Tim Golke

Sitzungen

20/24 20/28 20/30 20/35 20/38 20/39 20/40 20/41 20/43 20/44 20/45 20/48 20/51 20/52 20/56 20/57 20/58 20/60 20/61 20/63 20/65 20/70 20/71 20/73 20/74 20/76 20/79 20/83 20/85 20/93 20/103 20/104

Letzte Beiträge

– Schwarz gekleidet bin ich auch.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, wenn man sich als Mitglied des Sozialausschusses die Beratungen um die Themenbereiche des Landesaktionsplans zur UN-Konvention angeschaut hat, dann konnte man feststellen, dass wir immer mit einer relativ großen Einigkeit in der Sache vorgegangen sind. Die Unterschiede lagen eher an Forderungen der einen oder anderen Oppositionsseite nach einem Höher, Schneller, Weiter, als dass wir wirklich gesagt hätten, wir müssten an einer Stelle diametral etwas anders machen. Ich klammere hier einmal ausdrücklich den Bereich Inklusion in der Schule aus, weil das nicht Gegenstand des Sozialausschusses ist und ich ehrlicherweise auch wenig kompetent darüber sprechen kann. Das muss man am Anfang festhalten, weil das auch etwas ist, das sich beim Senat fortgesetzt hat, denn Herr Senator Scheele war an dem Punkt wirklich immer bereit, relativ umfänglich über das Senatshandeln im Sozialausschuss zu verschiedenen Themen Auskunft zu geben. Das hat uns auch bei der Arbeit im Sozialausschuss immer wieder begleitet. Dafür einen herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen im Haus von mir. Ich glaube, der ist auch fällig am Ende der Legislaturperiode.
In diesem Bericht wird auch sehr deutlich, dass wir im Grunde genommen noch nach der einen Begrifflichkeit suchen, was eigentlich Inklusion ist. Inklusion wird gern übersetzt mit Barrierefreiheit und mit dem Nachsatz, dass es doch viel mehr ist. Inklusion wird gern übersetzt mit der Frage, Medien zugänglich machen zu müssen. Aber es ist doch so viel mehr. Ich habe auch nicht die eine Antwort darauf, was Inklusion ist. Ich glaube, Inklusion ist ein Prozess, den wir gehen müssen, und für diesen Prozess müssen wir uns Instrumente überlegen. Ich finde, eine solche Planung, wie der Senat
sie schon mehrfach vorgelegt hat und wie sie fortgeschrieben wird, ist ein Instrument, das sich dafür eignet, einen solchen Prozess anzugehen, bei dem alle Beteiligten auch Kritik üben können und sagen, an welchem Punkt sie gern mehr oder weniger hätten. Oder es ist genug getan, das mag auch irgendwann ein Stand sein. Aber ich glaube nicht, dass es irgendwann den Punkt geben kann, an dem wir uns zurücklehnen und sagen können, die inklusive Gesellschaft sei da. Das wird wohl nicht passieren.
Ich will, gar nicht einmal so kritisch, zu einzelnen Punkten Stellung nehmen. Ich komme aus dem Arbeitsmarktbereich, und dann suche ich mir natürlich das Programm "Job 4000" aus und die Fortsetzung dessen, nachdem der Bund sich aus der Finanzierung zurückgezogen hat. Das war einfach folgerichtig und bitter notwendig, weil nach wie vor außerhalb des öffentlichen Dienstes – der macht an dieser Stelle seine Arbeit, das muss man sehr deutlich sagen – Zurückhaltung bei den Arbeitgebern in Hamburg festzustellen ist, wenn es darum geht, schwerbehinderte Menschen einzustellen. Es zeigt – das ist unsere Konsequenz –, dass die Ausgleichszahlungen durch Arbeitgeber, die in nicht ausreichendem Maße behinderte Menschen beschäftigen, im Moment noch zu niedrig sind.
Ich komme zum an sich längst überfälligen barrierefreien Ausbau des ÖPNV. Es stimmt, Sie haben Bushaltestellen barrierefrei ausgestattet. Ich habe mir das einmal angeschaut und mich gefragt, warum dieser geriffelte Streifen nicht zum Fahrkartenautomaten führte. Der stand einfach frei in der Gegend, aber das könnte mir vielleicht ein Verkehrsexperte noch erklären. Dass hier in kleinen Schritten Fortschritte gemacht werden, erkennen wir gern an. Und die Stadt investiert endlich in den barrierefreien Ausbau von U-Bahnhöfen, da ist viel passiert, alles gut.
Aber ich denke, manchmal braucht man mehr Überblick. Ich kann ziemlich gut von meinem Büro aus auf den U-Bahnhof Burgstraße sehen. Es gibt dort seit einigen Wochen einen Aufzug, der auch funktioniert. Aber an der Ampelanlage, die über die Hammer Landstraße führt und den Weg zum Jobcenter für behinderte Menschen bildet, ist nach wie vor eine Bordsteinabsenkung nur im Bereich des Fahrradwegs vorhanden. Man muss beim barrierefreien Ausbau etwas weiter ins Umfeld schauen, dass der Fahrstuhl hochfährt und wieder herunter, reicht nicht immer. Das wäre mein Rat und ist für mich auch obligatorisch.
Das ist unsere Position, die haben wir immer wieder deutlich gemacht. Mit der Inklusion insgesamt werden wir nur schneller weiterkommen, wenn wir dafür mehr Geld in die Hand nehmen; das muss ich an dieser Stelle so sagen.
Auch dieses Rednerpult hat übrigens eine Barriere. Hier ist eine Stufe, deswegen werde ich den letz
ten Teil meiner Rede von hier unten halten, denn gleichberechtigte Teilhabe ist ein Menschenrecht. Über Menschenrechte lässt sich nicht verhandeln, schon gar nicht mit finanziellen Argumenten.
Dafür steht DIE LINKE. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist immer etwas schwierig als fünfter Redner nach der FDP. Es ist so verlockend, und man möchte gern eine Gegenrede halten zu den Positionen der FDP.
Ich werde das trotzdem jetzt lassen. Herr Jarchow, wir unterscheiden uns an vielen, vielen Stellen.
Frau Föcking hat schon das Wort Mutlosigkeit genannt, und komischerweise kam mir dieser Begriff bei der Vorbereitung dieser Rede auch in den Sinn – möglicherweise aus anderen Beweggründen, aber das sei hier einmal festgehalten.
Vorab möchte ich gern sagen, dass der soziale Arbeitsmarkt, wie er von der SPD hier eingeführt wurde, sich zumindest als nutzlos erwiesen hat, wenn man sich die Zahlen anschaut. Arbeitslose im Dezember 2011: 67 410, Arbeitslose im Dezember 2012: 67 406, Arbeitslose im Dezember 2013: 71 125, Arbeitslose im November 2014, die letzten vorliegenden Zahlen: 70 365 in Hamburg. Bewegung: gar keine. Und dann kommt Ihr sozialer Arbeitsmarkt dazu. Hat er etwas gebracht? Nein, hat er nicht. Das mag möglicherweise am fehlenden Willen liegen, hier tatsächlich etwas zu tun, denn Sie selbst haben uns immer gesagt, dass der hohe Verwaltungskostenanteil, wie ihn Frau Demirel schon nannte, von Ihnen politisch gewollt ist. Sie haben uns immer gesagt, dass Sie die Arbeitsmarktpolitik nicht als Kernbereich Ihrer Politik begreifen und dass vom Land finanzierte arbeitsmarktpolitische Maßnahmen die Ausnahme bleiben müssen, dass ESF-Finanzierung und der Eingliederungstitel über den Bund Ihr Ziel sind und die Stärkung der Arbeitsmarktpolitik auch über den Bund geschehen müsste. Wir haben da eine ganz andere Auffassung.
Und es ist in Teilen vielleicht auch die fehlende Courage. Es ist richtig, dass in den Kommunen und im Land NRW und auch in Baden-Württemberg nicht der hier schon diskutierte richtige Pas
siv-Aktiv-Transfer durchgeführt wurde, aber diese Kommunen und diese Länder haben immerhin Wege gefunden, etwas zu schaffen, was eine ähnliche Wirkung hat. Diese Courage hat Herr Scheele an dieser Stelle eindeutig nicht; das ist hier festzuhalten.
Er hat aber den eindeutigen Willen, und das ist mit dem SGB II auch einfacher, Politik gegen Arbeitslose, aber nicht gegen Arbeitslosigkeit zu machen.
Null-Euro-Jobs, die ich Zwangsarbeit genannt habe und heute auch noch nenne, Änderungen bei der Zusätzlichkeit, die nichts anderes bedeuten, als wiederum arbeitslose Ein-Euro-Jobber im Bereich von zum Beispiel Gartenpflege einzusetzen, wozu wir in Hamburg-Mitte einmal eine offizielle Beschwerde des Gartenpflegeverbandes hatten, weil die Gewinneinbrüche gesehen haben. Das kann nicht das Ziel sein.
Und dann kommt Ihr Antrag zum Mindestlohn, den ich noch einmal mitgebracht habe, weil er einfach so schön ist, vor allen Dingen der Punkt 2, wo der Senat ersucht wird,
"darzustellen, wie die Grundlagen für 'Gute Arbeit' in allen von der Freien und Hansestadt Hamburg beeinflussbaren Bereichen gewährleistet werden können."
Die SPD-Fraktion weiß nicht, was gute Arbeit ist – das ist auch eine Erkenntnis dieses heutigen Tages.
Ansonsten verstehe ich das Mindestlohngesetz so, dass uns eigentlich gerade in diesen Tagen eine Drucksache hätte zugehen müssen, in der der Senat uns darüber in Kenntnis setzt, dass der Mindestlohn per Rechtsverordnung um einen Betrag x erhöht wird. So hat das Gesetz es vorgesehen, und zwar zum 1. Januar 2015. Dieses ist nicht geschehen, und ich habe den starken Eindruck, dass der Senat es vergessen hat und erst auf die Intervention meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage hin überhaupt angefangen hat, die Träger der Sozialpartner hier an einer Erhöhung und mit ihren Vorstellungen zu beteiligen, und das ist ein Armutszeugnis.
