Protokoll der Sitzung vom 25.08.2011

Meine Damen und Herren! Unter dem Motto "Kommt gar nicht in die Tüte, sondern in die Tasche" ermuntert die Hamburger Drogeriekette Budnikowsky ganz vorbildlich ihre Kundinnen und Kunden, ihre eigene Tasche mitzubringen, und honoriert das auch an der Kasse mit der Anschreibung von Bonuspunkten.

(Beifall bei Gerhard Lein und Matthias Al- brecht, beide SPD)

Im ersten Halbjahr hat das Unternehmen bereits eine halbe Million Kunden dazu gebracht, mit dem eigenen Einkaufsbeutel in den Laden zu kommen. Das ist ein schöner Erfolg ganz aus dem Stand heraus und ein Beispiel dafür, dass auch Unternehmen unserer Stadt Verantwortung gegenüber der Umwelt wecken und übernehmen.

(Beifall bei Matthias Albrecht SPD)

(Jens Kerstan)

Eine Verminderung der Tütenflut will das Unternehmen auch mit dem Angebot einer Plastikpfandtasche erreichen, die man mehrfach mitbringt und dann, wenn sie verbraucht ist, gegen eine neue eintauschen kann. Danach wandert sie vielleicht ins Recycling. Auch dafür gibt es Bonuspunkte und auch das ist ein gutes Beispiel, wenn auch eher zweitrangig.

Ich habe von dieser Aktion im Gespräch mit der Sprecherin des Zukunftsrates erfahren. Sie ist bekanntermaßen bei dem Unternehmen Budnikowsky gleichzeitig zuständig für Kommunikation und Nachhaltigkeit. Und sie berichtet auch von dem großen Interesse des Einzelhandels insgesamt an einer handelsübergreifenden Initiative, die Tütenflut einzudämmen. Das Thema soll dann auch in den zuständigen Ausschuss der Handelskammer eingebracht werden. Das ist ein guter Ansatz, der auch schon so ein bisschen in Ihre Richtung geht, Herr Kerstan. Herr Duge, Sie gucken gerade so ungläubig. Sie haben heute schon gesagt, die SPD rede nicht mit Initiativen. Wir reden mit Initiativen und erfahren dabei eine Menge Nützliches, was uns auch voranbringt.

Das Bemühen, die Plastikflut einzudämmen, ist also im Hamburger Einzelhandel durchaus vorhanden. Gesucht werden jetzt Best-Practice-Beispiele und notwendig ist dann natürlich auch die Verbreitung und vor allem, dass alle mitmachen. Das entspricht dann auch dem Motto der Umwelthauptstadt, Herr Kerstan hat es gesagt: Die ganze Stadt macht mit.

Es wäre schön, wenn wir im Umweltausschuss mit dem Einzelhandel, der Handelskammer, Abfallexperten und dem Senat darüber ins Gespräch kämen, welche Maßnahmen man entwickeln und ergreifen kann, um die Tütenflut in der Hansestadt einzudämmen und vielleicht auch über die Stadt hinaus Beispiele für praktischen Umweltschutz zu liefern.

Dort sollten wir aber auch der Frage nachgehen, ob und warum öffentliche Einrichtungen wie zum Beispiel Museen auf Plastiktaschen als Werbemittel setzen und ob es stattdessen nachhaltige Ideen gibt. Die Stadt ist über das Hamburgische Abfallwirtschaftsgesetz verpflichtet, im Beschaffungsund Auftragswesen dazu beizutragen, dass die Ziele der Abfallwirtschaft erreicht werden. Was die Stadt anschafft, muss darum langlebig, wiederverwendbar, verwertbar und vergleichsweise auch schadstoffarm zu entsorgen sein beziehungsweise von vornherein aus Recycling-Material hergestellt worden sein. Aber es darf natürlich alles auch nicht mehr kosten, sondern es muss sich in den Kostenrahmen einfügen. Wen wundert es, darüber wacht nicht die Umweltbehörde, sondern die Finanzbehörde.

Dann stellt sich auch die Frage, ob Papier bei Tragetüten eine bessere Umweltbilanz hat als Plastik.

