Protokoll der Sitzung vom 18.04.2012

Genau das ist der Grund, warum Bremen – und ich meine mich zu erinnern, dass Bremen von einem rot-grünen Senat geführt wird –

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die jetzt übri- gens dasselbe machen werden!)

bislang noch nicht entschieden hat, welchen Weg es mit seinen Netzen gehen will, eine vollständige oder teilweise Rekommunalisierung oder aber ein reiner Konzessionsvertrag ohne städtische Beteiligung.

Meine Damen und Herren! Wer die streng regulierenden Netze betreibt, muss jedem Stromanbieter, kontrolliert von der Bundesnetzagentur, einen diskriminierungsfreien Netzzugang gewähren, ganz gleich, ob dieser Strom aus Windkraftwerken an der Nordsee oder aus französischen Atomkraftwerken stammt. Die Sachverständigen haben anschaulich gesagt, dass Netze wie Autobahnen sind und man jeden darauf fahren lassen muss. Wer das Gegenteil behauptet, nämlich dass man mit einer Verstaatlichung der Energienetze etwas zur Energiewende beitragen kann, der redet nicht nur Unfug, sondern täuscht wider besseren Wissens die Bürger. Eine Verstaatlichung der Netze bringt für die Energiewende überhaupt nichts, sondern nur neue Schulden.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Sache wird noch viel kurioser. Wieso sollte sich denn überhaupt etwas ändern, wenn ich zunächst aus den Konzernen Vattenfall und E.ON drei Netzbetriebsgesellschaften abspalte und ausgliedere, an denen sich die Stadt dann mit 543,5 Millionen Euro auf Pump finanziertem Geld beteiligt, und dann im nächsten Schritt einen großen Teil dieser operativen Tätigkeiten, die ich gerade aus dem Konzern herausgenommen und auf die Netzgesellschaften übertragen habe, durch ein völlig intransparentes Geflecht von Austausch, Dienstleistung und sonstigen Verträgen wieder an diese Konzerne zurückdelegiere? Warum soll sich bei dieser Konstruktion im Sinne der Energiewende etwas ändern? Logisch ist das nicht.

(Beifall bei der FDP und der GAL)

Meine Damen und Herren! Der Sachverständige Schröer hatte völlig recht, als er die Frage stellte, was die Stadt hier mache. Letztlich gibt die Stadt den Konzernen Vattenfall und E.ON eine Anleihe und das mit geliehenem Geld und auf Risiko der Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP und bei Dr. Friederike Föcking, Robert Heinemann und Roland Heintze, alle CDU)

Eine Beteiligung an den Netzen ist weder risikolos noch eine eierlegende Wollmilchsau. Die Höhe der Garantiedividende ist bis zum Ende der zweiten Regulierungsperiode festgeschrieben. Welche Dividende dann gezahlt wird und wie sich die Zinsen für die Darlehen entwickeln, steht in den Sternen. Zurzeit muss die Stadt für zehnjährige Anleihen, das ergibt sich aus der Mitteilung des Senats, 3 Prozent Zinsen bezahlen. Der Stadt bleiben also von der Garantiedividende nach Abzug der Refinanzierungskosten magere 1,2 beziehungsweise 1,5 Prozent zur Tilgung der Schulden und zur Abdeckung des Risikos. Die Kosten für die Modernisierung und Dezentralisierung der Netze sind dabei nicht eingepreist. Es liegt auf der Hand, dass sich die technischen Anforderungen an die Netzarchitektur und der rechtliche Regulierungsrahmen unter den Bedingungen der Energiewende ändern werden. Das hat der Generalbevollmächtigte von Vattenfall gestern bei Hamburg 1 noch einmal ausdrücklich bestätigt.