Ich habe langsam den Eindruck, der Senat und die SPD-Fraktion schreiben nicht nur Hausaufgaben, sondern sie spielen ein Theaterstück, nämlich das Drama "Biedermann und die Brandstifter". Bisher
habe ich Sie immer nur für den Biedermann gehalten, der die soziale Spaltung in der Stadt nur nicht zur Kenntnis nehmen möchte und auch die Rufe aus der Opposition nicht nur von links, sondern auch von der anderen Seite des Hauses an dieser Stelle schlicht ignoriert oder als unwahr abtut. Aber die Sanktionsquote ist genauso wie die Arbeitslosenquote immer gleich geblieben: von 3,7 Prozent im März 2011 auf 3,8 Prozent im Dezember 2011, auf 3,9 Prozent im Dezember 2012, im Dezember 2013 waren es sogar 4,3 Prozent und im August 2014, die letzten Zahlen, dann 3,5 Prozent. Die Kürzung der Ein-Euro-Jobs – gegen die ich nichts habe, denn Ein-Euro-Jobs sind nicht das richtige Mittel – ohne Zurverfügungstellung einer Alternative ist ein Eingriff in die soziale Infrastruktur dieser Stadt, und das hören wir an jeder Ecke und aus jedem Bezirk von Projekten, die schon in der zweiten Übergangslösung laufen. Ich nenne Pottkieker, den Kinderbauernhof in Kirchdorf-Süd oder La Cantina, die sich an uns gewandt haben und gesagt haben, sie hätten Schwierigkeiten.
Ein-Euro-Jobs werden nicht ersetzt, das ist ein Problem, und das ist der Punkt, weshalb ich von Biedermann und den Brandstiftern rede.
Nun regen Sie sich nicht so auf.
Sie sorgen dafür, dass wichtige Projekte in dieser Stadt, die nicht nur Menschen Arbeit geben im sozialen Arbeitsmarkt, sondern die in ihren Stadtteilen auch wichtige Aufgaben wahrnehmen, ihre Arbeit so nicht mehr fortsetzen können, und Ihre Realitätsverweigerung, die Sie mit dieser Arbeitsmarktpolitik hier an den Tag legen, ist ein Punkt, den ich nicht hinnehmen werde und nicht hinnehmen kann. Aber ich sage Ihnen auch, dass Brandstiftung nicht mein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist, und da müssen wir uns auseinandersetzen. Im Übrigen ist es ein Theaterstück.
Ich habe aber noch eine andere Nutzlosigkeit, nämlich eine Kennzahl im Haushalt. Ich rede von der Kennzahl 255 02 016, das ist die mit den Vermittlungserfolgen.
Diese Kennzahl ist intransparent, weil sie uns eine Zahl nennt, aber nicht richtig definiert, was ein Vermittlungserfolg ist. Und sie ist gefährlich, weil wir bisher nur mit Geld im kameralen System gearbeitet haben und jetzt eine Kennzahl bekommen, die intransparent ist und nicht deutlich macht, wann ein Vermittlungserfolg vorliegt oder wann nicht –
nach sechs Monaten oder nach Bestehen der Probezeit. Wir schlagen vor, viel Geld in die Hand zu nehmen, aber wir glauben nicht, Herr Schwieger, dass man mit Geld alles lösen kann. Wir glauben aber, dass man Geld nützlich einsetzen kann. – Vielen Dank.
Sie haben eben gesagt, dass die Hamburgerinnen und Hamburger das System gut annehmen würden. Dann möchte ich Sie doch gerne fragen: Bleibt uns denn etwas anderes übrig, oder würden Sie mir oder meiner Frau empfehlen, wenn uns das Angebot an den Hamburger Kitas nicht passen würde – was in unserer Kita nicht der Fall ist –, zu Hause zu bleiben?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schwieger, Ihre Worte haben mich durchaus erfreut.
Dinge, die ich in Ihrem Antrag nicht gelesen habe, haben Sie in der Debatte beigetragen. Ich möchte zwei davon gern hervorheben, weil ich sie für sehr wichtig halte, und das betrifft das kleine oder auch nicht so kleine Wort freiwillig, etwas, was dieser Senat und dieser Senator in Schriftlichen Kleinen Anfragen…
– Ich versuche, etwas lauter zu schreien, und dann klappt das auch.
– Wir arbeiten da einfach zusammen, Frau Präsidentin.
Freiwilligkeit ist ein ganz wesentlicher Faktor bei jeder Maßnahme, die wir brauchen. Eine Maßnahme nämlich, die angetreten wird unter der Drohung der Absenkung – um wie viel Prozent auch immer – der Leistungen des Jobcenters, hat einen deutlich geringeren Erfolgseffekt, weil sie eben nicht freiwillig, nicht mit einem eigenen Empfinden
dafür angetreten wird, sondern nur, weil sie angetreten werden muss. Das ist ungefähr so wie das Schreiben von Klassenarbeiten. Die würden auch besser laufen, wenn sie freiwillig geschrieben würden, jedenfalls war das bei mir so. Die, die ich mochte, waren immer deutlich besser als die, die ich nicht mochte.
Ein zweites Wort hat mich auch sehr erfreut, nämlich die tarifübliche oder wenigstens ortsübliche Entlohnung dieser Beschäftigung. Auch das ist etwas, was wir in unserem Zusatzantrag zu Ihrem Antrag, Herr Schwieger, mit eingebaut haben. Es ist unglaublich wichtig bei dieser Frage, keinen Arbeitsmarkt und keine Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen, besonders dann nicht, wenn es darum geht, bei Unternehmen Beschäftigungsverhältnisse einzurichten, die dann Lohndumping und möglicherweise Verdrängungseffekte in der normalen Belegschaft bedeuten würden. Das kann jedenfalls nicht das Ziel eines Passiv-Aktiv-Transfers sein.
Es ist auch nicht der Passiv-Aktiv-Transfer, der höhere Eingliederungsquoten ermöglicht, sondern es ist die kluge Arbeitsmarktpolitik dahinter, über die wir unterschiedliche Meinungen haben. In diesem Haus wurde schon deutlich, dass bei der Frage, ob man passive Mittel aktiv einsetzt, relativ große Einigkeit darin besteht, dass man das versuchen könnte. Aber in der Frage, was man damit tut und in welcher Form sind wir sehr unterschiedlicher Meinung, und genau das ist der Punkt. Es kommt darauf an, wie man diese Mittel einsetzt. Der Passiv-Aktiv-Transfer ist, ganz kalt gesprochen, nur eine werttechnische Umwidmung von Haushaltstiteln. Und, Frau Föcking – das haben Sie nicht gemeint, aber ich sage das zur Sicherheit –, dadurch wird natürlich auch niemandem der Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem SGB II verwehrt, sondern es bleibt eine Rechtsanspruchsleistung. Und Menschen, die darauf angewiesen sind, können diese bekommen, das ist natürlich klar.
Aber es gibt eine weitere Ebene des Ganzen, und da sind wir unterschiedlicher Meinung. Es ist richtig, dass wir in unseren Anträgen deutlich dazu tendieren zu sagen, dass wir auch öffentlich geförderte Beschäftigung eines sozialen Arbeitsmarktes brauchen. Man kann es öffentlicher Beschäftigungssektor nennen oder dritter Arbeitsmarkt; wie man das Kind tauft, ist relativ egal. Wir sagen nicht, wir sollten das gar nicht tun, aber wir müssen nicht nur in Unternehmen Beschäftigungsverhältnisse fördern. Das kann richtig sein, aber es muss nicht immer zum Erfolg führen.
Bei der Frage der Förderung von Arbeitsverhältnissen oder auch beim Hamburger Modell haben wir im Ausschuss immer wieder vom Senator gehört, dass es mehr als schleppend läuft, dass Unternehmen eigentlich immer nur gern die Förderungen mitnehmen, aber nicht die entsprechenden Weiter
beschäftigungszeiten einräumen wollen, dass es im Wesentlichen öffentliche Unternehmen sind, die diese Dinge in Anspruch nehmen, die langzeitarbeitslosen Menschen über geförderte Arbeitsverhältnisse eine Chance geben. Das ist etwas, das wir auch in diese Debatte mit hineinbringen müssen, auch als Merkposten und als Punkt, den wir betrachten müssen.
Herr Schwieger, ich komme noch einmal auf Ihren Antrag.
Ich kann auch Herr Ritter sagen, aber Sie stehen nicht in diesem Antrag.
Ich war doch einigermaßen verwundert, dass Sie den Sozialbericht brauchten, um festzustellen, dass es in Hamburg eine sehr verfestigte und sich weiter sehr verfestigende Langzeitarbeitslosigkeit gibt. Schriftliche Kleine Anfragen von mir und auch von vielen Kolleginnen und Kollegen der Opposition hätten Ihnen das vorher zeigen können und zur Not auch der Blick in die Statistik der Bundesagentur, die durchaus umfangreich ist. Dafür brauchten wir den Sozialbericht in Hamburg jedenfalls nicht.
Ich weiß auch nicht, ob es das arbeitsmarktpolitische Signal ist, was Sie damit verbinden, die Wertschätzung und Würde der Menschen, die sich in Hartz IV befinden – die auch durch die Politik gebrochen und eingeschränkt wurde, das muss man ganz deutlich sagen –, wieder aufzubauen und zu stärken. Dazu gehören natürlich Dinge, die auch in Hamburg laufen, es sind die Null-Euro-Jobs, die der Herr Senator so nicht nennen möchte. Sie sind in der Ausschreibung befindlich, zumindest laut der Informationen, die ich habe, und die den schon sehr windelweichen Paragrafen 45 des SGB III sehr ausreizen und mit denen wir uns auseinanderzusetzen haben. Wenn der Passiv-Aktiv-Transfer nur eine Finanzierungsform ist, dann müssen wir darauf achten, dass am Ende nicht so etwas damit finanziert wird wie Trägerzuschüsse allein dafür, dass Menschen irgendwo beschäftigt werden.
