Protokoll der Sitzung vom 09.02.2011

Auch für diese Wahl sind Wahlkabinen vorgesehen. Wir verfahren wieder so, dass Frau Thomas und Herr Hakverdi abwechselnd die Mitglieder der Bürgerschaft in alphabetischer Reihenfolge aufrufen werden. Ich bitte Sie, dann zur Kanzleibank zu gehen und dort den Stimmzettel entgegenzunehmen. Jeder Stimmzettel enthält Felder für Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung. Mit dem Stimmzettel gehen Sie dann bitte in eine der Kabinen und nehmen Ihre Wahlentscheidung vor. Ich

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden)

bitte, den Stimmzettel jeweils nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Nach der Wahlhandlung stecken Sie Ihren Wahlzettel dann bitte in die Wahlurne.

Ich bitte nun Herrn Hakverdi, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf und die Wahlhandlung werden vorgenommen.)

Ist ein Mitglied dieses Hauses nicht aufgerufen worden? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich fest, dass alle Abgeordneten aufgerufen sind und die Stimmabgabe abgeschlossen ist. Damit erkläre ich die Wahlhandlung für geschlossen.

Ich bitte nun, die Stimmenauszählung vorzunehmen. Für die Dauer der Stimmenauszählung ist die Sitzung erneut unterbrochen.

Unterbrechung: 16.57 Uhr

Wiederbeginn: 17.09 Uhr

Meine Damen und Herren! Die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir haben ein Ergebnis.

Bei der Wahl eines Mitglieds des Rechnungshofs sind 107 Stimmzettel abgegeben worden, davon waren null Stimmzettel ungültig und somit 107 Stimmzettel gültig. Herr Rolf Gläßner erhielt 94 Ja-Stimmen, elf Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen.

Nach Artikel 71 Absatz 4 der Hamburgischen Verfassung ist für die Wahl eines Mitglieds des Rechnungshofs eine Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Mitgliederzahl der Bürgerschaft erforderlich, mindestens also 81 Ja-Stimmen. Rolf Gläßner hat 94 Ja-Stimmen erhalten und ist somit zum Mitglied des Rechnungshofs gewählt worden.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Gläßner, den Beifall haben Sie schon bekommen. Ich darf Ihnen im Namen des ganzen Hauses Glückwünsche zu Ihrer Wahl aussprechen. Ich wünsche Ihnen eine glückliche Hand und viel Erfolg in Ihrer Amtsführung.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 41, Drucksache 19/8479, Bericht des Haushaltsausschusses: Verlegung der B 4/75 "Wilhelmsburger Reichsstraße", 1. Bericht an die Bürgerschaft über den Sachstand zur geplanten Verlegung der B 4/75 und Antrag auf Zustimmung zum Finanzierungskonzept sowie der Mitfinanzierungsvereinbarung mit dem Bund vom 7. Oktober 2009, 2. Stellungnahme des Senats zu

dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 24. Juni 2009 "Den Sprung über die Elbe gestalten: Wilhelmsburg vor zusätzlichem Verkehr und Lärm schützen", 3. Nachforderung einer Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsplan 2011/2012 für das Haushaltsjahr 2011 beim Titel 6300.881.05 "Kostenanteile zum Um-, Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen" von 3,468 Millionen Euro.

[Bericht des Haushaltsausschusses über die Drucksache 19/7116: Verlegung der B 4/75 "Wilhelmsburger Reichsstraße" 1. Bericht an die Bürgerschaft über den Sachstand zur geplanten Verlegung der B 4/75 und Antrag auf Zustimmung zum Finanzierungskonzept sowie der Mitfinanzierungsvereinbarung mit dem Bund vom 7. Oktober 2009 2. Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 24. Juni 2009 "Den Sprung über die Elbe gestalten: Wilhelmsburg vor zusätzlichem Verkehr und Lärm schützen" – Drucksache 19/3384 3. Nachforderung einer Verpflichtungsermächtigung im Haushaltsplan 2009/2010 für das Haushaltsjahr 2010 beim Titel 6300.881.05 "Kostenanteile zum Um-, Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen" von 10,4 Mio. Euro (Senatsantrag in der ergänzten und berichtig- ten Fassung vom 04.01.2011) – Drs 19/8479 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Frommann, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alleine an der Länge des Titels dieses Tagesordnungspunktes sollte festzustellen sein, dass wir uns – vermeintlich möchte ich an dieser Stelle sagen – wieder den inhaltlichen Aufgaben zuwenden können. Wenn man allerdings die Diskussionen der letzten Wochen und Monate verfolgt, die hierzu von der Opposition in der Öffentlichkeit geführt wurden, hat man eher den Eindruck, dass stumpfe Wahlkampfzeit ausgebrochen ist.

