Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

(Beifall bei der FDP)

Das eine betrifft die Gruppe der Flüchtlinge, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Hamburg zugeteilt werden, um sich vorübergehend in der Wohnaußenstelle in Nostorf aufzuhalten. Die andere Gruppe sind Mitbürger und Mitbürgerinnen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, die seit Jahren hier leben, integriert sind und sich für den Erhalt der Staatsbürgerschaft entschieden haben. Das sind zwei völlig verschiedene Gruppen, zwei völlig verschiedene Lebenssituationen und zwei völlig verschiedene Verwendungen der Haushaltsmittel. Auch wenn beides im Einzelplan 8.1 eingesetzt werden soll, gehört es hier nicht zusammen.

Diese Thematik jetzt in einer hastig zusammengeschusterten Drucksache kurz vor Ultimo zu liefern, ist einer angemessenen Befassung in diesem Hause nicht zuträglich und schürt völlig unnötig den Verdacht, dass der Senat sich seiner Sache nicht sicher ist.

(Beifall bei der FDP und bei Roland Heintze CDU)

Es bleiben bei allen Petita Fragen offen, und die möchten wir gern vor einem Beschluss in diesem Hause behandelt wissen. Wir werden daher beantragen – die SPD-Fraktion beantragt es selbst, das begrüßen wir –, nicht nachträglich eine Beratung im Haushaltsausschuss federführend und beratend im Innenausschuss abzuhalten, sondern wir beantragen die grundsätzliche Überweisung. Offenbar wird es vorher zum Beschluss kommen, dann beantragen wir jetzt schon einmal die ziffernweise Abstimmung.

Grundsätzlich befürworten wir allerdings die Fortsetzung und Verstärkung der Unterbringung in Nostorf. Für Flüchtlinge, die oft lange schwierige, lebensbedrohliche Wege hinter sich haben, ist aus unserer Sicht weniger entscheidend, wo auf der Landkarte sie in Deutschland untergebracht wer

den. Entscheidend dagegen ist für die zeitlich begrenzte erste Unterbringung die Qualität selbiger im Rahmen begrenzter staatlicher Mittel. Dafür ist die Unterbringung in der Außenstelle Nostorf mit den vom Senat dargestellten Ausnahmen aus unserer Sicht geeignet, da dort Synergieeffekte durch die Nutzung von eingerichteten Ressourcen mehrerer Bundesländer zur Wirkung kommen. Wir werden uns deshalb hinsichtlich der Ziffern 2 und 3 enthalten, falls die Mehrheit des Hauses eine Überweisung verweigert.

Die Kritik der GRÜNEN verwundert uns allerdings sehr. Sie liefern sich seit Beginn dieser Legislaturperiode einen Wettbewerb mit der Fraktion der LINKEN, wer mehr Vorbereitung für die Aufnahme von Flüchtlingen in Hamburg fordert, egal, ob es dafür bereits konkreten Nachfragedruck gibt oder nicht. Jetzt kritisieren Sie lautstark, dass der Senat die Anzahl der Plätze von 30 auf 200 aufstockt, um Vorsorge für die sich abzeichnende Entwicklung zu treffen. Was wollen Sie denn? Auf dem Grund der Freien und Hansestadt Hamburg können es gar nicht genug Plätze sein, in Nostorf wollen Sie die nicht.

(Antje Möller GRÜNE: Wir wollen die Plätze in Hamburg!)

Die beiden Antworten auf Ihre Schriftliche Kleine Anfrage, Frau Möller, und auf unsere zum Thema Gesundheit und Schule sind meines Erachtens ausreichend.

Zu Ziffer 4, Einbürgerungen, müssen wir feststellen, dass diese so nicht beschlussfähig sind. Angesichts begrenzter Mittel und künftig wachsender Verpflichtungen durch die Schuldenbremse kann nicht alles finanziert werden, was wünschenswert ist. In der Tat, eine Einbürgerungskampagne ist im Grundsatz gut, bloß die Zahlen müssen sich erst einmal verstetigen und es muss ganz klar längerfristig sichtbar sein, dass wir hier Personal aufstocken. Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir das nicht.

(Beifall bei der FDP)

Angesichts der Ausführungen des Senats zu den Kennzahlen des Einwohner-Zentralamts und insbesondere zu denen zum Thema Einbürgerung in der letzten Sitzung des Innenausschusses können wir hinsichtlich Ziffer 4 des Petitums keinen derartigen Handlungsbedarf erkennen.