Die GRÜNEN haben völlig recht, wenn sie sagen, wir müssten schauen, dass wir auf Stadtteilangebote und kulturelle Angebote eingehen und auch schauen, wo etwas gebraucht wird. Wir haben nämlich in dieser Stadt eine Situation, auch durch die Kürzungspolitik des Senats, dass viel wichtige Arbeit im Stadtteil nicht mehr geleistet werden kann. Träger – ich meine nicht die, wie ich sie gern nenne, Beschäftigungsinseln oder Arbeitslosenindustrie –, die sozial und kulturell wichtige Dinge leisten, die früher ABM-Maßnahmen hatten, haben gezwungenermaßen auch Ein-Euro-Jobs genommen, weil ihnen schlicht nichts anderes übrig blieb, da sie plötzlich ohne Geld dastanden und diese
Projekte darum leider häufig genug zur Disposition stehen. Das haben wir alles erlebt, und das werden wir auch weiter erleben angesichts dessen, was durch den Haushalt droht. Hier ist der Ansatzpunkt – es reicht nicht, um vernünftige und tarifliche Beschäftigung zu machen, da sind wir uns wohl einig –, diese Mittel auch dafür zu verwenden, in diesen Stadtteilen eine Stärkung des öffentlichen Dienstes so zu gestalten, dass dort tatsächlich wieder gearbeitet werden kann, und damit auch Menschen, die in diesen Stadtteilen wohnen und sich dort vielleicht jetzt schon engagieren, zu helfen, aus diesem Bezug herauszukommen.
Das ist der Ansatz, den die GRÜNEN vertreten, und diesen Ansatz tragen wir an dieser Stelle mit. Es gibt viele andere Dinge im Antrag der GRÜNEN, mit denen wir nicht einverstanden sind, weil sie uns zu weit in eine Richtung gehen; deswegen würden wir ihn auch ablehnen. Aber die Überweisung, die offensichtlich die SPD verfolgt, würden wir unterstützen, denn das können wir im Ausschuss als gute Arbeitsgrundlage benutzen. – Ganz herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In Hamburg sind die Folgen der Schuldenbremse jeden einzelnen Tag stärker festzustellen. Vor allen Dingen die damit verbundene Kürzungspolitik in den Bezirken zeigt inzwischen ihre zerstörerische Kraft, gerade im sozialen Bereich. DIE LINKE steht in grundsätzlicher Opposition zur Kürzungspolitik und zur Privatisierung gesellschaftlicher Einrichtungen, ob in der Stadt oder in den Bezirken.
Das hat Gründe. Es mag sein, dass in den Bezirken in den letzten Jahren immer mal wieder mehr Geld zur Verfügung stand, aber wir schicken nicht nur unser Geld, wir schicken auch unsere Entscheidungen. Wer hat denn über das Geld entschieden? Die Bürgerschaft in den Ausschussberatungen, hier mit der Mehrheit Ihres Parlamentes, im Verfassungsausschuss, der auch Bezirksausschuss ist, und wer sitzt uns da gegenüber? Bezirksstaatsrat Schwinke.
Wer ist daran beteiligt? Kein einziger Bezirkspolitiker. Der SPD-Senat wälzt die Entscheidung zur Umsetzung genau dieser Kürzungspolitik auf die Bezirke ab, getreu dem Motto: Die schlechten Nachrichten überbringen sollen doch bitte andere.
Die Bezirke werden immer wieder in ureigenen kommunalen Fragen wie dem Erhalt und Ausbau von soziokulturellen Einrichtungen wie Schwimmbädern, Museen, Stadtteil- und Beratungszentren, öffentlichen Grünlagen, Kleingärten oder Jugendund Kindereinrichtungen damit konfrontiert.
Ich sage, sie werden konfrontiert.
Was ihnen bleibt, ist die Vermittlung von Kürzungsmaßnahmen in Gestalt von sogenannten Feinspezifizierungen. Während die Haushaltsmittel der Bezirke von der SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft beschlossen werden, bleibt den Bezirken dann die zweifelhafte Aufgabe zu entscheiden, welchem Stadtteilkulturzentrum oder welcher Einrichtung oder Initiative sie von den festgesetzten Haushaltsansätzen mehr oder meistens weniger zukommen lassen dürfen. Ohne ein bezirkliches Haushaltsund Budgetrecht, das die Bezirke zumindest weiter und näher an die verfassungsmäßige Position der Bürgerschaft heranbringt, und ohne eine auskömmliche Finanzierung mit verbindlichen Verfügungsrechten über Steuereinnahmen gibt es keine kommunale Selbstbestimmung, sondern nur die undankbare Aufgabe, dem Souverän, also der Bevölkerung, die schlechte Nachricht zu überbringen, dass die Kassen leider leer sind und die öffentlichen Leistungen nicht möglich sind oder weiter eingeschränkt werden müssen.
Frau Duden, ich bin auch nicht sehr glücklich mit dem Titel der Anmeldung der FDP, aber daraus den Vorwurf abzuleiten, die FDP hätte nicht genug Mitglieder, um Wahlkreislisten aufzustellen, ist wirklich sehr preiswerte Polemik an dieser Stelle.
DIE LINKE hat es geschafft, in 53 von 54 Wahlkreisen Wahlkreislisten aufzustellen. Das war ein Kraftakt und das haben wir gut gemacht, aber wenn andere das nicht schaffen, macht es sie nicht schlechter.
Es ist im Gegenteil so: Bei den Begegnungen, die ich mit Menschen in dieser Stadt habe, habe ich weniger häufig die Aufgabe, die ich eigentlich hätte, von meiner Politik zu erzählen und zu überzeugen, sondern ich habe vielmehr die Aufgabe zu überzeugen, dass das, was wir hier tun, gut ist und überhaupt wert ist, zur Wahl zu gehen. Und danach kommt das Werben um die eigene Position. Da sind die Besorgnisse hinsichtlich der Wahlbeteiligung selbstverständlich gerechtfertigt. Das muss man in diesem Parlament auch sagen dürfen, ohne mit preiswerter Polemik traktiert zu werden. Am 25. Mai sind Bezirkswahlen. Die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt werden schlauer sein als die SPD erlaubt, sich massiv daran beteiligen und nicht die SPD wählen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die CDU hat tatsächlich einen umfangreichen Antrag vorgelegt, der inhaltlich durchaus als indifferent zu bezeichnen und deswegen schwer zu behandeln ist. Man sieht den Schwerpunkt dieses Antrags aber schon sehr deutlich in der Innenpolitik, und deswegen habe ich die etwas komplizierte Aufgabe, als bezirkspolitischer Sprecher über Innenpolitik reden zu müssen. Da schon viel gesagt wurde über diesen Antrag, werde ich mich darauf beschränken, zu drei seiner Punkte etwas zu sagen, zu den Punkten 2, 4 und 6; das ist sogar noch relativ einfach zu merken.
In Punkt 2 fordert die CDU den Wiederausbau der Videoüberwachung zur Gefahrenprävention und Strafverfolgung – auf öffentlichen Plätzen, wohlgemerkt, in U- und S-Bahn ist Videoüberwachung ohnehin Praxis. Grundsätzlich steht DIE LINKE dem Thema Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen sehr kritisch gegenüber. Denn was überwachen Sie da? Auch die CDU hat bis heute nicht den Schalter erfunden, der die Kameras anspringen lässt, sobald eine Straftat begangen wird. Das wäre toll, wenn die Kameras nur laufen würden, wenn Straftaten begangen werden. Aber nein, es müssen Menschen, die auf diesen Plätzen sind und sich dort bewegen, überwacht werden. Es ist bei einer sehr weit ausgebauten öffentlichen Videoüberwachung möglich, Bewegungsprofile zu erzeugen, die von wem auch immer genutzt werden könnten. Hinzu kommt, dass wir mit den Videoüberwachungsmaßnahmen eine heftige Debatte um ganz gewichtige Grundrechte haben werden, weil diese beweglichen Kameras nämlich nicht nur öffentliche Plätze im Blick haben, sondern auch in private Wohnungen und damit in grundrechtlich sehr stark geschützte Bereiche hineinschauen können. Es gab Urteile, es gab Beschränkungen, das wollen wir alles nicht noch einmal. Im Übrigen hat die Polizei es schon geschafft, Straftaten aufzuklären, als es die Videoüberwachung noch nicht gab, und ich glaube, das könnte sie auch heute noch.
Zum Bezirklichen Ordnungsdienst: Die Fraktion DIE LINKE kritisiert ebenso wie die anderen Oppositionsfraktionen die Auflösung des Bezirklichen Ordnungsdienstes. Ihren Glauben, Frau Duden, dass alles gut werde und Ihr Konzept besser sei, teile ich so nicht. Wir werden sehen, was daraus wird. Aber den Bezirklichen Ordnungsdienst personell verstärkt wieder einzuführen, ohne eine Debatte darüber zu führen, was der Bezirkliche Ordnungsdienst getan hat, ohne den alten Bezirklichen Ordnungsdienst zu evaluieren, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie eine Rechtsgrundlage der Eingriffe aussehen kann, ohne immer Paragraf 3 SOG, die Generalklausel, bemühen zu müssen, halten wir nicht für sinnvoll. Das alles ist in Ihrem Antrag nicht zu finden. Wenn man so einen Ordnungsdienst in den Bezirken wieder will, dann wäre es notwendig, sich zu überlegen, was in der Vergangenheit war und wo man etwas verbessern muss.
Zum Fassungsvermögen der Müllbehälter.
In der Tat.
