Protokoll der Sitzung vom 10.11.2011

Die CDU beklagt nun die unglaubliche Verschwendung von Steuergeldern, 530 000 Euro für den Umbau eines Gebäudes, das nur wenige Monate genutzt werden soll. Erst sollte der Umbau laut unserer Anfrage geschätzte 200 000 Euro kosten; hier kursieren also einmal wieder unterschiedliche Zahlen.

Aber das Problem setzt auch schon viel früher an. Die beiden Bürohochhäuser Spaldingstraße 1 und 1b wurden vor ungefähr 40 Jahren gebaut und standen in den letzten Jahren überwiegend leer. Sie wurden 2009 von der Stadt Hamburg gekauft und die Stadtteilinitiative Münzviertel bemühte sich jahrelang, dort Räume anzumieten. Dies wurde abgelehnt, weil der Abriss bereits beim Kauf geplant war. Der Voreigentümer hat 30 Jahre lang versucht, das Grundstück zu verkaufen, und die Finanzbehörde versucht es auch weiterhin. Dann soll ein neuer Büro- und Geschäftshauskomplex errichtet werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte hier noch einmal aus dem "Rahmenprogramm Integrierte Stadtteilentwicklung" zitieren:

"Diese Allianz basiert auf einer gemeinsamen Problembewertung, auf gemeinsam ausgehandelten Lösungsstrategien und Zielorientierungen."

(Andy Grote SPD: Welche Allianz denn ge- nau?)

"Sie beruht auf gemeinsamen Absprachen, Übereinkünften und Selbstbindungen zwischen den Beteiligten hinsichtlich Transparenz, Partizipation, Verantwortlichkeiten und kollektiver Entscheidungsfindung."

Zitatende.

Das sind schöne Sätze, aber ganz offensichtlich kümmert sich die Finanzbehörde nicht um Transparenz und kollektive Entscheidungsfindung.

(Dirk Kienscherf SPD: Da hat doch keiner ein Wohnhaus geplant!)

Eine Partizipation der Menschen aus dem Viertel war hier nicht gewünscht und hat leider auch nicht stattgefunden. Natürlich ist Steuergeldverschwendung ein großes Problem in dieser Stadt: vor kurzer Zeit der Zaun unter der Kersten-Miles-Brücke, jetzt die Unterkunft in der Spaldingstraße, falls sie abgerissen wird, und – an die Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion gerichtet – natürlich auch die Elbphilharmonie. Probleme waren aber auch schon vorher Leerstand, fehlende Einbindung der Bevölkerung, Intransparenz, überflüssige Büroflächen, Wohnungsnot und natürlich auch das alljährliche Hin und Her beim Winternotprogramm. Ein grundlegendes Problem ist hierbei die Kurzfristigkeit in der Planung. Anstatt dauerhaft zu investieren, wird rasch einmal umgebaut und rasch abgerissen.

(Dirk Kienscherf SPD: Früher gab es Fünf- jahrespläne, da war alles viel besser!)

Hier wurde wieder einmal nicht ordentlich gewirtschaftet.

Meine Damen und Herren! Deshalb fordern wir weiterhin ein Konzept für eine Grundversorgung

(Martina Kaesbach)

obdachloser Menschen, und das alljährliche Hin und Her um die Notquartiere muss ein Ende haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Übernachtungs- und Hilfsangebote müssen systematisch ausgebaut werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Herr Senator Scheele.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich hatte nicht erwartet, dass wir über das Winternotprogramm für obdachlose Menschen in dieser Weise hier heute diskutieren, aber ich will gerne zur Aufklärung beitragen.

Wenn man solche Zahlen in die Welt setzt, muss man genau wissen, worum es geht. Wenn man Flächen mietet oder beschafft, sind immer zwei Varianten vorgegeben: Man kann vor oder nach Umbau mieten, man kann eine niedrige Miete haben und hohe Investitionskosten oder man hat keine Investitionskosten und dafür eine hohe Miete. Das muss man als Erstes einmal beachten, wenn man mit solchen Zahlen umgeht.

Dann muss man schauen, dass man einen Vergleichsmaßstab findet, damit man ermessen kann, ob es teuer oder billig ist. Da bietet es sich an, einen Maßstab zu nehmen, der pro Bett und Nacht angelegt wird. Damit kann man etwas vergleichen, denn sonst kann kein Mensch wissen, ob es teuer oder billig, ob das Geld verschwendet oder nicht verschwendet ist.