So einfach, wie es scheint, ist das auch nicht, denn auch eine Papiertüte ist laut Umweltbundesamt nicht immer die umweltfreundlichere Alternative, weil sie teilweise mit Chemikalien präpariert ist und mit Farben bedruckt, die nicht umweltfreundlich sind.

Für mich ist eigentlich am kreativsten die Idee, wie man ohne Tüte auskommt, und das sollte uns denn auch über den Ausschuss hinaus weiter lenken. Hier ist das Tütenthema ganz geeignet, denn es wird uns auch auf das jetzt in Berlin zur Novellierung anstehende Kreislaufwirtschaftsgesetz lenken. Damit werden wir uns auch auseinandersetzen müssen. Also wir kommen über das eigentlich enge Tütenthema in ein weites Feld hinein, was uns zu gegebener Zeit noch zu beschäftigen hat. Wir diskutieren dann im Ausschuss weiter. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Thering.

(Thilo Kleibauer CDU: Ist eigentlich nur die Senatskanzlei für Plastiktüten zuständig?)

– Das ist eine gute Frage, Thilo, das sollten wir dann noch einmal klären.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist ein wirklich interessantes Thema, wie wir schon gehört haben. Wir begrüßen die Initiative der GAL und unterstützen den vorliegenden Antrag.

Ich möchte aber noch auf einiges hinweisen. Das düstere Bild, das uns die GAL malt, wird den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch dem Einzelhandel absolut nicht gerecht. Sie suggerieren, dass sich die Verbraucher und der Einzelhandel der Umweltproblematik von Plastiktüten nicht bewusst sind. Dabei setzen beide Akteure schon seit Jahren auf Vermeidung und umweltfreundliche Alternativen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kerstan, Sie haben recht, wenn Sie schildern, dass der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Plastiktüten in Deutschland bei 65 Stück liegt. Laut EUKommission benutzt aber jeder EU-Bürger 500 Einwegtüten pro Jahr. In der EU wird also achtmal so viel verbraucht wie bei uns. Ich denke, da sind wir schon ganz gute Vorreiter. Deutschland ist bei der Vermeidung von Müll einsamer Spitzenreiter. So kann es weitergehen, das ist ein guter Ansatz.

(Beifall bei der CDU)

Ein Grund für den geringen Verbrauch in Deutschland ist unter anderem die generelle Praxis des Einzelhandels, wenig Tüten an die Kunden heraus

(Dr. Monika Schaal)

zugeben. Die abgegebenen Tüten bestehen auch zu einem großen Teil aus nachwachsenden Rohstoffen, die biologisch abbaubar sind.

(Dr. Monika Schaal SPD: Ha, ha, ha!)

Neben Plastiktüten bieten viele Unternehmen ihren Kunden alternativ auch Tragetaschen aus Papier oder Stoff an. Darüber hinaus geben insbesondere Lebensmittelhändler und Supermärkte Plastiktüten nur noch gegen Entgelt ab. Dabei variiert der Preis zwischen 10 und 30 Cent. Dieser Tütenpreis spiegelt die Entgelte für Lizenzierung beziehungsweise die Rücknahme- und Verwertungskosten wider.

Plastiktüten sind in Deutschland von der Verpackungsordnung und dem dualen System erfasst. Durch Mülltrennung und Recycling wird bereits heute eine Kreislaufwirtschaft realisiert, die auf hundertprozentige Verwertung setzt. Aus alten Plastiktüten können somit neue Tüten und Säcke oder andere Produkte werden. Falls Plastiktüten doch einmal im Mülleimer im Restmüll landen, gehen sie in der Regel in die Müllverbrennungsanlage, wo sie problemlos entsorgt werden und ohne dass wir uns Sorgen um die Luftreinhaltung machen müssten.

Sie sprechen von der durchschnittlichen Nutzungsdauer einer Plastiktüte von 30 Minuten. In einer anderen Studie heißt es allerdings, dass fast drei Viertel der Verbraucher in Deutschland ihre Plastiktüte wieder benutzen. Also auch das ist ein Zeichen, dass die Deutschen eigentlich im Umgang mit Plastiktüten ganz gut dabei sind.

