Protokoll der Sitzung vom 09.02.2012

Ich rufe nun den Punkt 50 auf, Drucksache 20/3000 in der Neufassung, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hallen- und Freibad Ohlsdorf; nach erfolgreichem Bürgerentscheid, was nun?

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hallen- und Freibad Ohlsdorf; nach erfolgreichem Bürgerentscheid, was nun? – Drs 20/3000 (Neufassung) –]

Wird das Wort gewünscht? – Frau Heyenn, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Aus aktuellem Anlass haben wir heute eine Angelegenheit des Bezirks Hamburg-Nord auf die Tagesordnung gesetzt. Noch einmal zur Erinnerung: Nach Bekanntgabe des Bebauungsplans für das Freibad Ohlsdorf im Januar 2008 gründete sich eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Freibades. Der von der Bäderland Hamburg GmbH geplante Verkauf von rund 10 000 Quadratmetern des Freibadgeländes und dessen geplante Bebauung mit 80 hochpreisigen Wohnungen hatten im Bezirk Hamburg-Nord für zahlreiche Proteste gesorgt.

Im August 2008 stellte die LINKE einen Antrag in der Hamburgischen Bürgerschaft mit der Zielsetzung, das Freibad Ohlsdorf im gesamten Umfang zu erhalten und zu sanieren. Auch die SPD stellte im Februar 2009 einen Antrag für den Erhalt des Freibades Ohlsdorf. Der SPD-Wahlkreisabgeordnete Gunnar Eisold sagte damals:

"Die Planung von Bäderland ist familien- und kinderunfreundlich und sollte nach meiner Auffassung nicht umgesetzt werden."

Im April 2009 fand dann der Bürgerentscheid im Bezirk Hamburg-Nord statt. Bei mehr als 41 000 abgegebenen Stimmen erhielt der Vorschlag der Bürgerinitiative zum Erhalt des Hallen- und Freibades Ohlsdorf 84,5 Prozent der Stimmen und wurde damit mit großer Mehrheit angenommen. Das war ein klares Votum für den Erhalt des Freibades.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Vorschlag der Bezirksversammlung für eine Bebauung des Freibadgeländes, wie Bäderland es wollte

(Daniel Gritz SPD: Teilbebauung!)

oder eine Teilbebauung, regen Sie sich nicht auf, Sie können gleich reden –, erhielt lediglich 37,5 Prozent der Stimmen. Die Beteiligung lag bei circa 19 Prozent.

Somit müsste das Hallen- und Freibad Ohlsdorf den Hamburgerinnen und Hamburgern erhalten bleiben. Es wurde ein Runder Tisch, unter Beteiligung des damaligen Bezirksamtsleiters Wolfgang Kopitzsch, der CDU, der GAL, der FDP, der LINKEN, der Verwaltung, der Bäderland Hamburg GmbH, der Bürgerinitiative "Rettet das Freibad Ohlsdorf!", des Schwimmvereins und weiterer Verbände zur Zukunft des Bades im Bezirk HamburgNord eingerichtet. Das geschah auch aus dem Grund, weil das Hallen- und Freibad Ohlsdorf unbedingt saniert werden muss. Wir hatten die Thematik, was passiert, wenn Dinge einfach verrotten, heute schon einmal in Zusammenhang mit dem Bericht des Landesrechnungshofs.

Am Runden Tisch einigten sich die Beteiligten darauf, dass die Bezirksversammlung Hamburg-Nord für die Erstellung eines Nutzungskonzepts

(Cansu Özdemir)

50 000 Euro zur Verfügung stellt, was Bäderland ausdrücklich begrüßte. Dieses wurde am 16. Dezember 2010 in der Bezirksversammlung offiziell und mehrheitlich beschlossen. Daraufhin haben die Bürgerinitiative und alle Fraktionen einen Kriterienkatalog erarbeitet, der Grundlage für ein neues Nutzungskonzept sein sollte.

