Wenn man in diesen Vertrag mit den Konzernen schaut, dann staunt man wieder. Man findet dort nämlich sehr wenig in Bezug auf die Energiewende, aber sehr viele teure Geschenke an die großen Energiekonzerne. Dennoch behauptet der Bürgermeister, er hätte sehr viel für die Stadt herausgeholt. Das ist schon eine sehr fragwürdige Behauptung, denn er ist doch schon mit einer völlig falschen Annahmestrategie in die Verhandlungen gegangen. Er hat sehr früh festgelegt, was am Ende herauskommen muss, wenn es ein Erfolg sein soll.
Es wird mit nur zwei Partnern verhandelt. Damit wurde ausgeschlossen, dass Konkurrenten von Vattenfall und E.ON bessere Angebote ablegen konnten, die für die Stadt besser gewesen wären. Mit 25,1 Prozent, mehr durfte es für die Stadt nicht sein, war klar, dass das einzige Druckmittel, vor dem die Konzerne Angst hatten, nicht mehr im Spiel war, nämlich dass ihnen die Mehrheit genommen worden wäre. Dazu kommt als krönender Abschluss, dass die Verhandlungen noch bis Ende des Jahres abgeschlossen sein müssen.
Verhandlungsposition, die man sich vorstellen kann, in die Verhandlungen mit den Konzernen gegangen ist. Jedes Handbuch über die Verhandlungsführung sagt, dass man so nicht vorgehen kann. Genauso ist nämlich auch das Ergebnis, das der Bürgermeister vorlegt, ein schlechtes Geschäft für die Stadt zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Aber fangen wir erst einmal – Herr Dressel, wir schauen sehr genau darauf – mit den positiven Aspekten dieses Vertrags an, und die gibt es, das wollen wir überhaupt nicht leugnen. Der Stadt bleibt ein großer Konflikt über die Fernwärmetrasse erspart. In Zukunft wird die Fernwärme nicht mehr mit dem Klimakiller Kohle produziert, sondern mit einem Gaskraftwerk. Das ist ein positiver Fortschritt und den begrüßen wir auch sehr. Ob das jetzt der Verhandlungserfolg des Bürgermeisters ist, ist allerdings die Frage, denn das war gar nicht das Ziel, mit dem er in die Verhandlungen gegangen ist. In seiner Regierungserklärung, in seiner unnachahmlichen kurzen und knappen Art hat der Bürgermeister gesagt, dass die Fernwärmetrasse in Altona das Kohlekraftwerk Moorburg effizienter mache, und darum sei es notwendig. Wenn nun in dieser Vereinbarung steht, es solle nicht mehr kommen, dann wird das wohl andere Beweggründe haben, unter anderem, dass Vattenfall die Kosten davongelaufen sind und aus wirtschaftlichen Gründen überhaupt kein Interesse mehr an dieser Fernwärmeleitung hat. Aber dennoch begrüßen wir es, dass der Bürgermeister sich in diesem Punkt korrigieren musste.
Es zeigt aber auch eines: Sie neigen dazu, Herr Bürgermeister, Ihre eigenen Meinungen bei Ihren Zielen als unumstößliche Wahrheiten zu verkünden, und das mit überbordendem Selbstbewusstsein. Dieser Fall zeigt sehr deutlich, dass nicht alles, was Sie mit stolzgeschwellter Brust verkündet haben, letztendlich dem Realitätscheck standhält.
Nachdem wir in Ihre Vereinbarungen mit den Konzernen geschaut haben, würden wir es allerdings begrüßen, wenn Sie auch in anderen Punkten Ihre Meinung korrigieren würden, Herr Bürgermeister. Diese Vereinbarung hat nämlich deutlich mehr Schattenseiten als positive Aspekte, und es gäbe dort viele Punkte, bei denen Sie zum Wohle Hamburgs und der Verbraucherinnen und Verbraucher in Hamburg Ihre Meinung ändern sollten.
Kernfehler Ihrer Vereinbarung ist eine dramatische Kehrtwendung, das ist ein großer Fehler. Sie geben freiwillig und ohne jede Gegenleistung das
Recht der Stadt aus dem Konzessionsvertrag auf, das Fernwärmenetz jemals wieder zurückzukaufen und in öffentliche Hand zu bekommen, und zwar ein Fernwärmenetz, das ein unreguliertes Monopol ist, bei dem Kunden, die einmal dort abgeschlossen haben, in keiner Weise vor überhöhten Preisen geschützt sind. Es ist praktisch eine Gelddruckmaschine für die privaten Konzerne. Gerade dieses unregulierte Monopol fällt jetzt an Vattenfall ohne jede Möglichkeit für andere Mehrheiten in diesem Hause bei anderen Wahlen, dies jemals wieder rückgängig zu machen. Dies ist anders als bei Strom und Gas, wo die Stadt alle 20 Jahre erneut entscheiden könnte. Das ist ein dramatisch schlechter Handel zulasten der Stadt, und die Verbraucherinnen und Verbraucher werden dafür einen teuren Preis bezahlen müssen, Herr Bürgermeister.
