Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Zur Drucksache 20/2377 liegt Ihnen als Drucksache 20/2587 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der CDU-Fraktion: Schulversuch „Besonderes Aufnahmeverfahren“: Positive Erfahrungen für ganz Hamburg nutzen, Elternwillen und Schulprofile stärken, soziale Spaltung verringern – Drs 20/2587 –]

Die FDP-Fraktion möchte die Drucksache 20/2442 an den Schulausschuss überweisen. Für die Drucksachen 20/2377 und 20/2587 liegt ein Antrag der GAL-Fraktion auf Überweisung an den Schulausschuss vor.

Wer wünscht das Wort? – Frau von Treuenfels, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nicht selten wissen die Betroffenen am allerbesten selbst, was hilft. Deshalb möchte ich aus einer Resolution von "Jugend im Parlament" zitieren, also von Hamburger Schülern. Da heißt es:

"Um die Problematik der 'Ghettoisierung' zu minimieren, empfehlen wir, die Eltern dazu zu motivieren, die Wahl der Schule nicht von Standorten, sondern von Schwerpunkten der Schulen und Neigungen der Kinder abhängig zu machen."

Soweit zu den Kindern selbst.

Schulprofile und damit Schülerprofile stärken empfehlen hier selbst die Schüler und Jugendlichen aus diesem Jahr.

Das nächste Zitat ist aus einer Evaluation genau zu diesem Thema – ich zitiere noch einmal –:

"Es wird angeregt, Abweichungen von § 42 HmbSG auch künftig offen zu halten."

Zu diesem Fazit kommt die Evaluation des Schulversuchs "Besondere Aufnahmeverfahren". Dort ist auch nachzulesen, sehr verehrter Herr Senator Rabe, dass die teilnehmenden Schulen zufrieden mit dem Aufnahmeverfahren seien, die Aussetzung bedauerten und Interesse an einer Fortführung hätten. Dennoch haben Sie, Herr Senator Rabe, entschieden, dass es keine Fortführung geben wird.

Wir Liberale finden dies unverantwortlich gegenüber den profilierten Schulen, unverständlich gegenüber den klaren Wünschen vieler Schüler und Eltern und auch unakzeptabel mit Blick auf die dringend nötige Profilierung künftiger Schülergenerationen.

(Beifall bei der FDP)

Schulen dürfen gerade nicht behindert werden, sondern sie müssen gestärkt werden, um ein eigenes Profil zu entwickeln. Und da macht es natürlich viel Sinn, dass sie zur Stärkung dieses Profils einen Teil ihrer Schülerschaft selbst auswählen dürfen. Das tut den Schülern gut, denn sie bringen bestimmte Interessen und Begabungen mit, die sie weiterverfolgen und ausbauen können, weil sie nämlich gezielt gefördert werden.

Es tut auch den Schulen gut. Sie können zum einen ihr Profil weiter stärken, zum anderen entfalten gerade Schulen in sozial schwachen Stadtteilen eine Sogwirkung, mit der sie dann als Annex sozusagen eine heterogen-soziale Mischung ihrer Schülerschaft erreichen können. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Stadtteilschule Harburg, die aufgrund ihres vielfältigen Angebots im Bereich Kultur auch Schüler aus sozial stärkeren Stadtteilen gewinnen konnte.

Das, meine Damen und Herren von der GAL, ist eine positive Nebenwirkung eines solchen Auswahlverfahrens. Aber es darf aus unserer Sicht nie der eigentliche Sinn und Zweck werden, so wie Sie es in Ihrem Antrag fordern.

(Beifall bei der FDP)

Quotierungen, Regulierungen und Verschiebungen von sozial bewerteter Schülerschaft von A nach B ist nichts weiter als staatlicher Dirigismus und erinnert deutlich an die Planwirtschaft. Davon halten wir nichts.