Dann muss man drittens prüfen, was man kauft, ob man eine mindere oder eine hohe Qualität kauft. Wir schaffen an der Spaldingstraße – eben wurde darauf hingewiesen – Schlafplätze besonders für Frauen, auch Schlafplätze für Männer und Frauen gemeinsam, Schlafplätze für Menschen mit Hunden und richten ebenfalls eine Beratungsstelle für osteuropäische Obdachlose in dem Haus ein.

Wenn man das alles gemacht hätte, dann hätte man sich auch eine Beurteilung erlauben können. Ich will Ihnen sagen, was bei diesem Maßstab in den letzten Jahren in Hamburg passiert ist. 2009/2010 hat ein Platz im Winternotprogramm pro Nacht und Bett 13,29 Euro gekostet, 2010/2011 18,20 Euro und 2011/2012 19,44 Euro. Das finde ich eine angemessene Steigerungsrate, wenn man berücksichtigt, was wir dieses Mal dafür bekommen haben. Sie ist aus Sicht des Senats völlig angemessen.

(Beifall bei der SPD)

Insgesamt – die Abgeordnete Bekeris hat bereits darauf hingewiesen – hat der Senat im letzten Jahr 816 000 Euro ausgegeben. Das kritisiere ich über

haupt nicht. Wir planen in diesem Jahr 780 000 Euro auszugeben und hoffen, mit weniger Geld eine bessere Qualität bieten zu können und insofern einen wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt generieren zu können.

Nun zur Spaldingstraße 1. Der Umbau, das wurde heute schon gesagt, kostet 250 000 Euro, die Miete kostet null Euro. Darum habe ich eingangs ausgeführt, woraus sich die Kosten pro Bett und Nacht ergeben. Es sind null Euro Miete und 250 000 Euro Investitionskosten beziehungsweise Instandsetzungskosten für den Umbau. Es ist schade – dass wussten wir von Anfang an –, dass dieses Gebäude wahrscheinlich nur ein Jahr zur Verfügung steht. Wann immer ich danach gefragt wurde oder mit Kolleginnen und Kollegen aus der Obdachlosenszene geredet habe wie mit "Hinz&Kunzt"-Mitarbeitern, habe ich immer bedauert, dass es diese Möglichkeit nur für ein Jahr gibt, denn ich teile die Auffassung, dass es nicht gut ist, so etwas jedes Jahr neu zu machen, und in der Tat kommt der Winter jedes Jahr wieder.

Darum wird der Senat sich auch darum bemühen, unabhängig von den vernünftigen Verwertungsinteressen der Finanzbehörde, die wir nicht behindern wollen, dieses Gebäude ein zweites Jahr nutzen zu können, damit es wirtschaftlicher wird. Aber ich habe darauf hingewiesen, dass es im Grundsatz bereits jetzt wirtschaftlich ist.

Wir bemühen uns weiterhin darum, endlich ein Winternotprogramm so auszugestalten, dass es jedes Jahr reaktivierbar ist und wir nicht jedes Jahr zittern müssen, ob wir zu Beginn der kalten Jahreszeit ausreichend Schlafplätze für Menschen ohne Obdach haben.

(Beifall bei der SPD)

Ich schließe mich ausdrücklich denjenigen an, die bedauern, dass es nur für ein Jahr ist. Es würde auch viel Verwaltungsaufwand sparen, wenn wir es nicht jedes Jahr neu machen müssten. Wir werden uns darum bemühen, hoffen auf ein zweites Jahr und müssen schauen, dass wir eine vernünftige Lösung für mehrere Jahre finden.

Im Übrigen war dies immer ein Phänomen. Im letzten Jahr ist in aller Eile der Bunker eröffnet worden – das will ich jetzt nicht mehr bewerten. Aber auch das war nur für ein Jahr. Und die Unterkunft am Elfsaal in Jenfeld war auch nur für ein Jahr. Das ist ein typisches Phänomen, wenn ein Senat nicht vorsorgt, dass man jedes Jahr ein Winternotprogramm für eine bestimmte Anzahl von Menschen braucht. Das wollen wir besser machen und darum wollen wir uns bis zum nächsten Sommer kümmern. Ich kann es Ihnen jedoch nicht versprechen, dass wir es schaffen, denn niemand freut sich, wenn eine Unterkunft für Obdachlose neben ihm eingerichtet wird, aber wir werden alles tun, damit wir das Ziel erreichen.

