Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

(Beifall bei der FDP, der GAL und der LIN- KEN)

Ich weiß, wie man sich in der Isolation fühlt – Sie wissen, welcher Partei ich angehöre –,

(Heiterkeit im Plenum)

aber das soll nicht das Hauptargument sein. Ich möchte Ihnen nur sagen, bleiben Sie nicht das gallische Dorf der SPD in Deutschland. Ich möchte Ihnen den Antrag der Bundestagsfraktion vorlesen:

"Das führt für die Betroffenen zu einer starken Einschränkung der Bewegungsfreiheit und zu unerwünschter sozialer Isolation."

Liebe SPD-Fraktion, haben Sie Ihre Menschlichkeit jetzt vergessen?

(Beifall bei der LINKEN und bei Dorothee Martin – Zuruf von Dirk Kienscherf, beide SPD)

Herr Kienscherf, da Sie Niedersachsen ansprechen, frage ich mich, ob Sie im Thema sind. CDU und FDP haben zur Lockerung der Residenzpflicht eine Vereinbarung mit Bremen geschlossen und auch an den Hamburger Senat Aufforderungen gerichtet, sich der neuen Regelung anzuschließen. Wo ist Ihre Antwort? Sie blocken das ab und überweisen den Antrag nicht einmal an den Ausschuss.

(Dirk Kienscherf SPD: Wer jetzt in Nieder- sachsen wohnt, ist sozial isoliert?)

(Antje Möller)

So können Sie nicht mit uns umgehen, wenn wir solche Anträge stellen, Herr Kienscherf.

(Beifall bei der FDP, der GAL und der Lin- ken)

Herr Dr. Schäfer, ich weiß nicht, ob Sie sich in das Thema ein bisschen eingelesen haben. Das von Ihnen vorgebrachte Argument, Hamburg würde wegen seiner besonderen Attraktivität zum Ziel vieler Flüchtlinge aus ländlichen Regionen, ist einfach nicht haltbar. Unlängst erklärte, Herr Dressel, der SPD-Innenminister in Brandenburg, befürchtete Probleme wie verstärktes Untertauchen, vermehrte Straftaten und eine Verzögerung des Asylverfahrens mangels Erreichbarkeit seien nicht eingetreten. Wo sind Ihre Gegenargumente, liebe SPDFraktion?

(Beifall bei der FDP, der GAL und der LIN- KEN)

Sie könnten jetzt sagen, Brandenburg sei ein Flächenland und mit Hamburg nicht vergleichbar, aber dieses Land hat das Einvernehmen mit Berlin hergestellt, auch eine attraktive Stadt für jeden, für mich nach Hamburg auch eine attraktive Stadt. Liebe SPD-Fraktion, geben Sie in diesem Punkt Ihren Hardlinern keine Chance, und lassen Sie uns wenigstens im Ausschuss darüber diskutieren. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der GAL und der LIN- KEN)

Nun hat das Wort Herr Haufler, ebenfalls für maximal fünf Minuten.

(Andy Grote SPD: Sie dürfen Hamburg so- fort verlassen!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nun vier Positionen gehört, die jeweils in sich völlig widersprüchlich waren. Ich hoffe, dass ich jetzt eine Position vortragen kann, die zumindest in sich schlüssig ist. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der Linkspartei, dass Sie dafür sind, weltweit jede Art von Reisebeschränkung aufzuheben, weiß man und das gesteht man Ihnen auch zu,

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

aber Sie können nicht gleichzeitig so tun, als würde diese Reisefreiheit für alle weltweit zu keinerlei Konsequenzen für uns in Hamburg führen.

(Jens Kerstan GAL: Was ist denn das für ein Unsinn! Sie wissen doch gar nicht, worüber Sie reden!)

Wenn Sie, Frau Möller, sagen, dass jede Person aus ganz Deutschland nach Hamburg zum Arbeiten, zu Besuch und Ähnliches kommen dürfen muss und das keine Veränderungen für den

Wohnort habe, dann frage ich, wie Sie denn jeden kontrollieren wollen, ob er abends wieder nach Hause fährt. Wie wollen Sie das eigentlich sicherstellen?

(Finn-Ole Ritter FDP: Herr Haufler, Sie ha- ben die Anträge nicht gelesen!)

Selbstverständlich werden Menschen nicht nur für einen Tag, nicht nur für fünf Tage, sondern dauerhaft nach Hamburg ziehen, weil es eine attraktive Stadt ist, und dann werden Sie natürlich sagen, dass man die Regelung auf ein Dauerbleiberecht ausweiten soll.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Wozu reden Sie eigentlich gerade? – Antje Möller GAL: Das Thema ist Ihnen aber nicht vertraut, oder?)

