Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

(Beifall bei der CDU und bei Michael Gwosdz GAL)

Wenn wir uns die Beiträge der LINKEN anhören, kann ich nur sagen: Freiheit für die Gummibärchen. Grundsätzlich sind Sie für alle grundsätzlichen Gebührenfreiheiten dieser Welt. Seien wir doch einmal ganz ehrlich: Was Sie wirklich wollen, ist eine andere Republik. Wohin diese Politik geführt hat,

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

mussten wir 40 Jahre lang tatenlos mit ansehen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Uwe Grund SPD)

Ich gebe jetzt Frau Heitmann das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte einmal sagen, dass ich die Art und Weise, wie Sie in den letzten Wochen Opposition gemacht haben, ein bisschen billig finde.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Ich habe das Gefühl, Sie legen ein Wahlprogramm auf die eine Seite, dann legen Sie den Koalitionsvertrag auf die andere Seite und schauen, wo die GAL Kompromisse eingegangen ist. Dazu stellen Sie dann einen Antrag, haben aber keine Gegenfinanzierung.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Dr. An- dreas Dressel SPD: Das ist echt blöd, wenn man an sein Wahlversprechen erinnert wird!)

Genau das ist es. Dann deklarieren Sie nämlich alles als gebrochene Wahlversprechen. Das finde ich leider ein bisschen traurig. Das ist hier kein Wunschkonzert, sondern das ist ein Parlament, das auch zukunftsfähige Politik machen soll.

(Ingo Egloff SPD: Schauen Sie doch einmal in Ihr eigenes Wahlprogramm!)

Ich würde mich, ehrlich gesagt, freuen, wenn Sie sich den Koalitionsvertrag einmal genau durchlesen. Dann sehen Sie, dass gerade im Bildungsbereich eine Menge passieren wird,

(Michael Neumann SPD: Das fürchte ich auch!)

was gerade darauf ausgerichtet ist,

(Unruhe im Hause – Glocke)

dass soziale Gerechtigkeit in dieser Stadt wieder großgeschrieben wird.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Frau Heitmann – meine Damen und Herren, es wäre angenehmer, wenn Sie sich ein bisschen in der Lautstärke zurücknehmen könnten, damit Frau Heitmann auch mit ihren Worten durchdringen kann.

Ich habe auch nur noch einen Satz. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit allem, was in den nächsten Jahren im Schulwesen wirklich passieren wird und was auch die Lage der Schüler – gerade der sozial schwachen – deutlich verbessern wird, einmal ähnlich intensiv auseinandersetzen würden wie mit dem Büchergeld. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU – Zuruf: Ja, das machen wir, versprochen!)

Wenn jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, kommen wir zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 19/441 an den Schulausschuss zu?

(Zuruf: Das ziehen wir zurück!)

- Dann ist der Überweisungsantrag zurückgezogen.

Sodann kommen wir zur Abstimmung. Wer möchte den SPD-Antrag aus der Drucksache 19/441 annehmen und das darin aufgeführte Gesetz zur Wiedereinführung der Lernmittelfreiheit beschließen? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann ist das mehrheitlich abgelehnt.

Ich rufe jetzt den Punkt 37 der Tagesordnung auf, Antrag der SPD-Fraktion: Barrierefreies Fernsehen.

[Antrag der Fraktion der SPD: Barrierefreies Fernsehen – Drs 19/596 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Kultur-, Kreativwirtschafts- und Tourismusaus

(Wolfgang Beuß)

schuss überweisen. Wird das Wort gewünscht? – Herr Grund, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie machen heute Abend, wenn Sie nach der Sitzung nach Hause gehen, den Fernseher an und Sie haben kein Bild, dafür einen Ton.

(Barbara Ahrons CDU: Europameister- schaft!)

Dann schalten Sie um und haben einen Ton und dafür kein Bild. Das probieren Sie weiter und kommen immer zu dem gleichen Ergebnis. Dann haben Sie meiner Ansicht nach zwei Chancen. Erstens: Vielleicht sagen Sie, dass Sie Glück gehabt haben, weil das Programm heute sowieso mies war. Die andere Alternative ist: Sie suchen einen fachkundigen Elektrotechniker auf, der sich um Ihr Gerät bemüht.

(Hartmut Engels CDU: Zwei Fernseher an- schaffen!)

Wenn Sie sich in dieses Bild hineinversetzt haben, dann stehen Sie vor dem Thema, wie es gehörlosen und blinden Menschen in Hamburg geht, die versuchen ihre Medien zu nutzen. Das war der Versuch, der Weg, den ich gerne mit Ihnen gehen wollte.

Der freie Zugang zu Medien und die ungehinderte Nutzung von Medien ist – ich glaube, da sind wir uns alle einig – in einer modernen Demokratie vollständig unverzichtbar und ein hohes Gut. Wir haben aber Bevölkerungsgruppen, denen wir die Mediennutzung so schwer machen, dass sie in vielen Fällen davon vollständig ausgeschlossen sind. Nahezu jeder zehnte Hamburger Bürger ist mittel- bis hochgradig schwerhörig. Fast 2 000 Menschen in dieser Stadt sind vollständig gehörlos. Wir haben 35 000 Menschen mit schweren Sehbehinderungen und über 3 000 Hamburgerinnen und Hamburger sind blind. Das Problem, das ich Ihnen eingangs geschildert habe, ist für diese Menschen Alltag. Trotzdem ist es Realität, dass dieses Problem für diese Menschen gar nicht existieren müsste, weil es längst in unserer fortgeschrittenen technologischen Gesellschaft gelöst ist. Es ist ohne Schwierigkeiten für gehörlose Menschen möglich, Alternativen im Fernsehen darzustellen, genauso wie es heute möglich ist, Blinden das Teilnehmen an diesem Medium durch Audiodeskription zu erleichtern.

