Ich möchte aber ein bestimmtes Beispiel herausgreifen, nämlich das der Wohnungslosenhilfe in Altona, einer sehr wichtigen Beratungsstelle. Allein in Altona konnten in diesem Jahr 176 nach Hilfe suchende Menschen nicht aufgenommen werden, das heißt, sie konnten gar nicht beraten werden. Menschen, die aus den Fachstellen für Wohnungsnotfälle zu dieser Einrichtung geschickt wurden, mussten abgewiesen werden. Aufgrund von mangelnder Beratung können viele Menschen ihren Rechtsanspruch auf Hilfe nach Paragraf 67 bis 69 nicht realisieren, und das soll für Sie Prävention sein. Das ist für mich, ehrlich gesagt, eher fahrlässige Armutspolitik.
Wenn das Ihre sozialdemokratische Sozialpolitik sein soll, dann würde ich an Ihrer Stelle den Kopf in den Sand stecken.
Ich habe vorhin gesagt, dass die Armut in der Stadt viele Gesichter hat und die Wohnungslosen angesprochen. Auch hier passiert uns viel zu wenig. Da die versprochenen Sozialwohnungen auf sich warten lassen und der Senat lieber zu große und zu teure Wohnungen baut, obwohl fast jeder zweite Hamburger oder jede zweite Hamburgerin einen Anspruch auf eine Sozialwohnung hat, platzen die Unterkünfte aus allen Nähten, weil eine Reintegration in gesicherte Wohnverhältnisse kaum möglich und anscheinend auch gar nicht die Absicht des SPD-Senats ist. Diese Situation war aber voraussehbar. Wir haben Ihnen schon vor knapp vier Jahren gesagt, dass wir immer mehr Flüchtlinge in der Stadt haben werden. Der Senat hat hier leider geschlafen und versucht seither, schleunigst Unterkünfte zu bauen, aber vergisst ständig, dass hier eigentlich Mindeststandards berücksichtigt werden sollten. Deshalb habe ich mich in der letzten Sozialausschusssitzung sehr gefreut, dass dort Jugendliche, die an Jugend im Parlament teilgenommen haben, sehr deutlich gesagt haben, dass Mindeststandards in den Flüchtlingsunterkünften, in der öffentlichen Unterbringung berücksichtigt werden müssen.
Wenn Sie die Unterkünfte schaffen, dann müssen Sie auch darauf achten, dass sie geschlechtsspezifisch sind, dass sie menschenwürdig sind, denn Massenunterkünfte wie in der Schnackenburgallee sind wirklich inakzeptabel.
Wir haben in den vorigen Bürgerschaftssitzungen viele Anträge zum Thema Mindeststandards eingereicht.
Wir haben sehr deutlich gemacht, dass wir unbedingt mehr Personal in der öffentlichen Unterbringung brauchen, das heißt, medizinische, psychologische, rechtliche Betreuung muss unbedingt gewährleistet sein. Das dürfen Sie nicht auf Ehrenamtliche abwälzen, die in den Flüchtlingsunterkünften viel Zeit verbringen und Flüchtlinge dort betreuen.
Zwangsräumungen gehören für uns verhindert. Es darf keine Zwangsräumungen in die Obdachlosigkeit geben.
Das heißt auch, das Personal in den Wohnungsnotfallstellen muss aufgestockt werden. Das Ziel muss eine konsequente Vermittlung in Wohnraum für alle Menschen sein, die das auch wollen. Es gibt hier drei Bausteine: Prävention, Reintegration sowie sozialer Wohnungsbau.
Aber nicht nur die Folgeunterkünfte platzen aus allen Nähten, sondern auch die Frauenhäuser; aufgrund des Mangels an Sozialwohnungen, aber auch, weil Frauen öfter am Wohnungsmarkt diskriminiert werden, vor allem, wenn sie einen Migrationshintergrund haben. Hierzu gehört für uns auch, dass ein weiteres Frauenhaus mit 50 Plätzen eingerichtet und das Personal in den bestehenden Frauenhäusern aufgestockt wird.