Ich darf noch einmal auf die Ausgangslage für diese Drucksache hinweisen. Es ging im Wesentlichen um die Frage der räumlichen Trennung eines Stadtteils, nämlich Wilhelmsburg, durch verschiedenste Verkehrsachsen. Der Senat hat sich mit seinem Leitprojekt "Sprung über die Elbe" dazu entschlossen, sich dieses Problems anzunehmen und den Stadtteil durch unterschiedliche Maßnahmen wieder zusammenzuführen.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Ein großer Bereich der Wilhelmsburger Mitte ist durch Bahn- und Straßenlärm geprägt und kann dementsprechend auch nur eingeschränkt genutzt

(Erste Vizepräsidentin Barbara Duden)

werden. Viele von Ihnen kennen die Situation vor Ort. Ziel dieser Politik war es, die großflächige Verlärmung deutlich zu reduzieren und so zu einem Zugewinn an Lebensqualität innerhalb dieses zentralen Hamburger Stadtteils zu kommen. Das war der Anlass, um inhaltlich über Alternativen zu reden, die innerhalb Deutschlands doch recht einmalig sind.

Die bisherige Reichsstraße muss grundlegend saniert und in ihren Querschnitten deutlich verändert werden. Als eine Option wurde damals die Möglichkeit einer Verlegung erwogen. Im Zuge dieses Verfahrens haben auf unterschiedlichen Ebenen Gespräche zwischen den unterschiedlichsten Akteuren stattgefunden. Urheber der Idee war ein Runder Tisch im Jahr 2000, der Maßnahmen zur Steigerung der Lebensqualität auf der Elbinsel diskutierte und im bekannten Weißbuch zusammenfasste. Ich will gar nicht darüber philosophieren, wie Bürger dazu kommen, in einem Weißbuch zu veröffentlichen, dass die Politik der bisherigen Senate – SPD-geführt – dem Stadtteil nicht förderlich gewesen sei. Nichtsdestotrotz war eines der Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe eine mögliche Verlagerung. Ich verhehle an dieser Stelle nicht, dass ich das damals für eine spinnerte Idee gehalten habe, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es dabei um erhebliche Investitionen ging, die weder die damaligen Haushalte noch der heutige Haushalt hergaben beziehungsweise hergeben.

Im Zuge der Debatten über IBA und igs, den "Sprung über die Elbe" und die Inwertsetzung von Flächen und Wohnungspotenzialen ist die Diskussion über eine Verlegung in den Jahren 2007 und 2008 wieder aufgelebt, weil es aus Berlin Signale gegeben hat, dass dieses Projekt als durchaus erstrebenswert erachtet wird. Wir haben daraufhin im vergangenen Jahr verschiedenste Untersuchungen unter Beteiligung von Öffentlichkeit, Vereinen und Verbänden durchgeführt und unterschiedliche Varianten einer Verlagerung der Reichsstraße geprüft. Schlussendlich ist dabei die jetzt in der Drucksache beschriebene und vorgeschlagene Maßnahme herausgekommen. Dabei geht es um die Verlagerung der bisher bestehenden Straßen zum Bahndamm hin zu einer Gesamtverkehrsfläche, die den Stadtteil zwar immer noch von Nord nach Süd durchschneidet, aber erhebliche Entwicklungspotenziale innerhalb Wilhelmsburgs bietet.