Auch wenn sich die Verfahren zur Einbürgerung angesichts der Kennzahlen gegebenenfalls etwas verlängern würden, erscheint es uns nicht notwendig, bereits jetzt und ohne Beratung im Ausschuss vorab Beschlüsse zum Haushalt 2013/2014 zu treffen. Einem positiven Beschluss ohne weitere Beratung stehen aus unserer Sicht allein schon die Ausführungen des Senats zur Gegenfinanzierung aus zu erwartenden Mehreinnahmen durch mehr Gebühren entgegen. Das Vorhaben, Stellen erst

einmal zu schaffen und diese unter anderem mit erwarteten Einnahmen finanzieren zu wollen, die allein vom nicht berechenbaren Verhalten der erhofften Gebührenzahler abhängen, ist für einen Haushalt stets brandgefährlich.

Letztlich holt hier Bürgermeister Scholz sein auch schon aus anderen Fällen bekanntes Vorgehen ein, seine persönlichen Prestigeprojekte erst einmal ohne Betrachtung der Konsequenzen für den Haushalt zu verkünden und anzuleiern. Die Bürgerschaft soll dann im Nachhinein die erzeugten Löcher oder Mehrbedarfe aus dem Haushalt der Freien und Hansestadt stopfen. Sollte die SPD eine Überweisung an den Haushaltsausschuss ablehnen

(Dirk Kienscherf SPD: Richtig!)

sie sagte schon, dass sie dies macht – und sollte hier ein Beschluss gefasst werden, werden wir Punkt 4 ablehnen und ihm aus Gründen der Haushaltsseriosität nicht zustimmen. Wir appellieren an die SPD, dem Thema Einbürgerung nicht durch unnötig zwielichtige Beschlüsse an der laufenden Haushaltsberatung vorbei einen Bärendienst zu erweisen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Yildiz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Antrag macht deutlich, wie der SPD-Senat mit den Flüchtlingen in dieser Stadt umgeht. Ich finde, es ist eine Frechheit und Unverschämtheit, dass zwei unterschiedliche Themen in einem Antrag vorkommen…

(Glocke)

Herr Yildiz, Sie sind so lange im Parlament und wissen, dass das sehr unparlamentarische Ausdrucksweisen sind.

Es ist zusätzlich unverantwortlich, dass uns vier Tage vor dem Ablauf eines Vertrags ein Antrag vorgelegt wird, ohne dass er in irgendwelchen Ausschüssen beraten worden ist, und dass wir das jetzt entscheiden sollen. Das ist – ich will das Wort nicht benutzen, weil ich sonst wieder ermahnt werde.

Aber ich komme zum Thema. Ich will kurz etwas zu der Einbürgerungskampagne sagen. Im Grundsatz ist es nicht falsch, dass ein Bürgermeister Menschen, die seit Jahrzehnten in dieser Stadt leben, anschreibt mit der Bitte, sich einbürgern zu lassen. Aber ich finde es zynisch, dass man 137 000 Menschen auswählt und anschreibt, dabei den Menschen Hoffnungen macht und viele Hun

derte von Menschen – wenn Sie unter Migranten tätig wären, würden Sie dies tagtäglich erfahren –, wenn sie dann bei der Einbürgerungsbehörde sind, enttäuscht. Aber im Grundsatz ist das kein falscher Schritt.

Es finden wenige Ausnahmeregelungen statt. Für Menschen, die krank sind, Menschen, die Geringverdiener sind, und Menschen, die als Familie einen Antrag stellen, sollten die Einbürgerungsgebühren heruntergesenkt werden. Von Menschen, die seit Jahrzehnten durch Krankheit nicht richtig leben können, sollte kein Einkommen als Voraussetzung gefordert werden. Ich habe ein Beispiel dafür. Sie wissen, ich war eine Woche im Krankenhaus. Ich hatte da einen Nachbarn, der sich im Krankenhaus mit Krankenschwestern und Ärzten verständigen konnte, aber bei der Einbürgerungsbehörde wird von diesem Mann, der zehn Stunden am Tag arbeiten geht, noch zusätzlich erwartet, dass er einen Deutschkurs belegt. Die Behörde könnte diesem Menschen als Ausnahmeregelung eine Aufenthaltsgenehmigung geben. Ich finde, hier ist ein großer Nachholbedarf.

