Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD und GAL)

(Anja Hajduk)

Knapp 24 Milliarden Euro Schulden, das ist mehr als das Doppelte des jährlichen Haushaltsvolumens, sind mit Sicherheit nicht das Ergebnis einer mutigen Politik. Aber genau deshalb brauchen wir die vorliegende Verfassungsänderung.

Wir müssen aufhören, das Auftürmen immer neuer Schulden zu beklagen. Wir müssen stattdessen anfangen zu handeln. Politik muss sich zwingen, Verantwortung zu übernehmen, vor allem für die kommenden Generationen.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Das ist natürlich nicht immer leicht. Uns wählen diejenigen, die jetzt in Hamburg leben, die von ihrer Stadt jetzt eine gute Bildung, funktionierende Infrastruktur und ein geordnetes Maß an innerer Sicherheit erwarten. Ich sage insbesondere zu den Kollegen der LINKEN, dass es da tatsächlich eine wohlfeile Versuchung ist, hier und jetzt alle erdenklichen Wohltaten zu fordern, auch wenn sie gar nicht finanzierbar sind.

Wir aber wollen zukünftigen Generationen ein Land hinterlassen, das allen Bürgern beste Lebenschancen bietet. Dafür brauchen sie natürlich finanzielle Spielräume und Gestaltungsmöglichkeiten und nicht nur die Schuldenlasten vergangener Generationen. Das ist die Verantwortung, die Politik übernehmen will, und das ist auch die Verantwortung, die wir Liberalen übernehmen wollen.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Die Schuldenbremse darf keine einfache gesetzliche Regelung sein, die neue Senate und Parlamentsmehrheiten per Federstrich umgehen können. Stattdessen gilt künftig mit Verfassungsrang, dass Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich ohne Kredite auszugleichen sind. Punkt. Verfassungsregelungen sind das Instrument, um überragend wichtige Rechtsgüter, Werte und Interessen zu schützen, und ein solches Gut ist eine verlässliche Haushaltspolitik für uns als FDP.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wenn sich drei Fraktionen mit ihren doch sehr unterschiedlichen Vorstellungen von einer guten Haushaltspolitik für eine verfassungsändernde Mehrheit zusammenschließen,

(Zuruf von Thilo Kleibauer CDU)

dann ist klar, dass dabei alle Fraktionen auch Kompromisse machen. Ich denke aber, dass FDP, SPD und Grüne hier einen guten Kompromiss gefunden haben.

Für uns als FDP sind insbesondere drei Punkte wichtig, die wir in den Verhandlungen durchgesetzt haben. Herr Heintze, liebe CDU, ich glaube, Sie haben den Gesetzentwurf nicht ganz richtig gele

sen. Deswegen möchte ich ein wenig im Detail auf das eingehen, was eigentlich im Gesetzentwurf steht, was deutlich mehr ist, als das Grundgesetz uns vorschreibt.

Erstens: Die FDP will eine verfassungsfeste Verpflichtung zum Defizitabbau, der, und so steht es künftig in Artikel 72a, kontinuierlich und möglichst gleichmäßig ist. Der Senat wird verpflichtet sein, das strukturelle Defizit in gleichmäßigen Schritten abzubauen. Die SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft wird voraussichtlich noch zwei Doppelhaushalte allein verantworten. Keine Chance aber hat nun die SPD darauf, den Defizitabbau in diesen beiden Doppelhaushalten zunächst in nur ganz kleinen Schritten anzugehen, um die große Last des Defizitabbaus dann auf künftige Senate und Parlamentsmehrheiten abzuwälzen. Das verpflichtet den SPD-Senat schon jetzt, Verantwortung für kommende Generationen wahrzunehmen, und dafür haben wir uns als FDP erfolgreich eingesetzt.

(Beifall bei der FDP und bei Jens Kerstan GAL – Jens Kerstan GAL: Wir auch!)

Die Grünen auch.

Zweitens: In Artikel 72a findet sich künftig eine Verpflichtung zur Vermeidung der Nettokreditaufnahme bereits in 2019, Herr Heintze, formuliert als Sollvorschrift. Das heißt, dass bei normalem Verlauf spätestens 2019 auf neue Schulden verzichtet werden muss.