Meine Damen und Herren! Wir haben zu diesen zusätzlichen Kosten für Modernisierungen der Netze in den Unterlagen des Senats kein Wort gefunden. Unsere eigenen Experten gehen von dreistelligen Millionenbeträgen aus, die zusätzlich zum Kaufpreis zu finanzieren sind. Ich kenne keine einzige Bank, die bei einer solchen Finanzierung nicht auch die Gesellschafter, nach dem Willen des Senats also zukünftig auch die Stadt, mit in die Haftung nimmt. Wer sich an Netzgesellschaften betei

ligt, ohne diese Risiken zu klären, begeht einen haushaltspolitischen Blindflug. Das mag ein Unternehmer mit seinem eigenen Geld tun, aber nicht die Stadt als Treuhänder des Vermögens der Bürger und der Steuerzahler.

Überhaupt ist die Prüfung der Risiken für die Stadt wohl eher rudimentär verlaufen. Der Bericht über die rechtlichen Risiken des Deals ist den Abgeordneten erst unter großem Druck zur Verfügung gestellt worden. Die gemeinsame Sitzung von Haushalts- und Umweltausschuss musste verschoben werden. Wenn es in Hamburg gegenwärtig prekäre Arbeitsverhältnisse gibt, dann sind das die der Abgeordneten der Hamburger Bürgerschaft angesichts der Informationspolitik des Senats.

(Beifall bei der FDP)

Noch etwas hat die Sitzung der beiden Ausschüsse am 12. April ergeben. Berichte über die wirtschaftlichen, finanziellen, technischen oder steuerlichen Risiken konnten vom Senat nicht vorgelegt werden, und zwar deshalb nicht, weil es sie überhaupt nicht gibt. Jeder Manager oder Berater eines privaten Unternehmens könnte in einem vergleichbaren Fall gleich seine Haftpflichtversicherung anrufen. Ein sorgfältiger Umgang mit Steuermitteln sieht anders aus.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der GAL)

Wir begrüßen es vor diesem Hintergrund ausdrücklich, dass die Bürgerschaft am 29. März beschlossen hat, den Landesrechnungshof zu ersuchen, eine gutachterliche Stellungnahme zu dem Beteiligungsvorhaben des Senats und der vollständigen Rekommunalisierung, wie die Volksinitiative sie anstrebt, abzugeben. Aber es sollte selbstverständlich sein, so lange keine Fakten zu schaffen, sondern die Beschlussfassung über den Senatsantrag der Bürgerschaft auszusetzen, bis eine Entscheidung und eine Stellungnahme des Landesrechnungshofs zu dem Prüfersuchen vorliegt. Sollte der Landesrechnungshof dem Ersuchen der Bürgerschaft folgen, dann muss abgewartet werden, bis die gutachterliche Stellungnahme vorliegt. Das gebietet nicht nur der Respekt vor dem Landesrechnungshof, das ist vor allen Dingen ein Gebot des sorgfältigen Umgangs und der genauen Prüfung des vom Senat beabsichtigten und auf Pump finanzierten 453-Millionen-Euro-Deals.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Fraktion hat einen entsprechenden Antrag vorgelegt, der eigentlich selbsterklärend ist: Hände weg vom schuldenfinanzierten Netzkauf, ganz gleich, ob teilweise oder vollständig, stattdessen eine transparente, diskriminierungsfreie und am besten europaweite Ausschreibung der Konzession. Dabei soll es keine Vorzugsstellung für Vattenfall und E.ON geben, sondern die bindende Auflage, Konzepte vorzulegen oder Maßnahmen

vorzuschlagen für einen rationellen, sparsamen und ressourcenschonenden Umgang mit Energie, genau so wie Paragraph 3 der Konzessionsabgabenverordnung dies ausdrücklich zulässt.

(Beifall bei der FDP)

Das bringt wirklich etwas für die Umwelt, kostet den Steuerzahler keinen Pfennig und produziert keine Schulden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieses Vertragswerk hat mit Energiewende nicht das Geringste zu tun, da waren sich alle fünf Experten in der Anhörung einig.