Nichtsdestotrotz steht das Thema auch auf unserer Agenda ganz oben. Wir bemühen uns, den Umwelteinfluss von Plastiktüten so gering wie möglich zu halten.

(Zurufe von der FDP)

Auch das ist eine Priorität. Vielleicht sieht die FDP das anders, aber der Umweltschutz ist uns in der Tat sehr wichtig.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der GAL, ich frage Sie jedoch, welche konkreten Vorstellungen Sie mit der Kooperation zwischen Einzelhandel und Verbrauchern, Umwelt- und Wirtschaftsverbänden verbinden. Im Antrag zumindest kann ich dazu relativ wenig finden. Aber wir werden das Thema noch im Umweltausschuss diskutieren und dann werden Sie bestimmt einige konkrete Vorschläge liefern.

Nichtsdestotrotz sind 65 Plastiktüten pro Deutschem im Jahr zu viel, dessen sind wir uns bewusst. Die Deutschen sollten hier auf sinnvollere Mehrwegtragetaschen umsteigen. Aber auch darüber werden wir im Umweltausschuss noch sprechen.

Über den richtigen Umgang mit Plastiktüten und anderen Verbrauchsgegenständen sollte bereits in Kindergärten und Schulen hingewiesen werden.

Das ist der erste Schritt für eine gesunde Umwelt. Dem Einzelhandel empfehlen wir, Tüten nicht kostenlos abzugeben. Wer dennoch Tüten anbietet, sollte solche aus recyclingfähigem Kunststoff anbieten oder solche, auf denen der Blaue Engel oder andere Umweltzeichen abgedruckt sind.

Die bisherigen Erfolge bei der Vermeidung von Müll durch Plastiktüten sind ein Beispiel dafür, wie mit einer auf Marktinstrumenten und Fortschritt beruhenden Umweltpolitik gemeinsam mit den Verbrauchern und der Wirtschaft Umwelt- und Ressourcenschutz erreicht werden kann. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Duwe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um es kurz vorwegzunehmen: Wir werden den Überweisungsantrag an den Umweltausschuss natürlich unterstützen. Der vorgelegte Antrag ist allerdings ein bisschen dünn und er suggeriert auch, dass es nichts kosten werde. Ich denke, wir sollten bei diesem Thema auch einmal schauen, was es bereits an Bestrebungen gibt.

Am 9. August hat die Konsultations-Periode der Europäischen Kommission zur Änderung der Richtlinie 9462 EG aufgehört. Das ist Ende dieses Monats und das heißt, die Diskussionen darüber sind gerade in vollem Gange, wie man dieses Problem in den Griff bekommt. Dieses Problem besteht nicht nur einfach in der Plastiktüte, es geht auch darum, wie man "biologisch abbaubar" definiert. Bisher ist es nicht fest definiert. Kunststoffe können innerhalb von zwei Tagen biologisch abbaubar sein, sie können aber auch 100 Jahre überdauern, wenn sie nicht in einem hochtechnologischen Industriebetrieb bearbeitet werden. Außerdem ist es natürlich auch wichtig zu sehen, welche Alternativen es gibt. Deshalb plädieren wir dafür, diese Diskussion im Umweltausschuss weiterzuführen.

Dieser Antrag mag gut gemeint sein, aber er ist sehr dünn und steht in der Tradition der Umwelthauptstadt Hamburg: viel Verpackung, wenig Inhalt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir finden die Geschenkidee der GAL hervorragend. Wir unterstützen diesen Antrag ohne Einschränkung und freuen uns auf eine kreative Diskussion im Ausschuss.

(Dennis Thering)

(Beifall bei der LINKEN und der GAL)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen, dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer einer Überweisung der Drucksache 20/1036 an den Umweltausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist einstimmig angenommen worden.

Wir kommen zu Punkt 82 der Tagesordnung, Drucksache 20/1050, Antrag der FDP-Fraktion: Alle Hamburger Grundschüler müssen schwimmen lernen!

[Antrag der FDP-Fraktion: Alle Hamburger Grundschüler müssen schwimmen lernen! – Drs 20/1050 –]