Da Herr Heinemann Frau von Berg bereits zitiert hat, möchte ich jetzt ihre Zwischenfrage nicht mehr zulassen. Die Arbeitsmarktpolitik in Hamburg wird vom Senat wieder ernst genommen und kompetent vorangetrieben. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe SPD, Sie sind angetreten, besser zu regieren. Sie haben viel angekündigt, viel versprochen und wenig gehalten – bis jetzt zumindest. Insbesondere mit Ihrem Arbeitsmarktprogramm, das, wie Herr Senator Scheele immer betont, nicht die Träger, sondern die arbeitslosen Menschen im Fokus haben soll, haben Sie versagt. Das Ergebnis ihres an den Menschen orientierten Arbeitsmarktprogramms sieht so aus, dass Sie damit die Strukturen in den Quartieren kaputt gemacht und die Träger betriebsunfähig gemacht haben. Sie haben die Menschen in sozial benachteiligten Stadtteilen einfach im Stich gelassen. Und Sie haben, Herr Senator, mit diesem Arbeitsmarktkonzept, das Sie so stolz präsentieren, die Langzeitarbeitslosen einfach abgeschrieben.
Ihre Politik richtet sich nur an leicht vermittelbare Arbeitslose, die Sie schnell durch Maßnahmen in den Arbeitsmarkt integrieren können. Hier investieren Sie großzügige Summen, aber bei den Langzeitarbeitslosen sind Sie geizig. Dabei beträgt der Anteil der schwer vermittelbaren Arbeitslosen in Hamburg 63 Prozent. Der Etat, den Sie für Beschäftigungsmaßnahmen dieser Gruppe in Ihrem Haushalt zur Verfügung stellen, beträgt aber leider nur 20 Prozent des gesamten Eingliederungstitels, Herr Senator. Das ist ungerecht. Damit gefährden Sie stärker denn je den sozialen Frieden in dieser Stadt. Sie haben Trägerstrukturen zerschlagen, Sie haben Stadtteileinrichtungen durch Ihre verfehlte Beschäftigungspolitik betriebsunfähig gemacht. Erst auf öffentlichen Druck versuchen Sie jetzt, mit einem Überbrückungsfonds in Höhe von 1 Million Euro alle Stadtteileinrichtungen zu retten. Das funktioniert nicht. Mit diesem Fonds wollen Sie die Einrichtungen ruhigstellen; diese brauchen aber nachhaltige Lösungen.
Gerade hier würde die öffentlich geförderte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zur Stabilisierung der Stadtteileinrichtungen führen und für Langzeitarbeitslose Perspektiven schaffen.
Herr Bürgermeister, Sie haben am Dienstag von der Vision einer besseren Zukunft geschwärmt und von Ihrem Optimismus, den Sie aus dem Fernen Osten mitgebracht haben. Auch Menschen in Hamburg brauchen Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Aber mit diesem Arbeitsmarktprogramm können Sie keinen Optimismus in dieser Stadt verbreiten, im Gegenteil. Mit diesem Programm unterschreiben Sie den Kahlschlag der Bundesregierung.
Sie vernachlässigen in Ihrem Arbeitsmarktprogramm nicht nur die Langzeitarbeitslosen, sondern auch ältere Migrantinnen und Migranten sowie Alleinerziehende. Konkrete Projekte zur Förderung dieser Gruppe – Fehlanzeige. In Ihrem vollmundig angekündigten Arbeitsmarktprogramm ist keine Rede von existenzsichernder, sozialversicherungspflichtiger öffentlich geförderter Beschäftigungen. Dabei wäre es möglich, mit den vorhandenen Mitteln einen sozialen Arbeitsmarkt zu gestalten, der auch für Langzeitarbeitslose mit vielfachen Vermittlungshemmnissen Perspektiven schafft. Sie wollen jährlich in diesem Haushalt 2 Millionen Euro für 40 neue Stellen bei einer externen Einrichtung zur Beratung von Langzeitarbeitslosen ausgeben – 2 Millionen Euro für eine reine Lotsenfunktion. Das ist eine Fehlentscheidung, meine Damen und Herren.
