Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

Alle vier Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei den Namen jeweils Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf jedem Stimmzettel bei jedem der Namen ein Kreuz machen, aber bitte nur eines. Mehrere Kreuze beziehungsweise kein Kreuz bei einem der Namen machen die Wahl dieses Kandidaten ungültig. Auch weitere Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit des gesamten Stimmzettels führen.

Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidungen vor. Mit dem Einsammeln werden wir etwas warten.

(Die Wahlhandlungen werden vorgenom- men.)

Ich darf die Schriftführer nun bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.

Sind alle Stimmzettel eingesammelt? – Dies ist der Fall. Dann ist der Wahlgang abgeschlossen. Die Wahlergebnisse werden nun ermittelt. Sie werden vereinbarungsgemäß zu Protokoll gegeben.

Meine Damen und Herren! Bevor ich zu Tagesordnungspunkt 49 komme, begrüßen wir recht herzlich den neuen Präsidenten des Landesrechnungshofs, Herrn Dr. Schulz. Herzlich willkommen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 49 auf, Drucksache 20/4268, Antrag der SPD-Fraktion: Weiterentwicklung des Hamburger Informationsfreiheitsrechts – Schaffung eines Transparenzgesetzes.

[Antrag der SPD-Fraktion: Weiterentwicklung des Hamburger Informationsfreiheitsrechts – Schaffung eines Transparenzgesetzes – Drs 20/4268 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 20/4466 ein interfraktioneller Antrag vor.

[Interfraktioneller Antrag: Erlass eines Hamburgischen Transparenzgesetzes (HmbTG) – Drs 20/4466 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Tabbert, Sie haben es.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute können wir alle ein bisschen stolz sein auf das, was wir gemeinsam zustande gebracht haben

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU und der FDP)

ich schaue bewusst auch zu unseren Zuschauern oben auf der Tribüne –, denn Hamburg wird mit dem Gesetz, das wir heute gemeinsam verabschieden werden, zur Transparenzhauptstadt Deutschlands.

(Beifall bei der SPD – Dr. Andreas Dressel SPD: Sehr gut!)

Von Anfang an ist meine Fraktion dem Grundanliegen der Volksinitiative für ein hamburgisches Transparenzgesetz positiv gegenübergestanden. Das haben wir in dieser Legislaturperiode immer, auch an dieser Stelle, gesagt. Bereits in der vorigen Legislaturperiode hat die SPD-Fraktion mit der

(Karl-Heinz Warnholz)

Wahlergebnisse, siehe Seite 2634 u. 2635

Drucksache 19/780 als erste Fraktion – damals übrigens gegen die Stimmen von Schwarz-Grün – die Einführung eines Informationsregisters gefordert, welches das Kernstück des vorliegenden Entwurfs darstellt. Gleichwohl räume ich ein, dass nicht nur der Senat, sondern auch meine Fraktion erhebliche Bauchschmerzen mit dem ursprünglichen Entwurf der Initiative hatte. An vielen Stellen gab es insbesondere im Hinblick auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten, aber auch beim Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen oder bei der Frage, wer alles der Veröffentlichungspflicht unterliegen sollte oder was die Gesetzgebungskompetenz betrifft erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Auch gab es Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit und der Praktikabilität. Hier hat sich die Expertenanhörung im Februar dieses Jahres im Justizausschuss als der entscheidende Wendepunkt erwiesen. Die Initiative war klug genug, die verfassungsrechtlichen Bedenken der Experten ernst zu nehmen und legte – wie man hörte – unter Beratung des Landesdatenschutzbeauftragten und eines ehemaligen Verfassungsrichters, Jürgen Kühling, einen überarbeiteten Entwurf vor und vermied somit eine verfassungsrechtliche Auseinandersetzung. Dies war der Punkt, an dem sich meine Fraktion entschloss, mit der Initiative Möglichkeiten für einen Kompromiss auszuloten, dessen Ergebnis wir heute beschließen werden.

Nachdem nunmehr eine verfassungskonforme Grundlage gelegt war, ging es also darum, sich nicht nur mit dem Wünschbaren, sondern auch mit dem, was machbar und sinnvoll ist, näher auseinanderzusetzen. Denn Informationsfreiheit, so wichtig sie uns allen ist, ist kein Selbstzweck. Oftmals steht sie auch im Konflikt mit Persönlichkeitsrechten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, der Wissenschaftsfreiheit, der öffentlichen Sicherheit, einer funktionierenden Wirtschafts- und Ordnungsverwaltung und schließlich mit dem öffentlichen Interesse an einer effizienten Verwaltung. Diese Konflikte galt es zu moderieren und möglichst optimal auszutarieren, was uns, glaube ich, nun ganz ordentlich gelungen ist.