Zahlen müssen dies insbesondere die Bürgerinnen und Bürger in Stadtteilen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen, denn solche Fernwärmenetze liegen nicht in Blankenese oder Nienstedten, sondern in Osdorf, Lurup oder Steilshoop. Und gerade diese Verbraucherinnen und Verbraucher werden in Zukunft hilflos einem privaten Konzern zur Ausbeutung preisgegeben.
Herr Bürgermeister, ist es das, was Sie neulich im "Hamburger Abendblatt"-Interview gemeint haben, als Sie sagten, die SPD sei die solidarischste Partei in Hamburg?
Sie begründen das Ganze damit, dass Sie sagen, dafür würden die Konzerne sehr viel in die Energiewende investieren und deshalb würden Sie es jetzt machen.
Herr Dressel, wir haben uns die Vereinbarung sehr genau angeschaut. Wir haben uns angesehen, was diese Ankündigung eigentlich wert ist, was davon neu ist und was davon durchgesetzt werden kann. Und die erste erstaunliche Erkenntnis war, dass diese Investitionssumme, die der Bürgermeister mit stolzgeschwellter Brust verkündet hat, deutlich weniger ist als die, die die Konzerne in Hamburg investieren würden, wenn es überhaupt keine Vereinbarung gäbe. Vattenfall hat am 20. Oktober 2011, einen Monat vor Ihrem Vertragsabschluss, verkündet, dass es in diesem Jahr 200 Millionen Euro in seine Netze investiert habe und dass es auch die nächsten zehn Jahre jährlich 200 Millionen Euro investieren wolle. Aber dann kamen Sie, Herr Bürgermeister, und haben, wie Sie sagen, erfolgreich verhandelt, ganz hart.
Und was ist bei Ihrer Vereinbarung herausgekommen? Vattenfall verpflichtet sich, pro Jahr 160 Millionen Euro zu investieren, und das nicht mehr für zehn Jahre, sondern nur noch für sechs Jahre. Herr Bürgermeister, Sie haben dort gerade eine dramatische Absenkung von Investitionen in die Energienetze abgesegnet. Das ist kein Erfolg, das ist ein dramatischer Rückschritt.
(Beifall bei der GAL und bei Jörg Hamann, Robert Heinemann, Karin Prien, alle CDU und Dora Heyenn DIE LINKE)
Herr Bürgermeister, Sie haben doch sehr viel darüber geredet, dass Sie es nicht nur versprochen bekommen haben, sondern dass Sie es durchsetzen könnten. Jetzt reden Sie immer von Ihrem Anteil von 25,1 Prozent, bei dem Sie viel mehr Rechte eingehandelt hätten, als man normalerweise mit 25,1 Prozent bekommen könnte. Herr Dressel hat das auch noch einmal stark unterstützt.
Ihr zentrales Argument ist, dass Sie sagen, Sie hätten bei Investitionsentscheidungen vereinbart, dass sie nur einstimmig erfolgen könnten. In der Tat ist das mehr, als man normalerweise mit einer Sperrminorität von 25 Prozent bekommt. Mit einer Sperrminorität hat man nur ein Vetorecht, aber diese Einstimmigkeit ist in keiner Weise Gestaltungsmacht, sondern ist einfach nur ein erweitertes Vetorecht. Gegen Hamburg können keine Entscheidungen getroffen werden, das ist richtig. Aber es gilt auch anders herum. Wenn Vattenfall auf einmal diese Investitionen, von denen Sie reden, nicht mehr tätigen will, dann ist die Entscheidung auch nicht mehr einstimmig. Und welche Möglichkeit haben Sie dann, dies durchzusetzen mit Ihren 25,1 Prozent? Gar keine, Herr Bürgermeister. Daran zeigt sich Ihr Ansatz, nur 25,1 Prozent kaufen zu wollen, das ist das Grundübel und der große Fehler, den Sie bei diesem Deal gemacht haben. Er macht das Ganze unsinnig, was Sie dort vereinbart haben.
