Wer möchte den Antrag der GAL-Fraktion aus der Drucksache 20/3013 annehmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit Mehrheit abgelehnt worden.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 44, Drucksache 20/2988, Antrag der FDP-Fraktion: Verkehrskonzept zur internationalen gartenschau 2013.
Beide Drucksachen möchte die FDP-Fraktion federführend an den Verkehrsausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen. Wer wünscht nun das Wort? – Herr Dr. Kluth, Sie haben es.
Herr Präsident, meine Damen und Herren Kollegen! Hamburg steht im Stau und der Senat schaut zu. Auf diesen einfachen Nenner lässt sich die Verkehrspolitik des Hamburger Senats in den letzten elf Monaten bringen.
Das gilt auch für die internationale gartenschau. Dass diese 2013 in Wilhelmsburg stattfinden wird, kann für die Behörde wirklich nicht überraschend
kommen. Und dass Besucherströme, auf die wir alle hoffen, auch Verkehrsströme mit Pkws, mit Bussen und, Frau Sudmann, auch mit Fahrrädern auslösen, ist ebenso wenig überraschend.
Aber was bietet der Senat? Rechtzeitige Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße – nicht mehr zu schaffen. Schaffung eines Großparkplatzes mit 2500 Stellplätzen – nicht mehr vorgesehen. Vorlage eines abgestimmten Verkehrsund Parkraumkonzepts – Fehlanzeige. Das Einzige, was der Wirtschaftsbehörde einfällt, ist eine Sperrung der Wilhelmsburger Reichsstraße für Fahrzeuge über 7,5 Tonnen in der Zeit zwischen 9 und 22 Uhr.
Das bedeutet nichts anderes, als dass es für nahezu den gesamten Schwerlastverkehr nicht mehr möglich wäre, die Wilhelmsburger Reichsstraße zu nutzen, und das wirft verschiedene Fragen auf.
Erste Frage: Weiß denn die Wirtschaftsbehörde wirklich nicht, dass die Wilhelmsburger Reichsstraße für den Güter- und Personenkraftverkehr eine der wichtigsten Nord-Süd-Achsen ist, über die circa 7000 Schwerlasttransporte und 53 000 Pkws pro Tag rollen?
Zweite Frage: Weiß die Wirtschaftsbehörde nicht, dass die Wilhelmsburger Reichsstraße damit für die Hamburger Hafenwirtschaft und das Verkehrsgewerbe eine der wichtigsten Routen überhaupt ist?
Dritte Frage: Hat sich die Wirtschaftsbehörde noch nicht damit beschäftigt, dass bereits heute dem Hamburger Hafen nach Expertenschätzungen allein wegen der Stau- und Verkehrssituation jedes Jahr 500 000 Container im Umschlag verlorengehen?
Vierte Frage: Ist der Wirtschaftsbehörde wirklich nicht bekannt, dass durch die Instandsetzung der Köhlbrandbrücke mit weiteren Staus und Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen ist?
Antwort: offenbar nicht, denn dann hätte die Wirtschaftsbehörde schon längst ein integriertes und mit den Beteiligten abgestimmtes Verkehrs- und Parkraumkonzept für die igs vorgelegt. Aber Fehlanzeige. Da kann es wirklich nicht verwundern, wenn, verehrter Herr Senator Horch, Ihre Behörde immer mehr zu einer Behörde für Wirtschaft, Stau und Ankündigungen mutiert.
Erstens: Die Sperrung führt nicht zu Verkehrsvermeidung, sondern nur zu Verkehrsverlagerung. Das bedeutet zunächst einmal mehr Verkehr, mehr Lärm und mehr Emissionen für die Anwohner. Ob Umleitung oder Ersatzrouten erwogen werden, darüber schweigt sich die Behörde aus.
Zweitens: Die negativen wirtschaftlichen Folgen für die Hafenwirtschaft und das Transportgewerbe liegen auf der Hand – noch mehr Stau, noch längere Fahrzeiten und noch höhere Kosten. Und eine konkrete Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, also eine Abwägung der negativen wirtschaftlichen Effekte durch die Sperrung einerseits und mögliche positive Effekte durch die Besucherströme andererseits – erneut Fehlanzeige.
Drittens: Auch für den Lärmschutz ist äußerst wenig gewonnen, das Resultat ist mager. Während durch die geplante Aufbringung von offenporigem Asphalt und einem Tempolimit auf 50 Stundenkilometer eine Reduzierung von 8 bis 10 Dezibel erreicht wird, bringt die vorgesehene Sperrung und das Fahrverbot gerade einmal eine weitere Reduzierung von 2 Dezibel. Das sind nicht unsere eigenen Zahlen, Herr Horch, das sind die Zahlen Ihrer Behörde.