(Beifall bei der SPD, der CDU und bei Finn- Ole Ritter FDP)

Hierzu möchte ich einige inhaltliche Eckpunkte des Gesetzes nennen, die sich erheblich von der Ausgangsfassung der Initiative abheben. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse entsprechen nunmehr der exakten Definition des Bundesverfassungsgerichts, ebenso wie der Behördenbegriff. Auch personenbezogene Daten sind grundsätzlich bei der Veröffentlichung unkenntlich zu machen. Nur Verträge der Daseinsvorsorge unterliegen einer absoluten Veröffentlichungspflicht, und den politisch hoch umstrittenen Begriff, was unter Daseinsvorsorge zu verstehen ist, haben wir vorsichtshalber gleich gesetzlich mitdefiniert. Der Kernbereich exekutive Eigenverantwortung bleibt geschützt, wobei Ent

scheidungsgrundlagen wie Gutachten oder Studien zu veröffentlichen sind.

Allerdings, und dies war eine entscheidende Bedingung meiner Fraktion, soll die Informationspflicht nicht greifen, solange der Erfolg von Entscheidungen und bevorstehenden Maßnahmen dadurch vereitelt würde. Natürlich sollen gewisse Parameter behördlicher Verfahren und Kontrollen gerade im Bereich der öffentlichen Sicherheit nicht so transparent werden, dass man sie letztendlich umgehen kann. Dies haben wir sichergestellt, denn daran kann wirklich niemand Interesse haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Klargestellt haben wir ferner, dass auch spezialgesetzliche Vertraulichkeitsvorschriften weiterhin Vorrang haben und Unterlagen, die durch die Verschlusssachenanweisung für Behörden Hamburgs geschützt sind, auch geschützt bleiben. Wir haben das ursprünglich vorgesehene gesetzliche dreißigtägige Rücktrittsrecht beim Abschluss von Verträgen mit der der Freien und Hansestadt Hamburg, für das wir keine Gesetzgebungskompetenz haben, nunmehr in eine Aufforderung an die Freie und Hansestadt umgestaltet, auf ein derartiges vertragliches Rücktrittsrecht hinzuwirken, was ein erheblicher Unterschied ist. Meines Erachtens wird dies – den Bedenken der Handelskammer zum Trotz – dazu führen, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile zukünftig schon weit vor Vertragsschluss öffentlich diskutiert werden, da jeder Senat wohl versuchen wird, ein Last-Minute-Interesse zu vermeiden, oder dass, wie bei den Versorgungsnetzen, ein längeres Rücktrittsrecht ausgehandelt wird.

Wir haben aber nicht nur dafür Sorge getragen, dass legitime gegenläufige Interessen am – von uns allen gewünschten – Transparenzgebot angemessen berücksichtigt werden, sondern uns als SPD auch an verschiedenen Stellen für mehr Transparenz eingesetzt, als es die Initiative ursprünglich vorgesehen hat. So müssen künftig die wesentlichen Unternehmensdaten städtischer Beteiligungen ebenso wie die jährlichen Vergütungen der Leitungsebene im Informationsregister veröffentlicht werden.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP – Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut!)

Unter diesen Prämissen findet nun der Paradigmenwechsel von der Informationsholschuld des Bürgers nach dem bisherigen Informationsfreiheitsgesetz hin zur Bringschuld des Staates statt. Dies begrüßen wir ausdrücklich, weil wir uns davon mehr öffentliche Kontrolle staatlichen Handelns und, ebenso wie von der von uns bereits auf den Weg gebrachten Einführung eines Korruptionsregisters, mehr Korruptionsprävention erhoffen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Ferner erhoffen wir uns eine Erhöhung des Kostenbewusstseins der Verwaltung. Ich kann mir jedenfalls gut vorstellen, dass das eine oder andere kostspielige Gutachten unter den Augen einer kritischen Öffentlichkeit eher nicht in Auftrag gegeben wird, wenn es nicht zwingend notwendig ist.

(Beifall bei der SPD)

So ermöglichen wir es dem Bürger, einen Teil der Kontrollaufgaben der Legislative mit zu übernehmen. Als positiver Nebeneffekt kann auch der behördliche Informationsaustausch durch ein Informationsregister verbessert werden, und es wird auch so mancher parlamentarischen Anfrage mit Blick auf das Informationsregister nicht mehr bedürfen. Schließlich freue ich mich als Anwalt darauf, dass man in Zukunft durch einen einfachen Mausklick zuweilen gut gehütete Verwaltungsvorschriften oder Dienstanweisungen erlangen kann.

