Ich habe kein Problem damit, das klären zu lassen. Und machen wir uns doch nichts vor: Sollte der Volksentscheid erfolgreich sein, gibt es auf jeden Fall die Möglichkeit zu klagen. Ich fände es besser, wenn das Volk vorher wüsste, was los ist. Dazu wird es wahrscheinlich nicht mehr kommen. Wir können aber auch nicht durch die Stadt laufen und behaupten, dass der Volksentscheid auf jeden Fall
verfassungswidrig sei. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem so ist, kann man mit nicht mehr als 50 Prozent bezeichnen, mehr gibt die Anhörung, die wir im Verfassungsausschuss hatten, nicht her. Insofern haben wir unterschiedliche Auffassungen, wir Grüne können damit leben. – Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die verbleibende Redezeit der FDP-Fraktion zwingt mich leider dazu, nicht so ausführlich und sorgfältig vorzutragen, wie der Kollege Müller das eben getan hat.
Als Partei, die sich in besonderer Weise dem Rechtstaat verpflichtet fühlt, sehen wir wie die CDU erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken beim geplanten Volksentscheid. Artikel 50 der hamburgischen Verfassung regelt die Möglichkeiten von Volksentscheiden, zieht aber in der Volksgesetzgebung auch Leitplanken ein, um die Balance zwischen parlamentarischer und direkter Demokratie zu gewährleisten. Eine dieser Leitplanken ist das in Artikel 50 Absatz 1 Satz 1 der hamburgischen Verfassung enthaltene Verbot, Haushaltspläne zum Gegenstand eines Volksentscheids zu machen. Diese Bestimmung schützt das Haushaltsprivileg des Parlaments und ist daher eine ausgewogene Regelung zum Ausgleich von repräsentativer Demokratie und Volksgesetzgebung. Dass die Haushaltsrelevanz im Sinne von Artikel 50 Absatz 1 Satz 2 hamburgische Verfassung bei einer hundertprozentigen Rekommunalisierung, die mit einem Entschädigungsvolumen von über 2 Milliarden Euro verbunden wäre, vorliegen könnte, dafür bedarf es nicht viel Fantasie.
Kurze Rede, langer Sinn: Wir begrüßen den Antrag der CDU und werden einer Überweisung an den Ausschuss zustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren! Im Grunde ist vieles schon gesagt worden. Auf eines möchte ich aber doch noch einmal eingehen. Unserer Meinung nach versucht die CDU, uns Äpfel für Birnen zu verkaufen.
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter. – Trotz der geringen Besetzung ist es doch recht laut. Bitte seien Sie ruhig und hören Sie dem Abgeordneten zu. – Fahren Sie bitte fort.
(Zurufe aus dem Plenum: Er spricht aber auch sehr leise, Frau Präsidentin! – Christia- ne Schneider DIE LINKE: Schrei mal ein bisschen!)
Nach unserer Ansicht versucht die CDU, uns Äpfel für Birnen zu verkaufen. Die Antwort darauf ist nicht, dass das eine in Vierlande wächst und das andere im Alten Land, sondern dass das schlicht falsch ist.
Es wurde schon darauf eingegangen, ich will das noch einmal tun. Der Blick in das Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. In der Verfassung, die am 23. Dezember 2008 außer Kraft getreten ist, stand in Artikel 50 Absatz 1 Satz 2:
"[…] Haushaltsangelegenheiten, Abgaben, Tarife der öffentlichen Unternehmen sowie Dienstund Versorgungsbezüge können nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein."
"Bundesratsinitiativen, Haushalspläne, Abgaben, Tarife der öffentlichen Unternehmen sowie Dienst- und Versorgungsbezüge können nicht Gegenstand einer Volksinitiative sein."
Das ist nicht das Gleiche. Dieser Änderung liegt der deutliche Wille des damaligen Gesetzgebers zugrunde, in Reaktion auf das sogenannte VolXUNI-Urteil des Hamburgischen Verfassungsgerichts Überlegungen entgegenzutreten, haushaltswirksame Volksinitiativen gänzlich auszuschließen. Ich zitiere aus Drucksache 19/1476 in der Neufassung vom 14. November 2008, Seite 3:
"Mit dem Begriff 'Haushaltspläne' statt 'Haushaltsangelegenheiten' wird klargestellt, dass finanzwirksame Vorlagen grundsätzlich zulässig sind (vergleiche HVerfG 5/04). Satz 3 bleibt unverändert."
