Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Mein erster Punkt ist die Situation der Gerichte. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Die Situation an den Gerichten mag im Einzelnen unterschiedlich sein, die Tendenz insgesamt ist jedoch eindeutig: Die Belastung hat gegenüber dem letzten Doppelhaushalt zugenommen. Teilweise nimmt die Zahl der Verfahren zu, auf jeden Fall aber nimmt die Komplexität der Verfahren zu, eigentlich in fast allen Bereichen. Dem wird der Haushaltsansatz nicht gerecht. Die außerordentlich hohe und weiter steigende Belastung der Richterinnen und Richter und, nicht zu vergessen, der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Gerichten ist in der Debatte um den Justizhaushalt sehr deutlich geworden. Das birgt – jetzt überspitze ich ein bisschen, aber es zeigt doch die gefährliche Tendenz – eine große Gefahr. Das Vertrauen in die Regeln einer demokratischen Gesellschaft lebt davon, dass diese Regeln für alle gleich gelten, unabhängig vom Einkommen und vom gesellschaftlichen Status. Wenn Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität, die der Gesellschaft meist riesigen Schaden zufügen, wegen unzureichender Ausstattung der Gerichte und der Staatsanwaltschaften oder auch, wie wir gestern gehört haben, der Kriminalpolizei häufig nicht ausreichend aufgeklärt werden können, wenn andererseits die Sozialgerichte, die mit einem seit Jahren andauernden Anstieg von Klagen die Folgen rechts- und sozialpolitischer Fehlentscheidungen zu tragen haben, Klagen nicht mehr zeitnah abarbeiten können und die Betroffenen mit überlangen Verfahrensdauern und oft damit verbundenen großen Notlagen zahlen, dann gelten diese Regeln de facto eben nicht für alle gleich.

Es gibt verschiedene Anträge zur Aufstockung der Gerichte. Für uns ist es inakzeptabel, wenn die CDU die Verwaltungsgerichte stärken und das durch Kürzungen bei den Ausgaben für die öffentliche Unterbringung finanzieren oder die SPD dasselbe durch Kürzungen bei Transferleistungen für Asylbewerberinnen und Asylbewerber erreichen will. Das sind keine Lösungen.

(Beifall bei der LINKEN und der FDP)

Mein zweiter Punkt ist die Wiedereingliederung von Gefangenen in die Gesellschaft. Zwar sind die

schlimmen Zeiten von Kusch und Co. vorbei, aber leider fehlt der SPD zwar nicht das Gottvertrauen, dass Resozialisierungsmaßnahmen auch weiterhin aus EU-Fonds finanziert werden, jedoch der Mut für neue reformerische Anläufe bei der Resozialisierung. Eine große Chance haben Sie, Frau Senatorin, mit der resozialisierungsfeindlichen Entscheidung vertan, den Frauenvollzug nach Billwerder zu verlegen – gegen die Kritik praktisch aller Fachleute

(Zuruf von der SPD: In Brandenburg funktio- niert das aber ganz gut!)

und gegen die gesamte Opposition, und zwar aus Kostengründen, weil Sie damit angeblich Geld sparen. Sie hätten die Chance gehabt, überzählige Haftplätze zum Ausbau des offenen Vollzugs zu nutzen

(Zuruf von der SPD: Das machen wir doch in Glasmoor!)

dann sage ich zum ausreichenden Ausbau –, und damit die Bedingungen verbessern können, die dazu beitragen, dass Inhaftierte nach Verbüßung der Haft ein straffreies Leben führen können. In Ihren vier Jahren herrscht im Strafvollzug leider Stillstand und Mangelverwaltung: unzureichende Therapieangebote, unzureichende Entlassungsvorbereitung, unzureichende Unterstützung nach der Entlassung, vor allem im Hinblick auf Arbeit und Wohnen.

