Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

Dann trudelte der SPD-Antrag ein. Mir wäre es peinlich, wenn ich so einen Antrag hätte stellen müssen, weil Senator Michael Neumann das letzte Woche in St. Georg selbst so gesagt hat. Dass die SPD-Fraktion das heute noch einmal zur Abstimmung stellt und sich ein Senatorenwort noch einmal von der Bürgerschaft bestätigen lassen will, finde ich peinlich. Wir lehnen diesen Antrag daher ab.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Frau Steppat.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Gemäß einer Verordnung vom Oktober 1980 besteht in St. Georg ein Verbot der Prostitution. Gemäß dieser Sperrgebietsverordnung ist die Ausübung der Straßenprostitution in St. Georg verboten. Dennoch wurde weiterhin der Prostitution nachgegangen, was erhebliche Beeinträchtigungen für den Stadtteil und für das Leben der Bewohnerinnen in St. Georg mit sich gebracht hat. Die Polizei konnte trotz zahlreicher Maßnahmen wie Platzverweisen oder der Verhängung von

(Dr. Stefanie von Berg)

Bußgeldern die Prostitution nicht nachhaltig eindämmen. Aufgrund der Rechtslage konnte die Polizei lediglich gegen die Prostituierten vorgehen. Das hat dazu geführt, dass die Frauen finanziell durch die Bußgelder belastet wurden, ihnen die Mittel aber häufig fehlten. Daraufhin wurde im Januar 2012 die Verordnung über das Verbot der Kontaktaufnahme zu Personen zur Vereinbarung entgeltlicher sexueller Dienstleistungen im Sperrgebiet beschlossen. Bei einem Verstoß gegen diese neue Verordnung können die Freier mit einer Geldbuße von bis zu 5000 Euro belegt werden. Bisher wurden nur die Frauen belastet. Diese Verordnung richtet sich ausdrücklich gegen jene Männer, die die schwierige Situation der betroffenen Frauen ausnutzen. Daher ist sie aus Sicht der Frauenpolitik ein Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Seit Inkrafttreten der Verordnung sind die Beschwerden der Anwohnerinnen zurückgegangen und positive Rückmeldungen zu verzeichnen. Auch aus anderen Städten, die vergleichbare Verordnungen erlassen haben – Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Düsseldorf, Frankfurt und so weiter –, hat es bereits Rückmeldungen gegeben, dass solche Verordnungen Erfolg zeigen. Vor diesem Hintergrund ist die Forderung aus dem GAL-Antrag, die Verordnung künftig bis zu einer Evaluationsphase ohne Bußgeldverhängung anzuwenden, nicht zielführend, zumal es bereits erste Erfolge bei der Bußgeldverhängung gegeben hat. Außerdem ist es fraglich, ob zur Überprüfung einer Wirksamkeit der Verordnung tatsächlich eine wissenschaftliche Evaluation nötig ist, zumal die Verordnung nun schon seit drei Monaten in Kraft ist. Wir halten es hingegen für sinnvoll, dass der Senat der Bürgerschaft bis Ende März 2013 einen Bericht vorlegt, in dem über die Erfahrungen und die praktische Durchführung der Verordnung berichtet wird. Dabei sollten die im GAL-Antrag unter 3a bis c genannten Gesichtspunkte berücksichtigt werden, also erstens, inwieweit sich die Verordnung auf die Lebensqualität der Anwohnerinnen St. Georgs ausgewirkt hat, zweitens, wie sich die Situation der Sexarbeiterinnen verändert hat und drittens, wie sich das Verhalten der Freier verändert hat. Im Herbst 2011 hat in der Gesundheitsbehörde bereits ein Gespräch stattgefunden mit dem Ergebnis, dass ein Runder Tisch in St. Georg eingerichtet werden soll. Wenn dieser etabliert wird, dann sollte er sinnvollerweise durch den Bezirk Hamburg-Mitte eingerichtet werden. Daher, meine Damen und Herren, freue ich mich, dass unser SPDZusatzantrag soeben die Mehrheit gefunden hat.

(Beifall bei der SPD)

Frau Möller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir hören mal wieder zu später Stunde interessante, spontan abgelesene Beiträge vonseiten der SPD.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Die Männer klatschen.

