Protokoll der Sitzung vom 26.10.2011

Viele Hindernisse sind aus dem Weg geräumt, dann sollten wir nicht selbst Hindernisse aufbauen oder Lösungen zögerlich angehen oder erst einmal eine Europa-Initiative starten, wie die CDU das im August gefordert hat.

Als Umweltpolitikerin bin ich sehr froh, dass das Thema Landstrom in dieser Wahlperiode endlich die gebührende Bedeutung bekommt und wir im kommenden Jahr über konkrete Konzepte entscheiden können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Frau Stöver, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen! Nachdem Ihr Wirtschaftssenator sich klar gegen die Landstromversorgung ausgesprochen hat, kann ich der SPD im Moment nur gratulieren, dass sie das Thema endlich für sich wiederentdeckt hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Schön, oder? Wir hatten es nie verloren!)

Sehr schön, das finde ich ganz prima.

Ich möchte ganz kurz auf einige wichtige Aspekte eingehen. Der Hafen ist größter Arbeitgeber und einer der wichtigsten Wirtschaftsbereiche Hamburgs.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön.

Das drückt sich auch darin aus, dass derzeit circa 12 000 Seeschiffe und über 100 Kreuzfahrtschiffe jährlich den Hamburger Hafen anlaufen. Schiffsemissionen in Form von Abgasen, Lärm und Vibrationen sind damit an der Tagesordnung. Während in Deutschland Kraftfahrzeuge bereits seit Jahren flächendeckend mit Katalysatoren ausgestattet sind, verbrennen Schiffe immer noch hochviskoses Schweröl und stoßen ihre Abgase ungefiltert in die Luft. Auch während der Hafenliegezeiten müssen diese Schiffsaggregate für die Strom- und Wärmeerzeugung weiter betrieben werden. Dadurch entstehen Abgase wie Ruß und vor allen Dingen Stickoxide. Lärm und Vibrationen, die von den Schiffsaggregaten herrühren, werden zudem bis in ufernahe Gewerbe- und Wohngebäude übertragen.

Meine Damen und Herren! Mit dem prognostizierten steigenden Schiffsverkehr insbesondere bei den Kreuzfahrern verschärft sich die Problemlage zusehends. Hier ist der Senat aufgefordert zu handeln. Frau Krischok, ich gebe Ihnen recht, dass die Debatte schon viel zu lange dauert, dennoch hat der schwarz-grüne Senat deutliche Vorarbeit geleistet. Sie haben von einer Allianz gesprochen; diese gibt es nicht erst seit letztem Jahr, sondern die Allianz der europäischen Kreuzfahrtstädte besteht schon längere Zeit. Der ermäßigte Steuersatz ist jetzt auch durchgesetzt, die Machbarkeitsstudie ist da, das Gutachten des Germanischen Lloyds ist da, worauf warten wir also noch?

(Anne Krischok)

Die CDU zeigt mit ihrem Antrag, darauf möchte ich noch einmal eingehen, ein konkretes Handlungsziel auf. Der Vorteil einer mobilen und damit flexiblen Stromversorgung durch Power Barges ist offensichtlich. Eine wasserseitige Stromerzeugung statt Schwerölbetrieb reduziert die Abgasemissionen deutlich. Bei Stromerzeugung mit Gas und Brennstoffzelle, das können Sie sicherlich nachvollziehen, verringert sich auch der CO2-Ausstoß deutlich bis vollständig. Und nur mit einer PowerBarge-Lösung sind die Mobilität und die Flexibilität zu erreichen, denn der Einsatz des mobilen Landstroms dort, wo er gebraucht wird, ist eben nur möglich durch eine flexible Lösung dort, wo der Bedarf ist, und nicht dort, wo die Landstromversorgung angebracht ist. Dabei sind auch keine störenden Kabel und Mobilkräne notwendig. Damit wird dann auch das Kreuzfahrtterminal nicht verschandelt und der Ablauf der An- und Ablieferung wird nicht behindert. Ganz wichtig ist vielleicht auch noch, dass die Beachtung der Tide nicht erforderlich ist.