Frau Senatorin, Sie haben einige bundesweite Initiativen zum Thema Gleichstellung ergriffen, aber keine Initiative zur Verbesserung der Resozialisierungsbedingungen. Ich will nur daran erinnern, dass der 37 Jahre alte Auftrag des Gesetzgebers, Gefangene in die Sozialversicherung einzubeziehen, noch immer nicht umgesetzt ist. Ergreifen Sie hier auf Bundesebene die Initiative, es wird Zeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte diese beiden ersten Punkte zusammenfassen. Wenn Sie im Justizhaushalt weiter kürzen, dann werden Sie am Ende entlassen müssen, und zwar Richter oder Gefangene oder beides.

(Beifall bei der LINKEN)

Mein dritter Punkt. Die Auseinandersetzung um den Umgang mit ehemaligen Sicherungsverwahrten liegt nun schon etwas zurück, aber sie war eine wichtige Auseinandersetzung. Wir von der LINKEN teilen die Auffassung von Justizsenatorin und SPD zur Sicherungsverwahrung nicht, ich möchte aber im Rückblick ausdrücklich sagen, dass wir anerkennen, dass die Behörde und der Senat im Wesentlichen nicht zurückgewichen sind vor gesellschaftlichen Ängsten und Ressentiments, sondern eine im Großen und Ganzen akzeptable Lösung gesucht haben. Manchmal gibt es auch für eine so grundsätzlich angelegte Oppositionspolitik, wie wir von der LINKEN sie machen, gute Gründe, Regie

rungspolitik mit eigenen Initiativen kritisch zu unterstützen. Das haben wir in dieser Sache getan.

(Beifall bei der LINKEN und bei Urs Tabbert SPD)

Leider bleibt mir nicht die Zeit, die Notwendigkeit einer Stärkung des Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu begründen, wir unterstützen jedoch die diesbezüglichen Anträge von GRÜNEN und FDP. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort bekommt nun Senatorin Schiedek.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach dem sehr schrägen, teilweise fast absurden Bild, das von der Hamburger Justiz und vom Justizvollzug gezeichnet wurde, möchte ich vorab klarstellen, dass wir in Hamburg eine sehr gute, sehr leistungsstarke Justiz haben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gerichte, der Staatsanwaltschaften und im Justizvollzug leisten eine ganz hervorragende Arbeit, und dieses Bild haben sie so nicht verdient.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Rahmenbedingungen, die schon mehrfach angesprochen wurden, gehört selbstverständlich, dass auch die Justiz ihre Hausaufgaben machen muss. Das tun wir, indem wir laufend unsere bestehenden Strukturen überprüfen und den aktuellen Anforderungen anpassen, Aufgabenkritik durchaus als Daueraufgabe verstehen und die vorhandenen Mittel im Belastungsverbund der Justiz flexibel einsetzen. Dazu leistet nicht nur meine Behörde, dazu leisten auch die Gerichte, die Staatsanwaltschaften und der Vollzug tatkräftig ihren Beitrag, den ich an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben möchte.

(Beifall bei der SPD)

Zu den Rahmenbedingungen gehört auch – Herr Tabbert hat es schon erwähnt –, dass wir diese im Vergleich zum letzten Haushalt entscheidend verändern konnten, und zwar in Bezug auf die Einnahmensituation. Für das Jahr 2015 gehen wir von zusätzlichen Einnahmen in Höhe von rund 20 Millionen Euro aus. Damit hat sich der Einsatz, den alle 16 Länder gegenüber dem Bund gezeigt haben, ausgezahlt. Es war nach 20 Jahren ohne Anstieg oder Inflationsausgleich wirklich höchste Zeit, auch einmal die Gerichtsgebühren anzupassen, denn, das wird von manchen vergessen, eine gute, leistungsfähige Justiz gibt es nicht umsonst.

(Beifall bei der SPD)

Aber zurück zum Stichwort leistungsfähige Justiz. Die Hamburger Justiz ist leistungsfähig und gut.

Der Rechtsstandort ist bundesweit anerkannt, was sich nicht zuletzt an der gerade erst im März dieses Jahres getroffenen Entscheidung zeigt, Hamburg als Standort einer Lokalkammer für das EUPatentgericht zu wählen.