Aber liebe Kollegen von der SPD, eigentlich ist Ihre Position noch widersprüchlicher. Es ist weit verbreitet, Dinge zu fordern und dann den Menschen zu sagen, es wird schon nicht so schlimm kommen. Aber Sie tun das Gegenteil. Sie fordern zuerst Dinge und dann stellen Sie fest, dass es ganz anders kommen wird, und deshalb setzen Sie es nicht um.

(Dr. Anjes Tjarks GAL: Das ist ja CDU-feind- lich, was Sie da reden!)

Das ist noch viel widersprüchlicher als die Positionen der anderen Fraktionen. Deshalb sagen wir ganz klar, dass wir diesen Antrag nicht mittragen wollen und Sie Ihre Position auf Bundesebene überdenken sollten.

(Beifall bei der CDU)

Herr Yildiz hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Haufler, ich glaube, Sie wissen nicht, was Residenzpflicht ist.

(Beifall bei der LINKEN, der GAL und verein- zelt bei der FDP)

Schauen Sie sich das bitte erst einmal an und danach können Sie hier reden. Die Lockerung der Residenzpflicht hat klipp und klar nichts mit Umzug zu tun, sie will nur ermöglichen, dass Menschen sich frei zwischen den Bundesländern bewegen können, dass sie nicht unbedingt eine Genehmigung von der Behörde brauchen, wenn sie in einem anderen Bundesland arbeiten wollen oder Reisen oder Besuche machen wollen. In diesem Land kann man als Flüchtling schlecht bestehen, ich war selbst 15 Jahre lang Flüchtling in diesem Land. Ich durfte Hamburg nicht verlassen, offiziell noch nicht einmal in Veddel, Pinneberg oder Stade arbeiten.

(Jan Quast SPD: Was wollen Sie in Pinne- berg?)

(Finn-Ole Ritter)

Wenn ich kontrolliert worden wäre, hätte ich mich strafbar gemacht und das nur wegen der Residenzpflicht. Wenn Gewerkschaften bundesweit eine Demonstration organisieren, dürfen Menschen daran nicht teilnehmen, weil sie durch die Residenzpflicht eingeschränkt sind. Überlegen Sie einmal, wie lange ich in Hamburg als Flüchtling war, wie oft ich mich bundesweit beworben habe. Wenn die Polizei mich kontrolliert hätte, wäre meine Strafakte jetzt so dick. Ich war fast jedes zweite Wochenende außerhalb Hamburgs. Ich wollte mich frei in diesem Land bewegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn ich herkomme, dann möchte ich auch als ein Teil dieses Landes angenommen werden. Peinlich ist, dass man nicht einmal über die Lockerung der Residenzpflicht spricht.

(Andy Grote SPD: Sie sprechen jetzt doch die ganze Zeit darüber!)

Es geht zunächst nur darum, diese Anträge zu überweisen, darüber zu diskutieren und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Das Peinliche ist, dass Sie gegenüber Migranten und Migrantenorganisationen groß auftreten und schöne Reden halten, auch Ihr migrationspolitischer Sprecher, aber wenn es zur Sache geht, sind Sie zu feige, das zu überweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Goetsch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Haufler, ich weiß nicht, was Ihre Scharfmacherei bewirken soll.

(Beifall bei der GAL, der LINKEN und der FDP)

Sie argumentieren mit unglaublichen Phantasien, die der Realität überhaupt nicht entsprechen. Es geht um Bewegungsfreiheit, es geht nicht um Umverteilung, es geht nicht darum, dass Flüchtlinge, die ihr Asylverfahren in Köln oder in Niedersachsen haben, plötzlich nach Hamburg wechseln. Es geht um Bewegungsfreiheit. Die Art und Weise, wie Sie das Thema dargestellt haben, finde ich sehr bedauerlich, auch für einen Teil Ihrer Fraktion, den ich sehr schätze. Ich habe das Gefühl, hier ist das Rückgrat an der Garderobe abgegeben worden.

(Beifall bei der GAL, der LINKEN und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Ich möchte jetzt eine konkrete Problematik ansprechen. Das Wort Verlassenserlaubnis ist gefallen. Ich fordere einmal alle auf, die Lehrerinnen oder Lehrer sind, die in einer Kita arbeiten oder in einer anderen Einrichtung, sich vorzustellen, was das in

der Realität heißt. Sie wollen mit der Klasse oder der Kitagruppe einen Ausflug machen, ob der zur Ostsee gehen soll oder nach Pinneberg, oder Sie fahren nach Aumühle mit der Bahn und wollen von dort aus eine Fahrradtour machen. Das geht nicht. Oder die üblichen Ausflüge an die Ostsee, um das Wattenmeer zu erkunden –