Wir haben als Konsequenz dieser Maßnahme aber nicht nur die stadtentwicklungspolitischen Vorteile zu sehen, sondern es geht schlicht und ergreifend auch darum, inwieweit es ein Konzept ermöglicht, die Menschen vor Lärm und Umwelteinflüssen zu schützen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Mit einer einmaligen Aktion ist es dem Senat gelungen, in den vergangenen Monaten in Endgesprächen mit Berlin ein Konzept zu entwickeln, das weit über das Bekannte hinausgeht und in der Öffentlichkeit Anklang findet. Wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, ob wir ein solches Konzept riskieren wollen, wie die SPD es zurzeit tut, und dann den Leuten hinterher erklären müssen, warum sie keinen Lärmschutz in ihrem Stadtteil bekommen.

Die in der Drucksache aufgeführten Mehrkosten werden bis auf die Planungskosten vollständig durch den Bund getragen. Durch den zusätzlichen, über die gesetzlichen Maße hinausgehenden Lärmschutz entstehen Hamburg keine Kosten, lediglich die Planungskosten werden uns anteilig berechnet werden. Und weil dieses Projekt ein Pilotprojekt für ganz Deutschland sein kann, wird Berlin diese Kosten vielleicht anteilig übernehmen. Wir sind aber in einem Zeitfenster – das darf man bei dieser Entscheidung nicht vergessen –, das sehr kurz ist. Derzeit sind wir rund vier Wochen hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück, nach dem eine Verlegung bis zu den Maßnahmen von igs und IBA 2013 erfolgen sollte. Vier Wochen sind aus meiner Sicht ein überschaubarer Zeitraum.

Mit dieser Entscheidung heute soll die Grundlage dafür gelegt werden, dass wir Planung und Entwicklung weiter vorantreiben können. Mit ihr würden wir insbesondere Berlin signalisieren, dass wir Interesse an einer Unterstützung dieser verkehrspolitischen Maßnahme durch den Bund haben. Eine Ablehnung unseres Antrags würde riskieren, dass wir die zusätzlichen Mittel nicht mehr einwerben können. Der Verkehrsetat in Berlin ist deutlich kleiner geworden und wir sind nicht allein auf der Welt. Mit Sicherheit wird es andere Bundesländer geben, die diese Gelder dann für andere, aus ihrer Sicht wichtige Projekte einwerben würden.

Die SPD verweist im Zusammenhang mit einer möglichen Ablehnung oder Nicht-Zustimmung zu dieser Drucksache auf drei Argumente.

Das erste Argument ist der angeblich fehlende Lärmschutz. Meine lieben Sozialdemokraten, ich frage mich immer, warum das hier plötzlich anders ist, als es an anderer Stelle sein sollte. In unseren Sitzungen und öffentlichen Veranstaltungen hätten Sie erkennen können, dass es in diesem Konzept sogar deutliche Fortschritte gegenüber dem gesetzlich reglementierten Lärmschutz gibt. Wir werden elementare Veränderungen haben, die zu einer Reduktion von bis zu 10 dB(A) führen. Sie wissen, dass schon 3 dB(A) eine Halbierung des bestehenden Lärms bedeuten würden. Ich frage mich ernsthaft, wie Sie dieses Lärmschutzkonzept noch anzweifeln können. Die Kombination von Schienen- und Fahrzeuglärm ist dabei berücksichtigt worden.

