Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Die Hamburger Handelskammer hat dazu eine Umfrage unter mittelständischen Unternehmen gemacht. Das Ergebnis der Umfrage kann nicht befriedigen, denn rund drei Viertel der Hamburger Unternehmen weiß nämlich überhaupt nicht, wer die jeweiligen Ansprechpartner im Bereich der Mittelstandsförderung sind und wo man diese finden kann.

Ein weiterer Punkt betrifft das Mittelstandsförderinstitut. Hier ließen sich bis Oktober 2011 gerade einmal 221 Unternehmen über Fördermaßnahmen beraten. Diese Zahl scheint angesichts von insgesamt 140 000 bei der Handelskammer registrierten und angeschlossenen Firmen und etwa 12 000 Gewerbeanmeldungen im ersten Halbjahr 2011 mehr als dürftig; das ist zu wenig. Besonders erschreckend ist die Zahl der Unternehmen, die sich im MFI beraten ließen; sie hat sich seit 2009 nahezu halbiert.

Der Senat muss daher dringend etwas dafür tun, seine vorhandenen Fördereinrichtungen im Mittelstand bekannter zu machen und auch die vorhandenen Förderprogramme zu straffen. Dies ist wichtig, wenn nicht sogar wichtiger, als mit der Investitionsbank zunächst eine weitere Institution zu schaffen.

(Beifall bei der FDP)

Dritter Punkt: Hamburg muss endlich mehr Tempo machen bei Deregulierung und Bürokratieabbau. Dieses Ziel ist zwar weder neu noch originell, aber dennoch wichtig. Die Handelskammer hat hierzu ihre Mitgliedsunternehmen befragt. Die Frage lautete, wie hoch die Belastung ist, die behördliche Informations- und Meldepflichten in ihren Unternehmen verursachten. Darauf antworteten 60 Prozent der befragten Unternehmen, dass sie sehr hoch oder hoch sei, und nur 15 Prozent bezeichneten sie als sehr niedrig oder niedrig. Es gibt zahlreiche Studien darüber, welche enormen Kosten Bürokratieaufwand in Unternehmen verursacht. Dieser Aufwand hindert vor allem kleine und mittlere Unternehmen daran, ihrer eigentlichen Bestimmung nachzugehen, nämlich Geld zu verdienen und Ar

beitsplätze zu schaffen. Hier muss der Senat endlich mehr tun. Unternehmen sind weder eine öffentliche Auskunft noch ein kleines statistisches Landesamt.

Ich will etwas Aktuelles aufgreifen. Eine Große Anfrage unserer Fraktion im September hat ergeben, dass in Hamburg seit 2005 zwar 48 Gesetze außer Kraft gesetzt wurden, jedoch im gleichen Zeitraum 108 Gesetze neu verabschiedet wurden. Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Verordnungen. Wir freuen uns zwar darüber, dass 190 Verordnungen außer Kraft gesetzt wurden, jedoch sind seit 2005 im gleichen Zeitraum 236 neue Verordnungen beschlossen und in Kraft gesetzt worden. Hier kann man nur sagen: Bürokratieabbau sieht anders aus.

Sehr geehrter Herr Horch, gehen Sie daher das Thema entschlossen an. Die kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserer Stadt werden ihnen konkrete Maßnahmen im Bereich des Bürokratieabbaus danken.

(Beifall bei der FDP)

Vierter und letzter Punkt: Der Mittelstand steht vor einer wichtigen Herausforderung, die wir weder bei der Mittelstandsvereinbarung I vor neun Jahren noch bei der Fortschreibung vor drei Jahren wahrnehmen konnten – Frau Prien hat es bereits erwähnt –, dem Fachkräftemangel. Besonders technologiegetriebene Branchen leiden darunter, aber nicht nur diese. IT-Betriebe, Biotechnikfirmen, Maschinenbauer, aber auch immer mehr Handwerksbetriebe oder Dienstleister aus Medizin und Pflege suchen dringend qualifiziertes Personal. Deshalb muss die Bekämpfung des Fachkräftemangels auch Schwerpunktthema der Mittelstandsvereinbarung III werden.

Ich merke gerade, dass die CDU-Fraktion der Debatte über ihre eigene Große Anfrage nicht mehr so richtig folgen möchte. Ich nehme das einmal zur Kenntnis.