Herr Duwe, ich habe diesen Teil des Antrags nicht so verstanden, dass es um Unterflurbehälter zur Hausmüllentsorgung in Altona oder ähnlich eng bebauten Gebieten geht, die Probleme haben, Mülltonnen zu stellen, und wo es immer noch die rosa Müllsäcke gibt, sondern hier steht: im öffentlichen Raum. Da ist das gemeint, was wir jetzt in der Innenstadt finden. Hinz & Kunzt und der NDR haben in den letzten Tagen die Debatte ausgelöst, dass mit diesen verschlossenen Müllbehältern einem Teil der Bevölkerung, nämlich den Menschen, die Flaschen sammeln müssen, um über die Runden zu kommen, eine Möglichkeit genommen wird, auf ganz legalem Wege ihre Not zu bessern, ohne damit irgendjemandem auf den Wecker zu fallen und ohne damit irgendjemanden zu schädigen. Aber das ist nicht alles. Ich habe in der Mönckebergstraße bei einem dieser Mülleimer mit den großen Klappen vor zwei Tagen den Fahrer eines E-Rollis gesehen, der es nicht schaffte, diese Klappe zu öffnen; sie war zu schwer und es ist ungünstig an sie herangekommen. Das ist nicht barrierefeindlich, aber es ist zumindest barrierehemmend, und das kann so nicht sein. Mal ganz abgesehen davon, dass ich auch finde, dass diese Klappen relativ schwer aufgehen, sodass möglicherweise auch Menschen, die nicht im Rollstuhl sitzen, damit Beschwerden haben.
Ob das jetzt – nur einmal diese drei Punkte genannt – tatsächlich das Konzept ist, das wir in dieser Stadt brauchen, daran habe ich meine Zweifel. Deswegen werden wir den Antrag ohne irgendeine ziffernweise Abstimmung in Gänze ablehnen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Zum Antrag der GRÜNEN: Wir haben ihm neulich schon zugestimmt und werden das konsequent wieder tun.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die GRÜNEN haben einen Antrag vorgelegt, der selbstverständlich nicht das Allheilmittel darstellt, der aber kurzfristig und zumindest für ein Jahr ein Stück weit hilft, die Misere in den Bezirken, die von meinen Vorrednern sehr ordentlich beschrieben wurde, ein wenig zu lindern. Aus diesem Grund werden wir zustimmen.
Es ist richtig, sich jetzt schon Gedanken darüber zu machen, wie sich der Tarifabschluss für die Beamtinnen und Beamten und für die Tarifbeschäftigten in den Bezirken vollumfänglich realisieren lässt – er liegt noch nicht vor, wird sich aber verdientermaßen in ähnlichen Dimensionen bewegen –, ohne dabei, wie es auch schon angeklungen ist, Stellen abzubauen oder Gebühren zu erhöhen; das zum Antrag der GRÜNEN.
Dann gibt es diesen Zusatzantrag der SPD, für den ich Ihnen fast dankbar sein muss, weil er den doch sehr engen Bereich, in dem sich der Antrag der GRÜNEN bewegt, groß macht.
Es fängt aber schon vor dem ersten Punkt Ihres Petitums an. Was wollen Sie da eigentlich regeln?
"Der Senat wird ersucht, nachfolgende Eckpunkte bei der Weiterentwicklung seiner Bezirkspolitik und der anstehenden Haushaltsaufstellung zu berücksichtigen".
Das ist doch höchstens die Aufforderung, ein Angebot abzugeben, mehr nicht. Keine Rechtsverbindlichkeit, kein Regelungsgehalt, sodass der Senat sagen kann: Ach nein, liebe SPD-Fraktion, mit euch wollen wir keine Geschäfte machen.
Und dann geht es weiter. Sie ignorieren Ihre eigene Partei. Das müsste mich nicht weiter interessieren, aber …
Ja, das kenne ich noch von früher, Dirk, das ist richtig. Das war damals schon genauso.
Es interessiert mich deswegen, weil das, was hier steht, aus den zur Verfügung stehenden Anträgen zum SPD-Landesparteitag entnommen ist. Sie haben relativ treffsicher das herausgegriffen, womit man dem Senat am Ende am wenigsten weh tut. Es gab Forderungen auf Ihrem Parteitag, das Bezirksverwaltungsgesetz inhaltlich zu verändern, beispielsweise im Hinblick auf bestimmte Sanktionsmaßnahmen gegenüber den Bezirksamtsleitern. Wenn ich es richtig sehe, war der Bezirk Wandsbek
der Kreis Wandsbek, auch egal – der Antragsteller. Das steht da nicht drin. Das ignorieren Sie. Sie ignorieren die Menschen in dieser Stadt, die schon lange dabei sind, in den Bezirksversammlungen, in den Ausschüssen der Bezirksversammlungen, in Regionalausschüssen, in Beiräten und gemeinsam mit ihren Nachbarn auf der Straße mehr Demokratie zu praktizieren. Sie ignorieren diese Menschen, und Sie werfen der Opposition vor, sie würde einen Gegensatz formulieren. Also einmal ist das Finden von Gegensätzen für die Opposition in dieser Stadt Verfassungsauftrag
und Kritik am Regierungsprogramm, wenn ich die Verfassung richtig zitieren darf.
Und das andere: Es ist völlig zutreffend, diesen Gegensatz festzustellen. Dieser Gegensatz liegt auch in der Verfassung begründet. Wenn wir die Bezirke nachhaltig stärken, den bürgerschaftlichen Paternalismus – wir fragen euch vielleicht, wie viel ihr braucht, aber am Ende entscheiden wir darüber, wie viel ihr bekommt – beenden und in den Bezirken echte Entscheidungsstrukturen schaffen wollen, dann brauchen wir in den Bezirken ein bezirkliches Haushaltsrecht, wo die Bezirke selber entscheiden können und selber Steuerungsinstrumente in der Hand haben. Wir müssen dafür sor
gen, dass sich die ganze Stadt weiter in Richtung einer kommunalen Ebene entwickelt, und da darf dann auch die Einheitsgemeinde letztlich nicht außen vor bleiben. Ich sage nicht, dass man die leichtfertig aufgeben muss, und ich sage auch nicht, dass ich jetzt den großen Verfassungsentwurf aus der Tasche ziehe, der alles gut macht.
Ich sage aber: Wir sind bereit für diese Debatte, wir stellen diese Fragen. Die Stadt stellt diese Fragen nach mehr Kommunalem in den Bezirken. Die Stadt ist bereit, Antworten zu geben. Wir sind bereit, mitzumachen.
Sie verweigern sich der Frage, und wer sich Fragen verweigert, wird Antworten niemals bekommen. – Vielen Dank.
Ich bin halt feige.
Vielen Dank, Frau Blömeke. Ist Ihnen der Bericht bekannt, der neulich im Fernsehen kam – ich glaube, es war im "Weltspiegel" –, dass es in London unter anderem durch Olympia dazu gekommen ist, dass sich große Teile der Bevölkerung wie Feuerwehrleute, Polizisten und Krankenschwestern, die Mittelschicht also, London als Wohnort nicht mehr leisten können, und dass in großen Bereichen Häuser und Villen schlicht leer stehen, weil deren Besitzer sie nur als Geldanlage benutzen? Finden Sie, dass das ein adäquates Ergebnis auch von Olympia ist?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Senator Scheele, das 3,50-Euro-Arbeitsverhältnis der Friseurin in Erfurt beruht sehr wahrscheinlich auf einem Tarifvertrag, und nach Ihrem Koalitionsvertrag wird diese Friseurin bis 2017 3,50 Euro die Stunde verdienen. Das ist neu gemachte Armut per Gesetz, unsolidarisch und undemokratisch.
Es war die Politik der SPD, zum Teil unter federführender Verantwortung unseres Bürgermeisters, die den Arbeitsmarkt deliberalisiert hat, die die Gewerkschaften geschwächt und dafür gesorgt hat, dass solche Tarifverträge überhaupt entstehen können, bei denen wir uns einig sind, dass sie nicht sein sollen.
Ihre Position kann ich teilen, selbstverständlich ist tariflich abgesicherte, vernünftige und gute Arbeit erstrebenswert für alle Menschen. Aber wenn die Tafeln in Hamburg Menschen abweisen müssen, dann nicht deshalb, weil zu wenig Spenden kommen oder die Menschen in irgendeiner Art und Weise zu raffgierig bei den Tafeln wären. Die verfehlte Sozialpolitik der letzten zehn Jahre ist ursächlich dafür verantwortlich, dass die Leute am Monatsende schlicht nichts zu essen haben.
Wenn man sich einmal anschaut, was zur Arbeitspolitik im Koalitionsvertrag steht, dann sind das Prüfaufträge.
Das einzig Konkrete ist, dass man sich an den Vorschlägen orientieren will, die der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vorgelegt wurden. Das ist eine schöne Geschichte. Dort stehen Verwaltungsvereinfachungen, die im Wesentlichen Rechtsschutzeinschränkungen für betroffene Menschen beinhalten. Das kann nicht sein.
Die untote Sau der Gebühren für Betroffene im sozialgerichtlichen Verfahren wird wieder einmal durchs Dorf getrieben. Das ist so falsch, wie es immer ist, wenn diese Forderung kommt.
Sie sagen, Sie tun etwas für Alleinerziehende. In diesem Papier steht, dass der Alleinerziehendenfreibetrag auf Wunsch der Länder nur noch bei Arbeitstätigkeit und Aufstockung gezahlt werden solle. Das ist ein Problem, das wir hier in Hamburg haben, denn ein großer Teil der sich in Hamburg in SGB II befindlichen Frauen ist alleinerziehend. Das ist eine indiskutable Ansage an diese Frauen.
Ich möchte mit einer eher historischen Betrachtung abschließen. Die Debatten beziehungsweise Reden zum Bundesleistungsgesetz, wie Sie es gern nennen, habe ich schon einmal gehört, und zwar vor der Einführung des Sozialgesetzbuches IX. Man wollte die Behinderten aus der Sozialhilfe herausführen und ihnen eigene Ansprüche auf dem Arbeitsmarkt verschaffen. Das ist von Rot-Grün damals im Klein-Klein zerredet worden und zu dem Gesetz geworden, das wir heute haben. Ich bin wenig zuversichtlich, dass es sich diesmal anders verhalten wird. – Vielen Dank.
