Das Verbotsverfahren gegen die NPD muss dringend wieder aufgenommen werden. Das Verbotsverfahren gegen die NPD dient nicht nur dem Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sondern es dient vor allem dem Schutz der Menschen, die in Fußgängerzonen und Eisenbahnabteilen angepöbelt werden, weil sie dem Bild, dass die NPD von der deutschen Gesellschaft malt, nicht entsprechen. Das NPD-Verbotsverfahren dient dem Schutz der deutsch-türkischen Kleinunternehmer, die Angst haben, Opfer von Gewalttaten zu werden, und die zu Recht ein konsequentes Einschreiten des Staates wünschen.
Wenn es gelingt, die NPD-Organisation zu zerschlagen und den rechtsextremen Strukturen ihre Grundlage zu entziehen, wird der gesamten rechtsextremen Szene massiv Schaden zugefügt
und der politische Handlungsspielraum der Neonazis erheblich eingeschränkt. Allein dafür lohnt es sich, das Verfahren anzustrengen. Ein Unterlassen wäre sträflich. Politisches Kalkül darf nicht vor den Schutz der Menschen gestellt werden. Die Menschen in unserem Land, die täglich Opfer der rassistischen Anfeindungen werden, die Angst haben müssen, dass ihre Hautfarbe, ihre Religion oder ihre Lebensform den menschenverachtenden Ideologien der Neonazis entgegenstehen, müssen es uns wert sein, erneut den Versuch eines Verbots der NPD zu unternehmen.
Wir Sozialdemokraten stehen für eine wehrhafte Demokratie, wir stehen für Toleranz und Achtung dieser Menschenwürde. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Münster hat eben, wie ich finde, sehr zu Recht und sehr gut das definiert, was uns alle, wie er richtig sagte, an dem braunen Sumpf stört.
Das ist richtig und unbestreitbar, und deshalb ist auch die Prüfung eines NPD-Verbotsverfahrens richtig. Aber, Herr Münster, Sie haben eben so nett von Bedenkenträgern gesprochen. Ich will mich denn auch gern als ein solcher Bedenkenträger outen, denn ich glaube, man darf nicht so straight darüber hinweggehen, und nicht nur, weil ein Parteienverbot generell in unserer Demokratie etwas ist, was immer gut bedacht werden sollte. Was uns am meisten umtreiben sollte, ist die Frage, ob das, was Sie zu Recht und richtig beschrieben haben, mit einem NPD-Verbot beendet ist. Ist der alltägliche Rechtsextremismus, ist das Anpöbeln in Bahnen und Bussen, wie Sie es beschrieben haben, zu Ende, weil wir eine Partei verboten haben?
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir neigen alle dazu, uns mit einem solchen Verbotsverfahren wohlwollend auf die Schultern zu klopfen und zu sagen, wie engagiert wir alle sind im Kampf gegen den Rechtsextremismus, aber das war es dann. Genau das jedoch darf es nicht sein. In unserem Kampf gegen den Rechtsextremismus dürfen wir nicht glauben, mit einem NPD-Verbot sei es getan. Das ist zu kurz gesprungen.
Zu glauben, dass ein NPD-Verbot die rechtsextremistische Gefahr und Gesinnung in diesem Land – die leider da ist, das können wir an vielen Bei
spielen immer wieder nachempfinden – beseitigt oder verhindert, ist naiv und auch gefährlich. Rechtradikalismus ist ein gesellschaftliches Phänomen, und das müssen wir gemeinsam bekämpfen, und zwar mit vielen Mitteln, nicht nur mit einem solchen Verbotsverfahren.
Nichtsdestotrotz ist die Prüfung eines solchen Verbotsverfahrens richtig, weil allein der finanzielle Aspekt der Unterstützung, die diese Parteien und die beiden Fraktionen in den Landtagen bekommen, ausreichend sein muss, um darüber nachzudenken, ob wir diesen Geldhahn zudrehen können. Aber zu glauben, wir können mal eben ein solches Verbotsverfahren "by the way" machen und werden dann erfolgreich sein, ist auch gefährlich.
Ich warne davor, nur dem öffentlichen Populismus zuliebe dies mal eben schnell zu fordern. Wir haben erlebt, was es bedeutet, wenn wir bei einem solchen Verfahren scheitern, und wir haben nur noch eine Chance. Sollten wir noch einmal erleben, dass wir dank schlechter Vorbereitung in Karlsruhe scheitern, dann ist das für uns alle in diesem Land ein schrecklicher politischer GAU, denn dann haben wir die NPD so aufgewertet, wie wir es nicht haben wollen. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir uns alle gemeinsam darüber einig sind, diese Partei verbieten zu wollen. Wir sollten es tun, wir sollten aber weniger darüber reden, sondern mehr im Verborgenen handeln.
