Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

Ich hatte eigentlich gedacht, dass ich Ihnen das etwas freundlicher verpackt unter die Nase reibe. Frau Senatorin, Sie sind morgen bei der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz. Im Bericht über das Jahr 2009 stand zu lesen, dass Hamburg zusätzliche Mittel in Höhe von 9 Millionen Euro über den Hochschulpakt hinaus eingesetzt und damit mindestens 1400 Studienplätze geschaffen hatte. Im Sinne der jetzigen oder zukünftigen Abiturientinnen und Abiturienten würde ich mir so wünschen, dass im nächsten und übernächsten Bericht der gemeinsamen Wissenschaftskonferenz etwas Ähnliches stehen würde. Das wäre mein Verständnis von gutem Regieren.

(Beifall bei der GAL)

Herr Dr. Schinnenburg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich den Antrag der SPD-Fraktion zum ersten Mal las, wusste ich

nicht genau, ob ich lachen oder weinen sollte. Dann habe ich ihn noch einmal gelesen und es blieb nur ein Gefühl übrig: ohnmächtige Wut.

SPD und Senat tun seit einem Jahr alles, um den Hochschulstandort Hamburg zu schädigen. Sie haben im Haushalt 2011/2012 bei den Hochschulen reale Kürzungen durchgesetzt, sie haben der Universität und mittlerweise auch anderen Hochschulen Vereinbarungen aufgedrängt, die, Herr Kühn, in der Tat Garantie für den Abbau und die finanzielle Auszehrung bieten und im Ergebnis zum Studienplatzabbau führen werden. Sie schauen zu, wie die HCU langsam stirbt. Sie vertreiben einen der besten Hamburger Hochschul-Chefs, Professor Debatin vom UKE. Und es gibt keine seriöse Kompensation für den Wegfall der Studiengebühren und schon gar keine Dynamisierung für künftige Jahre. Das ist das Werk Ihrer Senatorin und Sie, Herr Kühn, und Ihre Fraktion machen das mit; Sie sind mitverantwortlich. Die SPD spart die Hamburger Hochschulen kaputt und ruft jetzt nach dem Bund; das ist dreist.

(Beifall bei der FDP)

Das passt übrigens zum Verhalten von SPD, Grünen und Linken in den Bundesländern. Nur zwei Beispiele: In Rheinland-Pfalz regiert Rot-Grün. Dort wurden die Langzeit-Studiengebühren abgeschafft, was an sich schon ein Fehler ist, aber es gibt auch keine Gegenfinanzierung. Im Ergebnis haben die rheinland-pfälzischen Hochschulen unter Rot-Grün 4 Millionen Euro weniger zur Verfügung.

Zweites Beispiel ist Brandenburg. Frau Heyenn, hören Sie genau zu, in Brandenburg regiert RotRot, also Sie regieren mit. Sie verhängen über die Hochschulen in Brandenburg eine globale Minderausgabe in Höhe von 12 Millionen Euro. Das Ergebnis sind drastische Kürzungen.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Kläglich!)

Das ist die Politik von Rot-Rot und Rot-Grün und das machen Sie auch hier in Hamburg.

Anders die FDP im Bund. Seit die FDP 2009 im Bund mitregiert, also seit dem Jahr 2009, wird dort eine völlig andere Politik gemacht. Der Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung war im Jahr 2010 um 701 Millionen Euro höher als 2009; im Folgejahr kamen 783 Millionen Euro obendrauf und in diesem Jahr noch einmal 454 Millionen Euro. Das heißt Investieren in Hochschulen und Bildung, das ist vorbildliche Politik von CDU/CSU und FDP im Bund. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie in Hamburg und in allen anderen SPD-regierten Bundesländern machen. So ist die Situation.

(Beifall bei der FDP und bei Christoph Ahl- haus und Thilo Kleibauer, beide CDU)

(Dr. Eva Gümbel)

Wir wissen alle, dass die Hamburger Hochschulen unter Ihrer Regierung bereits im Jahr 2011 quasi am Ende gewesen wären, wenn sie nicht Mittel aus dem jetzt noch existierenden Hochschulpakt bekommen hätten. Es hätte in den Jahren 2011 und 2012 noch einmal einen kräftigen Abbau von Studienplätzen gegeben. Die Hamburger Hochschulen werden von Ihnen finanziell ausgezehrt und können nur durch die derzeitigen Mittel aus dem Hochschulpakt überleben. Das ist der wahre Grund für Ihren Antrag. Sie suchen einen Freibrief für die weitere finanzielle Auszehrung der Hamburger Hochschulen und dafür wollen Sie Geld vom Bund.

