Protokoll der Sitzung vom 12.09.2012

Aber eines muss ich ganz deutlich sagen, was Sie auch angesprochen haben: Es muss natürlich in dieser Stadt ganz klar sein – und da haben wir alle als Parlament auch die Spielregeln hier neu geschaffen –, was passiert, wenn wir meinen, dass das gesamtstädtische Interesse von bestimmten Dingen berührt ist. Wir finden es richtig, dass der damalige Senat gesagt hat, im Gesamtinteresse der Stadt müsse es auch in Blankenese sozialen Wohnungsbau geben, obwohl es riesige Proteste dagegen gab.

(Beifall bei der SPD)

Das war, wenn Sie es so nehmen, eine Entscheidung gegen die Bürgerinnen und Bürger vor Ort. Natürlich gehört es zur Politik, die Besorgnisse und Anregungen der Bürger vor Ort wahrzunehmen, dafür sind wir auch da. Aber genauso ist es unsere Aufgabe, transparent darzulegen, wenn wir als Bürgerschaft oder Senat bei bestimmten Themen meinen, hier sei es aus gesamtstädtischem Interesse erforderlich, eine andere Entscheidung zu treffen. Nun kann man sich bei dem einen oder anderen Vorhaben in der Tat darüber streiten, ob das immer so glücklich war; ich nenne einmal das Thema Langenhorn. Ich glaube, dass wir in der Wulffschen Siedlung mittlerweile auf dem richtigen Weg sind. Wir haben beschlossen, dass man, wenn man eine Evokation betreibt, dieses hier offen im Parlament diskutiert. Das ist der richtige Weg und führt dazu, dass wir den Bürgerwillen ernst nehmen, aber auch gleichzeitig zu unserer Verpflichtung stehen. Das hat auch etwas mit Transparenz und Bürgerbeteiligung ernst nehmen zu tun, und dazu stehen wir Sozialdemokraten.

(Beifall bei der SPD)

Weil das so vielfältig ist – Frau Sudmann, Sie haben das Thema Stadtwerkstatt angesprochen, da wird auch viel Geld investiert, da gibt es unter

schiedliche Ebenen, auf Bürgerschaftsebene, aber eben auch auf Bezirksebene –, sollten wir aber nicht dem Populismus erliegen nach dem Motto, als Partei und als Politiker möglichst gar keine eigene Meinung mehr haben zu wollen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das traue ich Ihnen gar nicht zu!)

Das trauen Sie mir nicht zu, aber so kommt es mir manchmal vor.

Sondern wir wollen uns genau die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger anschauen und sie dort, wo es erforderlich ist, noch stärken. Wir wollen nüchtern und sachlich darüber diskutieren, was gut und was schlecht klappt in dieser Stadt. Deswegen wollen wir das überweisen, und zwar nicht aus Populismusgründen, sondern weil wir meinen, dass die Bürgerinnen und Bürger in diesem Stadtstaat vielfache Rechte und Möglichkeiten haben, sich aktiv zu beteiligen, und wir als Sozialdemokraten wollen das noch verbessern und verstärken. Wir wollen eine faire Zusammenarbeit mit den Bürgern, aber wir wollen nicht immer diesen künstlichen Gegensatz zwischen Politik und Bürger aufbauen. Den gibt es nicht in dieser Stadt, und wir sollten alle daran arbeiten, dass wir das Vorurteil nicht immer wieder bestätigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Roock.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Sudmann, Herr Kienscherf hat schon richtigerweise darauf hingewiesen, dass die Antwort des Senats zur Bürgerbeteiligung deutlich aufzeigt, dass es eine große Anzahl von Beteiligungsverfahren in Hamburg gibt. Das ist nach unserer Auffassung sinnvoll und grundsätzlich erfreulich. Liebe Frau Sudmann, ich bewerte das als positiv, auch auf die Gefahr hin, von Ihnen wieder als Senatssprecher beschimpft zu werden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da sind wir ganz offen!)

Damit kann ich locker leben, insbesondere weil meine Fraktion sich bereits während unserer Regierungszeit für kommunikative Planungsprozesse eingesetzt hat, sodass betroffene Bürger bei stadtentwicklungspolitischen und anderen Projekten frühzeitig in den Entwicklungsprozess mit eingebunden werden.

(Beifall bei der CDU)

Den einzigen Kritikpunkt, den ich gegenüber dem Senat anzubringen habe, ist der – das ist Ihnen wahrscheinlich durchgegangen in der Großen Anfrage und auch bei den Haushaltsberatungen –, dass die Mittel für die Stadtwerkstatt im Haushalts

(Dirk Kienscherf)

plan-Entwurf 2013/2014 um die Hälfte gekürzt worden sind.