Ich persönlich habe das Gefühl, dass die SPD indirekt einen Wahlkampf auf Kosten der Störfälle organisiert. Daher muss sich die SPD überlegen, wie die Behörde die Bundesmöglichkeiten auf Landesebene in der Ermessensregelung umsetzt.

Ich komme jetzt zum Thema Unterkunft, weil das Thema für mich wichtiger ist, denn es brennt sehr. Diese Unterkunft hat seit ihrer Gründung, nicht nur in den letzten vier, fünf Jahren, sehr viele Schlagzeilen in der Bundesrepublik Deutschland gemacht. Insbesondere, weil wir in Hamburg ein Kontingent haben, betrifft es uns zusätzlich. Menschen verlassen ihre Länder in der Hoffnung, dass sie hier zur Ruhe kommen nach Krieg, Elend, Ausgrenzung und Diskriminierung. Die Erfahrung zeigt, dass diese Menschen, statt am gesellschaftlichen Alltag beteiligt zu werden und mitten in die Gesellschaft aufgenommen zu werden, ausgegrenzt werden, abgeschottet und von der Gesellschaft isoliert. Bundesweit werden diese Menschen in der Regel in Massen in Kasernen untergebracht anstatt sie kurzfristig in kleineren Unterkünften unterzubringen, sodass sie nach drei Monaten die Möglichkeit haben, in normale Wohnungen zu kommen und sich langfristig integrieren können und sich in der Gesellschaft angekommen fühlen.

(Zuruf von Arno Münster SPD)

Sie haben die Möglichkeit, hier zu reden. Sie brauchen nicht immer Zwischenrufe zu machen.

Bei Nostorf/Horst hat sogar Schwarz-Grün nachgegeben, obwohl sie beschlossen hatten, dass da keine Familien untergebracht werden und so gut wie möglich keine kranken Menschen untergebracht werden.

(Martina Kaesbach)

(Antje Möller GRÜNE: Das war nicht unsere Forderung! Wir haben keine Kinder unterge- bracht!)

Ja, aber als Sie mitregiert haben, haben Sie das im Nachhinein wieder zurückgezogen.

Es gab einen Hungerstreik, der die Öffentlichkeit berührt hat. Es gibt ein konkretes Beispiel einer Frau, die wegen der medizinischen Zustände ein totes Kind auf die Welt gebracht hat. Wer sagt denn, dass es jetzt ein bisschen besser geworden ist? Ein kleines bisschen vielleicht, aber das geht an der Realität vorbei.

Vor etwa einem Monat kam durch eine Anfrage heraus, dass über 50 Kinder mit ihren Familien dort untergebracht worden sind. Ich finde, das ist unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich weiß nicht, warum der SPD-Senat – das erlebe ich das erste Mal – Bilder in eine Drucksache einbringt. Ich habe wirklich das Gefühl, besonders seit dem letzten Besuch in dieser Unterkunft, dass eine Route bestimmt worden ist, sodass wir nur die Orte besuchen durften, die verschönert wurden.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie durften ja nur hin- term Zaun stehen!)

Ich will Ihnen zwei Bilder zeigen, die das Gegenteil beweisen. Ich habe Hunderte von Bildern, die ich selbst gemacht habe.

(Zurufe von der SPD – Dr. Martin Schäfer SPD: Ich glaube es nicht! – Dirk Kienscherf SPD: Sie missbrauchen diese Menschen!)

Gehen Sie mal hinein, dann sehen Sie das. Sie können auch auf meine Homepage schauen, ich habe Hunderte von Bildern, nicht nur zwei.

Meine Damen und Herren! Es ist von Ihnen politisch gewollt, dass diese Menschen ausgegrenzt werden und dass sie isoliert werden.

(Glocke)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium war nicht in der Lage, diese Bilder zu sehen, aber ich finde, jetzt hat im Augenblick der Redner das Wort.

Es ist von Ihnen politisch gewollt, dass diese Flüchtlinge nicht unter uns untergebracht werden, aber diese Flüchtlinge gehören zu uns.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christiane Blömeke GRÜNE)

Es ist politisch gewollt, denn wie wir in den anderen Unterkünften erleben, ist das Abschieben mitten in der Stadt schwieriger. Nachbarn schalten sich ein, Flüchtlingsorganisationen schalten sich

ein und Menschenrechtsorganisationen schalten sich ein.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was sind denn Ihre Vorschläge bislang?)