Meine Damen und Herren! Sie werden verstehen, dass wir so ein Ansinnen nicht mitmachen können. Wir lehnen Ihren Antrag ab. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Christoph Ahl- haus und Christoph de Vries, beide CDU)

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.

Herr Schinnenburg, eine kleine Orientierungshilfe: Wir sind in Hamburg und nicht in Kiel. Ihre Wahlrede nützt hier überhaupt nichts.

(Finn-Ole Ritter FDP: Aber Ihre jetzt!)

Ich will zum Hochschulpakt sprechen und zu dem, was gefühlt in allen Hochschulen und Universitäten schon Realität ist. Die KMK hat mit ihrer neuen Veröffentlichung zur Entwicklung der Studienanfängerzahlen bestätigt, dass wir eine deutlich steigende Zahl von Studienanfängern haben; das wird auch langfristig so bleiben. Frau Dr. Gümbel hat darauf hingewiesen, dass schon lange gesellschaftlicher Konsens ist, dass wir das wollen.

Die KMK hat in sechs Punkten die Ursachen für den Anstieg der Studierendenzahlen benannt:

Erstens: Durch die doppelten Abiturjahrgänge ist die Zahl der Abiturienten gestiegen.

Zweitens: Die Studierneigung ist deutlich gestiegen, was wir als Politiker auch motiviert haben.

Drittens: Die im Jahr 2011 beschlossene Aussetzung der Wehrpflicht hat die Zahl der Studierenden erhöht.

Viertens: Der Anteil beruflich Qualifizierter, die ein Studium aufnehmen können, ist gestiegen. Dieser Anteil ist unserer Meinung nach allerdings immer noch viel zu gering.

Fünftens: In einzelnen Bundesländern wurden Berufsakademien dem Hochschulbereich zugeordnet.

Sechstens: Die Anzahl der Studienanfänger, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben, ist gestiegen. Das heißt, an den

deutschen Hochschulen nimmt die Zahl ausländischer Studierender zu.

All das führt dazu, dass wir mehr Studierende haben, was wir auch wollen.

Man muss sich einmal vergegenwärtigen, welche Zahlen dahinter stecken. Was kostet eigentlich ein Studienplatz? Das Statistische Bundesamt hat belegt, dass die tatsächlichen Kosten für einen durchschnittlichen Studienplatz bei 7150 Euro lieben. Aber zur Verfügung gestellt werden nur 6500 Euro. Und wenn wir jetzt zum Beispiel in Hamburg jedes Jahr 16 000 Studienplätze mehr schaffen müssen, um dem Bedarf gerecht zu werden, dann bedeutet das in der Konsequenz – das hat Herr Schinnenburg angesprochen – eine immer stärkere Verschärfung der Unterfinanzierung der Hochschulen. Und das kann so nicht gehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aus der Studie der KMK ist zu folgern, dass mehr Ressourcen in die Universitäten fließen müssen, und zwar umfänglich. Wenn man als Politiker landauf, landab dafür wirbt, dass mehr junge Leute ein Studium aufnehmen, dann muss man auch einiges dafür tun, dass das Studienangebot angemessen ist. Die Hochschulrektorenkonferenz hat dazu Stellung genommen und ganz klar gesagt, dass ein Hochschulsystem dauerhaft nur dann gestärkt wird, wenn Personal, Räume, Lehrmittel und die komplette Infrastruktur dem Mehrbedarf entsprechend verlässlich zur Verfügung gestellt werden.

Es ist eben schon angesprochen worden – ich glaube, von Herrn Kleibauer –, dass die große Anzahl befristeter Verträge und die prekären Beschäftigungsverhältnisse an den Universitäten ein Unding sind. Auch die GEW fordert eine Stabilisierung der Beschäftigungsverhältnisse und dass mit diesem Hire and Fire Schluss gemacht wird. Das gehört dazu, aber ebenso auch kostengünstiger Wohnraum und eine bessere Ausstattung des Studierendenwerks.

Ich zitiere die Forderungen einer politischen Gruppe – ich sage hinterher, wer das ist –:

"Die Schaffung zusätzlicher Studienplätze alleine reicht außerdem nicht aus! Studierende brauchen auch soziale Infrastruktur […], von Wohnheimplätzen über Mensen bis hin zu Beratungs- und Kultur-Angeboten. […] Das stete Zurückfahren der finanziellen Unterstützung der Studierendenwerke durch die Länder läuft den Bemühungen um mehr Studierende völlig entgegen."

Die haben recht, und diese Erklärung kommt von den Jusos. Wir brauchen dringend kostengünstigen Wohnraum und das kostet eben auch Geld.