Langer Rede kurzer Sinn: Wir brauchen keine untaugliche Einzelmaßnahme, sondern ein abgestimmtes Verkehrs- und Parkraumkonzept. Und weil sich die Wirtschaftsbehörde damit in Verzug befindet, hat die FDP-Fraktion diesen Antrag, den wir heute vorliegen haben und debattieren, in die Bürgerschaft eingebracht. Und siehe, nun ist auch die SPD-Fraktion aus dem Winterschlaf erwacht. Ich gehe davon aus, dass unser Antrag Sie geweckt hat. Nur einen Tag vor der Bürgerschaftssitzung bringt die SPD-Fraktion einen Antrag ein, der wesentliche Teile des FDP-Antrags abkupfert. Insbesondere der Ansatz, die geplante Sperrung der Wilhelmsburger Reichsstraße für den Schwerlastverkehr zu überdenken, war ein Vorschlag der FDP. So gilt für den SPD-Änderungsantrag zunächst – besser spät als nie, vor allem aber auch deshalb, weil der SPD-Antrag zugleich eine schallende Ohrfeige für die Wirtschaftsbehörde ist, deren Versäumnisse in der Verkehrspolitik erneut Anlass und Gegenstand einer Debatte in der Bürgerschaft sind.
Meine Damen und Herren! Dem Antrag der SPD fehlen wichtige Aspekte. Eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung soll demnach nicht erfolgen. Wir meinen, dass der Senat in der Pflicht steht, endlich Klarheit zu schaffen und auch Zahlen und Fakten zu nennen, mit welchen Mehrkosten die Betroffenen zu rechnen haben.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Sudmann?
Herr Kluth, ich weiß nicht, wer wen geweckt hat, aber was halten Sie denn davon, dass die Spediteure heute laut eines Artikels in "Der Welt" gesagt haben, sie könnten sich durchaus eine Sperrung der Wilhelmsburger Reichsstraße vorstellen von 13 Uhr bis 22 Uhr wochentags und am Wochenende ganztägig?
Vielen Dank, Frau Sudmann. Dazu zwei Anmerkungen. Erste Anmerkung: Ich freue mich, dass ich zumindest Sie geweckt habe.
Zweite Anmerkung: Ich bin Ihnen fast dankbar, dass Sie diesen Punkt ansprechen. In der Tat meldet "Die Welt" das heute. Wir haben sofort nachgefragt und die Verbände und auch die Handelskammer befragt, ob es solche Vorschläge gibt. Die Überraschung der Verbände und der Handelskammer über diesen Vorschlag, den sie heute in "Der Welt" lesen durften, war genauso groß wie unsere Überraschung.
Zur Abstimmung: Wir halten unseren Antrag aufrecht und werden den SPD-Änderungsantrag ablehnen. Zumindest wünschen wir uns eine Behandlung des Antrags im Wirtschafts- und auch im Verkehrsausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Zurück zur Sachlichkeit, denn die Sache ist zu wichtig. Bevor ich auf Ihren Antrag im Einzelnen eingehe, frage ich, um was es hier eigentlich, politisch betrachtet, geht, wenn wir schon einmal die großen Fragen zu diesem Thema stellen wollen? Wir haben eine Großveranstaltung, im Prinzip sogar zwei, nämlich nicht nur die internationale gartenschau, sondern
auch die Internationale Bauausstellung nächstes Jahr. Wir haben gleichzeitig große Verkehre, die sowieso durch Wilhelmsburg laufen. Dann gibt es noch einmal extra große Verkehre, weil hoffentlich über 3 Millionen Besucher zur igs und zur IBA insgesamt nach Wilhelmsburg kommen. Und wir haben dort ansässige Unternehmen, die auch ihre eigenen Interessen haben.
Diesen verschiedenen Problemlagen müssen wir nun gerecht werden und eine angemessene Lösung finden. Mit Verlaub, Ihr Antrag ist kein Beitrag zur Lösung. Er wäre es aber eventuell gewesen, wenn Sie neun Monate früher damit gekommen wären. Sie sind einfach zu spät, liebe FDP, und deswegen ist der Antrag heute praktisch nichts mehr wert.
(Finn-Ole Ritter FDP: Warum denn, begrün- den Sie das doch mal! – Robert Bläsing FDP: Und deshalb hat die SPD heute einen fast identischen Antrag eingebracht?)
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, die Problemlage ist ein bisschen komplizierter. Ich beginne einmal mit der CDU und schlage dann den Bogen zur FDP.
Die CDU hat den glorreichen Vorschlag gehabt, eine Vollsperrung der Reichsstraße zur IBA und zur igs vorzunehmen. Herr Hesse, Sie werden wahrscheinlich gleich kein Wort mehr dazu sagen, ich wünsche es Ihnen. Dann hätten wir natürlich ganz andere Probleme, und ich weiß nicht, wer dann wirtschaftsnaher ist, die FDP oder die CDU oder keine von beiden.