Deshalb muss die Bekämpfung des Fachkräftemangels auch Schwerpunktthema der Mittelstandsvereinbarung III werden. Dafür ist es notwendig, dass Politik und Unternehmen auch in Bereichen Hand in Hand arbeiten, die bislang nicht ausreichend im Blickfeld der Wirtschaftspolitik lagen.

(Glocke)

Herr Dr. Kluth, verzeihen Sie, aber es ist wirklich fast unerträglich laut. Ich habe das Gefühl, dass der Redner kaum durchzudringen vermag. Meine Damen und Herren, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie, soweit es möglich ist, Ihre Plätze einnehmen und die Gespräche etwas reduzieren oder hinausgehen. – Vielen Dank, Herr Dr. Kluth, bitte fahren Sie fort.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

– Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin.

Es ist im Bereich des Fachkräftemangels daher notwendig, dass Politik und Unternehmen auch in Bereichen Hand in Hand arbeiten, die bislang nicht ausreichend im Blickfeld der Wirtschaftspolitik standen, zum Beispiel die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch einen Ausbau des Ganztagsschulangebots oder die effizientere Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt.

Lassen Sie mich also noch einmal zusammenfassen. Unsere wichtigsten Anliegen für eine Fortschreibung der Mittelstandsvereinbarung sind erstens die Einbeziehung der freien Berufe, zweitens die Straffung der Förderlandschaft und ihre bessere Vermarktung, drittens Tempo bei Deregulierung und Bürokratieabbau und viertens Bekämpfung des Fachkräftemangels. Die vorliegende Große Anfrage hat Anlass gegeben für eine erste Bestandsaufnahme. Dies kann aber nur der Beginn sein. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Nun hat Frau Artus das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Frau Prien, Sie haben mit einer sehr großen Selbstverständlichkeit davon gesprochen, dass die Handwerkskammer und auch die Handelskammer die Interessenvertretungen des Mittelstands sind.

(Andy Grote SPD: Nein, das stimmt gar nicht, DIE LINKE ist die Interessenvertre- tung!)

Leider haben Sie dabei unterschlagen, dass es nach wie vor Pflichtmitgliedschaften sind. Ich glaube nicht, dass es im Interesse der Unternehmen des Mittelstands ist, dort immer Pflichtmitglied zu sein. Das wollte ich dazu gern noch ergänzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir finden es wichtig, vor allen Dingen in konjunkturell schwierigen Zeiten den Mittelstand zu stützen und zu fördern, und zwar gegen die Macht der Großbanken, Konzerne und Monopole.

(Roland Heintze CDU: Das fehlte mir heute noch!)

Der Wettbewerbsdruck auf die mittelständischen Unternehmen hat ständig zugenommen. Wir sehen dies ganz konkret, wenn wir zum Beispiel durch die Mönckebergstraße gehen. Die große Hamburger Einkaufsstraße ist verwechselbar geworden, denn es reihen sich die großen Ketten aneinander, die sich in jeder Stadt Deutschlands breitgemacht haben.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Europas!)

Im Einzelhandel haben die Großen die Kleinen bereits weitgehend gefressen. Wenn dann aber die Änderung des Ladenschlussgesetzes als Maßnahme der Förderung des Mittelstands in der Senatsantwort auf die Große Anfrage angeführt wird, bezweifele ich, dass die Mittelstandsvereinbarung wirklich dem Mittelstand zugute kommen soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer den Mittelstand effektiv fördern will, muss ihn vor den Großkonzernen schützen, seine Finanzkraft stärken und in Ausbildung und Beschäftigung investieren. Was in Hamburg dazu in der Vergangenheit effektiv und wirkungsvoll getan wurde, habe ich aus den Senatsantworten leider nicht herauslesen können, aber das kann auch an den schlecht gestellten Fragen gelegen haben. Ich hätte es hilfreich gefunden, wenn in der Großen Anfrage dargelegt worden wäre, wie zielführend die Beratungsleistungen gewesen sind. Herr Kluth hat hierzu auch ein paar Ausführungen gemacht, wie schlecht das Angebot teilweise wahrgenommen wurde.

Immerhin hat das Mittelstandsförderinstitut fast 1500 Beratungen seit 2005 durchgeführt; das muss doch Ergebnisse gebracht haben. Und die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung hat mehrere Millionen Euro für ihre Arbeit bekommen. Aber die konkreten Ergebnisse werden überhaupt nicht dargestellt, zugegeben, die CDU hat auch gar nicht danach gefragt.

