Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Man muss sich auch die Frage stellen, wie das Zusammenleben gestaltet werden soll und gestaltet werden kann. Dabei ist der Umgang mit dieser Situation auch ein Gradmesser für den Zustand der Demokratie in der Gesellschaft.

(Andy Grote SPD: Der Gesellschaft und der Demokratie!)

Das, was die Sozialbehörde bis jetzt geleistet hat, Herr Grote, reicht leider nicht aus.

(Beifall bei der LINKEN)

Den Integrationsbeirat gibt es bis heute nicht, also wird dieses Jahr auf dieses Feigenblatt verzichtet. Herr Scheele, Sie hatten zu den Oppositionsparteien gesagt, Sie möchten uns mit einbeziehen, aber das Einzige war, dass Sie uns eingeladen haben und eine fertige PowerPoint-Präsentation gezeigt haben.

(Finn-Ole Ritter FDP: Immerhin PowerPoint, hätte ja auch eine Tischvorlage sein kön- nen!)

Aber unsere Vorschläge haben Sie nicht angenommen.

Es gibt keine sichtbar tätige Stelle, die diese Aufgaben, die wir als Querschnittsaufgaben betrachten sollten, koordiniert und voranbringt. Es gibt eine Broschüre hier und eine Einbürgerungsfeier da, aber das löst keine Probleme.

Der Bürgermeister ist leider heute nicht da, aber an dieser Stelle möchte ich dennoch ausdrücklich die so geschickt terminierte Ankündigung der Einbürgerungskampagne begrüßen. Trotz der auf Bundesebene bestehenden Probleme wie der Optionspflicht betrachten auch wir das als den richtigen Weg, nämlich auf die Menschen zuzugehen und Unterstützung zu leisten bei der Wahrnehmung ihrer Rechte.

(Beifall bei Wolfgang Rose SPD)

Kommen wir zum Haushaltsantrag der SPD-Fraktion.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, da haben Sie vie- le!)

Dazu komme ich doch noch. Herr Kienscherf, hören Sie doch zur Abwechslung auch einmal zu. Es ist unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Konzept zur Verstetigung der bezirklichen Integrationsarbeit ist zwar schön und gut, dem können wir auch zustimmen, aber wer soll denn für die tatsächliche Umsetzung sorgen? Die Stellen der bezirklichen Integrationsbeauftragten sind nach wie vor nicht gesichert, und das hierfür bereitgestellte Geld reicht leider nicht aus.

(Andy Grote SPD: Sie sind gegen Integrati- on!)

Das kann und darf alles nicht sein, was wir in Hamburg zu bieten haben zu diesem Thema. Herr Scholz hatte es in seiner Rede noch einmal erwähnt, fast die Hälfte der Kinder in Hamburg haben Migrationshintergrund, und das wird sich meiner Auffassung nach positiv auf die Zukunft von Hamburg auswirken, aber dafür müssen wir natürlich auch diese Bürgerinnen und Bürger unterstützen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn eine interkulturelle Öffnung wirklich gewollt ist, wenn es mehr ist als eine bloße Absichtserklärung wie in den hübschen Broschüren, dann müssen dafür natürlich auch Gelder und Ressourcen bereitgestellt werden.

Mit Barrieren aber sind nicht nur Migrantinnen und Migranten konfrontiert, sondern es betrifft alle, die am Rand der Gesellschaft stehen. In der Vergangenheit hat die SPD die Schere zwischen Arm und Reich in dieser Stadt beklagt, in der Regierungsverantwortung aber zeigt sie kein wirksames Gegenmittel. Von der SPD wurde damals in der Haushaltsdebatte für eine neue Sozialpolitik der Dialog mit der Stadt gefordert, auch davon sind nur zarte Ansätze zu sehen.

Dann komme ich natürlich zu unserem Antrag zur Obdachlosigkeit. In diesem Antrag fordern wir zum wiederholten Male eine ganzjährige Grundversorgung statt wiederholter Winternotprogramme.

(Ksenija Bekeris SPD: Der liegt doch schon im Ausschuss!)

Der Antrag liegt im Ausschuss, das stimmt, aber Herr Scheele hat in der letzten Bürgerschaftssitzung noch einmal deutlich gemacht, dass er das Winternotprogramm reaktivieren wird. Das bedeutet, dass wir im Sommer dasselbe erleben werden wie dieses Jahr, und zwar überfüllte Unterkünfte.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür geben, wie es auch gehen kann. In München gibt es keine Winternotprogramme mehr. Die Zahl der Wohnungslosen ist gesunken, denn es gibt einen besseren Personalschlüssel in der Betreuung von Obdachlosen, eine bessere Beratung und Begleitung. Trotz

dem ist in München nicht die von Senator Scheele gefürchtete Sogwirkung entstanden.

(Zuruf von der SPD: Es werden viele auch in Züge gesetzt, um wieder anderswo hinzu- fahren! – Dirk Kienscherf SPD: Sie wissen doch, wie die Münchner damit umgehen!)