Vielen Dank.
Da Sie nach eigenem Bekunden sachverständig sind, können Sie mir sagen, ob 3,50 Euro in der Stunde in Erfurt zum Leben reichen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Bläsing, auch auf die Gefahr hin, dass ich Sie falsch verstanden habe – ich hoffe, das habe ich, ich war bei der Anhörung krankheitsbedingt nicht anwesend –,
aber ich habe dem Wortprotokoll nicht entnommen, dass einer der Experten vertreten hat, die allgemeinen Wahlrechtsgrundsätze und das Demokratieprinzip würden bei Bezirksversammlungswahlen nicht gelten. Das wäre mir auch persönlich sehr unrecht, denn Bezirksversammlungswahlen sollen, auch nach Meinung der LINKEN, allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim sein.
Das hat nun wirklich niemand beantragt.
Nein, das tue ich nicht.
Ein paar Worte muss es geben zum Thema, ob hier ein Wahlrechtsänderungsgesetz vorliegt. Natürlich gibt es den Anknüpfungspunkt der Frage der verfassunggebenden Mehrheit, die in der Tat eine andere ist als die der wahlrechtsgebenden Mehrheit, die wir in diesem Hause in den Status eines verfassungsähnlichen Ranges gesetzt haben. Aber es gibt eben auch die Frage des Anknüpfungspunktes an den konkreten Regelungsgegenstand. Und da kann man nun wirklich nicht verhehlen, dass es sich in der Frage der Wiedereinfüh
rung der 3-Prozent-Hürde und der Überschreibung der 5-Prozent-Hürde für die Bürgerschaft dann nicht um eine Regelung des Wahlrechts handeln würde. Deswegen ist auch das ein Problem, das am Ende unser Verfassungsgericht wird lösen können, jedenfalls stehen diese beiden Ansätze durchaus im Raum.
Im Ausschuss wurde auch über die Frage debattiert, ob denn nun ein mögliches Referendum während der Zeit ruhen könnte, in der das Verfassungsgericht berät und entscheidet. Da gibt uns zumindest unser Volksabstimmungsgesetz, das wir gemeinsam mit allen Fraktionen und mit "Mehr Demokratie" gemacht haben, den kleinen Hinweis, dass nach Artikel 28 Volksabstimmungsgesetz Volksbegehren, Volksentscheid und Referendum während des Verfahrens vor dem Hamburgischen Verfassungsgericht ruhen und mit dem Verweis auf Artikel 50 Absatz 6 Satz 2 der Verfassung das dort auslegt.
Ich kann mich auch erinnern, dass wir das in der in diesem Gremium geführten Debatte bewusst hineingeschrieben haben, um auch dieses Ruhen beim Referendum herbeizuführen, aber gleichwohl auf eine Regelung in der Verfassung verzichtet haben, um – und das war eigentlich der Konsens – nicht den Artikel 50 der Verfassung noch einmal anfassen zu müssen. Das war quasi die Ouvertüre.
Jetzt kommt der erste Akt. Herr Müller hat bereits gesagt, es gibt die Befürchtung der Gefährdung einer Funktionsstörung der Bezirksversammlungen, wenn man das jetzt nicht tut.
Das ist in der Tat eine doppelt schwammige Begründung.
Der Beweis, dass es zu solchen Funktionsstörungen kommt, wenn es keine Sperrklauseln in Kommunalparlamenten gibt, wurde bisher bundesweit nicht erbracht.
Es gibt noch eine weitere Frage, die ich in diesem Zusammenhang gern etwas beleuchten möchte, nämlich die Frage, was uns unsere Verfassung an dieser Stelle bedeutet. Es ist das allererste Mal, dass diese Bürgerschaft einen konkreten, regelnden Gegenstand des Wahlrechts, nämlich die Sperrklausel, in die Verfassung schreibt. Bisher war seit 1952 die Frage der Wahlrechtsgrundsätze, die ich eben schon genannt habe, der Wahlperiode und der Rechte und Pflichten der Abgeordneten niedergelegt,
etwas, was in die Verfassung gehört, und ebenso das Wahlalter. Da kann man sich schon fragen, ob denn die Sperrklausel zu diesen Regelungsgegenständen, die wir üblicherweise in der Tradition der Hamburgischen Verfassung haben, gehört.
Es gibt noch einen dritten Punkt. Da ist die Hamburgische Verfassung ein Stück weit die Verfassung der verpassten Gelegenheiten, eingeführt nach der vorläufigen Verfassung 1952 nach einem ewig langen Diskussionsprozess mit mehreren Änderungsvorschlägen und Debatten im damaligen Verfassungsausschuss, gewissermaßen als ein rudimentäres, Verwaltung und Staat regelndes Instrument ohne Grundrechte und ohne einen wirtschaftsordnenden Teil.
– Vielen Dank.
Das war der erste Akt, bei dem es eben nicht verstanden wurde – vielleicht auch, weil es dann zu spät war –, aus dem Groß-Hamburg-Gesetz die Konsequenz zu ziehen, nicht nur richtigerweise die Einheitsgemeinde wieder einzuführen, sondern auch dafür zu sorgen, dass die Bezirke oder damals noch Verwaltungseinheiten wieder eine Art von kommunalem Parlament wurden.
Wir haben wieder eine Situation der verpassten Gelegenheit. Wir haben ein Verfassungsgerichtsurteil, das uns sagt, die 3-Prozent-Klausel im Wahlgesetz sei verfassungswidrig. Niemand von uns LINKEN hat gesagt, es sei verfassungswidrig, diese 3-Prozent-Klausel in die Verfassung zu schreiben.
Aber wir hätten die Chance gehabt, anhand dieses Urteils einmal grundsätzlich in diesem Haus darüber zu diskutieren, wie wir Demokratie und Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger – die Beteiligungsquote sinkt immer weiter, je größer die Einheit wird, in einem kleinen Dorf mit 600 Einwohnern ist der Gemeinderat logischerweise anders verfasst – in Zukunft für Hamburg regeln können. Das ist die Frage des Versäumnisses des Parlaments, und das ist nicht gewollt. Die Links-Fraktion wird der Verfassungsänderung auch in der zweiten Lesung nicht zustimmen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE hatte bisher immer Kritik am Bezirklichen Ordnungsdienst, fordert aber nicht dessen Auflösung.
Ich muss den Kollegen Steffen ein bisschen korrigieren. Ronald Schill hatte sich den Städtischen Ordnungsdienst einfallen lassen, der in der Tat so etwas wie eine Hilfspolizei war. Der Bezirkliche Ordnungsdienst wurde dann im Jahr 2006 im Rahmen der Verwaltungsreform eingeführt
Herr Ohlsen kennt das, ich wiederhole es trotzdem –,
und zwar zusätzlich zu den Gefahrenabwehrelementen des Städtischen Ordnungsdienstes, eben mit der Parkraumüberwachung.
Wir kritisieren, dass die Rechtsgrundlage, auf die sich der BOD bisher bezogen hat – also Paragraf 3 SOG und die Generalklausel, die dort steht –, zu unbestimmt ist im Verhältnis dazu, dass es eigentlich eine Art von Polizeitätigkeit ist und dass die Ausbildung des BOD dafür zu rudimentär ist.
Das scheint Geschichte zu sein. Wir wissen alle nichts Genaues, haben aber an der einen oder anderen Stelle etwas gelesen, und die Bezirke haben sich dazu geäußert. Was passiert mit den Mitarbeitern, wenn zum 1. Januar 2014 der BOD aufgelöst wird? Was ist mit der Dienstplanung in den – ich nenne es salopp – Ordnungswidrigkeiten-Abteilungen in den Bezirken? Gibt es regelhaft Wochenenddienste bei der Tätigkeit in der Parkraumüberwachung? Gibt es einen Landesbetrieb? Kommt jetzt dieses Projekt? Ist es am Ende sogar befristet? Und was ist mit den gewerkschaftlichen Forderungen? Wo sind die Verhandlungen der Bezirke und des Senats nach Paragraf 94 des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes? Ver.di ist bis gestern nicht dazu aufgefordert worden, in irgendeiner Weise Stellung zu beziehen. Das ist schändlich für einen SPD-Senat.
Sie sagen, Herr Schmitt, dass die Bezirke dadurch weniger Personal haben. In der Tat, und so langsam geht mir auf, warum in der zweiten Jahreshälfte in den Bezirken weitaus größere Personaleinsparungen hätten vorgenommen werden müssen,
wenn man sich die Zahlen anschaut, als in der ersten Jahreshälfte. Da wird ein Schuh draus. Das wurde uns damals allerdings noch nicht gesagt, und es fragt sich, warum nicht.
Was tun Sie sonst? Im Grunde verschwindet Bürgerservice. Wir haben keine Mitarbeiter mehr, die sich darum kümmern, dass die Außengastronomie überwacht wird – ein schwieriges Thema in Sankt Georg, Sankt Pauli und zum Teil in der Innenstadt. Wir haben auch keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr in den Bezirken, die dafür zuständig sind, in den Parks danach zu schauen, ob alles in Ordnung ist – ein hochumstrittenes Thema. Damit meine ich nicht – das war ein Vorwurf, der immer wieder erhoben wurde, der sich aber nicht bewahrheitet hat –, dass dort geschaut wird, ob auch alle den Scheitel links- oder rechtsherum tragen, sondern dass dort darauf geachtet wird, ob alles insofern in Ordnung ist, als dass auf dem Spielplatz keine Spritzen vergraben sind. Diese Mitarbeiter werden den Bezirken jetzt fehlen.