Ich gebe zu, dass das Verfassungsgericht sich damit deutlich auseinandergesetzt hat. Allerdings kommt es in seinem Urteil zu einem anderen Schluss: Es beurteilt die VolXUNI-Initiative nicht aufgrund von Haushaltsangelegenheiten als verfassungswidrig, sondern aufgrund von Einwirkungen auf Abgaben oder Gebühren, die die Stadt Hamburg erheben oder eben nicht erheben sollte. Das ist noch einmal ein Unterschied, den man kenntlich machen muss.
Ansonsten bleibt auch mir nur zu sagen: Sie überschreiten das geforderte Fünftel deutlich, Ihnen steht das Recht zu, den Gang zum Sievekingplatz einzuschlagen. Mit freundlichen Grüßen; der Fristenbriefkasten ist rund um die Uhr geöffnet.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Ich spreche als Abgeordneter zu Ihnen,
auch als Partner einer Sozietät, die das eine oder andere verfassungsgerichtliche Verfahren erfolgreich geführt hat, als Sprecher einer Volksinitiative, die einen Volksentscheid gewonnen hat, und als Vertreter einer Volksinitiative, die beim Verfassungsgericht ein solches Verfahren gewonnen hat.
(Andy Grote SPD: Sie sind ja ein richtiges Multitalent! Das nur kurz zur Einführung zu meiner Person, um zu verdeutlichen, dass das, wenn ich jetzt zu Ihnen spreche, dann juristische Hand und Fuß hat. (Beifall bei der CDU – Andy Grote SPD: Danke! Jetzt können wir das gleich ganz an- ders einordnen!)
Wir sind uns einig darin, dass die Vorlage der Volksinitiative "UNSER HAMURG – UNSER NETZ" verfassungsrechtlich bedenklich ist; aus meiner persönlichen Überzeugung unwirksam und verfassungswidrig. Sie, Herr Kollege, haben die Frage der Verfassungsänderung angesprochen. Dann machen Sie uns doch einmal deutlich, wie Herr Scholz und sein Senat die Vorlage eines erfolgreichen Volksentscheids umsetzen und über 2 Milliarden Euro Darlehen aufnehmen sollen, ohne die Haushaltspläne für die kommenden Jahre zu ändern. Die Vorlage ist verfassungswidrig, weil sie gegen den Haushaltsvorbehalt verstößt.
Viel wichtiger ist mir aber, herauszuarbeiten, was Bürgermeister Scholz in den letzten Monaten eigentlich getan hat. Noch einmal: Wir sprechen
Herr Scholz betreibt "Cherry picking" der übelsten Sorte; er pickt sich die Kirschen aus dem Käsekuchen heraus, die ihm gerade schmecken. Machen Sie sich bitte eines deutlich: Herr Scholz und sein Senat haben, als die Volksinitiative im Januar den Antrag gestellt hat, einen Volksentscheid durchzuführen, die Bundestagswahl als Datum dafür gewählt. Die Bundestagswahl als Termin zu wählen, bedeutet letztlich nichts anderes, als dass Herr Scholz sagt: Was kümmert mich ein Verstoß gegen das Volksabstimmungsgesetz – im Volksabstimmungsgesetz steht ausdrücklich, dass ein Volksentscheid vier Monate nach Antragstellung durchzuführen ist, da gibt es keine Ausnahme –, wenn ich doch aus der geänderten Verfassung 2008 ein viel bequemeres Datum bekomme. Ich schiebe das Ganze noch ein bisschen vor mich her, machen wir doch den Volksentscheid erst bei der Bundestagswahl.
Was die verfassungsrechtliche Überprüfung angeht, sucht sich Herr Scholz eine andere Kirsche. Da fragt er nicht, was kümmert mich das Gesetz, da fragt er, was kümmert mich die olle hamburgische Verfassung, wenn ich mich doch auf das Volksabstimmungsgesetz berufen kann, in dem für diese Phase keine Prüfung vorgesehen ist? Er pickt sich also mal die Verfassung, mal das Gesetz heraus; so geht es nicht. Herr Scholz handelt hier, um einen der von ihm geliebten Anglizismen zu gebrauchen nach dem Rechtssatz: The queen can do no wrong. Aber Herr Scholz ist nicht die Queen, Olaf Scholz can do wrong, und hier handelt er gleich mehrfach rechtswidrig.
Olaf Scholz verletzt mit seinem Senat die Verfassung, wenn er einen Volksentscheid durchführen lässt, ohne ihn vorher auf Verletzung des Haushaltstabus zu überprüfen. Er missachtet damit zugleich das Parlament, denn wenn der Senat seine Verantwortung ernst nimmt, dann muss er auch Artikel 50 Absatz 1 ernst nehmen. Und wenn es in der Senatskanzlei, in der Finanzbehörde und in der damals noch nicht CDU pur, sondern GAL-geführten Stadtentwicklungsbehörde verfassungsrechtliche Bedenken gibt,