Protokoll der Sitzung vom 12.09.2012

[Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Innovation und Medien über die Drucksache 20/4387: (16.) Gesetz zur Änderung des Hafenentwicklungsgesetzes (HafenEG), Änderungen der Hafengebietsgrenze und der Gebietsbeschreibung im Bezirk Hamburg-Mitte im Bereich der Speicherstadt (Senatsantrag) – Drs 20/5089 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Karin Timmermann, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, wir besprechen jetzt ein Thema, das wir sehr einvernehmlich in den Ausschüssen diskutiert haben und bei dem wir vielleicht zu ein bisschen mehr Sachlichkeit zurückkommen.

Die architektonisch und kulturell wunderschöne Speicherstadt ist ein Bindeglied zwischen der Hamburger Innenstadt und dem neuen Stadtteil der HafenCity. Die Speicherstadt ist ein ganz besonderes Quartier, nicht nur für die vielen Touristen, die sich die Speicherstadt ansehen, sondern auch für uns Hamburger. Daher ist es für die SPD-Fraktion selbstverständlich, dass wir gemeinsam versuchen werden, dieses denkmalgeschützte und für Hamburg bedeutsame Ensemble neben den Kontorhäusern mit dem Chilehaus als Weltkulturerbe anerkennen zu lassen.

(Beifall bei der SPD)

Gleichwohl müssen wir uns aber mit der Tatsache auseinandersetzen, dass die Gebäude in der Speicherstadt heute zum überwiegenden Teil nicht mehr für ihren ursprünglich hafenbezogenen Zweck genutzt werden. Aus diesem Grunde ist es nur folgerichtig, dass die Speicherstadt nun aus dem Geltungsbereich des Hafenentwicklungsgesetzes entlassen werden soll.

Die Entlassung der Speicherstadt aus dem Hafengebiet ist ein bedeutsamer stadtentwicklungspolitischer Schritt. Ab 1893 wurde sie als Teil des Freihafens gebaut. Sie war der Kern der Entwicklung Hamburgs als Welthafenstadt. Bereits 2003 wurde die Speicherstadt aus dem Freihafen entlassen, und gleichzeitig begann der Bau der HafenCity und damit die Rückkehr der Innenstadt an die Elbe. Der Hafen braucht die Speicherstadt nicht mehr. Aber für die Stadt bieten sich hier viele Chancen für eine zukunftsfähige Weiterentwicklung der Stadt am Wasser.

Erst mit der Herauslösung der Speicherstadt aus dem Hafengebiet konnten wir das Entwicklungskonzept formulieren und die Ziele umsetzen – dies natürlich immer unter Berücksichtigung der denkmalschützerischen Belange. Das Thema Wohnungsbau wird angesichts der Problematik des Hochwasserschutzes eher eine nachrangige Rolle spielen.

Mit dem Entwicklungskonzept "Speicherstadt Hamburg" inklusive der inneren und äußeren Erschließung der Speicherstadt ist eine sehr gute Planungsgrundlage für die nächsten Jahre geschaffen worden.

Weiterhin wird es gewerbliche Flächen für Lagernutzung wie zum Beispiel Teppichhandel,

(Dirk Kienscherf)

Showrooms für die Textilwirtschaft sowie Büronutzung und Flächen für Gastronomie und Kunst geben. Die Vielfalt im Quartier wird maßgeblich zur weiteren Attraktivität und Akzeptanz beitragen.

(Beifall bei der SPD)

Die SPD-Fraktion begrüßt daher die Bestrebungen des Senats, verschärft in der Speicherstadt Flächen für künstlerische Nutzer vorzuhalten.

(Beifall bei Gabi Dobusch, Dr. Andreas Dressel und Dirk Kienscherf, alle SPD)

Das Entwicklungskonzept stellt die Weichen für 10 000 Quadratmeter günstige Flächen, Flächen für Künstler und andere Kreative. Die Schaffung eines solchen Zentrums der Kreativität würde nicht nur die perfekte Nutzung dieser historisch bedeutsamen Speicher darstellen, sondern zusätzlich sowohl die HafenCity als auch die Innenstadt weiter beleben und bereichern.

Wir sind überzeugt, dass der Senat mit seinem Konzept auch die Probleme des Hochwasserschutzes zum gegebenen Zeitpunkt regeln wird und zur Sicherung der Speicherstadt und der HafenCity beitragen wird. Wir stimmen somit der notwendigen Gesetzesänderung zu und nehmen das Entwicklungskonzept sehr positiv entgegen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Wankum.

(Olaf Ohlsen CDU: Andreas, erzähl mal was vom sozialen Wohnungsbau in der Spei- cherstadt!)

