen wir zu einem anderen B-Plan, dem Haulander Weg. Auch dieser liegt in Wilhelmsburg. Ich berichte gern über Dinge, die ich persönlich miterlebe, weil das dann keine Theorie ist. Wir hatten auch hier abzuwägen zwischen Grünflächen und Wohnungsbau. Wir standen vor der Frage, was zu machen ist und was CDU, SPD und GAL gemeinsam als verantwortungsvolle Politiker im Bezirk durchsetzen können. Es ging in die entscheidende Runde und welche Partei fehlte? Sie werden es nicht glauben, die SPD-Fraktion. Sie hat sich diesem Verfahren einfach entzogen.

Ein drittes Beispiel, der B-Plan Wilhelmsburg 88, Kirchdorfer Wiesen. Genau hier sollte ein B-Plan initiiert werden, nach dem der Geschosswohnungsbau zu einem wirklich hervorragenden Projekt verändert werden sollte, in dem Natur und Wohnen im Einklang stehen. Wer schließt sich der Anti-Bewegung gegen diesen B-Plan als erstes an? – Die SPD-Fraktion.

Ich frage mich ernsthaft, wo Ihre Bestrebungen sind, den Wohnungsbau an den Stellen voranzutreiben, an denen es auch einmal schwierig werden kann.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Reiner Populis- mus!)

Sie halten Ihr Fähnchen in den Wind. Das ist Populismus pur, Hauptsache Wählerstimmen, egal, was hinterher kommt. So kann Politik nicht funktionieren.

(Beifall bei der CDU)

(Jan Quast)

Kommen wir zur SAGA, da gab es Defizite. Aber schauen Sie sich doch einmal die Altbestände der SAGA an, beispielsweise wieder in Wilhelmsburg. Wir haben im Weltquartier rund 800 Wohneinheiten, die bisher überhaupt nicht energetisch saniert wurden. Das waren kleine Ein- bis Dreizimmerwohnungen, die den Familien vor Ort nicht mehr gerecht wurden. Sie müssen einmal überlegen, was passiert wäre, wenn die Gelder, die dort in nicht unerheblicher Höhe in Sanierungen investiert wurden, stattdessen in Neubauten geflossen wären. Die Wohnungen vor Ort hätten sich nicht verändert und wir hätten ein weiteres soziales Problem. Bei der Abwägung der Möglichkeiten, die die Stadt und das Wohnungsbauunternehmen SAGA hat,

(Andy Grote SPD: Sie sollen das nicht ge- geneinander ausspielen! Es wäre beides möglich gewesen, das wissen Sie genau!)

ist es meines Erachtens notwendig, Herr Grote, auch solchen Entwicklungen entgegenzutreten. Es war wichtig, diese Wohnungen umzubauen und zu sanieren, damit sich Familien dort wohlfühlen und wir diesen Stadtteil wieder auf den Weg bringen, auf den er gehört: den Weg in eine gute Zukunft und nicht den Weg auf den absteigenden Ast,

(Andy Grote SPD: Mit Christoph Ahlhaus!)

den die SPD immer wieder gehen möchte. Es ist immer das gleiche Gejammer. Ihnen ist egal, was in den sozial schwachen Stadtteilen passiert,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das müssen Sie nun gerade sagen!)

Hauptsache, Sie ziehen Ihre Politik durch.

(Beifall bei der CDU)

Unmittelbar mit dem Wohnungsbau hängt die Diskussion über die BSU zusammen. Da stellt sich die SPD doch nun allen Ernstes hin und will ein Projekt, das innerhalb des Vorhabens "Sprung über die Elbe" eine ganz wesentliche Ankerfunktion hat, nämlich den Neubau der BSU im Kernbereich der Wilhelmsburger Elbinsel, die Sie 40 Jahre vernachlässigt haben, fallen lassen.

(Zurufe von der SPD: Wie viele Wohnungen werden denn da entstehen? Wie viele Woh- nungen sind denn da drin in der BSU?)

Diese Entwicklung wollen Sie den Wilhelmsburgern absprechen. Sie werden erklären müssen, warum Sie diesen Stadtteil schon bevor Sie möglicherweise die Macht übernehmen abschreiben. Das werden Sie den Wählerinnen und Wählern, auf die Sie schielen, in irgendeiner Art und Weise erklären müssen und das werden Sie nicht können; das wissen Sie bereits heute.

(Beifall bei der CDU)