Sie argumentieren zweitens mit der Frage einer möglichen Abfahrt Rotenhäuser Straße, dass dort die Verkehre dann vielleicht nicht so geführt werden können, wie Sie es sich vorstellen. Da muss ich ganz deutlich sagen, dass wir in einer Phase der Entscheidung für oder gegen eine Verlagerung sind. Wie diese dann tatsächlich aussehen wird, ist dem weiteren Verfahren geschuldet. Es ist nicht in Stein gemeißelt, dass diese Abfahrt dort sein muss. Ob sie etwas weiter nördlich oder südlich verlaufen kann, ist eine andere Frage. Erst einmal müssen wir doch feststellen, dass wir diese Abfahrt brauchen. Wenn Sie sich anschauen, ob und inwieweit es möglich ist, diese Abfahrt innerhalb der Wilhelmsburger Mitte zu bauen, dann werden Sie feststellen, dass die dort vorhandenen Radien das gar nicht ermöglichen. Wir haben dort – und zwar mit Ihrer Unterstützung, das will ich gar nicht verhehlen – andere Projekte manifestiert, die geeignet sind, den Standort weiter voranzutreiben. Sie können die Investoren und die Stadt, die diese Projekte vorantreibt, doch jetzt nicht dazu zwingen, wieder neue Überlegungen zu übernehmen. Aber nichts ist in Stein gemeißelt, warum sollten Sie also gegen die Drucksache stimmen?

Ihr drittes und witzigstes Argument – das habe ich der Presse entnommen –, angeblich seien die Verkehrszahlen nicht bekannt. Auch Sozialdemokraten waren bei der Vorstellung der Verkehrszahlen anwesend. Man kann sich darüber streiten, ob die prognostizierten Zahlen sich nun auf 55 000, 56 000 oder 54 000 belaufen. Aber ein bundesweit anerkanntes Verfahren als Argument zu nutzen, weshalb man dieser Drucksache nicht zustimmen könne, finde ich außerordentlich schwach.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass Sie als SPD gefordert sind, den Wilhelmsburgern ein Zeichen zu geben, in welche Richtung es mit ihrem Stadtteil gehen wird. Seit Neuwahlen anstehen, debattieren Sie über den Stopp des Neubaus der BSU oder die Verhinderung der Verlegung der Reichsstraße. Sie bringen Unsicherheiten in einen Stadtteil, den Sie viele Jahrzehnte vernachlässigt haben und der nun durch die CDU-geführten Senate auf dem Weg der Besserung ist. Ich fordere Sie auf, diesen Weg weiter zu gehen und den Leuten zu zeigen, dass auch Sie in der Lage sind, gute Politik zu unterstützen, die dieser Senat gemacht hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort bekommt Herr Hakverdi.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit Wochen und Monaten wird debattiert – das ist natürlich falsch –,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Ja!)

es wird seit Jahren debattiert.

(Jörn Frommann CDU: Eben!)

Auch die Punkte, die Sie eben benannt haben, sind seit Jahren bekannt. Ich zitiere aus zwei Anträgen, den Drucksachen 19/3384, einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen von CDU und GAL, und 19/3284, einem Antrag der SPD-Fraktion. Beide stammen aus Sommer 2009.

Im gemeinsamen Antrag von CDU und GAL wird unter Ziffer 3 gefordert:

"Eine Entlastung der Wilhelmsburger Mitte durch einen Verzicht auf die bisherigen Aufund Abfahrten der Wilhelmsburger Reichsstraße in diesem Bereich bei gleichzeitiger Prüfung einer neuen Auf- und Abfahrt im Bereich Rotenhäuser End mit sogenannten Holländischen Rampen ist zu verfolgen."

Ich will diese Formulierung gar nicht grammatikalisch kritisieren, sondern nur rein inhaltlich.

(Jörn Frommann CDU: Sie haben sich bis- her ja rausgehalten!)

Aus dem gleichen Monat ist der Antrag der SPD. Ebenfalls unter Ziffer 3 heißt es da:

"dass die Auffahrt 'Wilhelmsburg' auf die Wilhelmsburger Reichsstraße auch nach deren Verlegung nach Osten von der Neuenfelder Straße erfolgt, damit eine Verlagerung des heute dort gebündelten Verkehrs in umliegende Straßen vermieden wird."

Der Lernprozess hat zwar anderthalb Jahre gedauert, aber jetzt ist Ihre Forderung zumindest nicht mehr in Stein gemeißelt. Wenn sich gleich auch noch Herr Kerstan von dem gemeinsamen Antrag von GAL und CDU aus dem Sommer 2009 distanziert,

(Jörn Frommann CDU: Haben Sie nicht zu- gehört?)