Doch obwohl der Runde Tisch mehrmals getagt und der Bezirk Hamburg-Nord 50 000 Euro für ein Nutzungskonzept zur Verfügung gestellt hat, ist die Situation des Freibades Ohlsdorf weiterhin festgefahren. Was ist die Ursache? Nach mehreren Versuchen, weiter mit Bäderland ins Gespräch zu kommen, stellte sich heraus, dass der Geschäftsführer der Bäderland Hamburg GmbH, Klauspeter Schelm, sich weder an das Ergebnis des Bürgerentscheids "Rettet das Freibad Ohlsdorf" noch an den Beschluss der Bezirksversammlung gebunden fühlt. Wir finden es einen Skandal, wie die stadteigene Bäderland Hamburg GmbH mit der Demokratie und mit den Menschen in diesem Bezirk umgeht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Hallen- und Freibad Ohlsdorf ist in einem elenden Zustand. Seit Jahren hat keine Sanierung oder zumindest keine angemessene Sanierung stattgefunden, die Anlage verrottet zunehmend. Bäderland sitzt die Mängel aus und verweigert de facto nicht nur das Gespräch mit der an der Sanierung interessierten Initiative,

(Olaf Ohlsen CDU: Unglaublich!)

sondern es wird ein immenser Sanierungsstau aufgebaut, um so das Bürgerbegehren durch Zeitablauf und Nichtstun auszuhebeln.

Der Senat muss jetzt aktiv werden und Gespräche mit Bäderland führen. Offiziell ist die BSU im Aufsichtsrat, aber es sind mehrere Senatoren damit befasst, zum Beispiel auch der Schulsenator, was die Verträge zum Schulschwimmen betrifft. Das Hallen- und Freibad Ohlsdorf muss als Standort für ein Familien- und Sportbad erhalten bleiben.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben mit den Beteiligten gesprochen und festgestellt, dass es Kompromissbereitschaft auf allen Seiten gibt, bei der Initiative, bei der Bezirksversammlung, nur nicht bei Bäderland.

Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt und wir möchten, dass der Senat dafür Sorge trägt, dass eine neue Planung in die Wege geleitet wird. Wir möchten Bewegung im Sinne einer realistischen Kostenabschätzung erreichen; auch darüber haben wir heute in Zusammenhang mit dem Bericht des Landesrechnungshofs schon einmal diskutiert. Der Senat sollte sich dort einschalten, um den Zustand ausbleibender Investitionen zu beenden.

Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir in der letzten Sitzung einen Interfraktionellen Antrag verabschiedet haben, der mit "Mehr Demokratie" ausgehandelt wurde. Die Stoßrichtung dieses Interfraktionellen Antrags war, dass alle Parteien der Bürgerschaft die direkte Demokratie ernst nehmen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Aber das Agie- ren entspricht nicht dem, was wir verabredet haben! Also erzählen Sie nichts Falsches!)

Ich gehe davon aus, dass auch alle Fraktionen in den Bezirken sie ernst nehmen. Und deshalb sind wir der Auffassung, dass, wenn die Situation in Hamburg-Nord so festgefahren ist,

(Klaus-Peter Hesse CDU: Und wen haben Sie festgefahren?)

der Senat gefordert ist, die Initiative zu ergreifen und etwas zu tun, damit das Freibad so erhalten bleibt, wie das Volksbegehren entschieden hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Eisold, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Schade, ich hatte mich gefreut, zuerst noch die Beiträge der anderen zu hören, aber so ist das mit der Reihenfolge.

(Olaf Ohlsen CDU: Dann setzen Sie sich doch wieder hin!)

Der Beitrag von Frau Heyenn war im Grunde schon mit vielen Aspekten gespickt, die weiterführen. Es ist gut, dass wir nicht die Schlachten von gestern schlagen und nicht erneut über Sprungtürme und einzelne Details der Ausstattung des Schwimmbades reden, sondern dass wir – wie der Antrag auch vorsieht – darüber sprechen, wie es weitergehen kann.