– Kollege Ohlsen, das mache ich doch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zuerst formen wir unsere Gebäude, dann formen unsere Gebäude uns – so Winston Churchill, der größte britische Premier des 20. Jahrhunderts und feinfühliger Literaturnobelpreisträger 1953.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das war aber beides gleichzeitig!)

Churchill wusste sehr genau, Frau Schneider, wie Gebäude Menschen und ihr Empfinden prägen können. Die Speicherstadt zieht kreative Menschen an, und natürlich nicht nur die. Die alten Speicher, scheinbar ungeeignet für Wohnen, Kultur und Hotels, sind ein Ort, der, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, Menschen aus aller Welt beeindruckt und auch geistig beeinflusst. Nicht nur Auswärtige, auch wir Hamburger lassen uns immer wieder begeistern von dieser Scharnierstelle zwischen der traditionellen Hamburger Innenstadt und der HafenCity.

Vor diesem Hintergrund hatte auch die CDU-Fraktion in der letzten Legislaturperiode ein Speicherstadt-Konzept gefordert, das Platz ausweist für kreative Milieus. Nun liegt dieses Konzept vor. Hierin sind Rahmenbedingungen aufgezeigt, die am Ende die Nutzungsmöglichkeiten bestimmen. Nicht nur der Denkmalschutz, sondern auch die Bewerbung als Weltkulturerbe setzen enge Grenzen für Umbaumaßnahmen.

Damit Gebäude Menschen in kreativer Hinsicht formen und nutzen können, brauchen sie insbesondere Licht. Das wird bei den Speicherflächen – wer dort einmal die Böden mit ihren 18 Meter Tiefe gesehen hat, weiß das – sehr schwierig werden. Die Bewerbung als Weltkulturerbe macht es nicht einfacher, darauf habe ich immer wieder hingewiesen. Eine Wohnnutzung, Kollegin Timmermann, Sie haben es gesagt, wird beschränkt unter anderem durch den Hochwasserschutz, aber eben auch durch die Tiefen der Gebäude.

Klar geht aus dem Konzept jedoch hervor, dass die Speicher im östlichen Teil hauptsächlich für Büros und Dienstleistung zur Verfügung stehen können und nur zu einem geringen Teil für Kultur, Freizeit, Gastronomie und Ateliers.

Hamburg befindet sich im Bereich der Kreativwirtschaft in stetem Konkurrenzverhältnis insbesondere zu Berlin. Die Branche braucht vor allem bei der Suche nach geeigneten Räumen Hilfe. Und das bestätigt erneut, was wir schon lange wissen. Junge Kreative, Start-ups, sogenannte Mikrostars, brauchen räumliche Bedingungen. Sie brauchen Ateliers, sie wollen sich miteinander vernetzen. Dabei hilft es nicht, dass in der Art der Ankündigungspolitik dieses Senats Flächen wie die des ehemaligen "SPIEGEL"-Gebäudes den Kreativen angeboten werden, Flächen, die allein ungefähr 8 Euro Bewirtschaftungskosten aufgrund der veralteten Klimaanlage und so weiter kosten. Woher soll denn bitte das Geld kommen, um das zu bezahlen, nicht nur bei den Kreativen, sondern auch vonseiten des Senats? Die jungen Kreativen brauchen finanzielle Unterstützung und die erhalten sie zum Teil aus den vorhandenen Förderprogrammen. Die aber reichen nicht aus.

Die Nutzung der Speicherstadt auch bei den Kreativen ist am Ende von Marktkräften abhängig. Wie viele Udo Lindenbergs, Warners oder Stage wird es aber geben, die auch marktfähige Angebote in die Speicherstadt bringen?

(Arno Münster SPD: Die wolltet Ihr doch schon mal verscheuern, oder nicht?)

Lieber Herr Münster, dem Ziel des damaligen CDU-Antrags, in einem Konzept finanzierbare Flächen für die Kreativwirtschaft aufzuzeigen, kommt diese Drucksache leider nicht wirklich nach. Wie viel Geld – und das muss der Senat beantworten – wird für die Kreativwirtschaft investiert und woher

(Karin Timmermann)

soll es kommen? Wird es wieder gebucht auf die zur Eventsteuer zu verkommen drohende Kultursteuer?

(Sören Schumacher SPD: Tourismusabga- be!)

Liebe Frau Dobusch, die Frage müssen Sie uns noch beantworten. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Duge.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem Käse in der letzten Debatte haben wir es hier mit Patina zu tun. Ich denke, wir sind uns einig darin, dass wir diese Patina erhalten wollen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass dieser Senat es weiterbetreibt, die Speicherstadt als Weltkulturerbe für die UNESCO anzumelden. Ich hoffe, dass wir da erfolgreich sind.