(Dirk Kienscherf SPD: Das haben wir ja dis- kutiert im Ausschuss!)

Im Haushaltsplan 2012 waren dafür noch 200 000 Euro vorgesehen, und im HaushaltsplanEntwurf 2013/2014 sind lediglich jeweils 100 000 Euro pro Jahr ausgewiesen. Herr Kienscherf, das lässt so ein bisschen an der Ernsthaftigkeit des Senats zweifeln, weil Beteiligungsverfahren halt auch Geld kosten. Wenn ich daran denke, welchen Aufstand die SPD-Fraktion in der letzten Legislaturperiode um die Stadtwerkstatt betrieben hat, dann ist das aus unserer Sicht kaum zu verstehen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das war die Anschub- finanzierung!)

Meine Damen und Herren! Herausragendes Beispiel für Bürgerbeteiligung ist die Neue Mitte Altona. Hier haben wir ein besonderes und neues, bis dahin in Deutschland einmaliges Verfahren angewandt. Dieses Beteiligungsverfahren wurde während unserer Regierungszeit eingeleitet und bereits im ersten Schritt beim Wettbewerbsverfahren angewandt. Damit kein Zweifel entsteht: Wir erkennen die Notwendigkeit, den Nutzen und den Sinn von Bürgerbeteiligung an, bürgerliches Engagement ist Kern unserer Zivilgesellschaft. Deswegen will ich die Gelegenheit nutzen, auf ein paar grundsätzliche Dinge einzugehen. Bürgerschaftliches Engagement ist zu begrüßen, und die Politik soll gesellschaftliches Engagement und Initiativen ermöglichen und hierfür entsprechende Rahmenbedingungen, auch finanzieller Art, schaffen. Aber eine darüber hinausgehende Bringschuld der öffentlichen Hand sehen wir nicht. Die Initiative dazu muss von den Bürgern selbst ausgehen. Es steht jedem frei, sich zu engagieren oder aber eben auch nicht. Nur in Ausnahmefällen ist eine besondere Form wie zum Beispiel die aufsuchende Beteiligung geboten und sachlich angemessen. Hierfür ist das in der Drucksache genannte Projekt Weltquartier ein gutes Beispiel.

Bürgerbeteiligungen können letztendlich niemals Entscheidungen fällen, und diese Verfahren dürfen auch nicht überfrachtet werden. Ebenso darf bei den betroffenen Beteiligten keine überzogene Erwartungshaltung hervorgerufen werden. Vorschläge, Anregungen und Forderungen aus Bürgerforen können niemals eins zu eins umgesetzt werden. Frau Sudmann, das hat nichts mit Schönwetterveranstaltungen zu tun. Hierfür gibt es verschiedene Gründe, von denen ich nur die wichtigsten nenne. Finanzielle Mittel setzen Grenzen, politische Entscheidungsträger müssen stets im gesamtstädtischen und gesellschaftlichen Interesse entscheiden, während engagierte, meist unmittelbar Betroffene primär ihre eigenen Interessen vertreten.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das macht kein Politiker, keine Politikerin!)

Darin erklärt sich ein weiterer Grund für die eingeschränkte Berücksichtigung von Ergebnissen aus Mitwirkungsgremien. Es engagieren sich verschiedene Initiativen und Interessengruppen, deren Vorstellungen nicht immer deckungsgleich, sondern auch gegensätzlich sein können. Darüber hinaus können, das ist auch ein wichtiger Punkt, umfangreiche Bürgerbeteiligungen sehr zeitraubend sein und Projektentwicklungen stark verzögern. Und das sollten wir nur zu einem gewissen Grad zulassen, weil es nicht zuletzt Investoren, auf die wir angewiesen sind in dieser Stadt, verunsichern kann und im schlimmsten Fall abspringen lässt.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: Aber keine ECE-Citys!)

Die Berücksichtigung von Forderungen und Ansprüchen der beteiligten Bürger ist stets ein sorgfältiger Abwägungsprozess. Dazu gehört nicht, Frau Sudmann, ob mir das Ergebnis passt oder nicht passt.

(Beifall bei der CDU – Heike Sudmann DIE LINKE: Das müssen Sie gerade sagen!)