(Beifall bei der LINKEN)

(Dr. Wieland Schinnenburg)

Das politische Ziel muss sein, genügend Studienplätze zur Verfügung zu stellen, damit der NC überflüssig wird und damit das, was Frau Schavan versprochen hat, dass jeder das studieren kann, was er möchte, und jeder seinen Master machen kann, auch erfüllt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Senatorin Dr. Stapelfeldt hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit 2007 unternehmen Bund und Länder große Anstrengungen, um die benötigten zusätzlichen Studienanfängerkapazitäten zu schaffen. Das müssen wir, wenn wir heute über weitere zusätzliche Plätze diskutieren, zunächst einmal berücksichtigen; da sind schon erhebliche Leistungen vollbracht worden. Für Hamburg sind es 4370 Studienplätze, die – mit den 1780 für die Aussetzung der Wehrpflicht – mit diesen Mitteln an den staatlichen Hamburger Hochschulen zusätzlich geschaffen werden.

Es gibt jetzt – das ist der zweite Punkt, auf den ich eingehen will – eine besondere nationale Aufgabe, die Hochschulen für den erheblich gestiegenen Andrang junger bildungswilliger Menschen auszubauen und auszustatten. Deswegen brauchen wir eine Ausweitung des Hochschulpaktes. Diese Aufgabe ist nicht mit einer Grundgesetzänderung, wie die Bundesregierung sie vorschlägt, zu leisten. Ich will das kurz begründen.

Die Initiative der Bundesregierung ermöglicht eine neue Verbindung zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen zur Weiterförderung von Exzellenzclustern und auch eine dauerhafte institutionelle Förderung an den Hochschulen, aber nicht der Hochschulen. Das ist ein ziemlich wichtiger Unterschied und außerdem bleibt das Erfordernis der überregionalen, also der nationalen Bedeutung bestehen. Mit dieser Initiative zur Änderung des Grundgesetzes ist im Wesentlichen beabsichtigt, die Spitzenforschung an den Hochschulen weiter zu fördern. Aber die Finanzierung der Hochschulen in der Breite würde damit nicht erfolgen, sondern unterbleiben und damit würde sich auch die unterschiedliche finanzielle Situation der Hochschulen verfestigen. Darauf hat auch Frau Dr. Gümbel hingewiesen. Bei dieser Initiative ist der gesamte Schulbereich, der zur Förderung mit anstünde, eher nicht berücksichtigt. Deswegen gibt es eine Bundesratsinitiative Hamburgs, die im Bundesrat von Berlin und Brandenburg dahingehend unterstützt wird, dass Finanzhilfen nach Artikel 104c geschaffen werden, was dann auch tatsächlich zu einer halbwegs gerechten Mittelverteilung führen würde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt eine neue Prognose vor; die letzte war aus dem Jahr 2009, ist also drei Jahre alt. Für die Jahre 2011 bis 2015, das heißt für den Zeitraum des Hochschulpaktes II, werden jetzt 357 000 Studienanfänger zusätzlich prognostiziert. Wenn man die zusätzlichen für die Wehrpflicht schon abzieht, sind das 297 000 zusätzliche Plätze, die schon im Zeitraum bis 2015 notwendig sind. Für Hamburg sind es 12 000 minus 1780 für die Wehrpflicht, also rund 10 000 Studienplätze, die wir neu schaffen müssten, was wir zum Teil auch tun in dieser Phase.

Mit der Entschließung, die heute zur Abstimmung steht, wird genau dieses eingefordert, also sowohl eine Ausweitung für die zweite Phase des Hochschulpaktes als auch für die dritte Phase, für die Jahre 2016 bis 2020, weil auch dann die vor drei Jahren vorausberechneten Zahlen deutlich überschritten werden. Und – das muss man für beide Phasen sagen – die Entwicklung der Masternachfrage ist überhaupt nicht berücksichtigt.

Was bedeutet das zusammengefasst? Meiner Ansicht nach bedeutet es zügiges Handeln und eine zeitnahe Aufstockung der zweiten Programmphase des Hochschulpaktes, das heißt bis 2015. Und es bedeutet ausdrücklich, dass die Masternachfrage bei dem Pakt mitberücksichtigt werden muss. Drittens muss es bedeuten, dass es zwischen Bund und Ländern eine rechtzeitige Einigung über die Ausgestaltung der dritten Programmphase, nämlich von 2016 bis 2020, gibt. Denn es ist in diesem Zusammenhang ganz wichtig, Planungssicherheit für die Hochschulen zu erlangen. Und wenn die Bürgerschaft so beschließen sollte, dann nehme ich das gerne als Unterstützung für die Gespräche, die wir morgen und übermorgen mit dem Bund haben, und werde mich gerne darauf beziehen, dass es eine fraktionsübergreifende Unterstützung für die Ausweitung der Hochschulpaktes gibt. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Zunächst zum Antrag der Fraktion DIE LINKE aus Drucksache 20/3863.