Deshalb ist es mir auch wichtig, angesichts all der schönen und schnellen Forderungen, die V-Leute am besten komplett abzuziehen, noch einmal deutlich zu machen, dass wir diese Menschen brauchen, um genau zu wissen, was dort passiert. Ich möchte nicht erleben, dass wir bei einem NPD-Verbotsverfahren, das voraussichtlich mindestens drei, vielleicht sogar vier Jahre dauern kann, nicht wissen, was in dieser Szene passiert. Wir müssen die Erkenntnisse haben, was in dieser gefährlichen Szene passiert. Nur dann hat die wehrhafte Demokratie – und da, Herr Münster, sind wir uns einig – die Chance, gegen diese Menschen erfolgreich vorzugehen. Wir dürfen auf diesem Auge nicht blind werden.
Deshalb bekenne ich ganz deutlich für unsere Fraktion, dass wir für ein solches Verbotsverfahren sind. Wir sind dafür, es gründlich zu führen, wir sind dafür, im Zweifelsfall lieber noch ein Vierteljahr zu warten, aber es dann auch erfolgreich zu Ende zu führen. Es darf nämlich nicht passieren, dass wir jetzt nicht erfolgreich sind. Wir sind ganz deutlich dafür, dort, wo wir es nach der aktuellen Rechtsprechung noch können, keine V-Leute ab
zuziehen. Wir werden diese Menschen brauchen, und das wollen wir auch deutlich machen. Insofern finden Sie die CDU-Fraktion an Ihrer Seite, wenn es darum geht, ein solches Verfahren voranzutreiben. Aber wir sind dafür, Herr Innensenator, wie Sie es selbst so schön vor einigen Wochen formuliert haben, jetzt zu handeln und weniger darüber zu reden; das sollte unsere Leitlinie sein.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir als GAL-Fraktion und bundesweit als Grüne können leider diese Euphorie, die teilweise von der SPD ausgeht bezüglich des möglichen NPD-Verbotsverfahrens und der Erfolgschancen, nicht teilen. Was bisher vereinbart worden ist, ist übrigens lediglich eine monatelange Prüfphase von Material, das seit dem 1. Januar 2008 zusammengesucht wurde, das aber erst einmal auf die sogenannte Quellenrelevanz oder Nicht-Quellenrelevanz hin überprüft werden muss. Das macht jedes Bundesland für sich. Dann soll das Bundesamt für Verfassungsschutz diese Überprüfung machen, danach wird alles zusammengetragen, es gibt eine Beweismittelsammlung, und dann gibt es eine Entscheidung darüber, ob diese Beweismittelsammlung dazu taugt, ein erneutes NPD-Verbotsverfahren in Gang zu setzen. Dieses alles wird mindestens bis Oktober dauern. Da kann ich Herrn van Vormizeele nur zustimmen: Wollen Sie so lange derart weiter darüber reden, wie Sie es jetzt tun?
Ich werde den Eindruck nicht los, dass schlicht und einfach aus der letzten Entscheidung nichts gelernt wurde. Es wurde auch bis jetzt noch nichts gelernt aus den Erfahrungen, die in den letzten sechs Monaten gemacht wurden mit der Aufarbeitung der Mordserie der NSU, vor allem aber mit der Aufarbeitung der Verknüpfung der unterschiedlichen Sicherheitsdienste mit den Taten. Ich unterstelle keine Beteiligung an den Taten, sondern lediglich eine Verknüpfung mit der Arbeit der V-Leute, die aus Sicht der CDU notwendig sind. Aus unserer Sicht muss man an dieser Stelle einmal die Frage stellen, ob es sich so, wie die V-Leute bisher geführt werden, nicht um so etwas wie staatlich finanzierten Rechtsextremismus handelt.
Das ist eine zugespitzte These, das ist mir klar. Solange wir aber zur Kenntnis nehmen müssen, dass es weder Kriterien noch eine Evaluation der Arbeit der V-Leute gibt – und deswegen auch keine Erkenntnisse, die in irgendeiner parlamentari
schen Kontrollkommission oder jetzt in einem PUA auf Bundesebene vermittelt werden können –, bleibt die Frage, welchen Sinn, welchen Mehrwert und welchen Erkenntniswert man denn durch V-Leute hat.
Diese Frage kann nicht beantwortet werden, und deswegen ist mir wenig verständlich, wieso immer wieder darauf herumgeritten wird, dass wir diese V-Leute weiterhin dringend brauchen, und dass es völlig ausreichend ist, aus der Führungsebene die V-Leute symbolisch abzuziehen. Wenn wir davon ausgehen, dass in einer Größenordnung von etwa 130 V-Leuten die NPD bundesweit beobachtet wird, dann haben wir vielleicht 15 oder 20 Prozent von V-Leuten in den Führungsgremien. Die werden ausgeschaltet, das muss man in diesem Fall so nennen, weil sie nicht abgezogen werden können, denn das würde wiederum auffallen. Und dann fängt eine Materialsammlung an, die trennscharf erkennen lassen soll, ob das mithilfe eines V-Mannes oder einer V-Frau zustande gekommen ist oder nicht.