Vielleicht das wichtigste Argument für ein Energieschiff und für eine mobile Lösung ist die Multifunktionalität. Die Power Barge kann nicht nur Strom abgeben, sondern kann zusätzlich umfangreiche Dienstleistungen anbieten. Neben der Entsorgung und der Aufarbeitung von festen und flüssigen Schiffsabfällen kann die Power Barge auch Treibstoff, Schmieröl, Frischwasser, Dampf, Wärme und, und, und liefern. Dieses multifunktionale System führt zu einem deutlichen zeitlichen, aber auch finanziellen Vorteil.

Dann komme ich zum SPD-Antrag. Es drängt sich einem förmlich auf, wenn man ihn sich anschaut, dass Sie auf Zeit spielen wollen. Einen überschaubaren Zeitrahmen sehe ich hier tatsächlich nicht. Denn seien wir doch einmal ehrlich: Die Prüfungen, die Sie durch den Antrag beschlossen haben wollen, sind längst erfolgt und die Ergebnisse liegen den Behörden vor. Wir sind überzeugt, dass eine mobile Energieversorgung über Power Barges die flexiblere, umweltverträglichere und kostengünstigere Alternative zur landseitigen Stromversorgung ist. Hier sollte am besten noch in diesem Jahr ein Pilotprojekt starten.

(Beifall bei der CDU)

Hamburg hat mit dieser innovativen und kreativen Idee die einmalige Chance, als Vorreiter zu fungieren und noch im Jahr der Umwelthauptstadt ein Zeichen zu setzen. Sicherlich ist das Pflanzen von Bäumen ein guter Beitrag, um dem Ruf der grünen Metropole am Wasser gerecht zu werden, doch sollte der Senat seine Energie darauf verwenden, die Stromversorgung von Schiffen endlich umzusetzen. Ohne saubere Luft, das hat Frau Krischok schon angesprochen, wird in der östlichen HafenCity kein Wohnungsbau mehr möglich sein und das, liebe Kollegen von der SPD, kann weder in Ih

rem Sinne noch im Sinne der Stadt sein, wo Sie doch jährlich 6000 neue Wohnungen bauen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Worauf also noch warten? Wir fordern den Senat deutlich dazu auf, endlich zu handeln. Mit dem von Schwarz-Grün angestoßenen Gutachten des Germanischen Lloyds, der Machbarkeitsstudie des Industrieverbands Hamburg, dem ermäßigten Steuersatz und den Prüfergebnissen für eine mobile Stromversorgung liegen alle notwendigen Daten vor. Die Zeit des Prüfens, der Konzepterstellung und des Abwägens ist endlich vorbei. Ich fordere den Bürgermeister auf, dafür zu sorgen, dass seine Senatoren endlich handeln, damit sich die Luft an den Ufern der Elbe verbessert. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kerstan, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! In den wenigen Monaten der SPD-Regierung in der neuen Legislaturperiode haben wir uns schon daran gewöhnt, dass die Ansprüche im Umweltbereich niedrig gehängt werden und dass dort mangelnder Ehrgeiz vorherrscht. Aber mit diesem Antrag brechen Sie wieder einen neuen Tiefenrekord im Niedrighängen und wenig Ehrgeiz.

(Dirk Kienscherf SPD: Ist das jetztHesse II?)

Richtig, Frau Krischok, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben und wie Sie sagen, haben wir seit vier Jahren diskutiert. Es gibt Gutachten, Masterpläne und Machbarkeitsstudien, das liegt alles bereits vor. Es hat Initiativen des schwarz-grünen Senats auf Bundesebene für eine steuerliche Begünstigung und ähnliche Dinge gegeben; das haben Sie eben auch richtig angesprochen. Jetzt könnte man handeln, das haben Sie in der Opposition vehement eingefordert. Nun legen Sie einen Antrag vor und wie sieht das Handeln bei der SPD in Verantwortung aus? Ein halbes Jahr lang, bis Ende April 2012, soll erst einmal gar nichts passieren. Und dann soll der Senat kein Konzept vorstellen – Sie haben Ihren eigenen Antrag anscheinend gar nicht gelesen –, sondern es soll einen Bericht geben, der die Vor- und Nachteile darstellt, der bestimmte Sachen darlegt. Und das Albernste ist: Sie berichten von dem Gutachten des schwarz-grünen Senats, das jetzt vorliegt. Warum soll das vom Senat der Bürgerschaft erst in einem halben Jahr vorgelegt werden, wie in Ihrem Antrag gefordert? Wenn wir dieses Gutachten haben wollen, und wir wollen es, dann gibt es überhaupt keinen Grund, warum man das nicht jetzt sofort tun soll.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

