Protokoll der Sitzung vom 10.05.2012

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Das tut er. Gibt es Widerspruch aus dem Hause?

(Zurufe aus dem Plenum: Ja!)

Widerspruch ist nur wirksam, wenn er von mindestens einem Fünftel der anwesenden Mitglieder erhoben wird. Wer erhebt bitte Widerspruch? – Jetzt gibt es eine kleine Zählpause.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt hat sich ei- ne wahre Koalition gebildet! Jetzt wächst zu- sammen, was zusammen gehört! Der Be- ginn einer wunderbaren Freundschaft! – Hei- terkeit bei allen Fraktionen – Dietrich Wer- sich CDU: Wir schaffen unsere Opposition auch allein!)

Das Sitzungspräsidium stellt fest, dass ein Fünftel Widerspruch einlegt. Insofern kann eine sofortige zweite Lesung jetzt nicht stattfinden, das heißt, die zweite Lesung wird verschoben.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 31 auf, das ist die Drucksache 20/3960, Bericht des Stadtentwicklungsausschusses: Schutzschirm für die Mieterinnen und Mieter, Mietenspirale stoppen! und Möglichkeiten zur Verbesserung des gesetzlichen Mieterschutzes unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Wohnungswirtschaft und Mieterinnen und Mieter schützen – Soziale Erhaltungsverordnungen ausweiten! und Mieter entlasten – Maklerwesen regulieren sowie Haushalt 2011/2012, Einzelplan 6 - Kapitel 6100, Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz: Wohnungsbauförderung umstrukturieren, Mietrecht sozial ausgewogen gestalten!

[Bericht des Stadtentwicklungsausschusses über die Drucksache 20/1806: Schutzschirm für die Mieter/-innen, Mietenspirale stoppen! (Antrag der Fraktion DIE LINKE) und 20/2448: Mieterinnen und Mieter schützen – Soziale Erhaltungsverordnungen ausweiten! (An- trag der GAL-Fraktion) und 20/2073: Mieter entlasten – Maklerwesen regulieren (Antrag der GAL-Fraktion) und 20/2303: Haushalt 2011/2012, Einzelplan 6, Kapitel 6100 – Soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz: Wohnungsbauförderung umstrukturieren, Mietrecht sozial ausgewogen gestalten! (Antrag der GAL-Fraktion) sowie zum Thema: Möglichkeiten zur Verbesserung des gesetzlichen Mieterschutzes unter Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Wohnungswirtschaft (Selbstbefassungsangelegen- heit) – Drs 20/3960 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/4129 ein Antrag der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der CDU-Fraktion: Mieterschutz in Hamburg – Drs 20/4129 –]

Diese Drucksache möchte die GAL-Fraktion an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort?

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Bitte verlassen Sie den Raum, wenn Sie der Debatte nicht folgen wollen.

Das Wort hat Herr Grote.

(Zuruf von der SPD: Als wär's das letzte Mal!)

– Noch nicht ganz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Petitum, das uns für die Debatte vorliegt, ist unter der Überschrift "Besserer Schutz für Hamburgs Mieterinnen und Mieter" kurz zusammengefasst. Wenn wir über Mieterschutz sprechen, müssen wir wissen, dass 80 Prozent aller Hamburgerinnen und Hamburger in Mietwohnungen leben. Das heißt, die allermeisten Menschen in Hamburg sind unmittelbar von dem Thema betroffen, um das es jetzt geht. Sie sind betroffen von erheblichen, seit Jahren anhaltenden Mietsteigerungen. Der Mietenspiegel liegt seit mehreren Erhebungen deutlich über der Preissteigerung und Neuvermietungen sind im Mietniveau alarmierend nach oben gegangen. Wir haben einzelne Stadtteile, in denen die Nachfrage zu geradezu dramatischen Erhöhungen der Neuvermietungsmieten geführt hat. Das bedeutet, dass insbesondere Menschen mit geringem, aber auch mit mittlerem Einkommen große Schwierigkeiten haben, sich mit angemessenem Wohnraum zu versorgen, insbesondere dann, wenn sie sich den Stadtteil aussuchen möchten oder wenn sie in ihrem angestammten Stadtteil wohnen bleiben wollen, auch wenn sie umziehen müssen. Das bedeutet für jeden Einzelnen persönlich einen Verlust an sozialer Sicherheit und sozialer Stabilität. Das bedeutet auch, dass wir vielen der mehr als 10 000 Hinzuziehenden keinen angemessenen Wohnraum anbieten können, und das bedeutet eine Entmischung der Wohnbevölkerung in unserer Stadt, eine Aufteilung nach Einkommen auf die verschiedenen Stadtteile mit völlig unterschiedlicher und sich auseinanderentwickelnder Lebensrealität und, in letzter Konsequenz, auch Lebenschancen. Das kann nicht unsere Idee von Gemeinwesen sein, das kann nicht unsere Idee vom Zusammenleben in dieser Stadt sein, es ist jedenfalls nicht die der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Wir wissen alle, dass die entscheidende Voraussetzung für einen ausgeglichen Wohnungsmarkt eine erhebliche Steigerung beim Neubau ist. Der Neubau ist der Schlüssel zu einem wieder entspannteren Wohnungsangebot. Wir kommen da gut voran, und das ist wichtig für alle Mieterinnen und Mieter. Aber wir haben uns auch vorgenom