Dennoch geschieht dies in weiten Teilen nicht. Das eigentlich Interessante und wie ich finde Ungeheuerliche ist, dass bei diesen Lösungen Deutschland in Europa die Position des Schlusslichts einnimmt. Während in Dänemark 70 Prozent der Fernsehunterhaltung und der Fernsehprogramme inzwischen untertitelt sind, ist in Frankreich vorgesehen, dass bis zum Jahre 2010 alle Fernsehprogramme unter

titelt werden und in England will BBC das schon im nächsten Jahr schaffen. In Hamburg und in Deutschland haben wir das Problem, dass im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gerade einmal 9 Prozent aller Fernsehprogramme untertitelt sind und im privaten Rundfunk ist es gerade einmal 1 Prozent aller Sendungen. Dies bezeichne ich als einen rücksichtslosen Umgang mit den Rechten behinderter Menschen in diesem Land und als eine Zumutung obendrein.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Die Forderung der SPD lautet, dass wir nicht das Unmögliche jetzt wollen, sondern dass wir sagen: Bis zum Jahre 2012 sollen in Deutschland wenigstens 50 Prozent der Fernsehsendungen untertitelt werden. Das ist mit Aufwand versehen – unbestritten. Allerdings: Wir finden, mit einem Aufwand, der darstellbar ist. Die Produktion einer Minute eines Fernsehfilmes kostet etwa 1 000 bis 4 000 Euro, je nachdem, um welches Genre es sich handelt. Die Kosten für die Untertitelung betragen ganze 30 Euro. Wir bewegen uns also in der Prozentgrößenordnung, was die Kostenlage anbelangt, manchmal sogar in der Promillegrößenordnung, je nachdem, ob es sich um teuere oder günstige Programme handelt.

Es geht also um einen Beitrag, der leistbar ist. Deshalb finden wir, dass diese Forderung, in den nächsten vier Jahren dieses Problem so zu lösen, dass wenigstens 50 Prozent der Programme untertitelt sind und mehr Audiodeskriptionen stattfinden, völlig gerechtfertigt. Langfristig muss es das Ziel sein, dass wie in anderen europäischen Ländern 100 Prozent dieser Sendungen untertitelt werden. Appelle alleine – wir haben es in den vergangenen Jahren schmerzvoll lernen müssen – reichen nicht mehr aus. Ich sage: Wer unsere Verfassung ernst nimmt und von Chancengleichheit und Barrierefreiheit spricht, kann nur zu einem Schluss kommen. Die Barrieren in der Mediennutzung für behinderte Menschen müssen endlich fallen.

(Beifall bei der SPD und bei Kersten Artus DIE LINKE und Michael Gwosdz GAL)

Das Wort hat Herr Wankum.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Kollege Grund, in der Tat ist dies ein Thema, dem man mit dem nötigen Respekt entgegentreten muss – mit dem nötigen Respekt den Betroffenen gegenüber, aber auch mit dem nötigen Respekt denjenigen gegenüber, die sich seit Jahren auch in Deutschland um eine Verbesserung der tagtäglichen Lebensbedingungen von Behinderten nicht nur im Bereich der Nutzung der Medien bemühen. Da ziemt es sich für niemanden von uns zu versuchen, sich dieses

(Vizepräsident Wolfhard Ploog)

Themas zur eigenen Profilierung zu bemächtigen. Ihr Antrag, Herr Grund, kopiert einen identischen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landtags aus dem vergangenen Jahr.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, und?)

Er lässt uns eine Debatte führen, die in fast allen Bundesländern bereits geführt worden ist – und hier kommen wir zum Thema – auch hier in Hamburg bereits vor drei Jahren. Dementsprechend beziehen Sie sich auf die in der Vergangenheit geführten Diskussionen. Ich muss dem Senat danken, dass er diese Diskussionen der Vergangenheit dazu genutzt hat, in den Entwurf des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrages bereits eine entsprechende Richtlinie, einen entsprechenden Paragrafen, aufzunehmen, der diese Dinge in der Zukunft so regelt, dass wir zu deutlichen Verbesserungen kommen.

Wir haben einen großen Nachholbedarf, das ist richtig. Wer in angelsächsischen Ländern fernsieht, weiß, dass die Situation dort viel besser ist. Die hohen Prozentzahlen in Ländern wie Dänemark oder Holland haben auch damit zu tun, dass die Untertitelung aufgrund der Tatsache gegeben ist, dass es sich sehr oft um englische Filme handelt. Wir sind in der Sache einig und deswegen stimmen wir auch zu, dass wir diesen Antrag an den Kulturausschuss überweisen, um ihn dort mit dem nötigen Ernst und zielführend zu beraten und dann gegebenenfalls zu entsprechenden Beschlüssen zu kommen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)