Meine Damen und Herren von der LINKEN, Frau Sudmann, Sie sprechen in der Einleitung von einer Rückbesinnung auf Elemente der direkten Demokratie. Nur zur Erinnerung: Die Bundesrepublik ist eine repräsentative Demokratie und nach unserer Auffassung sollte sie dies in absehbarer Zukunft auch bleiben. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Herr Duge.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Als ich die Antwort auf die Große Anfrage gelesen habe, kam sie mir ein bisschen wie ein Schweizer Käse vor: ein bisschen gelbe Substanz, aber eben auch viele Löcher drin. Wenn man sich einmal die Quantität der Antwort anschaut, insbesondere die Gremienbeteiligung, dann kann man feststellen, dass die BSU sehr umfangreich auf vier Seiten geantwortet hat, die Behörde für Wirtschaft und Verkehr noch eine Seite zustande gebracht hat, hauptsächlich zum Thema Verkehr, was vorher mit zur BSU gehörte, und die Fachbehörden BWF, Wissenschaftsbehörde, Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz und Finanzbehörde jeweils noch fünf bis 13 Zeilen zu Papier gebracht haben. Ganz verließen sie es dann bei den weiteren Behörden. Insbesondere von Justizbehörde, Innenbehörde und Schulbehörde gab es überhaupt keine Reaktionen. Ich glaube nicht, dass man das als vollständig und umfassend bezeichnen kann. Mich wundert insbesondere, dass gerade vonseiten der Schulbehörde hier

(Hans-Detlef Roock)

überhaupt nichts gekommen ist, denn wir haben die regionalen Bildungskonferenzen und irgendwo hätten die doch einmal auftauchen sollen. Ich hatte den Eindruck, dass vielleicht auch kein Interesse daran vorhanden war.

Die Bezirke nehmen, mit Ausnahme des Bezirks Harburg, relativ vielfältig mit verschiedenen Aktivitäten Stellung. In der Anfrage wird, und jetzt bin ich wieder bei den Löchern im Käse, nicht auf zahlreiche bürgerorganisierte Stadtteilkonferenzen und Stadtteilgespräche eingegangen, also beispielsweise Stadtteilkonferenzen, die seit Jahren bestehen, die schon fast die 100. Sitzung erreicht haben. Und wenn man bedenkt, dass die weniger als monatlich tagen, dann weiß man um den Zeitraum etwa in Jenfeld, Bramfeld oder auch in Eilbek. Auch die Initiative zur Rindermarkthalle taucht überhaupt nicht auf. Diese Initiativen und auch die Stadtteilkonferenzen zeigen aber doch – das ist auch in den anderen Reden hier zum Ausdruck gekommen –, dass der Wille zur Mitwirkung und Mitgestaltung nicht nur vorhanden ist, sondern kontinuierlich zunimmt und damit natürlich auch eine gewisse Veränderung in unserer Gesellschaft und in den Entscheidungsprozessen in unserer Gesellschaft. Es wäre wünschenswert, dass solche Stadtteilkonferenzen auch in den Stadtteilen, in denen es sie noch nicht gibt, initiiert werden, da sie ein Gewinn für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie sind, weil sie bestimmte Probleme schon im Vorfeld behandeln und abklären und auch in die Politik signalisieren, wo wir vielleicht manchmal nicht so direkt vor Ort sind.

Beim Lesen der Antworten ist bei mir nicht nur die Frage aufgetaucht, ob diese vielen namenlosen Stadtteilkonferenzen überhaupt wahrgenommen werden, sondern auch, wie diese Initiativen und Stadtteilkonferenzen insbesondere in der Verwaltung wahrgenommen werden. Werden sie als unliebsame Störer empfunden, sind es respektable Gegner, sind es Kunden oder sind es Partner? Wie werden ihre Ideen und Vorschläge in der Verwaltung wertgeschätzt? Das ist eine ganz wichtige Frage, auch eine Einstellungsfrage, die noch einmal in vielen Verwaltungen geklärt werden muss, gerade wenn ich noch einmal einen Blick auf die fehlenden Antworten werfe.

Welche Form der Beteiligung auch gewählt wird – es ist eine Vielzahl hier vorgestellt worden –, muss im Einzelfall sicherlich überprüft werden, welches die richtige ist und wie sie weiterentwickelt werden kann. Mir fallen aber unabhängig von der Frage, welche Form der Beteiligung gewählt wird, zwei Themen auf, die immer wieder in den verschiedenen Beteiligungsformen zu finden sind. Das eine ist der Vorwurf der mangelnden Transparenz, der vonseiten vieler Initiativen kommt, insbesondere wenn es um Verwaltungshandeln und Daten aus der Verwaltung geht. Wir haben 2011 hierzu einen Antrag eingebracht, eine Transparenzof

fensive, die die SPD allerdings nur zum Teil aufgenommen hat. Leider hat sie die Open Government Data nicht mit aufgenommen. Damals hat Herr Grote, Ihr Vorgänger, gesagt – das wissen Sie natürlich nicht, weil Sie nicht in der Ausschusssitzung waren –, Sie würden eine eigene Initiative bringen. Das ist bis heute nicht passiert, aber Gott sei Dank ist aufgrund einer Initiative das Transparenzgesetz nun erst einmal gebracht worden.

