Protokoll der Sitzung vom 25.01.2012

Hier sieht es so aus, als wäre Zeitarbeit grundsätzlich etwas Schlechtes, und das stimmt so schlichtweg nicht.

(Beifall bei der CDU)

Seit mit der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Leiharbeit begonnen wird, sind folgende Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz erfolgt: Die Entleihunternehmen haben die Zeitarbeitskräfte über freie Arbeitsplätze zu informieren. Das heißt, dort sitzen sie direkt an der Quelle. Den Zeitarbeitskräften ist der Zugang zu Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel Betriebskindergärten oder Kantinen zu gewähren. Auch dort sind sie Teil des unternehmerischen Lebens. Und die Zuwiderhandlungen gegen diese Regelungen können als Ordnungswidrigkeit gelten und mit einem Bußgeld geahndet werden.

(Arno Münster SPD: Ja, wer beschwert sich denn da?)

Das spricht unserer Meinung nach ganz klar dafür, dass im Bereich Zeitarbeit auch Fortschritte gemacht werden.

Ein Argument für den Einsatz von Zeitarbeit unterschlagen Sie zudem ganz in Ihrem Antrag, denn Zeitarbeit dient zur Wiedereingliederung in einen sozialversicherungspflichtigen Vollzeitjob.

(Arno Münster SPD: Nein!)

Viele Zeitarbeiter werden nach circa sechs Monaten von den Betrieben, in denen sie arbeiten, übernommen. Ich selbst habe hiervon viele Beispiele erlebt, und für viele Zeitarbeiter wäre eine solche wie von Ihnen geforderte Regelung fatal.

Die neue Statistik der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahre 2012 unterstreicht, dass Leiharbeit eine Beschäftigungsperspektive nicht nur für Arbeitslose, sondern auch für von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitnehmer, Berufseinsteiger und Berufsrückkehrer darstellt. 65 Prozent der neu abgeschlossenen Zeitarbeitsverhältnisse im ersten Halbjahr 2011 wurden mit Personen geschlossen, die direkt zuvor keine Beschäftigung ausübten. Bei 47 Prozent der Zeitarbeiter lag die letzte Beschäftigung circa ein Jahr zurück, 10 Prozent waren länger als ein Jahr nicht beschäftigt, und 8 Prozent waren zuvor sogar noch gar nicht beschäftigt. Ich denke, diese Zahlen sprechen nicht dafür, dass man Zeitarbeit absolut nicht mehr fördern sollte.

(Arno Münster SPD: Doch!)

Dies würde dazu führen, dass viele Arbeitslose den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt schlichtweg verpassen.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Wie viele haben es denn geschafft?)

Zu Ihren konkreten Forderungen: Punkt 2 a ist viel zu extrem formuliert und trifft somit nicht auf unsere Zustimmung. Punkt 2 b ist in unseren Augen auch schlichtweg nicht umsetzbar, weil viele Unternehmen Zeitarbeiter doch gerade einsetzen – das erwähnte auch Herr Schwieger –, weil zum Beispiel die aktuelle Auftragslage nicht abzuschätzen ist. Über 2 c kann man reden, aber nicht in dieser Ausgestaltung. Wir denken auch, dass es Sinn macht, die aktuelle Förderung einmal zu diskutieren oder zu überdenken und dann dabei zu sehen, wo Lücken für einen Missbrauch dieses Instruments geschlossen werden können. Aber in dieser Form können wir auch diesem Punkt nicht zustimmen.

Punkt 2 d trifft auch nicht auf unsere Unterstützung, da wir immer noch finden, dass es besser ist, wenn ein Mensch 15 Stunden arbeitet und damit eine Chance hat, auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten und den Wiedereinstieg in einen Vollzeitjob zu schaffen, als wenn er oder sie gar nicht arbeitet.