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel)

men – das haben wir auch schon mehrfach debattiert –, dass wir darüber hinaus durch zusätzliche Maßnahmen gegen den Mietanstieg insbesondere beim gesetzlichen Mieterschutz etwas tun wollen.

Das vorliegende Petitum ist ein Ergebnis sehr, sehr intensiver Beratungen im Stadtentwicklungsausschuss. Wir haben viele Vorschläge aus der Expertenanhörung aufgegriffen und auch vieles, was die Fraktionen an Vorschlägen eingebracht haben, zusammengeführt. Das Petitum, gemeinsam von SPD und GAL eingebracht, wird unterstützt – zumindest ist es im Ausschuss unterstützt worden – von der LINKEN und in einer ganzen Reihe von Einzelpunkten auch von CDU und FDP mitgetragen. Es ist auch inhaltlich ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann; ich will drei zentrale Punkte herausgreifen.

Erstens nehmen wir uns vor, wieder eine bundesgesetzliche Regelung einzuführen, wie wir sie schon einmal hatten, die das Mietniveau für Neuvermietungen auf maximal 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete begrenzt. Das wäre ein riesiger Schritt voran. Im Moment haben wir überhaupt keine wirksame Begrenzung, das brauchen wir ganz dringend.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GAL und Heike Sudmann DIE LINKE)

Zweitens müssen wir die Kosten energetischer Sanierungen sozialverträglicher verteilen. Wir wissen alle, wie wichtig die Aufgabe ist, den Wohnungsbestand klimagerecht zu modernisieren und zu sanieren, aber wir wissen auch, dass das der größte Preistreiber für Bestandsmietverhältnisse ist. Wir müssen anerkennen, dass das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und die Kosten nicht allein auf die Mieter abgewälzt werden können. Deshalb haben wir konkrete Punkte im Petitum, die darauf hinauslaufen, dass wir bei der Umlagefähigkeit dieser Kosten stärker darauf achten, was beim Mieter an Einsparung überhaupt ankommt, und dass wir das, was wir an Fördermitteln in diesem Bereich einsetzen, stärker für Modernisierungen mit anschließender Mietpreisbindung einsetzen, damit ein ernsthafter Entlastungseffekt für die Mieterinnen und Mieter eintritt und niemand Angst haben muss, sich aufgrund einer anstehenden energetischen Sanierung seine Wohnung nicht mehr leisten zu können.

(Beifall bei der SPD)

Drittens der Punkt Maklercourtage, den wir auch schon diskutiert haben. Wir haben uns darauf geeinigt, die Übertragbarkeit der Maklercourtage vom Vermieter auf den Mieter auf 50 Prozent zu begrenzen, wenn der Vermieter den Makler beauftragt hat, oder – noch besser – die Übertragbarkeit ganz auszuschließen. Wir wollen sehen, was wir da im Bund erreichen können. Aber beide Wege würden dazu führen, dass Vermieter in vielen Fäl

len, wenn ihre Wohnung leicht zu vermitteln ist – und in der derzeitigen Nachfragesituation sind Wohnungen leicht zu vermitteln –, gar keinen Makler mehr beauftragen und insofern auch keine Maklercourtagen anfallen würden.