Trotz all der genannten positiven Aspekte könnte im Verlauf der Umsetzung noch so mancher Teufel im Detail entdeckt werden. Dies ist dem hohen Einigungsdruck geschuldet, den die allseits angestrebte Vermeidung des Volksgesetzgebungsverfahrens mit sich gebracht hat. Trotz und gerade wegen des hohen Tempos, das wir an den Tag legen mussten, hat sich jedoch meine Fraktion alle Mühe gegeben, auf einen möglichst umfassenden und breiten Konsens hinzuwirken. Frühzeitige Gesprächsangebote wurden nicht zuletzt auch an die Handelskammer gemacht, die mit ihrer heute geäußerten Kritik leider etwas zu spät kommt.

(Beifall bei Frank Wiesner SPD)

Umso mehr freut es mich, dass wir es dennoch quasi in letzter Minute geschafft haben, diesen fraktionsübergreifenden Kompromiss, der auch den Segen des Landesdatenschutzbeauftragten hat, hinzubekommen, und dass Hamburg damit deutschlandweit eine Vorreiterrolle übernimmt. Eines ist jedoch klar, den Praxistest muss das Gesetz noch bestehen. Und all diejenigen, die wie die Handelskammer über das schnelle Gesetzgebungsverfahren lamentieren, seien mit der Versicherung beruhigt, dass wir als Bürgerschaft den Umsetzungsprozess parlamentarisch eng begleiten werden. Ich meine aber, dass das Gesetz, das wir heute beschließen, zunächst ein Anlass zur Freude ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der GAL und vereinzelt bei der FDP und der LINKEN)

Frau Spethmann hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben es tatsächlich mit

einem sehr ungewöhnlichen Gesetzgebungsvorhaben zu tun, den Hergang hat Herr Tabbert eben schon erläutert. Wir standen deswegen so unter Zeitdruck, als Fraktion am Entwurf mitzuwirken und ihm zuzustimmen, weil im Spätsommer das Volksbegehren stattfinden sollte. Angesichts der Sommerpause wären sonst erhebliche Probleme entstanden, notfalls hätten wir Sondersitzungen einberufen müssen. Ich glaube, das wäre dann auch nicht sachgemäß gewesen.

Die CDU unterstützt diesen Kompromiss. Die Ziele teilen wir komplett, denn bereits 2006 war die CDU Vorreiter und hat unter ihrer Alleinregierung ein IFG erlassen, eines der ersten in ganz Deutschland.

(Beifall bei der CDU – Dr. Andreas Dressel SPD: Das war ein Gesetz für Archivare!)

Staatliches Handeln wird nachvollziehbarer, transparenter, die USA und Teile Großbritanniens haben es vorgemacht. Die Akzeptanz bei den Bürgern wird größer, sie können mitwirken. Noch vor 10, 15 Jahren – wer sich dahin zurückdenken kann – war es ausgesprochen schwierig, Geschäftsverteilungspläne oder Organigramme der Behörden herauszufinden. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit zu wissen, welcher Beamte wo zuständig ist. Wobei ich festgestellt habe, dass so manche Behörde das Organigramm auch ganz klug versteckt, um die Beamten möglichst nicht bei der Arbeit zu stören. Da muss man manchmal sehr findig sein. Das alles soll in Zukunft leichter sein, hier müssen die Behörden aktiver werden.

Die CDU hat trotz der Zustimmung noch erhebliche Bauchschmerzen, aber die rechtfertigen keine Ablehnung. Die Kosten sind intransparent. Dieses gesamte Gesetzgebungsvorhaben dient der Transparenz, aber wir wissen bis heute nicht, was die Einführung des Aktenregisters kostet. Es müssen größere Mengen IT-Mittel transferiert werden. Dazu kommen fortlaufende Kosten, weil es in jeder Behörde ein bis zwei oder mehr Leute geben muss, die das Register aktualisieren. Wie viel wird das kosten? Auch das ist im Moment völlig intransparent, trotzdem rechtfertigt es eine Ablehnung nicht. Es wird bestimmt auch noch ein paar praktische Probleme geben – Herr Tabbert hat es erwähnt, deswegen will ich nicht komplett noch einmal alles aufrollen. Ob alles praktikabel ist, muss die Praxis zeigen. Sind alle Urheberrechte gewährleistet? Auch darüber sind wir uns nicht ganz klar.

Zur Kritik der Handelskammer muss ich ganz einfach sagen, dass wir ein sehr offenes Gesetzgebungsverfahren hatten, das tagtäglich im Netz verfolgt werden konnte. Die Initiative hatte eine Internetplattform eingerichtet, wo man sich erkundigen konnte, was im Moment passiert.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Hätte Herr Schmidt-Trenz mal hineingucken können!)

(Urs Tabbert)

Ich glaube, auch die Kammern müssen sich umgewöhnen. Nicht nur die Bürger wirken mit, auch die Kammern müssen bei solchen Gesetzgebungsverfahren in Zukunft mitwirken.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der GAL)