Zur Frage des Anrufens. Es gibt zum Beispiel die WasteWatcher bei der Stadtreinigung. Dort kann man anrufen, und dann räumen sie den Müll weg. Sie kümmern sich im Übrigen auch darum, den Verursacher festzustellen, wenn es geht. Außerdem gibt es die Hotline bei der BSU, bei der man ebenfalls anrufen kann. Das ist alles interessant, und das sind Doppelstrukturen, die Sie nicht abschaffen.
Dann kommen Sie mir mit der Schuldenbremse, Herr Schmitt, und da werde ich hellhörig. Wenn Sie die Schuldenbremse durchhalten wollen, dann fällt in den Bezirken Personal weg, aber irgendwo anders in der Stadt wächst Personal auf, denn es wird nach Ihrer Aussage niemandem gekündigt. Die Frage ist, wie Sie Einsparungen in der ganzen Stadt durchhalten wollen. Es gibt einen Fakt, der darauf Antworten gibt. Die BOD-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter sind aktuell – und das auch nur nach starken Kämpfen und einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts – in der Entgeltgruppe 9 eingestuft, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Parkraumüberwachung aber in der Entgeltgruppe 5. Wollen Sie da bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sparen? – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Schmitt, Sie haben gesagt, in der nächsten Verfassungsausschusssitzung werde über das Projekt Bezirksverwaltung 2020 umfangreich berichtet werden. Das stimmt, es steht zumindest auf der Tagesordnung. Würden Sie mir sagen, warum bei der Verfassungsausschusssitzung zum Haushaltsverlauf die Fragen, die von der CDU-Fraktion und von mir genau zu solchen Themen kamen, noch nicht ausreichend vom Senat beantwortet werden konnten, sondern nebulös blieben? – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dressel, ich will einmal vorwegschicken, dass Sie völlig recht haben, wenn Sie sagen, das dürften Sie. Ich unterstütze gerne auch Frau Schneider in der Frage, dass Dürfen und Sollen unterschiedliche Dinge sind, aber ich habe hier keine Zweifel, dass das im Rahmen des rechtlich Möglichen ist. Alles das, was kommt, wird auf die eine oder andere Weise möglicherweise auch unser Verfassungsgericht beschäftigen, und danach sind wir alle klüger – das einmal vorausgeschickt.
Ich bleibe einmal beim Verfassungsgericht, weil Ihr Argument im Wesentlichen war, das Verfassungsgericht habe die 3-Prozent-Sperrklausel im Wahlgesetz mit der Begründung abgeschafft, so wichtig sei die Stellung dieser Bezirksversammlungen in der gesamthamburgischen Verfassung und Politik nicht. Und es hat, völlig richtig zitiert, auch darauf verwiesen, dass es bestimmte Senatsinstrumente zur Aufsicht, Kontrolle und Regelung in den Bezirken gibt. Das ist nicht nur das Evokationsrecht, das tatsächlich nur die Bauleitplanung betrifft, sondern eben auch die Fach- und Rechtsaufsicht. Da frage ich Sie dann doch an dieser Stelle: Was soll denn das Verfassungsgericht anderes entscheiden? Soll das Verfassungsgericht aufgrund einer Wahlprüfungsbeschwerde mit der Formulierung darin, man halte die 3-Prozent-Klausel im Bezirk Eimsbüttel zu den Bezirksversammlungswahlen für nicht mit der Verfassung vereinbar, sagen, der Wahlprüfung sei stattzugeben, aber im Obiter Dictum dann schreiben, die Alternativen, die die Verfassung bereitstelle, seien so schlimm, dass man mit diesem Urteil gleichzeitig die gesamte Hamburgische Verfassung und die Einheitsgemeinde außer Kraft setze?
Die Hamburgische Verfassung ist auch nicht grundgesetzwidrig, aber – und deswegen freue ich mich über diese Diskussion – wir führen aufgrund dieser Sperrklausel eine Debatte über die Stellung und Bedeutung der Bezirksversammlungen, und das sollten wir in diesem Parlament häufiger machen. Da gibt es, wie wir gemerkt haben, unterschiedliche Meinungen und unterschiedliche Nuan
cen auch in dieser Antragsgemeinschaft zur Änderung der Verfassung, und es ist schöner Moment, sich darüber Gedanken zu machen.
Ich bin ganz bei Ihnen, wenn Sie sagen, wir müssten die Bezirksversammlungen stärken. Es ist richtig, dass Berlin mit den Bezirksverordnetenversammlungen auch keine vollen Kommunalparlamente hat. Aber zum Beispiel ist dort eine Evokation oder eine Heranziehung von Aufgaben durch den Berliner Senat nicht so einfach möglich, wie das in Hamburg geht, sondern das muss im Zweifel in Rückkopplung und im Einvernehmen mit dem Bezirk passieren. Da gibt es durchaus komplizierte Verfahren, die in Berlin benannt werden und die gleichzeitig die Rechte des Bezirks wahren sollen, aber auch die gesamtstädtische Berliner Position sichten.
Wir können uns bei Gelegenheit gerne einmal genauer angucken, ob das nicht ein Modell für Hamburg wäre. Aber festzuhalten bleibt für mich, dass es ein deutlicher Punkt ist, der dafür spricht, die Bezirksversammlung weiter zu stärken – und zwar gerade deswegen, wenn man gemäß Ihrer Argumentation eine Sperrklausel einführt – und dann dazu zu kommen, dass wir als Parlament auch Macht an die Bezirksversammlungen abgeben.
Ich möchte doch noch etwas zum Verfahren sagen. Es ist schon etwas befremdlich,
und es hat mich auch durchaus irritiert, wie das hier ablaufen soll. Ich mache einmal einen etwas größeren Bogen beim Verfahren, denn wir haben die Verfassung oder das Wahlgesetz schon gelegentlich geändert.
Beim Wahlrecht ab 16 gab es eine andere Zweidrittelantragsgemeinschaft. Ursprünglich war es ein Antrag der GRÜNEN mit einer ganz kurzen Drucksachennummer vom Anfang der Wahlperiode, der lange im Verfassungsausschuss behandelt wurde. Es gab Expertenanhörungen und mehrere Ausschusssitzungen, in denen darüber beraten wurde, und dann hat ihn das Parlament bekommen. Das Parlament hat darüber debattiert und er ist in zwei Lesungen an unterschiedlichen Terminen beschlossen worden.
Gleiches Verfahren – da war es dann ein CDU-Antrag – bei der Verlängerung der Wahlperiode: Überweisung an den Verfassungsausschuss, Beratung, Expertenanhörung, Beratung, Austausch, Antragsgemeinschaft.
Herr Warnholz, Sie können doch auch noch reden, wenn Sie wollen.
Das Parlament hat darüber debattiert und es in zwei Lesungen an zwei verschiedenen Terminen beschlossen.
Was machen wir jetzt?
Drei Fraktionen haben mehr oder weniger im Geheimen untereinander ausgemacht, diese Verfassungsänderung zu beschließen.
Was haben wir hier? Heute wird nach Herrn Trepolls Rede oder später die erste Lesung stattfinden. Die Überweisung, die die FDP-Fraktion beantragt hat und die ich ausdrücklich unterstützen möchte, wird wahrscheinlich abgelehnt werden, und dann wird es per Selbstbefassung eine Expertenanhörung im Verfassungsausschuss geben. Natürlich ist es ein völlig zulässiges und nicht verfassungswidriges Verfahren, aber man kann schon die Frage stellen, ob es ein Verfahren ist, das das Parlament wählen sollte, um der Verfassung, der Bedeutung, die wir als Verfassungsgesetzgeber auch haben, und der Verantwortung wirklich gerecht zu werden. Da habe ich meine Zweifel. – Herzlichen Dank.
– Selbstverständlich, Herr Ritter.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Diese Große Anfrage der FDP-Fraktion ist schon reichlich kurios.
Ich finde in den Antworten relativ wenig Anknüpfungspunkte, um den Senat von hier vorne offen zu kritisieren.
Das liegt an den Fragen, denn die ermöglichen es dem Senat, sich beinahe wie eine linksradikale gewerkschaftliche Gruppe zu offerieren. Das ist nicht nur überzogen von der Position her, das muss einem auch erst einmal gelingen. Dafür: Hut ab vor Ihnen.
Herr Kluth, Sie haben relativ viel über die Zahlen in der Schriftlichen Kleinen Anfrage geredet. Mir kamen die gut 18 000, die hier drinstehen, doch etwas niedrig vor. Deswegen habe ich mir eben noch einmal die aktuelle Statistik der Bundesagentur aufgerufen, und die weist für Hamburg 33 000 in Leiharbeit beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus. Da war der Senat offensichtlich von der Regionaldirektion schlecht beraten oder die Fragen waren schlecht.
Die Große Anfrage kritisiert zu Recht, dass Leiharbeit immer wieder als Kostenreduzierungsargument missbraucht wird und Betriebe so Personalkosten sparen wollen. Das geht so gar nicht.
Zu Ihren Schlussfolgerungen aus den Antworten des Senats zur Arbeitsmarktintegration und zum Ersatz von Stammbelegschaften: Das ist überhaupt nichts Neues und in diesem Haus schon diskutiert worden. Wir haben im Zuge des Mindestlohngesetzes häufig diskutiert, dass da keine richtig guten Studien vorliegen, die es uns sicher sagen könnten. Laut IAB ist es aber wirklich nur ein schmaler Grat, auf dem wir uns bewegen. Und dass Leiharbeit zu 50 Prozent eben auch sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse verdrängt hat, ist ein Fakt, den Sie nicht einfach umgehen können.
Ich kenne selbst Menschen, die über Leiharbeit in reguläre Beschäftigung gekommen sind.
Aber hätte das Jobcenter an dieser Stelle seine Arbeit so gemacht, wie es sich gehört und diese Menschen zielgerichtet auf sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze vermittelt, dann hätten diese Menschen den Umweg über die Leiharbeit gar nicht gebraucht.
Das ist ausnahmslos bei allen der Fall gewesen.