(Roland Heintze CDU: Gigantischer Erfolg!)

Der FDP-Fraktion war es wichtig, so wie es auch vom Landesrechnungshof gefordert wurde, dass vor dem verfassungsmäßigen Inkrafttreten der Schuldenbremse ein Puffer eingebaut wird. Dieser Forderung kommen wir nach, der Senat muss seine Finanzplanung also darauf abzielen, dass nicht erst exakt zum in der Verfassung festgelegten Termin das strukturelle Defizit abgebaut ist. Das hätte das Risiko beinhaltet, dass bei unvorhergesehenen Einnahmeoder Ausgabenschwankungen schon im ersten Jahr ein Verstoß gegen die Verfassung riskiert würde. Genau das würde jedoch das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Handlungsfähigkeit der Politik erschüttern. Es ist daher gut, dass wir und die anderen Fraktionen von der Notwendigkeit eines solchen Puffers überzeugt sind und es auch durchsetzen konnten.

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei der SPD und bei Jens Kerstan GAL)

Drittens: Wir wollen, dass die Feststellung, ob ein Notfall vorliegt, künftig einem Zweidrittel-Parlamentsvorbehalt unterliegt. Die Schuldenbremse in der Hamburger Verfassung erlaubt in einem vom Grundgesetz festgelegten engen Rahmen Ausnahmen für eine Kreditaufnahme, was bei Vorliegen eines Notfalls der Fall ist. Damit aber die jeweilige Regierung nicht willkürlich eine Situation zum Not

fall erklären kann, wird ein Zweidrittel-Parlamentsvorbehalt eingeführt, der hohe Hürden an die Feststellung einer Notfallsituation stellt. Wie hoch eine solche Hürde sein kann in der Praxis, haben wir tragischerweise gestern im ersten Wahlgang festgestellt.

Meine Damen und Herren! Ich habe darauf hingewiesen, dass selbstverständlich Kompromisse gemacht werden müssen, wenn drei Fraktionen sich gemeinsam auf eine Verfassungsänderung einigen. Und auch die FDP-Fraktion musste Kompromisse machen. Wir sind nämlich der festen Überzeugung, dass ein ausgeglichener Haushalt deutlich vor dem Jahr 2019 erreichbar ist. Ambitionierter Personalabbau, ernst gemeinte Aufgabenkritik und die Privatisierung staatlicher Wirtschaftsaktivitäten machen den Schuldenverzicht schon ab 2016 möglich.

(Beifall bei der FDP)

Erst gestern hat die Bürgerschaft mit den Stimmen der SPD mit der teuren und sinnlosen Beteiligung an den Energienetzen den entgegengesetzten Weg eingeschlagen, genau wie wenige Wochen zuvor mit einer weiteren Beteiligung an Hapag-Lloyd. Mit beiden Entscheidungen hat die SPD dem Parlament leider auf dem konkreten Weg zur Einhaltung der Schuldenbremse ziemlich große Steine in den Weg gelegt. Nicht nur, dass das Geld für die Zinsen dieser Investitionen für andere Projekte nun fehlt, die Bereitschaft in der Bevölkerung, zugunsten des finanziellen Spielraums zukünftiger Generationen zurückzustecken, wird dadurch wohl eher sinken. Es wird der Öffentlichkeit kaum vermittelbar sein, dass 1 Milliarde Euro für Staatsbeteiligung aufgebracht werden kann, gleichzeitig aber 2 Millionen Euro für Kinderkuren oder 3,5 Millionen Euro für die offene Kinder- und Jugendarbeit nun nicht mehr da sein sollen.

Noch ein Wort zur kalten Progression. Hier geht es um die Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen, es geht also um Steuergerechtigkeit. Eine Gegenfinanzierung ist natürlich da. SPD und Grüne müssten sich einfach dazu durchringen, das Steuerabkommen mit der Schweiz anzuerkennen, dann wäre auch die Gegenfinanzierung mehr als gesichert.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Fraktion wird in den Beratungen zum kommenden Haushalt belegen, dass die Stadt schon vor 2019 ohne neue Schulden auskommen kann. Wir haben das bereits in den letzten Haushaltsberatungen gezeigt, wir haben viele gute und sinnvolle Vorschläge für die Konsolidierung des Haushalts gemacht und wir werden diesen Weg auch fortsetzen. Genau darauf wird es ankommen.