Unser Fazit: Sie treffen insbesondere auch bei mir jemanden an – das dürfen Sie glauben, auch wenn Sie jetzt, Ihren Zwischenrufen nach zu urteilen, vielleicht etwas anderes denken –, der die beste

(Jens-Peter Schwieger)

henden Regelungen und generell das Instrument der Zeitarbeit durchaus sehr, sehr skeptisch betrachtet. Aber in der Schärfe Ihres Antrags können wir Ihren Forderungen schlichtweg nicht zustimmen. Wir haben im Sozialausschuss schon einmal über ein ähnliches Thema gesprochen und haben auch alle festgestellt, dass wir für ein zeitliches Limit bei Zeitarbeit sind. Dazu können wir jederzeit gern wieder diskutieren. Aber das ist ein etwas anderes Problem, als in diesem Antrag gefordert wird; deswegen müssen wir ihn heute ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Wolff. – Das Wort hat Frau Demirel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nebenbei, Herr Schwieger, Sie haben eben erwähnt, dass es bei der Leiharbeit immerhin 7 Prozent Menschen in reguläre Arbeitsverhältnisse schaffen. Ich verstehe diesen ganzen Stress nicht bei den AGHs, die immerhin 13 Prozent Integration erreichen.

(Beifall bei der GAL – Ksenija Bekeris SPD: Oh, Frau Demirel!)

In Hamburg sind mehr als 50 000 Menschen im SGB-Bezug, das ist bekannt. Leiharbeit nimmt zu, befristete Beschäftigung und Minijobs sind momentan auf einem Rekordniveau, und der Niedriglohnsektor weitet sich aus. An dieser Stelle möchte ich auf die Ergebnisse einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung aufmerksam machen. In Deutschland glaubt kaum jemand an Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Viele Menschen gehen nicht mehr davon aus, durch eigene Anstrengung ihre soziale Lage verbessern zu können. Können Sie sich vorstellen, wohin dieser Zustand führen kann, wenn Menschen kein Vertrauen mehr in die sozialen Strukturen und in sich selbst haben? Das Vertrauen in die Politik haben sie schon lange nicht mehr.

Die Leiharbeit, die in der Tat nur zur Erledigung von Auftragsspitzen zur Verfügung stehen sollte, hat sich zunehmend zu einem Jobkiller gewandelt. Nach dem Schlecker-Skandal, der die Methoden des Lohndumpings in der Leiharbeit bekannt machte, erfindet die Wirtschaft neue Wege der Lohndrückerei. Das neue Instrument heißt Werkverträge. In Hamburg gibt es über 3000 Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter. Hamburg ist damit auch eine Hochburg der Leiharbeit.

Meine Damen und Herren! Seit einigen Jahren beobachten wir eine Spaltung auf dem Arbeitsmarkt, es ist ein zweigeteilter Arbeitsmarkt. Der eine Teil bietet geregelte und sozial abgesicherte Arbeitsverhältnisse für Qualifizierte, für den anderen Teil gibt es leider nur noch unsichere und schlecht bezahlte Jobs. Diese Spaltung wird sich vertiefen,

wenn wir keine Maßnahmen gegen den Niedriglohntrend in der Wirtschaft ergreifen. Bekanntlich gehört die Leiharbeit zu den unsicheren und schlecht bezahlten Jobs. Wegen der Niedriglöhne in der Leiharbeit sind viele Beschäftigte auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen. Sie haben zudem kaum Planungssicherheit, weil sie zeitlich befristet beschäftigt sind. Und Leiharbeit macht krank. Es gibt Untersuchungen, Studien und Fakten, die auf die steigenden psychischen Belastungen in der Leiharbeit hinweisen.

Die Liste der Ursachen und der negativen Auswirkungen ist lang. Wir brauchen hier Lösungen. Damit die Flexibilitätsvorteile der Leiharbeit nicht zulasten der Leiharbeitskräfte gehen, ist eine Regulierung in erster Linie bei den Löhnen dringend notwendig. Es ist nicht hinnehmbar, dass über Schleichwege immer mehr Leiharbeitsstellen entstehen. Die Leiharbeitsbranche muss so reguliert werden, dass sie zur Erledigung von Auftragsspitzen und der Überbrückung von personellen Engpässen dient, aber nicht dem Abbau von regulären Arbeitsplätzen. Betriebsrisiken müssen von den Betrieben getragen werden, nicht von den Leiharbeitskräften. Leiharbeit darf keine reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeit ersetzen und muss auf ein vertretbares Maß reduziert werden.