Frau Kaesbach hat es eben erwähnt, die Grundsicherung wird ab 2015 vom Bund hundertprozentig übernommen, das heißt, es ist eine enorme Entlastung für den Hamburger Haushalt. Dementsprechend kann auch viel mehr in den Sozialhaushalt investiert werden. Auch das steht in unserem Antrag. Wir fordern den Senat auf, die Stadt und ihre soziale Infrastruktur nicht kaputtzusparen. Teilhabe aller Menschen in Hamburg geht nur, wenn die Stadt auch sozial gerecht ist.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die größte vor uns liegende Aufgabe in diesem Teilplan Soziales ist die Unterbringung und vor allem die Integration der vor Bürgerkrieg und Verfolgung fliehenden Menschen. Die derzeitige Zahl an Schutzsuchenden stellt uns als Stadt, ja, stellt uns als Gesellschaft ohne Zweifel vor eine große Herausforderung, und ich möchte
eindeutig betonen, eine Herausforderung, die wir gegenwärtig meistern und die wir auch in Zukunft meistern werden.
Die große Hilfsbereitschaft der Hamburgerinnen und Hamburger, die sich in Unterstützergruppen zusammenschließen, Flüchtlinge willkommen heißen und ganz praktisch direkt vor Ort mit anpacken, lässt mich sehr zuversichtlich in die Zukunft blicken. Die Hamburgerinnen und Hamburger schaffen es gemeinsam mit der Stadt.
Neben dem Ausbau der Unterbringungskapazitäten und der Schaffung neuer Standorte haben wir vor allem auf Bundesebene eine wichtige Diskussion angestoßen. Die hat gute Ergebnisse gebracht, wie sie der eine oder andere nicht erwartet hatte. Dazu gehört die Debatte um die Armutszuwanderung aus Osteuropa und die finanzielle Unterstützung der besonders betroffenen Kommunen. Dabei geht es nicht, wie die CSU propagiert, darum, die Errungenschaften der Freizügigkeiten im vereinten Europa zurückzudrehen, sondern es geht darum, gezielte Angebote für die Menschen zu schaffen – hier in Deutschland, aber auch in ihren Heimatländern. Es geht darum, sie vor Ausbeutung zu schützen und ihnen zu einem gerechten Lohn zu verhelfen; es geht aber auch darum, denen, die hier scheitern, zu helfen, in Anstand und Würde zurückzukehren. Dafür haben wir verschiedene Anlauf- und Beratungsstellen eingerichtet, die sehr erfolgreich arbeiten und bundesweit Aufmerksamkeit erzeugen und die den Betroffenen bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche zur Seite stehen.
Wir haben außerdem eine Debatte angestoßen, wie minderjährige unbegleitete Flüchtlinge gerechter auf alle Länder und Kommunen verteilt werden können. Es kann doch nicht angehen, dass zehn Kommunen in Deutschland 90 Prozent der jungen Menschen aufnehmen. Das ist zum einen ungerecht, das schadet aber auch dem Kindeswohl, denn diese Kommunen sind zunehmend mit der großen Zahl der jungen Flüchtlinge überfordert, und ich will gern einräumen, dass auch Hamburg nicht mehr in jedem Fall Jugendhilfestandards bieten kann. Das geht besser, wenn wir zu einer anderen Verteilung kommen können, sodass hier nicht tausend Jugendliche sind und in Thüringen einer. Das ist Unsinn.
Hier erwarten wir Anfang des Jahres einen Gesetzesvorschlag des Bundes, da dieser Hamburger Vorschlag eine breite Mehrheit im Kreis der Bundesländer und der Ministerpräsidenten gefunden hat. Und wir haben eine Debatte über die Verteilung von erwachsenen Flüchtlingen angestoßen.
Es ist auch hier Unsinn, wenn in einigen Teilen der Republik Wohnraum abgerissen wird, wenn wegen der demografischen Entwicklung und der Abwanderung junger Menschen die Versorgungsinfrastruktur wie Kitas und Schulen oder sogar die Nahversorgung wie Supermärkte und Bäcker schließen, weil zu wenig Menschen da sind, und wir gleichzeitig in so dicht besiedelten Stadtstaaten wie Hamburg Container auf Park-and-ride-Plätzen aufstellen müssen. Daran sollte sich etwas ändern, und hierüber findet eine Debatte statt. Auch wenn direkt noch keine Lösung in Sicht ist, so kommt sie doch voran, und das ist der Verdienst Hamburgs.