Ich finde es auch gut, was vorhin gesagt wurde, nämlich dass hier für die Kreativwirtschaft weiter Flächen bereitgestellt werden, sowohl für Ateliers als auch für Ausstellungsflächen, und dass wir auch junge Künstlerinnen und Künstler fördern.

Ich habe einen kleinen Wermutstropfen gefunden, der mir ein bisschen Sorgen macht und den ich kurz ansprechen möchte. Es heißt, dass es wünschenswert wäre, das Wohnen neu in der Speicherstadt zu etablieren. Es ist immerhin weiter dort geschrieben worden, dass es bedenklich werden könnte, wenn es darum gehe, die Speicherstadt als Weltkulturerbe erfolgreich in die Bewerbung zu bringen. Deswegen bitte ich also wirklich darum, mit diesem Bereich entsprechend zurückhaltend umzugehen. Ich möchte noch einen weiteren Teil dazu einbringen.

Ein Großteil der Wohnungen kann doch nur umgesetzt werden, wenn entsprechender Flutschutz gebaut wird. Wenn es für 126 Millionen Euro 220 Wohnungen gibt, dann ergibt das, das habe ich einmal ausgerechnet, 567 000 Euro pro Wohnung. Wenn man das umrechnet, dann hat doch der Wohnungsbau irgendwann einmal seine Grenzen. Ich glaube, wir sollten hier klare Kante zeigen und dieses Erbe, hoffentlich bald Weltkulturerbe, in seinen Strukturen als Kulturflächen und Nutzflächen entsprechend weiter ausgestalten. In dem Sinne hoffe ich, dass wir zu einer erfolgreichen Weiterentwicklung kommen. Wir werden dem Antrag natürlich zustimmen.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Herr Dr. Duwe.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Über die Bedeutung der Speicherstadt in Hamburg brauche ich nicht weiter zu reden, das haben meine Vorrednerinnen und Vorredner schon getan. Der Ansatz, mehr Kreativwirtschaft in die Speicherstadt zu bringen, ist sehr gut. Es ist eben nur die Frage, ob man das kurzfristig so erreicht, wie man es eigentlich erreichen möchte. Ich möchte noch auf zwei Details eingehen, die in der Drucksache des Senats stehen.

Das ist einmal der Wohnungsbau. Es wird gesagt, es könnten höchstens ein paar Wohnungen dort entstehen wegen des Problems des Flutschutzes. Das ist auch wichtig. Nicht nur die Kosten für diesen Hochwasserschutz dürften enorm sein, sondern wir sollten auch Folgendes beachten: Wenn wir uns diese Speicherstadt an der Elbe anschauen und uns dann vorstellen, dass es davor ein Sturmflutsperrwerk gibt, dann wäre es Wahnsinn, das Weltkulturerbe mit einem Sperrwerk zu versehen. Das ist insgesamt ein Graus und es wird auch nicht realisiert werden können. Abgesehen davon bezweifle ich einfach diese 216 Millionen.

Die Speicherstadt ist am Wasser gebaut worden, an der Elbe, an einer Tideregion, und der besondere Charme dieser Stadt besteht eben darin, dass es eine Stadt am Wasser ist, und das sollten wir nicht verändern. Deshalb sollten wir auch den Wunsch nach Wohnungsbau in diesem Bereich beenden. Es wäre zwar schön für einige Menschen, dort eine Wohnung zu haben, aber es ist nicht finanzierbar.

Weitere wichtige Punkte, die wirklich höchste Priorität haben sollten – dies ist auch bei dem Bereich Planungen in der Drucksache angesprochen worden –, sind einmal der Zustand der Kaumauern und, noch viel wichtiger, der Zustand der tragenden Pfähle in dieser Stadt. Seit dem Ende des vorletzten Jahrhunderts ist der Niedrigwasserstand in der Elbe um mindestens 1 Meter gefallen, sodass die Pfähle zweimal pro Tag in der Luft hängen. Und jeder weiß, was dann passiert, dann wird nämlich dieses Fundament langsam bröselig. Das ist kein Problem, das wir vor uns herschieben können, denn sonst wird das Weltkulturebene, falls es anerkannt wird, unter unseren Füßen zerbröseln.

Ich rege an – ich sage nicht, dass ich dies auch verlange –, dass der Senat in diesem Fall höchste Priorität ansetzt, damit uns das nicht passiert und wir nicht in hochgeistigen Wolken schweben und nur an Kreativwirtschaft et cetera denken, während unter unseren Füßen diese schöne Speicherstadt zerfällt. Das muss es uns wert sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Hackbusch.

(Andreas C. Wankum)