Zweifelsohne haben die Gerichte und Staatsanwaltschaften gut zu tun, aber es lohnt sich ein differenzierter Blick, denn die Situation der Hamburger Justiz ist sehr uneinheitlich. Diesen differenzierten Blick haben – anders, als es hier geschildert wurde – auch die Gerichtspräsidenten in den Haushaltsberatungen durchaus gehabt.

(Beifall bei der SPD)

Die Eingangszahlen an den Amtsgerichten in Zivilsachen beispielsweise, die sich im vergangenen Jahr überdurchschnittlich entwickelt hatten, sind wieder rückläufig. Bei den Strafsachen haben wir insgesamt eine rückläufige Entwicklung. Besonders erfreulich, das sollte man an dieser Stelle einmal erwähnen, ist die Situation am Finanzgericht Hamburg, das nach wie vor zu den schnellsten Gerichten bundesweit gehört.

(Beifall bei der SPD)

Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass in der Hamburger Justiz viel geleistet wird. Deswegen haben wir die Entwicklung auch laufend im Blick, nicht nur zu den Haushaltsberatungen. Wo es zu Mehrbelastungen kommt, sind wir mit den Gerichten im Gespräch, um einen Ausgleich zu schaffen. Das haben wir im vergangenen Jahr bei den Amtsgerichten getan, und das gilt aktuell natürlich auch für das Verwaltungsgericht.

Nach einem zunächst deutlichen Anstieg der Asylverfahren in 2013 gab es im Juni dieses Jahres einen deutlichen Rücklauf, sodass wir während der Haushaltsberatungen nicht sicher prognostizieren konnten, welche Entwicklung sich ergeben würde; das hatten wir so auch deutlich gemacht. Aber seit Oktober haben sich die Neuzugänge beim einstweiligen Rechtsschutz verdoppelt und bei den Hauptsacheverfahren sogar verdreifacht. Insofern sind wir der SPD-Fraktion der Bürgerschaft sehr dankbar, dass zusätzlich zu unseren Anstrengungen zumindest vorübergehend eine weitere Kammer für das Verwaltungsgericht zur Bewältigung dieser Welle von Asylverfahren zur Verfügung gestellt werden soll.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen, dass es auch bei den Staatsanwaltschaften in bestimmten Bereichen besondere Belastungen gibt. Deswegen haben wir letztes Jahr ein Projekt eingesetzt, das – nur am Rande, Herr Müller – nicht aus Externen besteht, sondern mit einem ehemaligen Amtsgerichtspräsidenten und drei Staatsanwälten besetzt ist. Dieses Projekt hat nunmehr zahlreiche Maßnahmen zur Entlastung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und ins

(Christiane Schneider)

gesamt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaften vorgeschlagen, die wir zunächst einmal mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Staatsanwaltschaften diskutieren. Um diesen Veränderungsprozess unterstützend zu begleiten, haben wir entschieden, die Staatsanwaltschaften von der weiteren Konsolidierungsverpflichtung 2015/2016 auszunehmen.

(Beifall bei der SPD – André Trepoll CDU: Kleinem Mann kann man nicht in die Tasche greifen!)

Aber auch den Justizvollzug werden wir mit dem vorliegenden Haushalt noch ein ganzes Stück voranbringen. Auch wenn dies hier schon belacht wurde, finde ich, dass es eine ganz wichtige Maßnahme ist, denn die wenigen Arbeitsplätze, die in der Untersuchungshaftanstalt überhaupt nur zur Verfügung gestellt werden können, sind in der Küche. Insofern war die Fertigstellung der Küche, abgesehen von den kulinarischen Bedürfnissen, die da bestehen, auch in arbeitspolitischer Hinsicht eine ganz wichtige Maßnahme für die Untersuchungshaftanstalt. Diese haben wir fertiggestellt, und ab 2015 steht auch endlich die Sanierung des B-Flügels in der Untersuchungshaftanstalt an, wofür im Haushalt über 15 Millionen Euro zur Verfügung gestellt sind. Damit bauen wir einen lange angewachsenen Sanierungsstau ab und gewährleisten sichere und moderne Verhältnisse im Hamburger Justizvollzug.

