Protokoll der Sitzung vom 16.08.2012

Wir haben die Debatte über die Abschiebung von Sinti und Roma in diesem Hause drei-, viermal geführt. Es gibt keine in irgendeiner Art und Weise neuen Argumente. Es bleibt aus Sicht meiner Fraktion dabei: Vorhandene Probleme in dieser Bevölkerungsgruppe können nicht in diesem Land gelöst werden, sie müssen dort gelöst werden, wo sie herkommen. Dafür müssen wir gemeinsam eintre

(Kazim Abaci)

ten und da helfen kluge Reden in der Aktuellen Stunde, mit Verlaub, überhaupt nicht.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Aber Abschie- bungen helfen auch nicht!)

Was wir aber tun müssen, ist vor allen Dingen eine öffentliche Debatte zu vermeiden, wie wir sie gerade führen, und zwar erneut – und dies finde ich ausgesprochen eigenartig – am Hochziehen eines einzelnen Falles, dazu noch mit dem kleinen Hinweis, wir müssten beim Bund etwas tun. Bei dem Fall, über den wir die vergangenen Wochen und Monate diskutiert haben, über die Abschiebung von sieben Personen, hätte überhaupt keine Änderung des Bundesrechts etwas genutzt. Darum geht es überhaupt nicht, es geht darum, dass eine Familie einen Asylantrag gestellt hat, der als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist. Die Familie hat zweimal den Petitionsausschuss angerufen und ist zweimal dort gescheitert. Wir haben hier keine unklare Rechtslage, wir haben eine eindeutige Rechtslage. Und dieses Recht – auch das gehört zu einem Rechtsstaat – muss irgendwann auch einmal vollzogen werden. Ich finde es falsch, den Eindruck zu erwecken, man hätte der Familie keine Angebote gemacht. Das Angebot der freiwilligen Ausreise ist mehrfach gemacht worden. Man hat es nicht angenommen, das ist der entscheidende Punkt. Nach all den Darstellungen im Innenausschuss, nach allem, was wir aus den bisherigen Ermittlungen erfahren haben, erneut so zu tun, als ob die Innenbehörde in einer Nacht- und Nebelaktion rechtsstaatswidrig gehandelt habe, finde ich nicht einmal annähernd nachvollziehbar. Auch da gilt die Fürsorgepflicht für die Beamtinnen und Beamten in dieser Behörde.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Deshalb sage ich für meine Fraktion sehr deutlich: Natürlich gehört zur Innenpolitik und den Möglichkeiten der Abschiebung, dass man gegebenenfalls auch einmal auf den Einzelfall schaut. Aber noch einmal: Wir haben eine klare Rechtslage und wir bemühen uns durchaus fraktionsübergreifend, bessere Regelungen zu finden, aber wir haben in Hamburg keine rechtswidrige und inhumane Abschiebepolitik. Wir haben eine Politik der konsequenten Verfolgung dessen, was Recht in diesem Land und in diesem Staat ist. Daher haben auch die Kolleginnen und Kollegen aus der Innenbehörde, aus der Ausländerbehörde das volle Vertrauen meiner Fraktion.

(Beifall bei der CDU und bei Jan-Hinrich Fock SPD)

Frau Möller hat das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wie immer ist es eine schwierige Debatte zu diesem Thema. Frau Schneider hat einen sehr großen Bogen gespannt, Herr Abaci ist sozusagen aus der eigenen Befangenheit überhaupt nicht herausgekommen. Es gab Vorwürfe in Richtung GAL.

(Zurufe von der SPD – Ksenija Bekeris SPD: Nicht jeder mit Migrationshintergrund ist be- fangen!)

Manchmal reichen doch Stichworte, um Emotionen hervorzurufen.

Ich sage es noch einmal. Es geht in Wirklichkeit überhaupt nicht um die Befindlichkeit der SPD, es geht auch nicht um die Befindlichkeit der GAL, sondern es geht um die Flüchtlinge.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Und es geht darum, was Flüchtlinge in dieser Stadt erwarten. Es geht um die Frage, wo die SPD eigentlich mit ihrer Flüchtlingspolitik hin will. Welche politischen Vorstellungen hat sie zum Beispiel bezüglich der Roma-Familien? Welche politischen Vorstellungen hat sie zum Beispiel zur Unterbringung von Flüchtlingen in der Zentralen Erstaufnahme? Welche politischen Vorstellungen hat sie zum Beispiel in Bezug auf Familien, deren Kinder hier aufwachsen und deren Eltern sich ausländerrechtlich Dinge haben zuschulden kommen lassen, sodass der Aufenthalt hier schwierig ist? Das würden wir gern einmal hören. Dazu hören wir aber nichts.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dazu hören Sie eine ganze Menge!)

Stattdessen hören wir einen in sich gefangenen Kollegen Abaci reden, der keinen einzigen inhaltlichen Satz zu politischen Zielen der SPD bei diesem Thema sagt.

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Dr. Martin Schäfer SPD: Sie doch auch nicht!)

Die Situation in den vergangenen drei, vier Wochen ist doch nicht entstanden, weil sich die GAL oder DIE LINKE eine Kampagne ausgedacht haben, sondern durch aktives Handeln der Behörde des Innensenators. Die Flüchtlingsunterbringung in Nostorf-Horst ist auf 200 Plätze ausgeweitet worden, hört man. Die Flüchtlinge werden aus der Stadt geschickt.

(Dr. Martin Schäfer SPD: So ein Quatsch!)