Daneben gibt es zahlreiche weitere Punkte, die ich nicht alle aufführen möchte. Da geht es um Informationen über die Rechte der Mieter, um regelmäßige Berichte zur Entwicklung des Mietniveaus, um die Zusammenarbeit mit Mieterorganisationen und vieles andere mehr. Wenn man sich das genau ansieht und wenn man sich bewusst macht, was in den letzten Jahren im Bereich Mieterschutz in Hamburg passiert ist, dann wird man feststellen, dass das die wichtigste und umfassendste parlamentarische Initiative für einen verbesserten Mieterschutz in den letzten 20 Jahren ist. Darauf können wir gemeinsam stolz sein.

(Beifall bei der SPD und bei Jens Kerstan und Dr. Till Steffen, beide GAL)

Natürlich prallen bei einem solchen Thema immer auch Interessen aufeinander. Es ist klar, dass die Mieterorganisationen sich noch etwas mehr gewünscht hätten. Es ist auch klar, dass die Wohnungswirtschaft sich ein Leben auch ohne einen verbesserten Mieterschutz prinzipiell vorstellen kann. Natürlich findet die CDU – und die FDP auch –, dass es an einigen Punkten zu weit geht, und DIE LINKE, dass es nicht weit genug geht.

(Jörg Hamann CDU: Nicht zu weit; falsch!)

Herr Hamann wird das gleich hier vorne sicherlich ganz fundiert vortragen.

(Jörg Hamann CDU: Ich erkläre es Ihnen! – Dirk Kienscherf SPD: Was, Herr Hamann?)

Ich denke aber, dass wir die richtige Balance gefunden haben, nämlich den Mieter zu entlasten, ohne die Wohnungswirtschaft und die Wohnungsbaukonjunktur, die wieder angesprungen ist in Hamburg, zu belasten. Das war wichtig und das haben wir erreicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch ein paar Worte zum CDU-Antrag sagen, der uns nach sechsmonatigen Beratungen nun zwei Tage vor dieser Debatte noch auf den Tisch geflattert ist. Immerhin: Es ist zu begrüßen, dass die CDU die Aufarbeitung ihrer wohnungspolitischen Vergangenheit begonnen hat.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Das ist anzuerkennen. Allerdings braucht jeder therapeutische Prozess, der zu etwas führen soll, am Anfang einen Moment der ehrlichen Selbsterkenntnis. Insofern hätte ich mir schon gewünscht, dass sich das in diesem Antrag ausdrückt.

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Sie müssen immer davon ausgehen, Herr Hamann, es kann passieren, dass auch einmal Außenstehende so einen Antrag lesen. Und was lesen sie dann? Sie lesen, dass unter den Bürgermeistern von Beust und Ahlhaus 40 000 Wohnungen in Hamburg gebaut worden sind.

(Jörg Hamann CDU: Richtig, so ist es!)

Da fragt man sich doch, was da eigentlich schief gelaufen ist. Da ist natürlich Folgendes schief gelaufen: Erstens sind diese 40 000 Wohnungen gar nicht gebaut worden, sondern es waren nur ungefähr 33 000 Wohnungen.

(Jörg Hamann CDU: Sie haben die gezählt!)

Das sind die Zahlen, mit denen Ihr Senat damals immer geantwortet und die das Statistische Landesamt veröffentlicht hat.

(Jörg Hamann CDU: Ihr Senator hat 40 000 gesagt! Was denn nun?)

Im Übrigen waren das natürlich auch Bruttozahlen, Herr Hamann, und da wissen Sie doch, dass die sowieso nicht viel wert sind.

Das heißt, es waren gerade einmal etwas über 3000 Wohnungen im Jahr, die Hälfte von dem, was wir gebraucht hätten, und sie waren überwiegend im hochpreisigen Segment. Sie waren weit entfernt davon, irgendetwas an dem Bedarf …

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

Warten Sie doch einmal einen Moment. Sie können gleich reden, solange Sie wollen.