Was auch fehlt, sind Fragen und Antworten zu Firmenpleiten. Eine der Hauptursachen, das ist bekannt, liegt in der restriktiven Kreditvergabe. Ob in Zukunft die vom Senat geplante Investitionsbank eine bessere Unterstützung mittelständischer Unternehmen ermöglichen wird, werden wir sehen. Wie sich eine solche Investitionsbank zum Beispiel in das bestehende Handwerksgründungsnetzwerk in Hamburg integrieren soll, ist durchaus noch offen. Geklärt werden muss zudem, wie das Risikomanagement aussehen soll und wie die Kontrolle wirksam abgesichert werden kann.

Was Ausbildung und Beschäftigung angeht, sind sowohl die Mittelstandsvereinbarung wie auch die Große Anfrage der CDU eine maßlose Enttäuschung. Mir scheint, da sind etliche Denkbarrieren in den Köpfen. Warum wird denn der Fachkräftemangel mit seinen objektiven Ursachen nicht objektiv angesprochen und angegangen? Was ist mit dem Schulsystem? Es sortiert die Kinder immer noch viel zu früh aus, anstatt alle Begabungen zu fördern und alle Talente zu entdecken. Was ist mit dem geschlechtsspezifischen Arbeitsmarkt? Was ist mit der Tatsache, dass die Herkunft eines Menschen immer noch darüber entscheidet, ob er eine gute Ausbildung machen kann oder sein Ausbildungsabschluss anerkannt wird?

Wer den Mittelstand unterstützen und fördern will, setzt Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernsthaft um, quotiert die Führungsebene, setzt sich für frühkindliche Bildung ein und für eine Einheitsschule und holt Menschen mit Migrationshintergrund in die Betriebe – so sie denn wollen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Isabella Vértes-Schütter SPD)

Und das ist der letzte Punkt, den ich zu diesem Thema vorerst ansprechen möchte. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat nämlich nicht zu dem Effekt geführt, der eigentlich gewollt war. Die Menschen aus Europa haben sich nicht, wie erhofft, nach dem 1. Mai dieses Jahres in die Bundesrepublik Deutschland aufgemacht. Nur 26 000 Menschen sind aus den mittel-osteuropäischen EU-Neumitgliedsstaaten in den ersten sechs Monaten gekommen, und zwar in die gesamte Bundesrepublik Deutschland.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Wenn Sie das Bedürfnis haben, auch zu diesem Thema zu sprechen, dann melden Sie sich doch bitte zu Wort. Es haben alle Fraktionen noch ausreichend Redezeit. Ansonsten wäre es schön, wenn Sie zunächst Frau Artus zuhören könnten. – Vielen Dank.

– Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Polen und Polinnen sind stattdessen vornehmlich nach Irland und Großbritannien ausgewandert. Die Gründe liegen auf der Hand: die siebenjährige Abschottung des deutschen Arbeitsmarkts, die hohen Lebenshaltungskosten und die sinkenden Löhne. Und es gibt immer noch keinen gesetzlichen Mindestlohn für alle Branchen. Deutschland ist mittlerweile ein Billiglohnland geworden, und das ist schlecht für den Mittelstand.

(Beifall bei der LINKEN)

Eine Nachbearbeitung des Themas der Großen Anfrage, die Mittelstandsvereinbarung, ist unbedingt notwendig. Daher sind wir auch für eine Überweisung an den Wirtschaftsausschuss, in dem wir sicherlich noch mehr ins Detail gehen werden und unsere Positionen austauschen können.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage aus Drucksache 20/1772 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zu TOP 65, Drucksache 20/2073, Antrag der GAL-Fraktion: Mieter entlasten – Maklerwesen regulieren.

[Antrag der GAL-Fraktion: Mieter entlasten – Maklerwesen regulieren – Drs 20/2073 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. Die CDU-Fraktion möchte die Drucksache mitberatend an den Gesundheitsausschuss überweisen. Von der GAL-Fraktion liegt ein Antrag auf Mitberatung im Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien vor.

Die Fraktionen sind übereingekommen, dass die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt entfällt. Wir kommen also gleich zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/2073 an den Stadtentwicklungsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist das einstimmig so überwiesen.

Wer möchte die Drucksache außerdem mitberatend an den Gesundheitsausschuss überweisen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieses Überweisungsbegehren abgelehnt.