Das Thema ist hochpolitisch. Die Frage ist, warum eine Sperrgebietsverordnung, die es im Übrigen nicht erst seit Anfang der Achtzigerjahre gibt, sondern deren erste Fassung aus den Sechzigerjahren stammt, in einem Quartier nicht umgesetzt wird, das in seiner Bevölkerungsentwicklung und wirtschaftlichen Situation virulent ist und einen wichtigen kulturellen und sozialen Stand-, aber auch Brennpunkt dieser Stadt darstellt. Das ist die politische Frage daran. Wenn jetzt in einigen Redebeiträgen so getan wird, als ob wir über Ordnungswidrigkeiten wie das Laufenlassen von Hunden ohne Leine oder Ähnliches sprechen, dann ist das ein völliges Missverständnis gegenüber dem politischen Thema, was wir eigentlich diskutieren sollten.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Die Redebeiträge – es tut mir leid, dass Sie nun benannt worden sind, zu diesem Thema zu sprechen –

(Dr. Andreas Dressel SPD: Sie ist unsere gleichstellungspolitische Sprecherin!)

haben keinen inhaltlichen Ansatz, der sich mit dem Thema Prostitution befasst sowie der Tatsache, dass Prostitution legal ist und dass wir über ein Gebiet sprechen, das durch eine Virulenz der Entwicklung geprägt ist. Mitnichten hat sich über lange Zeit ein Problem entwickelt, sondern wir haben plötzlich auch in St. Georg eine Gentrifizierung, die zu einer anderen Klientel an Anwohnern führt.

Der zukünftige Vertreter des Bezirks ist nicht mehr sichtbar. Doch, dort hinten, Herr Grote, vielleicht sagen Sie noch einmal etwas dazu.

(Beifall bei der GAL und der FDP)

Ein Konzept muss entwickelt werden, und man sollte nicht mit Ordnungswidrigkeiten und Bußgeldern eine Situation zu verändern versuchen, von der viele in dieser Stadt profitieren. Es handelt sich nicht um eine Schutzfunktion gegenüber den Frauen, das ist ein großes Missverständnis. Dieses Kontaktanbahnungsverbot gilt für beide Seiten, die Frau wird genauso belangt wie der Freier. Und tatsächlich wird immer noch zunehmend den Frauen die finanzielle Last auferlegt. Ich sehe an der Stelle überhaupt keinen stadtplanerischen Ansatz, ich sehe keinen Ansatz, der die Situation in diesem Quartier tatsächlich verändern wird. Ich sehe lediglich, dass der SPD im Bezirk Hamburg-Mitte, aber auch in diesem Haus nichts anderes einfällt, als mit Ordnungswidrigkeit und Bußgeld ein Thema

(Sabine Steppat)

anzugehen, das die Stadt in der Breite beeinflusst und das im Übrigen in Berlin ganz wunderbar mithilfe eines Gutachtens einer Lösung zugeführt wird. Das stünde uns auch gut an.

(Beifall bei der GAL, der LINKEN und bei Robert Heinemann CDU)

Das Wort hat Herr Schmidt.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Möller hat den Bezirk Hamburg-Mitte eben noch einmal angesprochen und ich will nur ein paar Bemerkungen dazu machen, auch wenn es spät ist. Im Bezirk steht die Diskussion um die Probleme der Prostitution in St. Georg seit Jahren auf der Tagesordnung; diese Diskussion ist nicht erst seit Februar vergangenen Jahres entstanden. Alle Maßnahmen, über die wir in den letzten Jahren geredet haben, und auch diese Maßnahme, über die wir jetzt reden, hat die GAL im Bezirk mit angestoßen. Wir haben gemeinsam Prüfaufträge abgestimmt, wir haben am Runden Tisch mit allen diskutiert, wir haben gemeinsam mit dem Bürgerverein, dem Beirat und der Anwohnerinitiative, die sich gegründet hat, ganz viele Diskussionen geführt. Dabei waren alle im Bezirk der Meinung, dass hier etwas passieren und dass man handeln muss. Da können Sie jetzt nicht sagen, das ist alles ganz böse, denn das sind Dinge, die wir gemeinsam, auch mit Ihren Kolleginnen und Kollegen von der GAL im Bezirk, angestoßen haben. Insofern finde ich diese Diskreditierung total unangebracht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann wollen wir jetzt abstimmen.

Zunächst zum Antrag der GAL-Fraktion, Drucksache 20/3750. Die Fraktionen der CDU und der LINKEN haben eine ziffernweise Abstimmung beantragt.

Wer möchte Ziffer 1 des GAL-Antrags seine Zustimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist Ziffer 1 abgelehnt.

Wer möchte Ziffer 2 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit hat auch Ziffer 2 keine Mehrheit gefunden.

Wer schließt sich Ziffer 3 an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch die Ziffer 3 ist damit abgelehnt.

Wer möchte Ziffer 4 zustimmen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls abgelehnt.

Und wer nimmt Ziffer 5 an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist auch Ziffer 5 und damit der Antrag insgesamt abgelehnt.

Nun zum Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache 20/3881.

Wer möchte diesem seine Zustimmung geben? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag beschlossen worden.

Ich wünsche Ihnen einen schönen Feierabend.