Der Antrag der SPD-Fraktion zur Obdachlosigkeit scheint vor allem von dem Gedanken initiiert, dass keine Kosten entstehen dürfen; wir werden ihm trotzdem zustimmen. Möge der Senat prüfen, wie Obdachlosen der Zugang zu Pflegeeinrichtungen erleichtert werden kann. Dem Antrag der GALFraktion zur Obdachlosigkeit können wir vorbehaltlos zustimmen.

Der SPD-Antrag "Teilhabe von Menschen mit Behinderung" wirft dagegen Fragen auf, denn der berechtigte Zuschuss an die Landesarbeitsgemeinschaft für Menschen mit Behinderung soll über Mittelkürzungen bei den Hilfen für psychisch Kranke finanziert werden. Hier besteht Klärungsbedarf, was sich die SPD-Fraktion dabei denkt.

(Ksenija Bekeris SPD: Wir können kein Geld drucken!)

Als Fraktion DIE LINKE betrachten wir die Schaffung einer gleichberechtigten Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt als die beste Investition in die Zukunft.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Özdemir. – Das Wort hat Herr Senator Scheele.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir drei kurze Vorbemerkungen, und dann will ich auch nicht mehr viele Worte zu diesem Teil meines Einzelplans machen.

Erster Punkt: Frau Wolff, Sie haben ein bisschen lächerlich gemacht, dass ich morgen mit der Präsidentin zusammen eine Fahne als Symbol gegen Gewalt gegen Frauen hisse.

(Katharina Wolff CDU: Das ist keine Flagge, das ist Symbolpolitik!)

Ich habe in meinem Ressort das Thema Opferschutz. In der ersten Woche meiner Amtszeit war ich bei der Opferhilfe und vor ungefähr drei Wochen habe ich mich zwei Stunden beim Notruf für vergewaltigte Frauen aufgehalten und mir erklären lassen, was die dort machen. Da sollten Sie einmal hingehen, dann würden Sie so etwas nicht reden, wie Sie hier geredet haben.

(Beifall bei der SPD)

Zweiter Punkt: Die Reste sind real, ich habe mich noch einmal erkundigt. Die 1,7 Millionen Euro sind,

wie Frau Bekeris es vorgetragen hat, reale Reste, die stehen zur Verfügung.

(Antje Möller GAL: Die werden im Januar gebraucht! Haben Sie die politische Dimen- sion dahinter gar nicht verstanden?)

Nein, habe ich nicht.

(Zurufe von Antje Möller GAL)

Ich habe auf eine Frage geantwortet. Sie wollten eine Antwort und ich habe Sie Ihnen jetzt gegeben.

Dritter Punkt: Frau Fegebank hat eine Frage zum sozialen Arbeitsmarkt gestellt. Ich würde Ihrer Kollegin gern eine Antwort geben, Frau Möller.

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Das Wort hat nur Herr Senator Scheele und sonst niemand. – Fahren Sie bitte fort.

(Antje Möller GAL: Vom Präsidenten lasse ich mir das auch sagen, ja!)

Ich wollte auf die Frage antworten, warum wir so vorgehen, wie wir vorgegangen sind, und was man sonst tun könnte. Es gibt in Deutschland einige Modelle sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung, die auf dem alten Beschäftigungszuschuss beruhen. Das sozialversicherungspflichtige Entgelt wird dabei in aller Regel zu 75 Prozent aus Mitteln der Bundesagentur für Arbeit und zu 25 Prozent aus dem kommunalen Haushalt finanziert, und dazu gibt es noch eine Trägerpauschale aus dem kommunalen Haushalt. Wenn wir das in Hamburg wollten, dann müsste man nach unseren Überlegungen zwischen 40 und 60 Millionen Euro dafür ausgeben. Die haben wir nicht. Ich bin aber gerne bereit, in einem kleinen Kreis darüber zu reden, was das tatsächlich kostet und ob und wie man das finanzieren kann. Dass ich generell eine große Skepsis habe, habe ich mehrfach gesagt, aber ich habe nichts dagegen, wenn wir uns damit auseinandersetzen. Nur, das sind unsere Gründe: Nach Abschaffung des BSHG zugunsten des SBG II können wir das nach Lage der Dinge nicht mehr bezahlen. Es gibt auch keine Refinanzierungsmöglichkeit mehr, seitdem man keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung mehr bezahlen kann und es nicht mehr – das muss man zugestehen – aus den kommunalen Beschäftigungsgesellschaften wieder in den Bereich der Arbeitslosenversicherung schieben kann. Wir können das gerne im kleinen Kreis vernünftig erörtern, aber das ist die Grundlage dafür, warum wir uns entschieden haben, so vorzugehen, wie wir vorgegangen sind.

(Beifall bei der SPD)

Ich will nur noch auf wenige Punkte eingehen. Zunächst möchte ich gern etwas zur Inklusion sagen.

(Cansu Özdemir)