Die große Frage ist doch, was Ihre politische Linie ist. Warum suchen Sie nicht Unterbringungsmöglichkeiten in Hamburg?

(Vereinzelter Beifall bei der GAL – Dr. An- dreas Dressel SPD: Machen Sie mal einen Vorschlag, Frau Möller!)

Herr Dr. Dressel, Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Liegenschaft nicht einmal aufgefor

(Kai Voet van Vormizeele)

dert wurde, geeignete Gebäude anzubieten, damit man sich damit auseinandersetzen kann.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt nicht, was Sie sagen!)

Das wissen Sie genauso gut wie ich. Ich denke, Sie kennen die Unterlagen noch genauer.

Die Familien werden in dieser Stadt plötzlich wieder getrennt. Den Flüchtlingen, die sich hier aufhalten, wird die Lebensunterhaltssicherung verwehrt, und es gibt einen Fall, wo Jugendliche für Ihre Integrationsleistung ausgezeichnet werden, und trotzdem diskutieren wir nicht darüber, welche Perspektive sie in dieser Stadt haben, sondern Sie sagen, jeder Einzelfall ist richtig gut betrachtet und behandelt und versorgt worden; das ist schlicht und einfach falsch.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der LINKEN – Gabi Dobusch SPD: Nur weil Ih- nen das Ergebnis nicht gefällt!)

Es gibt noch ein paar Kleinigkeiten. Meist hören wir große Worte. In diesem Fall war es Herr Münster, der gesagt hat: Wir haben uns überzeugt, in Nostorf-Horst wurde sehr viel verändert, es gibt sehr viele Neuerungen und deswegen sind wir jetzt dafür. Die Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage macht aber deutlich, dass sich schlicht und einfach nichts verbessert hat.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das stimmt über- haupt nicht!)

Die medizinische Versorgung wurde nicht aufgestockt, die räumliche Anpassung an die veränderte Belegung gibt es nicht, verkehrstechnisch ist nichts verbessert worden,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Wir haben keine Stadtbahn dahin gebaut!)

und für Besucherinnen und Besucher steht wunderbarerweise ein Besuchsraum zur Verfügung. Es bleibt weiterhin ein lagerähnlicher Zustand, den wir beenden wollten.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN – Gabi Dobusch SPD: Das ist eine Frechheit!)

Im Übrigen ist allen bekannt, nehme ich an, dass Mecklenburg-Vorpommern gern noch mehr Plätze an Hamburg verkauft hätte. Wohin wollen Sie flüchtlingspolitisch? Das ist und bleibt die Frage. Sie geben keine Antworten darauf. Stattdessen machen Sie, Herr Dressel, den interessanten Vorschlag, man sollte von der Vertraulichkeit der Härtefallkommission doch wegkommen. Ich möchte mir die Debatte wirklich nicht vorstellen,

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Warum ma- chen Sie das denn?)

die entsteht, wenn wir im Detail über Ihre Argumentation und über Ihre politische Linie, die Sie im

Eingabenausschuss und im Härtefallverfahren jeweils vertreten, öffentlich diskutieren.

(Beifall bei der GAL und der LINKEN)

Herr Ritter hat nun das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man das von der LINKEN angemeldete Thema "Keine Abschiebung ins Elend! Statt abzuschotten, auszugrenzen, abzuschieben: Menschenrechte der Flüchtlinge achten!" sieht,

(Beifall bei Mehmet Yildiz DIE LINKE)

fragt man sich zunächst, wo eigentlich der Debattenbedarf besteht. Niemand will Menschen unerträglichem Elend aussetzen, niemand will abschotten und ausgrenzen, wir alle wollen Menschenrechte achten. Das ist für uns als FDP-Fraktion eine Selbstverständlichkeit und Ausdruck unseres rechtsstaatlichen Verständnisses.

(Beifall bei der FDP)

Aber der Titel zeigt – leider wie immer in dieser Debatte –, mit welch übertriebener Emotionalität DIE LINKE erneut das Abschiebethema aufgreifen will und hier tatsächlich den Bedarf für eine Debatte sieht. Dass uns Einzelschicksale persönlich sehr betroffen machen können, liegt in der Natur der Sache, aber wir dürfen trotzdem nicht die gebotene Sachlichkeit bei der Bewertung der Einzelschicksale vergessen.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Dann ge- hen Sie mal darauf ein!)

Bei Abschiebeentscheidungen sollte man sich nicht zu stark von Emotionen leiten lassen und keine Profilierung auf dem Rücken der Betroffenen versuchen. Unser Maßstab ist und bleibt das Gesetz.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Dann gehen Sie mal auf den Einzelfall ein!)

Frau Möller sagte, die GAL mache keine Kampagne zu dem Thema. Das, was Sie der Presse und der Öffentlichkeit sagen, sieht für mich schon nach einer Kampagne aus, da Sie Emotionen bewusst mit hineinbringen und keine sachlich klaren Einzelfallentscheidungen möchten.

Ich will etwas zum Erfordernis der sachlichen Debatte sagen. Kürzlich, wie schon erwähnt, ging es um die Abschiebung der Roma-Familie nach Mazedonien. Die Aussage von Senator Neumann, auch im Innenausschuss, ist aus unserer Sicht unterstützungswert. Er sagte, es könne nicht sein, dass Medien und Parlamentarier öffentlich Vorverurteilungen vornehmen und über Strafbarkeit von in die Abschiebung einbezogenen Beamten speku