Das bringt nichts, im Gegenteil. Damit schaffen Sie eine weitere Schleife in Ihrem Verwaltungsapparat. Die Betreuung findet ohnehin vor Ort bei dem Träger statt und ist ein Teil der Maßnahme. Sie richten sieben Koordinationsstellen in den Bezirken ein, um die Kommunikation zwischen dem Träger und den Bezirken zu verbessern und vor allem, um dadurch den Quartiersbezug zu sichern, was wir durchaus unterstützen. Das Ergebnis im neuen Interessenbekundungsverfahren zeigt aber, dass der Stadtteilbezug bei den Ausschreibungen und der Vergabe der Maßnahmen gar keine Rolle gespielt hat. Das können Sie in der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage der GAL-Fraktion nachlesen und das ist ein Skandal. Dabei gibt es eine Vereinbarung aus der letzten Legislaturperiode, dass mindestens 2700 Stellen mit Quartiersbezug zu besetzen sind. Auch hier haben Sie, Herr Senator, öffentlich angekündigt, bei den verbliebenen 3900 Arbeitsgelegenheiten ein besonderes Augenmerk auf den Stadtteilbezug zu legen – aber Fehlanzeige. Ihr erklärtes Ziel, 2011 im Jahresdurchschnitt 6150 Plätze für Arbeitsgelegenheiten zu besetzen, wird nicht erreicht. Von Januar bis November waren im monatlichen Durchschnitt nur 5927 AGH-Plätze besetzt. Damit hat der Senat auch diese Vereinbarung nicht erfüllt.
Das Ergebnis: Viele Stadtteileinrichtungen stehen vor dem Aus, weil ihnen die Stellen fehlen. Die Bezirke schlagen Alarm. Bezirksamtsleiter, auch mit SPD-Parteibuch, beschweren sich über die dramatische Lage, und Ihre Wahlkreisabgeordneten sind sauer. "UNSER HAMBURG: STARK UND SOLIDARISCH" hieß es für die SPD im Wahlkampf. Davon ist in der Stadt nichts mehr zu spüren.
Mit diesem Haushalt zum Arbeitsmarkt machen Sie, liebe SPD, nicht nur weiterhin eine schlechte Figur, sondern verpassen auch jegliche Chance für einen nachhaltigen, sozial gerechten Arbeitsmarkt in Hamburg. – Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich habe mir in dieser arbeitsmarktpolitischen Debatte ausdrücklich vorgenommen, den Senator ganz überwiegend für sein Maßnahmenprogramm zu loben, und will mich nicht einmal durch die feurige Rede des Kollegen Schwieger von diesem Vorhaben abbringen lassen.
(Beifall bei der FDP – Jens Kerstan GAL: Das ist ja ein ganz geringer Anspruch, über- legen Sie noch mal!)
Herr Kerstan, das war Ironie. Ich weiß, Ironie wird schwer verstanden. Ich will Ihnen das nur noch einmal sagen, damit kein Missverständnis bei Ihnen aufkommt.
Meine Damen und Herren! Die vergangenen Jahre waren gute Jahre für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland und auch in Hamburg. Die Arbeitslosigkeit im Bund ist vom Spitzenwert von knapp 5 Millionen Arbeitslosen kontinuierlich gesunken, im Oktober 2011 auf den niedrigsten Wert seit Jahren, bundesweit auf etwa 2,7 Millionen Arbeitsuchende, circa 67 700 Arbeitsuchende in Hamburg. Eine sinkende Sockelarbeitslosigkeit und die geringste Jugendarbeitslosigkeit aller Industrienationen in Europa sind zu verzeichnen. Das ist eine positive Entwicklung und ein großer Erfolg, darüber sind wir uns sicher fraktionsübergreifend einig.
Das ist nicht nur ein Erfolg der schwarz-gelben Bundesregierung, das ist auch ein Erfolg der Agenda 2010. Hier zeigt sich, wie viel möglich ist, wenn man nicht auf Blockade, sondern auf Wachstum setzt. Politik, Unternehmen und Arbeitnehmer stehen gleichermaßen in der Verantwortung, diese veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt mit Offenheit, Flexibilität und Lust auf Leistung und Veränderung anzunehmen. Herr Scheele, daher ist jetzt auch genau der richtige Zeitpunkt, bei sinkender Arbeitslosigkeit und steigendem Fachkräftemangel den Umfang der eingesetzten arbeitsmarktpolitischen Mittel zurückzufahren und die Wirksamkeit der arbeitsmarktpolitischen Instrumente kritisch zu überprüfen.