(Beifall bei der FDP)

Eine von Ihnen geforderte, verbindliche sozial-heterogene Mischung der Schülerschaft sollten Sie einmal im Umkehrschluss zu Ende denken. Den Schulen, denen eine solche Mischung nämlich nicht gelingt, könnte es dann nicht gestattet werden, ihre Schülerschaft auszuwählen und ein entsprechendes Profil fortzuführen. Eine solche Vorgehensweise ist kontraproduktiv, nicht förderlich für eine Profilbildung und widerspricht der ursprünglichen Forderung nach Auswahlfreiheit vonseiten der Schulen selbst.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Walter Scheuerl CDU)

Ähnliches gilt für den Antrag der CDU, auch wenn hier nicht von einer verbindlichen sozial-heterogenen Mischung die Rede ist.

Unserer Auffassung nach wird und soll sich eine solche Mischung automatisch durch Schulen mit

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

starken Profilen bilden. Das Ziel der intensiveren Profilbildung bei Schülern und Schulen muss im Mittelpunkt stehen und entfaltet seine eigene Faszination, nämlich die Faszination der freien Auswahl. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Lein.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Laut Senatsantwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Heinemann, der sich dann gleich eine seines Fraktionskollegen Dr. Scheuerl anschloss, war das Auslaufen des Schulversuchs "d.18", also eine besondere Autonomie für Schulen im Jahre 2009, und eines auf ihn bezogenen Versuchs besonderer Aufnahmeverfahren, bekannt. Anders begründete Schulversuche, die unter den Deckel dieses besonderen Aufnahmeverfahrens schlüpften, waren unterdessen auch faktisch beendet. Stillschweigend wurde allerdings diese Ausnahmegenehmigung für maximal 13 Schulen von der schwarzen Regierung für die Anmelderunde im Sommer 2011 noch einmal verlängert, ohne das Evaluationsergebnis abzuwarten oder gar zu bewerten.

Dies hat dann Senator Rabe nachgeholt und entschieden, dass ein besonderes Aufnahmeverfahren für einzelne oder sogar für alle Hamburger Sekundarschulen nicht eingeführt wird. Dies hätte im Übrigen auch eine Schulgesetzänderung nach sich ziehen müssen, weil Schulversuche bekanntlich nicht auf Dauer angelegt sein dürfen. Zentrale Begründung: 93 Prozent der Stadtteilschul-Erstwünsche und 98 Prozent bei den Gymnasien werden akzeptiert. Nur 7 Prozent beziehungsweise 3 Prozent der Anmeldungen müssen sich auf Zweit- und Drittwünsche beziehen. Das ist ein fulminant gutes Ergebnis.

Die Senatorenentscheidung zur endgültigen Beendigung des "Besonderen Aufnahmeverfahrens" hat nun keineswegs einen Sturm der Entrüstung ausgelöst an den Hamburger Schulen, sondern ist von der ganz großen Mehrheit der Hamburger Sekundarschulen zufrieden und ohne Lautstärke zur Kenntnis genommen worden.

(Dr. Walter Scheuerl CDU: Nicht an den be- troffenen Schulen!)

Etliche der am Versuch beteiligten 13 Schulen waren ohnehin unterwegs abgesprungen. Die Zustimmung der Elternkammer am 13. Dezember, also vor drei Tagen, zur Beendigung dieses Versuchs will ich noch einmal in Erinnerung rufen. Sie hat allerdings Überlegungen angestellt, wie man soziale Zusammensetzungen von Schulen verändern

könnte. Aber zunächst einmal hat sie sehr deutlich gesagt, dass dieses Verfahren zu Recht beendet worden sei. Einige, keineswegs alle am seinerzeitigen Versuch beteiligten Schulen, machten allerdings jetzt in der Öffentlichkeit mobil mit der Behauptung, dass nur dieses besondere Verfahren sie in ihrem besonders nachgefragten Profil stärke. Und tatsächlich: Ist es etwa keine Stärkung, wenn man sich die Schülerinnen und Schüler aussuchen kann, mit denen man ein besonderes Renommee erreicht? Was verschwiegen wird, ist die Schwächung der benachbarten Schulen, die die abgewiesenen Schülerinnen und Schüler aufnehmen müssen. Ist es nicht eine gute Ausgangsbasis – ich zitiere Zahlen aus dem Evaluationsbericht –, wenn von beispielsweise 238 Anmeldungen einer Schule nur 162 aufgenommen werden müssen? Der Evaluationsbericht führt dann allerdings aus:

"Durch das Besondere Aufnahmeverfahren gelang es nach Angaben der Schule aber, den Anteil leistungsstarker Kinder zu erhöhen."