Ich halte dies für eine unendliche Geschichte. Aus unserer Sicht sind die Chancen relativ gering, genügend Beweismaterial zu erhalten, um erfolgreich in ein neues Verbotsverfahren gehen zu können. Trotzdem finden wir es richtig, dass genau diese Materialprüfung stattfindet. Sie sollte jedoch unter dem Motto stehen, welchen Sinn die Arbeit von V-Leuten macht.
Ein zweiter Aspekt ist in dem Zusammenhang nicht unwichtig; Herr van Vormizeele erwähnte ihn. Es ist die Frage, was sich in unserer Gesellschaft eigentlich durch ein NPD-Verbotsverfahren ändert. Bei den 30 Prozent der Menschen, die sich einer rechtsextremen Gesinnung nahe sehen, wird sich nichts ändern. Und das ist auch der zweite Teil der Debatte, wie wir als Parlament diesem Gedankengut entgegentreten. Da bleibt uns nämlich noch viel Arbeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Nach dem Scheitern des letzten Anlaufs zur Durchsetzung eines NPD-Verbotsverfahrens im Jahre 2003 wird das Thema mit einiger Regelmäßigkeit im politischen Raum diskutiert. Aktueller Auslöser waren zuletzt die furchtbaren Gewalttaten der Terrorzelle in Thüringen. Für uns Liberale ist klar, dass extremistische und, im konkreten Fall, rechtsterroristische Gewalt in einer freien und offenen Gesellschaft, für die wir eintreten, völlig inakzeptabel ist und von uns verurteilt wird.
Mein Eindruck der bisherigen Debatte ist, dass wir durchaus alle auf einer Linie sind, auch was die übrigen Maßnahmen angeht, die noch zu ergreifen sind.
Lassen Sie mich kurz aus dem Beschluss der Innenminister und -senatoren der Länder und des Bundesinnenministers vom vergangenen Donnerstag in Berlin zum Thema NPD-Verbot zitieren. Die Innenminister stimmten darin überein, dass man sich erst auf der Grundlage einer vorgelagerten Materialsammlung der Prüfung und Bewertung eines möglichen erfolgreichen NPD-Verbotsverfahrens anschließen könne, da im Fall eines Scheiterns die Gefahr eines Schadens für das gemeinsame Ziel der Bekämpfung rechtsextremistischer Bestrebungen bestehe. Dem ist wenig hinzuzufügen.
Nur diese Reihenfolge kann es für uns Liberale geben. Erst umfassend Material sammeln, dann ergebnisoffen prüfen, ob die Kriterien des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise die des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg erreicht werden. Zuletzt kommt dann die Entscheidung über das Einleiten eines Verfahrens.
Sehr geehrter Herr Senator, ich hatte schon anlässlich der letzten Haushaltsberatungen vor einem Schnellschuss gewarnt und möchte dies noch einmal bekräftigen. Das größtmögliche Desaster, eine erneute Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht, sollten wir auf keinen Fall riskieren. Ich würde mich freuen – und ich habe den Eindruck, das ist so –, wenn wir diese Feststellung als Grundkonsens aller Fraktionen dieses Hauses nehmen könnten und somit auch ein wenig zur Versachlichung beitragen würden.
Es handelt sich bei der Frage eines neuen NPD-Verbotsverfahrens zunächst einmal um eine hochkomplexe rechtliche Frage. Aus diesen Gründen würde ich mir manchmal ein wenig differenziertere Aussagen wünschen. Es stellt sich auch die Frage, wie die Einhaltung der Geheimhaltungsvorschriften von Bund und Ländern, also der Quellenschutz der V-Leute, wie in Berlin von den Innenministern beschlossen, tatsächlich umgesetzt werden soll.
Es ist außerdem maßgebend, wie viele V-Leute sich noch in den Vorständen der NPD befinden beziehungsweise wann sie abgeschaltet wurden. Ob dies überhaupt ausreicht, um den hohen Hürden des Bundesverfassungsgerichts zu genügen, wurde noch im Vorfeld der Sonderkonferenz durch den Innenminister Sachsen-Anhalts, der die Ausarbeitung des Kriterienkatalogs federführend begleitet hatte, hinterfragt. In dieselbe Richtung geht auch der Antrag der GAL-Fraktion. Auch wir sehen hier noch rechtlichen Klärungsbedarf.
Wir Liberalen nehmen außerdem den Rat von ehemaligen Verfassungsrichtern, wie zuletzt von Herrn Papier, sehr ernst, wenn er vor einer unsäglichen Falle warnt. Derselbe Verfassungsexperte wies uns vor Kurzem in einem Interview auch darauf hin, dass selbst ein fraglicher Erfolg vor dem Bundesverfassungsgericht mit hoher Wahrscheinlichkeit nur ein Pyrrhussieg sein würde, da die deutsche Vergangenheit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vergleichsweise wenig zählt. Ein Erfolg der NPD vor diesem Gericht, schlimmstenfalls im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl, wäre ein unermesslicher Schaden, der gegenüber jedem realistisch zu erwartenden Ertrag eines erfolgreichen Verbotsverfahrens in keinem Verhältnis steht.