Daher ist es mehr als angebracht, die öffentliche Förderung von Arbeitsplätzen genau zu prüfen. Wir dürfen schlechte Arbeitsbedingungen nicht in Kauf nehmen, um Arbeitslosenstatistiken zu verbessern. Die Aufgabe der Politik ist es, die Grundlagen für reguläre Arbeitsplätze zu schaffen, damit die Menschen in Würde und ohne ergänzende Sozialleistungen von ihrer Arbeit leben können. Die Mittel sind knapp, auch wenn es bekanntlich nicht für den Herrn Bürgermeister gilt, daher sollten wir diese Mittel auch gezielt einsetzen.

In diesem Antrag sind gute Ansätze, die wir mittragen würden, aber auch Punkte, die noch zu klären sind und die wir auch zum Teil nicht mittragen können. Daher beantragen wir die Überweisung dieses Antrags an den Sozialausschuss, damit wir über das Thema noch weiter diskutieren können. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL)

Vielen Dank, Frau Demirel. – Das Wort hat Herr Dr. Kluth.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wenn man diesen Antrag der LINKEN liest und wenn man der Begründung von Herrn Golke aufmerksam zuhört, dann ist man schnell bei dem Leitmotiv der LINKEN in der Arbeitsmarktpolitik, das lautet: Wir haben unsere vorgefasste Meinung, bitte behelligen Sie uns nicht mit den Fakten.

(Katharina Wolff)

(Beifall bei der FDP)

Das ist vermutlich auch das Problem mit Ideologen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie müssen nicht von sich auf andere schließen!)

wenn man von ihnen verlangt, sich mit den Realitäten auseinanderzusetzen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Und jetzt kommt's!)

Herr Hackbusch, genau.

Wie sehen die Realitäten auf dem Arbeitsmarkt aus?

(Dora Heyenn DIE LINKE: Sie sehen auch nur die, die Sie sehen wollen!)

Die Arbeitslosigkeit im Bund ist vom Spitzenwert 4,86 Millionen kontinuierlich gesunken, im Oktober 2011 auf den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung, nämlich 2,74 Millionen Arbeitsuchende bundesweit und 68 700 Arbeitsuchende in Hamburg. Noch nie gab es so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wie heute. Das ist eine positive Entwicklung und ein großer Erfolg.

(Beifall bei der FDP)

Das ist auch das Ergebnis der Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Da unterscheiden wir uns deutlich von den LINKEN. Wir sind keine Ideologen, denn wir sind allem gegenüber aufgeschlossen, was Menschen aus der Arbeitslosigkeit in Beschäftigung bringt. Uns sind befristete Arbeitsverhältnisse lieber als Arbeitslosigkeit, uns sind Minijobs lieber als Transferleistungen und uns ist es lieber, wenn ein Unternehmen bei Kapazitätsspitzen durch Zeitarbeit zusätzlich sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schafft, statt die Stammbelegschaft Überstunden schieben zu lassen.

(Beifall bei der FDP und bei Katharina Wolff CDU)

Meine Damen und Herren! Am liebsten sind uns natürlich gut bezahlte, unbefristete, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Vollzeit oder Teilzeit

(Dirk Kienscherf SPD: Und Tarifvertrag!)

nach Wahl des Arbeitnehmers. Dank der stabilen Konjunktur, einer rationalen Arbeitsmarktpolitik, sinkender Arbeitslosigkeit und steigendem Fachkräftemangel und natürlich auch aufgrund der guten Politik der schwarz-gelben Bundesregierung sind wir auf einem guten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

(Beifall bei der FDP)

Aber zu einer solchen rationalen Arbeitsmarktpolitik gehört auch das Instrument Zeitarbeit. Gestat

ten Sie mir in diesem Zusammenhang den Hinweis, dass die mit dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz einhergehende Tariföffnungsklausel für Zeitarbeiter unter einer rot-grünen Bundesregierung eingeführt und "Equal Pay" für Zeitarbeiter unter einer schwarz-gelben Bundesregierung eingeführt worden ist.

(Beifall bei der FDP)