(Birgit Stöver)

Wie Sie richtig sagen, ist der Handlungsbedarf groß und er ist in diesem Senat nur noch größer geworden. Dieser Senat hat sämtliche Maßnahmen in anderen Bereichen zur Luftreinhaltung, zum Schutz der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt ersatzlos weggewischt. Deshalb ist es umso dringender, das Abgas dieser Sondermüllverbrennungsanlagen, die sich Container- oder Kreuzfahrtschiffe nennen, endlich zu reinigen. Wir könnten jetzt handeln. Darüber haben wir schon im August gesprochen, aber was ist seitdem passiert? Das Gutachten ist fertig und wir wollen es sofort. Neu ist, dass der deutsche Marktführer im Kreuzfahrtbereich, die AIDA-Cruises, in einer Pressemitteilung gesagt hat, alle ihre Kreuzfahrtschiffe seien für den Landstrom ausgerüstet. Ich zitiere aus der Pressemitteilung von AIDA, wo der Hamburger Senat direkt angesprochen wird:

"Der Hamburger Hafen kann eine Vorbildfunktion für die Entwicklung des besten Landstrom-Konzeptes in ganz Europa übernehmen und damit Maßstäbe setzen."

AIDA Cruises ist bereit, ihr gesamtes Know-how zur Verfügung zu stellen und bietet aktive Mithilfe bei der Erstellung des Konzeptes an, übrigens unentgeltlich. Dieses Angebot gilt ab sofort. Was ist jetzt Ihr Handeln? Der Senat soll erst im April nächsten Jahres einen Bericht vorlegen. Noch mehr kann man nicht demonstrieren, wie wenig wichtig Ihnen dieser Bereich ist, und das ist ein Trauerspiel.

(Beifall bei der GAL)

Worum geht es bei diesem Antrag? Es geht doch nur darum, durch unnötige und überflüssige Prüfanträge – die Ergebnisse liegen bereits vor – einem Wirtschaftssenator, der Landstrom gar nicht will, und einer Umweltsenatorin, die eigentlich dafür sein müsste, sich aber überhaupt nicht dafür interessiert und der andere Dinge viel wichtiger sind, und die sich nicht einigen können, ein halbes Jahr Luft zu verschaffen, um eine Rechtfertigung dafür zu haben, nichts zu tun. Um nichts anderes geht es in Ihrem Antrag, und darum sollten Sie, Frau Krischok, Ihre Backen nicht so groß aufblasen, wie Sie es eben getan haben.

(Beifall bei der GAL)

Und wenn die SPD Prüfungen und Konzepte haben will, dann finden wir das gut. Das sollte jetzt so sein. Es ist nicht mehr die Zeit des Abwartens, sondern des Handelns. Deshalb haben wir Ihren Antrag verbessert, indem wir die einzelnen Punkte durchaus gelassen, die Fristen aber verkürzt haben. Bis Ende nächsten Monats wollen wir das Gutachten haben und bis Ende des Jahres kann dieser Senat, wenn er es nur will, ein Konzept vorlegen. Ich würde mir wünschen, dass Sie unserem Zusatzantrag zustimmen, denn jetzt ist die Zeit zu handeln und es ist Ihre Verantwortung. Wir möch

ten Ihnen gern dabei helfen. Stimmen Sie unserem Antrag zu, dann wird das sehr schnell gehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Herr Dr. Kluth, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Hafen brummt. Wir rechnen mit einem weiteren Anstieg des Containerumschlags, der Kreuzfahrttourismus entwickelt sich positiv und ein dritter Kreuzfahrtterminal ist im Gespräch. Wir finden diese Entwicklung uneingeschränkt positiv und wollen daran arbeiten, dass das so bleibt. Das heißt auch, die negativen Folgewirkungen zu erkennen, sie ernst zu nehmen und etwas gegen sie zu unternehmen. Zu diesen negativen Folgewirkungen gehören hohe Belastungen der Luft mit Schwefel, Feinstaub und Stickoxiden. Hierzu leisten Schiffe, die zum überwiegenden Teil mit Schweröl betrieben werden, ohne Zweifel einen ganz wesentlichen Beitrag.