Dann gehe ich noch einmal ein bisschen auf die Fragen ein, zunächst auf Frage 8. Da fragen Sie nach den wesentlichen Merkmalen einer Leihe nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch und dass es sich dabei um eine Sache handelt, die unentgeltlich überlassen wird. Und dann fragen Sie, ob der Senat die Wortschöpfung Leiharbeit, die sich auch in Gesetzestexten wiederfindet, zur Umschreibung des Vorgangs Arbeitnehmerüberlassung zutreffend findet. Die Antwort, oh Wunder: Damit hat sich der Senat nicht befasst. Das kann ich verstehen, diese Frage geht auch völlig fehl.
Schauen wir uns das einmal etwas näher an mit der Leihe. Was regelt die Leihe? Der Verleiher verleiht eine Sache an einen Entleiher und dies unentgeltlich, so das BGB. Ob Zeitarbeitsunternehmen ihre Beschäftigten unentgeltlich an andere Unternehmen verleihen wollen, ist mir, ehrlich gesagt, egal. Ihre Frage geht deshalb fehl, weil das Innenverhältnis zwischen Leiharbeitsunternehmen und Leiharbeiter davon gar nicht betroffen ist. Auch das BGB, das dies Verwendungen nennt, sagt: Wenn ich eine Sache als Leihgut in Besitz nehme, dann muss ich dafür sorgen, dass sie a) erhalten bleibt und b) für Verwendungen, die diese Sache verbrauchen – das BGB spricht da auch von Tierfütterung –, entsprechend bezahlen. Ihre Frage ist also schlicht untauglich.
Sie ist aber sehr tauglich, um zu begründen, warum der Begriff Leiharbeit sehr wohl zutreffend ist. Das Merkmal unentgeltlich drückt ganz genau aus, was häufig in diesem Staat mit Leiharbeit praktiziert wird, nämlich die Verbilligung und Verschrottung von Arbeitsverhältnissen. Da passt unentgeltlich dann wieder recht gut hin, aber eben zulasten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich werde keine Menschen als Sache bezeichnen.
Zum Mindestlohn in der Zeitarbeit und den Tarifverträgen.
Das mache ich sehr gerne, Herr Ohlsen, vielen Dank.
Herr Kluth hat ausgeführt, dass die Vereinbarungen um astronomische Prozentsätze gestiegen seien. Vergessen hat er die Zahlen: 8,50 Euro – für den Westen jetzt abgeschlossen und für den Osten 2016 –, die in Hamburg nicht zum Leben ohne Hartz IV reichen; dies ist ganz wichtig zu bemerken.
Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Ein Moment bitte, Herr Abgeordneter. – Meine Damen und Herren! Es redet nur Herr Golke. Entweder hören Sie ihm zu oder Sie gehen nach draußen.
Fahren Sie bitte fort, Herr Abgeordneter.
Branchenzuschläge war mein Stichwort, fünf Stufen in neun Monaten. Kein Mensch kann verstehen, was da abgeschlossen wird. Und können Sie mir bitte verraten, warum gleiche Arbeit nicht auch gleich entlohnt werden soll ab dem ersten Monat der Beschäftigung im Betrieb? Das verstehe ich auch nicht.
Ich habe zwei weitere Sachen entdeckt.
Nun können Sie mich gerne als Erbsenzähler bezeichnen, aber Sie fragen in Frage 19, wie viele Beschäftigte gegenwärtig in Hamburg auf aufstockende Leistungen nach dem – Zitat – SGB IV angewiesen seien. Es kann passieren, dass man sich in den zwölf Sozialgesetzbüchern nicht so gut auskennt und sich da einmal irrt, das ist vergeben. Aber das wiederholen Sie gleich noch einmal, in Frage 21 taucht auch wieder das SGB IV auf. Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion: Hartz-IV ist im SGB II geregelt. Das nicht zu wissen und es zu schaffen, das gleich zweimal falsch aufzuschreiben, ist wirklich ein Schlag ins Gesicht der von SGB-II-Leistungen betroffenen Menschen.
Eine weitere Frage ist mir aufgefallen. Sie fragen in Frage 25, was denn der Senat von der Lösung halte, Scheinwerkverträge für unzulässig zu erklären und nicht über den Auffangtatbestand der Arbeitnehmerüberlassung unter gewissen Umständen de facto rechtlich doch noch zu gestatten. Der Senat führt dazu aus, dass es völlig indiskutabel sei, diesen Tatbestand so einzuführen, weil damit die Menschen völlig schutzlos wären. Das würde Ihnen so passen: Werkverträge, die keine sind – also Scheinwerkverträge – abschließen, und der Unternehmer trägt kein Risiko. Das machen wir so nicht mit.
Diese Große Anfrage ist ein Auftragswerk.
Ein Auftragswerk.
Herr Kluth, auch ich lese regelmäßig interessiert den Verteiler des iGZ, und da ist sie mehrmals Thema gewesen. Das ist nicht schlimm; wir alle haben Auftragswerke für unterschiedliche Menschen und Gruppen und auch die FDP darf Auftragswerke machen. Ob man eine Anfrage mit diesen Antworten – und vor allen Dingen mit diesen Fragen – dann unbedingt debattieren muss, obliegt auch Ihnen. Sie hätten vielleicht darüber nachdenken sollen, ob Ihr anderer Antrag, den ich persönlich sehr interessant finde und zu dem drei Fraktionen in diesem Haus Änderungs- oder Zusatzanträge gestellt haben, nicht debattierfähig gewesen wäre.
Warum tragen wir trotz der ganzen Kritik die Überweisung an den Sozialausschuss mit? Zum einen, weil sich das einfach so gehört, und zum anderen, weil diese Anfrage so viel Spaß macht, dass ich sie gerne noch einmal besprechen will. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Diese Drucksache an den Sozialausschuss zu überweisen, wäre vernünftig gewesen, weil sie einige Fragen aufwirft. Ich will nur in Kürze zwei davon nennen. Der Aufwuchs der Menschen in Hamburg, die arbeitslos sind und die der psychosozialen Beratung bedürfen, auf 25 000, wie in der Drucksache abgebildet, ist schon interessant. Ich hätte im Sozialausschuss gern näher erläutert bekommen, wie der Senat auf diese Zahl kommt und wie er damit umgehen kann.
Auch die Frage, die Herr Schwieger benannt hat, des Einbehaltens von zunächst 20 Prozent des Haushaltstitels und das Nicht-Auskehren an die Träger hätte ich im Sozialausschuss gern näher erläutert bekommen. Es ist wirklich schade, dass diese Überweisung jetzt nicht erfolgt ist.
Die Drucksache selbst ist schon sehr problematisch. Dort wird relativ ehrlich gesagt, dass man versuche, Strukturen zu beseitigen, die sehr lange vor dem Inkrafttreten der SGB-II-Gesetze 2005 schon da waren. Insgesamt sollen diese Einrichtungen näher an das Jobcenter rücken. Sie sollen in bestimmten Fällen Berichtspflichten an das Jobcenter haben, und es sollen Menschen, die bisher freiwillig dort hingehen konnten, zukünftig neben einer freiwilligen Möglichkeit auch direkt zugewiesen werden können.
Der Senat sagt, eine Erstberatung hinsichtlich der Anträge dürfe in diesen Einrichtungen nicht mehr stattfinden mit dem Hinweis, das müsse das Jobcenter doch machen. Stimmt, das muss das Job
center machen, die Ausführungen des Senats sind richtig. Aber da gibt es ein Problem. Wenn der Senat mir in meiner Schriftlichen Kleinen Anfrage vor einiger Zeit antwortet, die bundesweit hohen Erfolgsquoten der Widerrufe und Klagen – also auf gut Deutsch die mangelnde Qualität der Bescheide – seien nach Ansicht des Jobcenters in strukturellen Problemen begründet, dann ist da irgendetwas faul. Und da braucht unsere Stadt schlichtweg diese Erstberatung und Anfangsberatung, auch durch unabhängige Beratungsprojekte.
Meine Damen und Herren! Der Mantel dieses Programms nennt sich Optimierungsprogramm. Am Ende des Tages kommt jedoch das Ende der behördenunabhängigen Sozialrechtsberatung in Hamburg, wie wir sie bisher kennen, und das ist schlecht. Ohne diese Ausschussüberweisung und die erläuternden Antworten, die ich eben kurz angesprochen habe, bleibt davon nichts anderes übrig als die weitere Umsetzung der Hartz-IV-Reformen in Hamburg und der Rückfall in eine Zeit, als Olaf Scholz Arbeitsminister war und aus seinem Ministerium Worte kamen wie: Arbeitslose seien alle faul und sowieso irgendwie selbst schuld.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bläsing hat richtig berichtet, dass der erste Entwicklungshilfeminister Walter Scheel von der FDP war. Die Zeiten haben sich geändert, denn der noch amtierende Entwicklungsminister der FDP hielt dieses Amt und Ministerium im Jahr 2009 für schlicht überflüssig.
… sitz ich beim Schwager vorn; richtig.
Faire Beschaffung kann mühselig sein, das müssen wir uns klarmachen. Ich möchte Ihnen gern ein Beispiel geben. Wenn Sie sich dafür interessieren, Textilien für den privaten Gebrauch zu beziehen, ist relativ wenig mit dem Standard "Fair Trade" zu bekommen. Es gibt den "Global Organic Textile Standard", der neben Umwelt- auch Arbeitsbedingungen sichert, aber die Anzahl der Händler ist relativ klein. Und am Ende Ihrer Suche werden Sie bei einem relativ seltsam geführten baden-württembergischen Textilunternehmen landen.
Diese Mühe muss es uns aber wert sein. Für uns LINKE ist klar, dass fairer Handel und Entwicklungspolitik nicht zwei verschiedene Dinge sind, sondern zusammengehören. Gott sei Dank sind wir davon abgekommen, Milchpulver nach Afrika zu schicken, aber es kann auch nicht sein, dass Entwicklungspolitik so verstanden wird, deutsches Geld im Ausland noch viel wertvoller zu machen. In den Ländern, die sich entwickeln wollen, muss man mit den Menschen dort zusammen diese Entwicklung betreiben, ihnen Arbeitsmöglichkeiten und Märkte eröffnen und dabei möglicherweise auf eigene Wertschöpfung verzichten.