(Dirk Kienscherf SPD: Das haben wir doch maßgeblich mitbestimmt!)

Ich habe von Ihnen eine Initiative erwartet, das hat gefehlt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber ich will noch einige andere Defizite, gerade was die Verwaltung betrifft, kurz thematisieren, und da möchte ich den Senat ansprechen. Auf die Frage, was denn eigentlich für Beteiligung ausgegeben worden sei, kann der Senat uns keine Antwort geben, weil er das nirgendwo genau festhält. Wenn ich daran denke, dass wir ein neues Haushaltswesen haben, bei dem wir Qualitätskennziffern brauchen, dann kommen wir um solche Daten nicht herum, die aufzeigen, wie viel Geld wohin auch für Beteiligungsformen ausgegeben worden ist. Deswegen ist es dringend notwendig, auch in diesem Bereich mehr Transparenz zu schaffen.

(Beifall bei Christiane Blömeke GRÜNE – Dirk Kienscherf SPD: Dann können Sie ja die Kennzahlen einbringen!)

Ich möchte ein drittes Beispiel nennen, um es noch einmal ganz deutlich zu machen. Es gibt leider ein unrühmliches Beispiel aus der BSU. In Punkt 7 des Vertrags für Hamburg steht, dass die beteiligten Gremien vor einem Verfahren nach dem Konfliktverfahren im Vertrag für Hamburg informiert werden müssen. Das ist im Fall der Matthias-StrengeSiedlung schlichtweg nicht passiert. Es ist sofort das Verfahren nach dem nächsten Schritt eingeleitet worden, indem der Senat eine Entscheidung getroffen hat. Damit ist sogar ein Konfliktschritt übersprungen worden, dass die Beteiligung der Investoren und der Obleute des erfolgreichen Bürgerentscheides notwendig sei. Das ist von diesem Senat und vom Wohnungsbaukoordinator ignoriert worden.

(Beifall bei Christiane Blömeke GRÜNE und der LINKEN)

Ein koordinierendes Gespräch hätte in diesem Fall sicherlich schon einige Vorklärungen bringen können, aber es ist leider so und damit gefährdet der Senat – ich komme dann auch zum nächsten Punkt – letztlich sogar die Frage, welchen Wert dieser Vertrag hat. Es stellt sich nämlich die Frage, welche Bedeutung Beteiligungsverfahren inklusive Bürgerbegehren und Bürgerentscheide hinsichtlich Entscheidungsfindungen haben, wenn selbstherrli

che Definitionen nach Gutsherrenart à la Wohnungsbaukoordinator das letztlich zu Scheinveranstaltungen machen; so geht es nicht. Es müssen klare Aussagen und Abmachungen gefunden werden, die auch eingehalten werden müssen. Wenn man das auf dem Papier stehen hat, dann ist das auch dementsprechend zu verfolgen und nicht persönlich zu interpretieren. In dieser Art und Weise geht es nicht.

(Beifall bei Christiane Blömeke und Jens Kerstan, beide GRÜNE)

Meine Damen und Herren! Beteiligung lernen, das gebe ich zu, ist ein schwieriges Terrain. Wir haben alle unsere Erfahrungen damit gemacht, und wir werden diese Erfahrungen sicherlich auch für uns auswerten. Ich möchte aber zum Schluss eines zur LINKEN sagen, Frau Sudmann. Ich halte nichts davon, wenn man sich einfach nur an etwas anhängt, so wie das in der letzten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses war, und einen Antrag des Koordinierungsgremiums übernimmt, ohne seine eigene Position hineinzubringen. Eigentlich hätte man von Ihnen erwartet, dass Sie als erfahrene Stadtpolitikerin wissen, was in diesem Antrag relevant für einen Masterplan ist und was in den Bebauungsplan hineingehört. So hat sich das leider für mich nur als ein populistisches Anhängsel dargestellt. Das ist nicht der Sinn solcher Beteiligungsverfahren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dirk Kien- scherf SPD)

Das Wort bekommt Herr Dr. Duwe.