(Cansu Özdemir)

(Beifall bei der SPD)

Zum Abschluss möchte ich die Fragen von Frau Fegebank beantworten, zum einen die Frage nach der Sogwirkung. Das ist uns von allen Menschen, die sich in dieser Landschaft auskennen, immer bestätigt worden. Wir erleben zurzeit, dass die Spaldingstraße relativ voll ist, dabei haben wir noch milde Temperaturen. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren gestern Abend einmal da, nicht, weil wir heute darüber sprechen, sondern weil wir ohnehin einmal schauen wollten, wie es dort aussieht. Die Belegung scheint so zu sein, dass wir ein Drittel polnische Obdachlose haben, ein Drittel rumänische und ein Drittel bulgarische Obdachlose, von denen ein Teil einer Tätigkeit nachgeht.

(Antje Möller GAL: Aber das ist ein ganz an- deres Thema!)

Sie müssen alle eine Unterkunft haben, wenn es kalt wird, niemand soll auf der Straße schlafen.

Wir haben aber sehr wohl das Phänomen, dass Menschen, die hier auch arbeiten, eine preiswerte Unterkunft suchen und sie natürlich sofort dahin gehen. Deshalb müssen wir uns fachlich darüber austauschen, wie wir mit diesem Problem umgehen. Sie müssen eine Unterkunft haben, hier soll niemand erfrieren, aber wir haben darauf reagiert mit einer Anlaufstelle für osteuropäische Obdachlose, um eine Rückführung in Würde gemeinsam mit den Konsulaten zu organisieren. Das finde ich vernünftig, aber es beweist auch, dass ich nicht einfach in der Landespressekonferenz über etwas geredet habe, was es gar nicht gibt. Dies erleben wir zurzeit, darüber muss man sich nicht sonderlich aufregen und diskriminieren, aber wir haben hier ein neues Phänomen, um das wir uns kümmern müssen.

Ein letzter Punkt zu Ihrer zweiten Frage. Es gibt diese Bescheide von "fördern und wohnen" für die Bewohner im Pik As. Beim Redaktionsbesuch bei "Hinz&Kunzt" am Montag haben mir die Kollegen diese gezeigt. Mit diesen Bescheiden wird gerade das, was die gut machen wollten, ein bisschen mit dem Hintern wieder umgestoßen, denn in Wahrheit, so ist mir berichtet worden, werden gerade Plätze im Pik As geräumt, um Menschen mit Hunden eine Übernachtungsmöglichkeit zu geben, und bessere Plätze in der Sportallee zur Verfügung gestellt. Als die Menschen dann in der Sportallee angekommen sind, waren sie ganz begeistert über das, was sie dort vorgefunden haben, so ist es mir berichtet worden. Aber der Bescheid erweckte zumindest einen anderen Eindruck. Gutes tun bedeutet auch, Gutes gut in Szene zu setzen und nicht etwas schlecht erscheinen zu lassen. Das ist die Erklärung zu Ihren beiden Fragen.

Ich denke, alles in allem haben wir ein gutes Winternotprogramm. Es ist finanziell angemessen und

ich hoffe, dass wir im nächsten Jahr etwas Längerfristiges finden. – Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt der Abgeordnete Haufler.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich bitte zuerst auf das eingehen, was Frau Bekeris gesagt hat, weil mich das seit der gestrigen Sitzung etwas ärgert.

(Jan Quast SPD: Tun Sie, was Sie nicht las- sen können!)

Frau Bekeris, Sie haben eine Argumentationsart vorgebracht, die in Ihrer Fraktion jetzt recht verbreitet ist und die draußen außerhalb der Politikerkreise als etwas unangenehm gilt. Sie reden sich nämlich alles so zurecht, wie Sie es gern hätten.

(Beifall bei der CDU – Dirk Kienscherf SPD: Oh!)

Wenn etwas gut läuft in Hamburg, wenn etwas da ist in unserer Stadt, worauf man stolz sein kann,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das Alkoholver- bot zum Beispiel!)

dann kommt der Bürgermeister und sagt, in Hamburg haben wir erstens, zweitens und drittens das und das gemacht, so zuletzt beim Empfang wegen des Anwerbeabkommens "50 Jahre Deutschland – Türkei", wo Sie von den zehn Dingen,