Wir haben viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Dass das Rathaus ein Vorbild abgibt, ist richtig. Es ist aber genauso richtig – darauf wurde bereits hingewiesen –, dass die Hamburger Unternehmen noch nicht so weit sind, sich an einen fairen Handel zu halten. Beispielsweise ist die Firma Vattenfall mit der Herkunft ihrer Kohle immer wieder ins Gerede gekommen.
Auch der Fair-Trade-Standard selbst steht immer wieder in der Kritik. So hat das ZDF in diesem Jahr darauf hingewiesen, dass Blumen aus Afrika zwar mit "Fair Trade" etikettiert waren, aber nicht wirklich aus einem fairen Anbau stammten, sondern von Firmen, die in Afrika sowohl fairen als auch nichtfairen Anbau betreiben. Und während der Anteil von fair gehandelten Produkten wächst, gibt es mittlerweile Berichte darüber, dass sich in Südamerika im Bereich Kaffee größere Firmen Marktanteile sichern und darüber das ursprüngliche Ziel, die lokale Wirtschaft und kleinere Bauern zu stärken, wieder ins Hintertreffen gerät. Und den Menschen droht, noch weiter unten zu landen.
Diese Kritik muss man sich anschauen. Deswegen würden wir es vernünftig finden, die Anträge an die Ausschüsse zu überweisen. Wir würden es außerdem vernünftig finden, sich nicht zu sehr auf den einen Standard "Fair Trade" zu kaprizieren, weil es für bestimmte Bereiche der Beschaffung eigene, kleinere und auch engere Standards gibt. Wenn diese Stadt die engeren Standards erfüllen kann, dann sollte sie das auch tun.
Zu den Anträgen. Grundsätzlich bin ich der Ansicht, dass die beiden Anträge zusammengenommen ein relativ gutes Gesamtpaket abgeben, und wir werden ihnen daher zustimmen. Dennoch muss ich noch etwas in Richtung SPD sagen.
Wir hatten bei der Beratung des gleichstellungspolitischen Rahmenprogramms im Verfassungsausschuss – das ist ein bisschen gemein, weil Ihnen der Bericht noch nicht zugegangen ist – auch das Thema der Beschaffung unter gleichstellungspolitischen Maßnahmen. Der Senatsvertreter, der dazu antwortete, sagte uns, dass man noch nicht dazu gekommen sei, als das Vergabegesetz reformiert wurde. Ich gehe stark davon aus, dass der Senat auch bis jetzt noch nicht dazu gekommen ist, etwas Eigenes vorzulegen. Wenn das der Versuch ist, dem Senat Feuer unter einem durch einen Schulterblick nur schwer zu erkennenden Körperteil zu machen, dann ist dieser Versuch ein wenig mau. Dennoch sind beide Anträge zusammengenommen eine gute Grundlage und ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Wir werden ihnen zustimmen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kluth, auch wenn es Sie betrüben mag, Katzen können landläufig schwimmen.
Da einige Rednerinnen und Redner über den Inhalt der Drucksache gesprochen haben, werde ich im Wesentlichen darüber reden, was nicht darin steht und was meiner Meinung nach hineingehört. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt stellt sich folgendermaßen dar. Im Jahr 2002 hatten wir in Deutschland insgesamt etwa 39 Millionen Erwerbstätige, heute sind es fast 42 Millionen Erwerbstätige. Das ist ein Zuwachs von gut 2,5 Millionen. Die
se Zahlen stimmen, und die kritisiere ich auch nicht. Aber wir hatten 2002 in Deutschland 310 000 Leiharbeiterinnen- und Leiharbeiterstellen, 2012 waren es 820 000. Das ist ein Zuwachs von mehr als 500 000 Stellen. Das IAB hat uns vorgerechnet, dass davon rund 250 000 neue Arbeitsplätze sind. Die anderen 250 000 haben sichere, unbefristete Vollzeitarbeitsverhältnisse verdrängt. Wir haben 7,5 Millionen Minijobs in diesem Land – Minijob bedeutet neuerdings 450 Euro im Monat – vor allen Dingen im Einzelhandel, im Reinigungsgewerbe und in der Gastronomie. Davon bilden 5 Millionen Minijobs den Hauptjob und werden zu zwei Dritteln von Frauen gemacht. Wir haben die Ausweitung der Teilzeit. In Deutschland arbeiten 2 Millionen Menschen unfreiwillig in Teilzeit. Sie würden gern mehr arbeiten, aber es wird ihnen nicht zugestanden. Wir haben Niedriglöhne in diesem Land. Etwa 22 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung, das sind 7,3 Millionen Menschen, arbeiten zu einem Niedriglohn. Die Grenze dafür liegt in Deutschland nach der OECD-Definition im Moment bei 9,54 Euro. Genau diese Zahlen machen sehr deutlich, warum diese Senatsdrucksache, die Hamburger Strategie zur Sicherung des Fachkräftebedarfs, einen völlig unzureichenden Anknüpfungspunkt hat, denn auch diese Realität muss man dort begutachten und erheben, und aus dieser Realität muss man letztlich Konsequenzen ziehen.
Die Drucksache hingegen geht zum großen Teil nur von Erhebungen und der Nutzbarmachung des Erwerbspersonenpotenzials als staatlich begleitete Aufgabe aus. Zumutbarkeitsgesichtspunkte etwa aus SGB II und SGB III bei der Aufnahme von Arbeit werden nicht thematisiert oder ungefragt hingenommen. Das ist nicht hinnehmbar.
Frau Demirel hat es gesagt: Diese Drucksache enthält keine wirklich neuen Aspekte. Es ist reine Ankündigungspolitik von Maßnahmen, die wir schon lange kennen, die wir zum Teil unterstützt haben, zum Teil kritisch begleitet haben, keine Frage, aber es gibt darin nichts Neues. Ein Beispiel will ich Ihnen geben. Frau Demirel nannte schon die Gleichstellungspolitik. In dieser Drucksache steht:
"Die Fachkräftestrategie und das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm […] ergänzen sich."
Beide Programme haben aber keinen großen eigenen Regelungsgehalt, es folgt aus ihnen nicht viel. Sie sind beide nur Ankündigungspolitik. Der Senat hält außerdem, ausweislich der Schriftlichen Kleinen Anfrage von Frau Artus und mir, eine Schulung der Geschäftsstelle des Fachkräftenetz
werks im Gendermainstreaming für entbehrlich. Auch das ist nicht hinnehmbar.
Es gibt die völlig unzureichende vierte Säule. Das ist die Frage von Arbeitnehmerrechten und guter Arbeit, die Sie genannt haben. Sie wollen angemessene Vergütung – hier bin ich ganz bei Ihnen. Dann reden Sie vom Mindestlohn – dazu haben wir dieses ebenfalls unzureichende Gesetz beschlossen. Sie sagen, es muss um Arbeitsorganisation und Unternehmenskultur gehen – auch hier bin ich bei Ihnen. Und Sie sagen, es muss um Gesundheits- und Arbeitsschutz gehen – auch hier bin ich bei Ihnen – und um betriebliche Weiterbildung, keine Frage. Zu einer wirkungsvollen Strategie muss aber auch das Verbot von Leiharbeit gehören, die Einschränkung der Teilzeitarbeit, das Verbot von zeitlichen Befristungen, die Abschaffung von Minijobs verbunden mit der alleinigen Beitragspflicht für Arbeitgeber bei Niedriglöhnen und die Rücknahme der Rente mit 67 und der Rentenkürzung.
Dazu sagen Sie nichts. Ah, ich habe gehört, das ist Bundesrecht. Das kann man sich tatsächlich einmal ansehen. Hamburg ist nicht gerade willfähriger Befehlsempfänger des Bundes, sondern ist in das föderale System eingebunden und gelegentlich auch im Bundesrat vertreten. Der Senat bringt Bundesratsinitiativen ein, zum Teil auch recht erfolgreiche. Nur wenn es um Arbeitnehmerrechte geht, dann werden nicht einmal die Bundesratsinitiativen, die die eigene SPD-Fraktion vorschlägt, umgesetzt, Beispiel Schutzfrist bei der Arbeitslosenversicherung. Von Weiterem will ich nicht reden.
Dieser Senat hat bei Arbeitnehmerrechten eine weiße Weste in dem Sinne, dass er dazu nichts beschrieben hat. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kluth. – Sie sagten gerade etwas verkürzt,
dass die Förderung von Auszubildenden aus Mitteln des Sozialgesetzbuchs wenig effizient sei. Daher meine Frage, ob Sie der Meinung sind, dass Ausbildungsvergütungen so hoch sein müssen, dass sich Auszubildende in dieser Stadt eine eigene Wohnung oder angemessenen Wohnraum aus ihrer Ausbildungsvergütung leisten können?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Ohlsen, vielen Dank für die Blumen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe gerade den Eindruck gewonnen, dass Senator Neumann offensichtlich nicht in genauer Kenntnis des Ver
waltungsaufbaus von Bremen und Bremerhaven, einem Bundesland mit zwei Städten, ist, wenn er davon spricht, dass das Gesetz dort nur für die bremischen Häfen gelte. Man muss dazu sagen, dass es in Bremerhaven ein Gebiet gibt, das sich "Stadtbremisches Überseehafengebiet Bremerhaven" nennt und ordnungs- oder verwaltungsrechtlich zum Ortsteil Häfen im Bremer Westen gehört.
Dementsprechend sollte dieses Gesetz also auch für Bremerhaven gelten. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Man könnte dem FDP-Antrag so begegnen,
dass man sagt, sie springen auch noch auf den Zug mit auf, um ein paar Migrantenstimmen abzugrasen. Es ist eben Wahlkampf.