Meine Damen und Herren! Insofern ist es richtig und wichtig, dass wir heute über eine zukunftsfähige Energieversorgung für Schiffe diskutieren. Landstromversorgung ist hierfür eine Möglichkeit, wenn aus Sicht der FDP dabei drei Bedingungen sichergestellt werden.

Erstens darf die internationale Wettbewerbsfähigkeit und die Beschäftigung des Hamburger Hafens durch eine landseitige Stromversorgung nicht beeinträchtigt werden. Zweitens muss sichergestellt werden, dass eine Landstromversorgung technisch und logistisch machbar ist. Drittens muss der ökologische Nutzen durch Landstromversorgung sichergestellt werden.

Zur Frage der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit ist zunächst festzustellen, dass sich der Senat und die SPD-Mehrheitsfraktion beim Thema Landstrom wohl noch nicht ganz einig sind. Ich erinnere daran, dass Senator Horch sich vor nicht allzu langer Zeit, nämlich im Mai, zum Thema Landstromversorgung auf NDR 90,3 wie folgt geäußert hat – ich zitiere –:

"Für Hamburg ist das nichts."

Herr Horch, vielleicht war das noch ein altes Manuskript aus früheren Tagen oder, wie Sie nach dem Citymaut-Desaster gesagt haben, die ersten Tage im Amt bedürften noch ein wenig Orientierung. Aber immer das Positive sehen: Dem vorliegenden SPD-Antrag ist demhingegen eine deutlich bessere Tendenz zu entnehmen. Und wenn wir es richtig sehen, dann kommen auch in Bezug auf die Landstromthematik aus der Wirtschaftsbehörde zwischenzeitlich positivere Signale. Deshalb der Wunsch an die Kollegen der SPD-Fraktion, zum

(Jens Kerstan)

Thema Landstrom zunächst in Ihrer eigenen Fraktion für Klarheit zu sorgen.

(Beifall bei der FDP)

Für die FDP ist klar, dass Hamburg auch nach entsprechenden Modernisierungsmaßnahmen im Bereich Landstromversorgung im Vergleich mit seinen unmittelbaren Konkurrenten in der Nordrange – Antwerpen, Rotterdam – für die Hafenwirtschaft und die Reedereien attraktiv bleiben muss. Diesen Aspekt wollen wir mit einem Zusatzantrag unterstreichen, der Ihnen vorliegt und für dessen Unterstützung wir werben.

Während also der Senat und die SPD etwas unklare und in sich widersprüchliche Signale senden, ist die Wirtschaft schon einen Schritt weitergegangen. So ist der Industrieverband Hamburg in seinem Gutachten zu dem Schluss gekommen – ich zitiere –:

"[…] dass auch unter den für die Umsetzung des Projekts schwierigen räumlichen Bedingungen am Kreuzfahrtterminal in der HafenCity der Bau einer landseitigen Stromversorgung für Kreuzfahrtschiffe technisch und baulich möglich ist."

Herr Kollege Kerstan hat in seinem Debattenbeitrag bereits erwähnt, dass auch der AIDA-CruisesChef Michael Thamm Dampf in Sachen Landstrom macht und dem Hamburger Senat sogar anbietet, kostenfrei bei der technischen Umsetzung mitzuwirken und zu beraten. Thamm will schon 2015 seine Kreuzfahrtschiffe so ausgestattet haben, dass diese landstromfähig sind, so die Ankündigung von AIDA. Unterm Strich sehen die Reedereien und die Hafenwirtschaft die Landstromversorgung als einen wichtigen Weg für die Energieversorgung im Hafen an und erwarten vom Senat jetzt auch Tempo; da teile ich die Auffassung des Kollegen Kerstan.