Auch die Diskussionen in der Bürgerschaft zeigen, dass wir als Hamburger hier gemeinsam an einem Strang ziehen. Es steht für uns alle außer Frage, dass den Menschen geholfen werden muss, dass wir dafür das nötige Geld aufbringen und die Behörden Hand in Hand arbeiten müssen. Es gehört zur Hamburger Selbstverständlichkeit, dass sich willkommen heißen nicht nur auf ein Dach über dem Kopf und eine reine Grundversorgung beschränkt, sondern wir stellen frühzeitig die Weichen, damit die Menschen sich in Deutschland integrieren können. Selbstverständlich haben die Kinder Zugang zu Bildung, Kitas und Schulen, übrigens auch illegale, damit das einmal gesagt wird. Sie sollen so schnell wie möglich an Chancen teilhaben können. Selbstverständlich nehmen die Erwachsenen frühzeitig an Sprachkursen teil, und dort, wo das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht fördert, weil der Aufenthaltsstatus unsicher ist, fördern wir.
Wir wollen insbesondere diejenigen, die ein längerfristiges Bleiberecht erhalten werden – das wissen wir doch im Einzelfall –, frühzeitig erreichen. Wir wollen keine Zeit verschwenden, die Menschen nicht allein lassen und ihnen auch den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern. Hamburg hat sich dafür eingesetzt, dass die Menschen möglichst frühzeitig eine Arbeitserlaubnis erhalten, was nun nach drei Monaten der Fall ist.
Auch die Frist, unter der sie in die Vorrangprüfung fallen, ist mittlerweile auf 15 Monate herabgesetzt. Das erleichtert den Arbeitsmarktzugang sehr.
Denn die Menschen wollen arbeiten, sie wollen für sich selbst verantwortlich sein, und es liegt auch im beiderseitigen Interesse, bei der Integration früh anzusetzen, früh den Menschen eine Chance auf ein eigenständiges und vom Staat unabhängiges Leben zu geben.
Zur Politik für Zuwanderer und nicht in Hamburg geborene Menschen gehört auch die Willkommenskultur in dieser Stadt – auf das Welcome Center ist hingewiesen worden –, dazu gehört aber auch das Integrationskonzept, das dieser Senat vorgelegt hat und das wir gemeinsam mit dem Integrationsbeirat umgesetzt haben. Da ist nicht mehr das alte paternalistische Ihr und Wir federführend, sondern da sind es wir Hamburgerinnen und Hamburger, alle, die in dieser Stadt leben, egal ob hier oder wo auch immer geboren. Wir sind gemeinschaftlich dafür verantwortlich, dass diese Stadt eine Heimat für alle ist, und das drückt sich im Integrationskonzept aus.
Dazu gehört die Einbürgerungskampagne des Ersten Bürgermeisters, der alle Migrantinnen und Migranten, für die formal eine Einbürgerung möglich ist, angeschrieben hat. Es ist uns gelungen, über diese Kampagne Diskussionen in den einzelnen Communities anzuzetteln: Warum lässt du dich nicht einbürgern? Warum willst du nicht volle politische Teilhabe, aktive und passive, in diesem Land haben, in dem du Steuern zahlst, deine Kinder zur Schule gehen und in dem du leben willst? Es hat geklappt. Die Zahl der Einbürgerungen ist von 2011 bis 2013 um 30 Prozent von 5600 auf 7300 gestiegen. Ich finde, das ist ein schöner Erfolg, der uns anspornt, in den nächsten Jahren genauso weiterzumachen, für alle Hamburgerinnen und Hamburger, gleich, wo sie geboren sind. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, den Herr Senator Scheele eben erwähnt hat, und zwar auf die Frage der Umverteilung von minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen. Wir haben mit allen Fraktionen an anderer Stelle schon einmal zu diesem Thema diskutiert, und ich will sehr deutlich machen, dass man hier klar im Argument bleiben soll. Sie können auch jetzt schon, wenn es Betreuungskapazitäten in anderen Bundesländern gibt – also ein Jugendamt, eine Wohnunterkunft, eine dem pädagogischen und erzieherischen Bedarf angemessene Betreuung –, ohne Probleme diese Jugendlichen oder auch eine kleine Gruppe in ein anderes Bundesland schicken. So wird es in den Flächenländern schon längst gemacht. Dort können die zuständigen Kommunen ohne Probleme wechseln. Aber das Argument, dass es in Thüringen nur einen solchen Jugendlichen gibt und es dort leerstehende Unterbringungen gibt
das war das Argument des Senators, er hat es an anderer Stelle auch schon benutzt –, ist ein ordnungspolitisches Argument und keines, das mit dem erzieherischen Bedarf und mit der besonderen Schutzbedürftigkeit dieser Gruppe von Flüchtlingen zu tun hat.
Es liegen nun keine weiteren Wortmeldungen vor. Dann fahren wir mit der Debatte zum Bereich Familie, Kinder und Jugend fort.