(Beifall bei der FDP)

Noch einmal zu Ihnen, liebe CDU und lieber Kollege Heintze. Die ständige Wiederholung der Jahreszahl 2015 für eine Schuldenbremse macht Ihr grundsätzliches Anliegen auch nicht glaubwürdiger, ganz im Gegenteil.

(Dietrich Wersich CDU: Wir kämpfen jetzt nicht wegen eines Jahres, das meinen Sie jetzt nicht ernst!)

Wenn Sie es so eilig haben, dann müssen Sie auch konkret sagen – im Gegensatz zu uns sind Sie nämlich nicht konkret geworden –, wie Sie das strukturelle Defizit von mehr als 800 Millionen Euro abtragen werden. Bisher haben wir von Ihnen sehr wenig Konkretes gehört. Bislang liefern Sie eher reinen Populismus. Ihre Anträge zum laufenden Doppelhaushalt haben uns auch gezeigt, wie ambitioniert Sie da tatsächlich sind. Von substanziellen Einsparvorschlägen war jedenfalls keine Spur. Stattdessen konzentrieren Sie sich auf neue Abgaben wie die Bettensteuer. Das sollten Sie erst einmal ändern, bevor Sie immer nur hehre Ziele beschwören.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Hättest Du das jetzt nicht gesagt, hät- ten wir klatschen können!)

Meine Damen und Herren! Heute debattieren und beschließen wir keine konkreten Anträge zum Haushalt, das muss man trennen. Heute geht es um die Verankerung der Schuldenbremse in der Hamburger Verfassung. Wir werden dem Weg zustimmen, weil er unumkehrbar ist, und das ist auch das Entscheidende an dieser Schuldenbremse.

Die vorliegende Verfassungsänderung ist ein Kompromiss, aber sie ist ein guter Kompromiss. Er ist geprägt von haushaltspolitischer und generationengerechter Vernunft. Er zurrt das Ziel der Schuldenfreiheit mit dem Mittel der Schuldenbremse fest. Wir als FDP-Fraktion sind froh, dass damit zukünftig kein Senat, egal, welche Parteien ihn stellen werden, Politik zulasten künftiger Generationen machen kann. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Hackbusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich muss zugeben, dass die Debatte, wie sie stattgefunden hat, mich etwas fassungslos macht.

(Zurufe von der SPD und der CDU: Oh, oh! – Dr. Andreas Dressel SPD: Das kann man auch andersherum sehen!)

Ich will das auch begründen. Können Sie sich daran erinnern, was gestern in diesem Haus debattiert worden ist? Ich will Sie kurz daran erinnern. Wir

(Katja Suding)

haben ein großes Problem gehabt, das will ich jetzt nicht nennen, mehr bei der SPD und ein wenig bei der CDU, aber wir haben einiges debattiert. Wir haben zuerst über die Frage des Schulausbaus debattiert und gemeinsam in diesem Haus festgestellt, dass es dort Milliarden von Euro an Investitionsrückständen gibt.

(Finn-Ole Ritter FDP: Trilliarden!)

Die Generationengerechtigkeit, die Sie so schön im Mund führen, wird gegenüber der gegenwärtigen Generation nicht eingehalten, denn sie sitzen teilweise in vergammelten Schulräumen.

(Beifall bei der LINKEN – Olaf Ohlsen CDU: Die sitzen in Containern!)

Wir haben gemeinsam festgestellt, dass diese Kürzung im Jugendbereich unverantwortlich ist. Wir haben gemeinsam festgestellt, dass es bei den Verkehrsinvestitionen Milliarden von Euro an Rückständen gibt, und mussten uns überlegen, wie wir damit zurechtkommen. Und heute kommen die Haushaltspolitiker, nennen ein paar schöne Zahlen und sagen, wir werden das Ganze ambitioniert schon einigermaßen reduzieren. Ich halte es für realitätsfern, wie Sie argumentiert haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Einzige, die ein bisschen auf dieses Argument eingegangen ist – da muss ich sie an diesem Punkt einmal loben –, ist die GAL,

(Christiane Schneider DIE LINKE: Grüne!)