Und da kann man von dieser Stelle aus erst einmal ausdrücklich dem Bezirk Hamburg-Nord danken und dem früheren Bezirksamtsleiter, Herrn Kopitzsch, dass er sich mit der Initiative zusammengesetzt, Bäderland eingeladen und Planungsbeteiligte an einen Runden Tisch geholt hat. Denn das erwarten wir auch, wenn es einen Bürgerentscheid gegeben hat, dass hinterher geschaut wird, wie es weitergeht, und dass es keine festgefahrenen Fronten gibt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ist auch die Ausgangslage im Bezirk Hamburg-Nord gar nicht so schlecht. Frau Heyenn, Sie haben richtig gesagt, dass es dort Mittel für ein Gutachten gibt, das ist immerhin schon einmal etwas. Es gibt die Bezirksversammlung, die Beschlüsse dazu gefasst und Kriterien für ein solches

(Dora Heyenn)

Gutachten entwickelt hat. Und wir warten darauf, dass es vergeben werden kann.

Auf der Grundlage des Gutachtens müssen sich dann alle überlegen, welche Handlungsoptionen für ein Schwimm- und Freibad Ohlsdorf es für die Zukunft gibt. Und nach dem, was ich in den letzten Tagen gehört habe, wird es kurzfristig auch wieder Gespräche geben, auch mit der Initiative,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist gut!)

mit dem Bezirksamt und der zuständigen Fachbehörde. Das ist richtig, und wir hoffen, dass wir dann in Kürze Informationen darüber haben, wie das Verfahren in Hamburg-Nord weiterläuft und hoffentlich dann bald Ergebnisse bringt.

Grundsätzlich glaube ich allerdings, dass es Sinn gemacht hat, sich Zeit zu nehmen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Es ist drei Jahre her!)

Politische Prozesse, und gerade Prozesse nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid, brauchen eine gewisse Zeit, um allen Beteiligten Gelegenheit zu geben, aufeinander zuzugehen. Ich weiß, dass es schon ein bisschen her ist. Nichtsdestotrotz gab es Runde Tische und Gespräche und es gibt sie weiterhin, wie wir wissen. Und eines stimmt nicht, Frau Heyenn: Es ist nicht so, dass das Schwimmbad Ohlsdorf vor sich hin verfällt. Die laufende Instandhaltung macht Bäderland schon. Sie kümmern sich darum, dass das Bad genutzt werden kann. Richtig ist, dass keine weitergehenden Investitionen getätigt werden, das ist allerdings auch nachvollziehbar, denn zunächst muss die Frage geklärt werden, wie es grundsätzlich mit dem Bad weitergeht.

Vor diesem Hintergrund finden wir Ihren Antrag auch ein bisschen schwierig. Wir glauben, dass die weitere Diskussion schon im Bezirk Hamburg-Nord erfolgen sollte. Es handelt sich immerhin um einen bezirklichen Bürgerentscheid. Den wollen wir ernst nehmen. Deshalb müssten die Akteure auch zusammen mit der Bezirksversammlung klären, wie es dort weiter vorangehen soll. Wir halten es – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – nicht für verträglich, wenn sich der Senat auf eine solche Art und Weise in die Angelegenheiten eines Bezirks einmischt. Wir wünschen uns, dass die Einigkeit vor Ort hergestellt wird.

(Beifall bei der SPD)

Das entspricht auch der Linie, die wir schon in der letzten Legislaturperiode vertreten haben, als wir in der Bürgerschaft ein breites Beteiligungsverfahren vor Ort beantragt haben, in dem alle Beteiligten gemeinsam vereinbaren, wie die einzelnen Sanierungsschritte auszugestalten sind und wie das Bad in Zukunft aussehen soll. Das hat damals leider keine Mehrheit gefunden, weil CDU und GAL unseren Antrag nicht mitgetragen haben. Wir freuen

uns, dass das vor Ort dennoch geschieht, und hoffen, dass wir bald Ergebnisse haben werden.

(Olaf Ohlsen CDU: Alles wird gut!)

Frau Heyenn, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass wir erst im Januar einvernehmlich eine Novellierung der bezirklichen Bürgerbegehren verabschiedet haben. Und was jetzt im Bezirk Hamburg-Nord passiert, nämlich ein gemeinsames Vermittlungsverfahren, entspricht vom Charakter her genau dem, was wir uns alle vorgestellt haben. Deshalb sollte es dafür auch die notwendige Zeit geben. – Vielen Dank.