Sie werden diese Durchsetzungsrechte brauchen, denn Sie ketten die Stadt für die nächsten 20 Jahre an Konzerne, die wirtschaftlich schwach sind. Das Geschäftsmodell der Atomkonzerne ist gerade verlorengegangen. Die Atomkraftwerke werden abgeschaltet, die großen Kohlekraftwerke müssen die CO2-Zeritifikate kaufen, und damit haben sie große Probleme. Die Konsequenz ist, dass E.ON und Vattenfall im Moment Riesensparprogramme fahren. Sie verkaufen ganze Geschäftsbereiche, weil sie im Moment nicht mehr wissen, woher sie Geld für Investitionen hernehmen sollen, und sie bauen Arbeitsplätze ab. E.ON in Deutschland
6000, Vattenfall ebenfalls, auch in Hamburg. Da muss man eines sagen: Das Geld für die Investitionen haben sie nicht. Da kommen nun diese 500 Millionen Euro, die Sie ihnen einfach für gar nichts in die Hand drücken, den Atomkonzernen sehr zupass. Sie kaufen nämlich 25 Prozent Anteile, und mit 500 Millionen Euro von 1,6 Milliarden Euro erhalten die Konzerne schon mal ein Drittel ihrer Investitionskosten, zu denen sie sich verpflichten. Das ist ein gutes Geschäft für sie. Sie sollten sich davor hüten, diesen Deal als den großen Vorteil für die Energiewende zu verkünden.
Sie sollten in Wahrheit das benennen, was dieser Vertrag wirklich ist, nämlich ein bürgerfinanzierter Rettungsschirm für notleidende Atomkonzerne.
Doppelt schlimm an dieser Vereinbarung ist, dass Sie sich an die Atomkonzerne ketten, die gegen die Energiewende sind und die sie nicht wollen. Sie haben sie in den letzten Jahrzehnten verhindert und blockiert und klagen jetzt gegen die Energiewende – Vattenfall in Washington und E.ON vor dem Verfassungsgericht.
(Andy Grote SPD: Wie wollen Sie das ma- chen? – Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist denn Klagegegenstand? Die klagen nicht für Ausstieg, sondern Schadenersatz!)
Und mit diesen beiden Konzernen wird Ihr Deal dafür sorgen, dass das Monopol der Energiekonzerne, die gegen die Energiewende sind, für die nächsten Jahrzehnte in dieser Stadt zementiert wird. Das ist das Gegenteil von dem, was diese Stadt braucht, um die Energiewende voranzubringen.
Insofern ist das ein typischer Deal, wie Olaf Scholz ihn in seiner Regierungszeit immer macht. Er scheut den großen Konflikt, den er eigentlich eingehen müsste, um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger durchzusetzen. Für ihn ist Fortschritt ein kleiner Trippelschritt,
aber er versucht, ihn als den großen Wurf zu verkaufen, bezahlt dafür aber immer wahnsinnig viel Geld.
Dies ist ein schwieriges Geschäft für die Stadt. Wenn man sich die Vereinbarung genau anschaut, dann ist es höchst fragwürdig, ob man dafür Unterstützung bekommt. Vor diesem Hintergrund verstehe ich auch sehr genau diese Appelle, man müsse jetzt den Volksentscheid vorziehen.
Ganz offenkundig haben Sie nämlich Angst, bei einer Bundestagswahl, bei der die Beteiligung hoch ist, für dieses Konzept eine Mehrheit zu bekommen. Es gibt nämlich überhaupt keinen Grund, diese Vereinbarung vorzuziehen. Ihre Verträge mit E.ON und Vattenfall sind vorläufig. Sie können erst dann dauerhaft wirken, wenn das Konzessionsverfahren, das die EU vorschreibt, abgeschlossen ist.
Und das wird im Jahr 2014 sein. Deshalb haben Sie in Ihren Vertrag eine Rückabwicklungsklausel geschrieben, falls die Konzession an jemand anderen gehen würde. Deshalb gibt es überhaupt keinen Grund, vor 2014 den Volksentscheid vorzuziehen, denn bis dahin ist doch alles vorläufig.
Dass Sie dies so vehement fordern, zeigt doch nur eines: Sie selbst wissen, dass es kein gutes Geschäft für Hamburg ist, sondern ein schlechtes Geschäft zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Es ist höchst fragwürdig, ob Sie bei einer Bundestagswahl mit einer gleichzeitigen Volksabstimmung gewinnen können. So viel dazu, dass Sie die direkte Demokratie respektieren, Herr Bürgermeister. Sie fangen jetzt schon zwei Jahre vorher an, in die Trickkiste zu greifen. Der Volksentscheid soll vorgezogen werden. Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass nicht genügend Leute abstimmen. Selbst wenn die Mehrheit dagegen stimmen sollte, scheitert der Volksentscheid am Quorum.
Es gibt überhaupt keinen Grund, so etwas zu fordern, wenn Sie nicht große Angst hätten, bei einem Volksentscheid bei den Wahlen zu scheitern. Sie wissen nämlich selbst, dass Sie ein schlechtes Geschäft für die Stadt vorschlagen.
Wir reden heute über die Regierungserklärung des Bürgermeisters, aber ich kann es der CDU-Fraktion leider nicht ersparen, auch noch ein paar Worte zu ihr zu sprechen.