(Beifall bei der SPD)

Ein ganz wichtiges Thema, das uns im Justizvollzug von Anfang an beschäftigt hat, waren die besorgniserregend hohen Krankenstände. Das von mir 2012 eingesetzte Projekt zu den Arbeitsbedingungen und Fehlzeiten im Justizvollzug steht vor dem Abschluss, und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Auch hier kann ich teilweise Ihre Darstellung, auch die von Herrn Müller, nicht nachvollziehen. Der Krankenstand im Vollzug ist um mehr als ein Viertel gesunken, und in der seinerzeit am stärksten betroffenen Anstalt, der JVA Billwerder, beträgt der Rückgang sogar mehr als ein Drittel. In der Konsequenz bedeutet das, dass jeden Tag 50 Kolleginnen und Kollegen mehr als noch 2011 ihren Dienst in den Anstalten tun, und das ist eine wichtige Nachricht.

(Beifall bei der SPD – Farid Müller GRÜNE: Über die Stimmung sagt das gar nichts aus!)

Die Themen, die in dem Projekt und in den Projektteams in allen Anstalten in den letzten Jahren behandelt wurden, waren wirklich vielfältig – von Kommunikation und Führungskultur bis hin zu finanziellen Anreizen und Beförderungsmöglichkeiten. Insofern freut es mich besonders, dass wir das Thema finanzielle Anreize, aber insbesondere auch das Thema der besseren Beförderungsbedingungen im Vollzug, im vorliegenden Haushalts

plan-Entwurf angehen. Neben der Erhöhung der Gitterzulage zum 1. Januar 2015 können wir durch die Stellenhebungen im Haushalt insgesamt 140 Kolleginnen und Kollegen – zusätzlich, möchte ich betonen – befördern. Das dient nicht nur der Motivation und dem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sondern damit erkennen wir auch die gestiegenen Anforderungen an den allgemeinen Vollzugsdienst bei der Behandlung der Gefangenen an.

(Beifall bei der SPD)

Erlauben Sie mir noch eine kurze Bemerkung am Rande, weil es schon mehrfach wiederholt wurde, Frau von Treuenfels. Die optische Überwachung, die Sie beim Jugendarrestvollzug ansprechen, ist keine Videoüberwachung. Da sitzt ein Beamter, der kann weder aufzeichnen noch braucht er ein Hinweisschild, denn er sitzt im Raum. Das ist die optische Überwachung. Insofern haben Sie das möglicherweise falsch verstanden. Bevor es sich noch mehrfach wiederholt, wollte ich das an dieser Stelle erwähnen.

(Beifall bei der SPD – Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Ich habe das überhaupt nicht falsch verstanden!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch gleichstellungspolitisch geht es voran in Hamburg. Das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm, an dessen Fortschreibung wir derzeit arbeiten, war und ist ein wichtiger Meilenstein, um die Gleichstellungspolitik in allen Politikfeldern zu verankern. Und einen ähnlichen Ansatz verfolgen wir aktuell auch mit dem Richtungspapier gleichgeschlechtliche Lebensweisen und sexuelle Identität, das wir Anfang 2015 vorlegen wollen.

Mit dem Gremienbesetzungsgesetz ist es uns gelungen, die gesetzliche Quote von 40 Prozent je Geschlecht schon jetzt, nur knapp ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, fast erreicht zu haben. Und gerade im Bereich der Aufsichtsräte der öffentlichen Unternehmen haben wir einen weiten Weg zurückgelegt von 16 Prozent zu Beginn der Legislaturperiode auf nunmehr 37 Prozent.

(Beifall bei der SPD)

Zuletzt haben wir mit dem Gleichstellungsgesetz auch für den öffentlichen Dienst endlich wieder Anschluss an eine moderne Gleichstellungspolitik gefunden. Im gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm hat der Senat beschlossen, die strategische Neuausrichtung des Haushaltswesens zu nutzen, um geschlechterbezogene Aussagen zu treffen, und mit der Aufnahme gleichstellungspolitischer Ziele und Kennzahlen im Haushaltsplan-Entwurf 2015/2016 wird Gender Budgeting nach vielen Jahren der Diskussion endlich Realität in Hamburg.