Meine Damen und Herren! Unter diesem Aspekt begrüßt die FDP-Fraktion ausdrücklich das von der Bundesarbeitsagentur, von team.arbeit.hamburg und der BASFI gemeinsam vorgelegte Arbeitsmarktprogramm 2012.
Herr Senator Scheele, es ist gut und richtig, dass Sie der Bundesregierung folgen und die Überarbeitung des arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkastens zum Anlass nehmen, auch die inhaltliche Ausrichtung der Arbeitsmarktpolitik in Hamburg grundsätzlich zu überdenken und umzusteuern.
Es ist ebenso richtig, dass Sie mit dem gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm die Anzahl der Arbeitsgelegenheiten nach Paragraph 16 SGB II, besser bekannt als Ein-Euro-Jobs, konsequent nach unten fahren. Es geht auch in die richtige Richtung, wenn Sie in dem gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm stattdessen auf eine schnellere Vermittlung arbeitsmarktnaher Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt und die gezielte Qualifizierung von Arbeitslosen setzen. Die Schaffung von Beschäftigungsmöglichkeiten für besonders arbeitsmarktferne Arbeitslose in einem sozialen Arbeitsmarkt ist richtig und wird von uns unterstützt.
(Beifall bei der FDP – Jens Kerstan GAL: So viel Lob von der FDP, das sollte Ihnen zu denken geben!)
Herr Kerstan, ich finde das gut, machen Sie doch ein bisschen weiter. Ich freue mich schon auf Herrn Hackbusch, wenn ich ehrlich bin. Vielleicht nimmt er den Ball auf.
Aber eine Irrung und Wirrung enthält das arbeitsmarktpolitische Programm schon. Ihre Forderung nach einem Mindestlohn, wie er bedauerlicherweise sogar schon von der CDU übernommen wird, verbessert weder die Chancen auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt, noch verbessert sie die Teilhabechancen an der Gesellschaft.
Schauen Sie sich in Europa um, schauen Sie nach Frankreich. Dort haben Sie einen Mindestlohn und gleichzeitig eine Jugendarbeitslosigkeit von über 20 Prozent.
Das heißt nichts anderes als: Mindestlohn ist keine Lösung, Mindestlohn geht in die falsche Richtung.
Herr Scheele, neben der eher allgemeinen Forderung nach Mindestlöhnen enthält Ihr Arbeitsmarktprogramm über 34 Einzelprogramme mit ganz unterschiedlicher Zielrichtung. Es ist wichtig, dass diese zukünftig stärker unter klar messbaren Kriterien evaluiert werden. Wie wichtig das ständige Überprüfen der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in Ihrer Wirksamkeit ist, zeigt sich insbesondere am Bereich der Ein-Euro-Jobs. Die FDP-Fraktion hat bereits in mehreren Bürgerschaftsdebatten auf die arbeitsmarktpolitische Wirkungslosigkeit von Ein-Euro-Jobs hingewiesen. Wer einen EinEuro-Job annimmt, dessen Chancen auf einen Arbeitsplatz am ersten Arbeitsmarkt steigen nicht, sondern sinken. Ein-Euro-Jobber kehren deutlich seltener und später in ein reguläres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zurück als Langzeitarbeitslose ohne Ein-Euro-Job.
Meine Damen und Herren, da war schon sehr interessant und aufschlussreich, was uns Herr Dr. Fertig vom Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik in der Ausschusssitzung am 20. Oktober über das Ergebnis seiner wissenschaftlichen Untersuchung berichtet hat. Ich zitiere seine Zusammenfassung aus dem Ausschussprotokoll:
"…liege durchschnittlich um 1 bis 3 Prozentpunkte unter der der nicht geförderten vergleichbaren Personen."
Wenn man erkennt, dass ein arbeitsmarktpolitisches Instrument keinen Effekt hat, dann muss man es abschaffen. Wer das nicht tut, der verschwendet Haushaltsmittel und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.
Noch eins hat die Ausschussberatung deutlich gemacht. Die verschiedenen Träger weisen signifikante Unterschiede bei den Vermittlungserfolgen auf. Ohne Zweifel müssen wir die Träger fair behandeln. Die Vermittlungserfolge hängen mit den Projekten und Teilnehmern der Maßnahmen zusammen. Wir brauchen also eine sorgfältige Analyse der Ursachenzusammenhänge, aber wir brauchen genauso ein wirksames und transparentes Träger-Benchmarking, denn die Träger können immer nur Instrument für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und Qualifikationen sein, niemals Selbstzweck.