Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

(Zurufe von der CDU)

es ist auch Teil eines Kuhhandels: Praxisgebühr gegen Betreuungsgeld. Wenn Sie dabei von Wahlfreiheit sprechen, Frau Prien, vernachlässigen Sie völlig, dass diese vielleicht bald gar nicht mehr gegeben ist. Heute lesen wir, dass 220 000 Plätze fehlen.

(Zurufe von der CDU und von Finn-Ole Rit- ter FDP)

Diese 220 000 Plätze fehlen auch, weil das Geld in ein unsinniges, von der CSU gefördertes Projekt gegeben wird, dem Sie sich in der Koalition offensichtlich nicht widersetzen konnten. Das ist die Blamage.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Frau Fegebank, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Wersich?

Bitte, Herr Wersich.

Frau Fegebank, können Sie uns sagen, welcher Hamburger Haushaltstitel für den Ausbau der Kindertagesbetreuung abgesenkt wird, wenn das Betreuungsgeld eingeführt wird?

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD)

Ehrlich gesagt kann ich Ihnen das nicht sagen.

(Dietrich Wersich CDU: Es ist nicht so, da gibt es keinen Zusammenhang!)

Ich weiß aber, dass der Bund eine Mitverantwortung für den Ausbau der Kitas übernommen hat. Im Zuge der Fiskalpaktverhandlungen haben wir …

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Herr Wersich, lassen Sie mich ausreden, so wie wir vorhin Frau Prien haben ausreden lassen.

(Zurufe von der CDU – Glocke)

Ich warte gerne einen Moment ab, bis Sie sich beruhigt haben und die Schnappatmung ausgesetzt hat.

(Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN)

Es ging bei der Fiskalpaktverhandlung nicht nur um Themen wie Eingliederungshilfe, sondern auch um den Kita-Ausbau. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass die Länder hierbei gestärkt werden

(Finn-Ole Ritter FDP: Werden sie doch schon!)

und dass Kinderbetreuung und frühkindliche Bildung – Gegenstand zentraler gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen – und die Betreuungssituation in der Kita verbessert werden. In dieser Pflicht stehen Bund und Länder gleichermaßen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD – Glocke)

Ich möchte keine weiteren Fragen beantworten.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist auch bes- ser!)

Die Wahlfreiheit habe ich beschrieben. Ich sehe nicht, Frau Prien, dass es Wahlfreiheit gibt, wenn die Betreuungsangebote fehlen, das ist sicherlich ein ganz zentraler Punkt. Ich habe den Kuhhandel beschrieben und will der SPD einen kleinen Tipp geben. Ursprünglich sollte das Betreuungsgeld zum 1. Januar 2013 eingeführt werden, jetzt ist man schon beim 1. März gescheitert und nun soll es der 1. August werden.

(André Trepoll CDU: Werden Sie doch mal inhaltlich!)

Ich werde inhaltlich.

Der 1. August ist zufälligerweise auch das Datum, an dem der Rechtsanspruch für unter Dreijährige gültig wird. Wenn dieses ständige Verschieben kein reines Wahlkampfmanöver ist, dann weiß ich auch nicht mehr. Ich gebe Ihnen den Tipp: Warten Sie einfach ab mit der Klage, warten Sie auf den Regierungswechsel, dann kommt das Betreuungsgeld weg, und das geht schneller als jede Klage.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Anstatt sich mit diesem völlig unsinnigen – ich hoffe, das fällt noch in den parlamentarischen Sprachgebrauch – Betreuungsgeld

(André Trepoll CDU: Warum denn?)

weiter zu beschäftigen, müssen wir weiter in Bildungs- und Infrastruktur investieren. Ich dachte immer, dafür in Teilen der CDU in Hamburg Verbündete zu haben; Herr Wersich, auch Sie haben sich einmal anders geäußert. Ich finde es, ehrlich gesagt, ein bisschen schwach – das müssen Sie auch gar nicht, das haben Sie gar nicht nötig –, sich vor Ihre Kolleginnen und Kollegen in Berlin zu stellen, denn das ist allein deren Problem.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Zwei Dinge würde ich gern noch ausräumen. Es wird immer ein bisschen gönnerhaft gesagt, man könne in Altersvorsorgekonten gehen oder Bildungssparen machen.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Wenn die zwei Dinge schnell gehen, dann ist das in Ordnung.

Ist die Zeit schon vorbei? Ich hatte mich gerade in Rage geredet.

(André Trepoll CDU: Aber nichts zur Sache gesagt!)

Ich habe eine ganze Menge zur Sache gesagt.

Ich schließe mit den Worten, dass wir das Betreuungsgeld sozialpolitisch, familienpolitisch und frauenpolitisch für absoluten Unsinn halten

(André Trepoll CDU: Warum?)

und hoffen, dass diese Einsicht in den nächsten Wochen auch in Berlin noch reift; ansonsten warten wir die Wahlen ab. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Das Wort hat Senator Scheele.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es gibt in Deutschland einen breiten gesellschaftlichen Konsens zum Ausbau der Kindertagesbetreuung, und seit vielen Jahren ist zentraler Bestandteil dieses Konsenses die anerkannte Notwendigkeit, mit der vorschulischen Bildung so früh wie möglich zu beginnen, damit Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit einkehren und vielleicht nicht so gut prägende Elemente des Elternhauses in den Hintergrund treten

können, sodass jedes Kind, unabhängig von seiner Herkunft, die gleichen Bildungschancen erhält.

(Beifall bei der SPD)

Der zweite Aspekt ist die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern am Arbeitsmarkt.

(Beifall bei der SPD)

Mit der Einführung des Betreuungsgeldes kündigen CDU/CSU und FDP genau diesen Konsens auf.

(Dietrich Wersich CDU: Stimmt doch gar nicht!)