(Beifall bei der LINKEN, der GAL und bei Robert Heinemann CDU)

Alles, was uns hier vorliegt, ist die Verhinderung einer Rekommunalisierung der Netze in Hamburg, die den Namen "Rekommunalisierung" auch verdient. Vor einem Volksentscheid sollen Fakten geschaffen werden, um eine 100-prozentige Rekommunalisierung zu verhindern. Schon sehr zeitig, als das Volksbegehren noch lief, wurden geheime Gespräche mit E.ON und Vattenfall vonseiten des Senats geführt.

(Dirk Kienscherf SPD: Das haben wir alles gesagt!)

Zum gleichen Zeitpunkt hat Olaf Scholz, Mitglied des Bundesvorstandes, auf SPD-Ebene beschlossen – ich zitiere –:

"Die Energiewende gelingt nur ‚von unten’.

Die Sozialdemokratische Partei wird dafür sorgen, dass die Monopole der vier großen Energieversorgungsunternehmen reduziert werden."

Olaf Scholz hat aber in Hamburg sein Bündnis mit E.ON und Vattenfall von oben durchgedrückt und nicht von unten entwickelt.

(Jan Quast SPD: Energieversorgung und Netze sind zwei verschiedene Dinge! Das haben Sie noch nie verstanden!)

Eine Feststellungsklage der Behörde für Umwelt und Stadtentwicklung gegen Vattenfall wurde zurückgezogen. Das war nach der Aussage eines Behördenvertreters in einer öffentlichen Anhörung die Bedingung dafür, dass Vattenfall überhaupt an den Verhandlungstisch gegangen ist.

(Anja Hajduk GAL: Das hat sogar der Staatsrat gesagt!)

Genau.

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

Der Senat forderte aber umgekehrt nicht, dass Vattenfall seine Klage vor dem Internationalen Schiedsgericht in Chicago zurückzieht, wo Vattenfall die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs verklagt. So viel, Herr Dressel, zu der glasklaren Positionierung Vattenfalls zum Atomausstieg.

(Beifall bei der LINKEN und der GAL)

Nach allen vorhandenen Informationen und Sitzungsdiskussionen ergibt sich das Bild, dass schlecht verhandelt worden ist und der Deal zum Vorteil der Energiekonzerne und zum Nachteil für die Hamburgerinnen und Hamburger gerät. Diesen Eindruck möchten wir aber genauer prüfen lassen.

(Zuruf aus dem Plenum: Da sind Sie noch nicht ganz sicher?)

Wir haben den Landungsrechnungshof gebeten, sich damit zu beschäftigen, und das werden wir natürlich abwarten; es sind auch eine Menge Geheimakten dabei.

Es passt auch nicht in die politische Kultur, dass Bürgermeister Scholz einen Tag nach langwierigen, intensiven Debatten zur Haushaltsbefassung 2011 Arm in Arm mit Vattenfall und E.ON den sogenannten Teilrückkauf der Netze für Strom, Gas und Fernwärme zum Preis von 543,5 Millionen Euro vorstellt. Einen Tag nach den Haushaltsberatungen solch ein Paket vorzustellen, ist von der politischen Kultur her unterirdisch.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Begriff Teilrückkauf ist, wie schon angedeutet wurde, ein sehr defensiver Begriff. Mit Rückkauf hat das überhaupt nichts zu tun. Diese 25,1 Prozent sind nur eine Finanzspritze für die Energiekonzerne und eine Absicherung der Monopolstellung, genau das Gegenteil von dem, was Sozialdemokraten auf Bundesebene proklamieren. Die Einflussnahme auf die Geschäftspolitik mit 25,1 Prozent ist außerdem unumstritten verschwindend gering. Nun sagt Herr Dressel, aber Sie vergessen die Innovation.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ich habe be- stimmt nicht Ja gesagt zu dem, was Sie eben gesagt haben!)

Dazu ist von Herrn Schlemmermeier im Ausschuss Folgendes gesagt worden:

"Das GuD-Kraftwerk in Wedel als Innovationskraftwerk zu bezeichnen, das würde ja bedeuten, dass da irgendetwas Innovatives drin ist."

Das sei aber eine ganz normale GuD-Anlage und Stand der Technik, mit Innovation habe das nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN und der GAL)