Das verwundert nicht, denn man hatte sich das Recht gesichert, einen Teil der leistungsschwächeren Schüler auch abschieben zu dürfen. Ob das dann bei den Schulen, die diese Schüler aufnehmen mussten, wohl auch zur Stärkung des Leistungsdurchschnitts geführt hat? Ich glaube nicht.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Die Evaluation des Landesinstituts macht sich aber keineswegs die Mühe, die Auswirkungen auf die umliegenden Schulen zu untersuchen oder auch nur einzuschätzen. Sie erwähnt nicht einmal, dass seinerzeit, im Jahre 2007, zwei Schulaufsichtsbeamte, einer für die Gymnasien und einer für die Gesamtschulen verantwortlich, gegen die Umsetzung dieses Schulversuchs – wohl mit Blick auf die Kollateralschäden, die wir auch sehen – remonstrierten. Das ist beachtlich. Schulaufsichtsbeamte remonstrieren gegen eine Anordnung, weil sie glauben, dass sie schwere Nebenwirkungen hat, für die sie nicht eintreten wollen.

Beiläufig wird im LI-Text dann übrigens auch versteckt formuliert, dass einige Schulen, die das "Besondere Aufnahmeverfahren" eingerichtet hätten, davon berichteten, dass – ich zitiere –:

"[…] die benachbarten Schulen dies mit Skepsis beobachteten. Die Schule setze sich dem Vorwurf aus, die Sahne abzuschöpfen."

Und da hat die GAL die Unverfrorenheit, durch ihren Antrag der sozialen Spaltung entgegenwirken zu wollen. Dass Sie sich nicht schämen, liebe GALianer. Damit wirken Sie der sozialen Spaltung beileibe nicht entgegen, sondern stärken sie noch.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

(Beifall bei der SPD und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Da ist die FDP wenigstens ehrlicher. Sie betitelt ihren Antrag "Besondere Aufnahmeverfahren zur Stärkung der Schulprofile". Aber auch dies ist durchsichtig, denn Sie hätten sagen müssen: zur Stärkung der Schulprofile einiger Schulen. Die anderen sind Ihnen damit nämlich nicht erheblich.

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Nee! Das ist doch Quatsch!)

Dann springt die CDU im letzten Augenblick mit auf den Zug mit dem Antragsbetreff "Positive Erfahrungen für ganz Hamburg nutzen". Woher sie wohl die positiven Erfahrungen hat? Das Landesinstitut spricht nur von den Erfahrungen von 13 Schulen maximal und zieht keine Schlussfolgerungen auf alle Hamburger Schulen.

Die CDU fordert in ihrem Antrag – ich zitiere –:

"Allen Gymnasien zu gestatten, bis zu 40 Prozent der aufzunehmenden Schülerinnen und Schüler durch ein gesteuertes Aufnahmeverfahren entsprechend ihres Schulprogramms beziehungsweise -profils ab der Anmelderunde für das Schuljahr 2012/2013 aufzunehmen. Dabei ist eine sozial heterogene Mischung der Schüler-/-innenpopulation anzustreben."

Also frage ich: Soll das Gymnasium Hochrad zukünftig etwa so viele Schüler abweisen, bis einmal eine sozial ausgewogene Schülerzusammensetzung entsteht und dafür im Stadtteil nach Hartz-IV-Familien suchen?

(Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP: Das haben wir doch gar nicht gesagt!)

Oder soll es von KESS 6 auf KESS 4 abrutschen?

Ich möchte Ihnen zum Schluss einen Auszug einer Presseerklärung der Stadtteilschulelternräte vorlesen. Da heißt es: