Protokoll der Sitzung vom 29.11.2012

In Ihrem eigenen Vorwort zum Gesetz schreiben Sie, dass die Krankenhäuser gar keine dreißigjährige Aufbewahrungsfrist für Patientenakten wollen. Warum wollen Sie dann diese Frist trotzdem einführen? Heute berät der Deutsche Bundestag in zweiter und dritter Lesung über das Patientenrechtegesetz, das von einer zehnjährigen Frist ausgeht. Damit steht es im Einklang mit der Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte sowie der etablierten oberrichterlichen Rechtsprechung. Außerdem wissen wir alle, dass sich in einzelnen Gesetzen bereits längere Aufbewahrungsfristen finden, und zwar dort, wo es sinnvoll erscheint.

Was Sie, Frau Senatorin, mit Ihrem Hamburger Alleingang, um den keiner gebeten hat, erreichen wollen, verstehe ich nicht, ganz abgesehen davon, dass sich mir überhaupt nicht erschließt, was die Aufbewahrungsfrist für Patientenakten mit den Grundsatzfragen der gesundheitlichen Versorgung zu tun hat. Aber das werden Sie uns sicherlich noch erklären.

(Wolfgang Rose SPD: Genau!)

Meine Damen und Herren! Sie sehen, der Teufel steckt im Detail, und über diese Details werden wir im Gesundheitsausschuss zu sprechen haben. Dem SPD-Schaufensterantrag zur Berichterstattung werden wir natürlich gerne zustimmen. – Vielen Dank.

(Dr. Isabella Vértes-Schütter)

(Beifall bei der CDU)

Nun hat das Wort Frau Schmitt.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In den vorliegenden Drucksachen werden drei recht unterschiedliche Themen behandelt. Herr Stemmann hat schon darauf hingewiesen, dass zwischen den beiden Gesetzesteilen, die wir heute schon debattieren, nicht unbedingt ein inhaltlicher Zusammenhang besteht. Aber die gemeinsame Behandlung ist im Grundsatz richtig. Deshalb begrüßen wir auch die Überweisung, denn viele Fragen sind noch offen, insbesondere was die Landeskonferenz Versorgung betrifft.

Wir halten die längere Aufbewahrungsfrist, die jetzt den Krankenhäusern aufgetragen werden soll, für sinnvoll. Die Aufbewahrungsfrist an die Verjährungsfrist bei Schadensersatzfragen zu koppeln, halten wir für richtig. Insofern bekommt dieser Punkt unsere Zustimmung; wir stimmen heute noch nicht ab, aber wir sind geneigt, dem zuzustimmen.

(Beifall bei Dr. Monika Schaal SPD)

Natürlich werden wir auch dem Antrag der SPD zustimmen, dass ein Bericht über die jetzt kommende Bedarfsfeststellungsrichtlinie und deren Anwendungen die Bürgerschaft erreichen soll. Mir allerdings kommt der Termin nicht so besonders zeitnah vor, wie Frau Vértes-Schütter das formuliert hatte. Wenn die Richtlinie Anfang 2013 in Kraft tritt, dann dürfte man im ersten oder zweiten Quartal durchaus schon einmal einen Bericht darüber erwarten können, wie denn die Anwendung geplant ist. Aber ich erwarte gegen Ende des dritten Quartals einen umso gehaltvolleren Bericht, über den wir dann auch mehr erfahren können.

Zur Landeskonferenz Versorgung begrüßen wir im Grundsatz natürlich, dass dieses Gremium eingerichtet wird. Es blieben ansonsten Möglichkeiten ungenutzt, auf Landesebene auf die Versorgungsplanung Einfluss zu nehmen. Allerdings bin ich eher skeptisch bin, ob dieses Gremium wirklich den Durchbruch bringt. Da muss ich Herrn Stemmann nicht gerade widersprechen,

(Thilo Kleibauer CDU: Wir merken, dass es Ihnen schwer fällt!)

aber ich möchte doch die Erwartungen ein bisschen niedriger halten. Den ganz großen Durchbruch erwarte ich mir davon nicht, denn es sind letztlich keine neuen Akteure, die dort in Kontakt treten. Es ist lediglich eine neue Zusammensetzung – über die Zusammensetzung werden wir im Ausschuss auch noch intensiver sprechen können – und das Gremium hat eben leider nur empfehlenden Charakter.

Wir werden sehen, wie sich das auf Landesebene für eine wirklich sektorenübergreifende Planung nutzen lässt, denn das ist dabei die große Herausforderung. Aber wir unterstützen natürlich die Überweisung der Gesetzesvorlage, werden dem SPD-Antrag zustimmen und freuen uns auf die Beratung im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun hat Herr Dr. Schinnenburg das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst bitte ich um Entschuldigung, ich hatte nicht wirklich gemerkt, dass ich zu diesem Tagesordnungspunkt sprechen soll, und hatte daher diesen Tagesordnungspunkt noch als Vizepräsident begonnen. Es belastet natürlich den Präsidiumstisch, wenn ich zu einem Tagesordnungspunkt zu sprechen habe. Ich bitte das zu entschuldigen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Als Arzt immer im Einsatz!)

Deshalb nur einige kurze Anmerkungen zum Thema. Zunächst einmal ist es richtig, sich mit den beiden Versorgungsinstitutionen im Ausschuss zu beschäftigen, und es ist auch grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Wie weitreichend die Folgen wirklich sein werden, muss man dann im Ausschuss noch besprechen.

Es gibt nur einen Punkt, den wir kritisch sehen, und zwar die Frage der verlängerten Aufbewahrungspflicht für Krankenhäuser. Herr Stemmann hat das schon weitgehend ausgeführt; dem kann ich mich zum großen Teil anschließen. Dass hier eine Frist von 30 Jahren vorgesehen ist statt von zehn Jahren, wie es in vielen anderen Gesetzen – Berufsordnung, Patientenrechte, wo auch immer – die Regel ist, erscheint uns sehr problematisch. Wir können das gern im Ausschuss diskutieren, aber es macht sehr wahrscheinlich keinen Sinn, den Krankenhäusern einen enormen bürokratischen Aufwand aufzuerlegen, der sich übrigens erst nach vielen Jahren, wenn überhaupt, auswirken würde. Denn Sie müssten quasi ab jetzt erst anfangen zu sammeln. Man kann ihnen nicht vorwerfen, sie hätten vor zwölf Jahren etwas weggeworfen, jetzt gelte aber eine Frist von 30 Jahren. Das würde sich also wahrscheinlich erst in 10 bis 20 Jahren auswirken. Das sehen wir sehr kritisch.

Einen Hinweis noch: In der Drucksache wird davon ausgegangen, es sei im ureigensten Interesse der Krankenhäuser, diese Frist zu verlängern, um prozessuale Nachteile in Arzthaftungsprozessen zu vermeiden; genau das Gegenteil ist der Fall. Solange nach den gesetzlichen Vorschriften nach zehn Jahren Unterlagen vernichtet werden können, kann man den Krankenhäusern oder auch

(Hjalmar Stemmann)

den Ärzten nachher gerade nicht mehr vorwerfen, dass sie Unterlagen vernichtet haben. Wenn Sie das per Gesetz in Hamburg einführen, würden Sie damit gerade die juristischen Probleme für Krankenhäuser drastisch ausweiten. Das ist ein offensichtliches juristisches Missverständnis in dieser Vorlage. Aber das ist ein guter Grund, das alles im Ausschuss zu diskutieren. Das werden wir gerne machen. Wir wollen dann selbstverständlich auch die Betroffenen, insbesondere die Krankenhäuser, dazu anhören. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun hat Frau Artus das Wort.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Mit dem Versorgungsstrukturgesetz kann eine feingliedrige, auf die Bezirke und Stadtteile bezogene, bürgernahe Bedarfsplanung vorgenommen werden. Bereits 2010 hatten wir dazu einen ähnlichen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht. Wir konnten damals die Unterstützung der damaligen Oppositionspartei, der SPD, zur Kenntnis nehmen und finden ihren Vorstoß nunmehr folgerichtig.

Der gemeinsame Bundesausschuss, GBA, ist gegenwärtig gefordert, konkrete Vorgaben zu definieren zu Demografie und Morbidität sowie der Etablierung der spezialisierten, fachärztlichen Versorgung im ambulanten Sektor. Nach Informationen auf einer Tagung der Techniker Krankenkasse mit dem Sozialrechtsverband Norddeutschland wird die Richtlinie zur Umsetzung des Versorgungsstrukturgesetzes voraussichtlich erst zum 30. Juni 2013 fertiggestellt sein. Insofern ist es sogar fraglich, ob es gelingt, den Bericht zum dritten Quartal 2013 überhaupt fertigzustellen.

Mit der Flexibilisierung und Verbesserung der Feinsteuerung der Bedarfsplanung wird mehr Versorgungssicherheit gewährleistet. Die Möglichkeiten der Sonderbedarfszulassung werden erweitert, zum Beispiel für Kinder- und Jugendtherapeutinnen und -therapeuten. Da die Landesebene mit dem Versorgungsstrukturgesetz gestärkt wurde, ist davon auszugehen, dass künftig die Verteilung von Haus- und/oder Kinderärztinnen und -ärzten sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten entsprechend dem tatsächlichen Bedarf, nämlich der sozialen Infrastruktur, erfolgt.

Eine Über- oder Unterversorgung kann die Rechtsgrundlage für die Bedarfsplanung zumindest nach Aussage von Dr. Hess, dem ehemaligen GBA-Vorsitzenden, aber nicht klären. Eine stärkere Differenzierung der Planungsbereichsebenen für hausärztliche, primarfachärztliche Versorgung, wie beispielsweise Augenärztinnen und Augenärzte, und spezialisierte fachärztliche Versorgung, wie beispielsweise Radiologinnen und Radiologen, erfor

dert außerdem die Einbeziehung aller vertragsärztlich relevanten Arztgruppen. Da die medizinische Versorgung in Hamburg dank der CDU von privaten Krankenhausträgern – mit Ausnahme des UKE – geprägt ist, sind die Handlungsmöglichkeiten von Frau Prüfer-Storcks als Gesundheitssenatorin aus unserer Sicht jedoch sehr begrenzt.

Zu den Aufbewahrungsfristen möchte ich kurz anmerken, dass wir eine längere Aufbewahrungsfrist durchaus begrüßen. Wir haben in der letzten Wahlperiode beim Thema Intersexualität und intersexuelle Menschen sehr hautnah und anhand von vielen Beispielen erlebt, wie wichtig dies für diese Menschen ist, weil sie häufig erst mit Beginn des Erwachsenenalters und der Herausbildung ihrer geschlechtlichen Identität der Menschenrechtsverletzung, die ihnen als Kleinkind angetan wurde, nachgehen können und den Krankenhäusern im Nachhinein dann noch eine gewisse Schuld und Sühne nachweisen können.

Ein weiteres Konfliktfeld wird sicherlich die unterschiedliche Vergütung von Ärztinnen und Ärzten und psychiatrischen Institutsambulanzen, kurz PIA, und den niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten werden. Die Gewerkschaft ver.di hatte hierzu vorletzte Woche die Betroffenen aufgefordert, gegen die schreiende Ungerechtigkeit zu protestieren, und viele Hunderte Kolleginnen und Kollegen haben sich in der Burchardstraße vor dem Sitz der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft versammelt und mit Trillerpfeifen und Transparenten demonstriert.

Es müssen auch die handelnden Akteurinnen und Akteure einbezogen werden, wie das auch das hamburgische Gesetz über die Bildung einer Landeskonferenz Versorgung vorsieht. Wir finden die Überweisung an den Fachausschuss notwendig, um das vertiefend zu diskutieren.

Hinsichtlich demografischer und sozio-ökonomischer Daten hat Hamburg eine gute Grundlage zur Berücksichtigung regionaler Besonderheiten für eine feingliedrige Bedarfsplanung. Auch die Ärztekammer ist gut darauf vorbereitet. Wir unterstützen deshalb den Antrag und werden die Umsetzung konstruktiv und so, wie Sie es von uns auch gewohnt sind, kritisch begleiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist richtig, das Versorgungsstrukturgesetz hat uns ermöglicht, Ihnen diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Aber bei allem Dank an die Bundesregierung möchte ich darauf hinweisen, dass es die Länder waren, die in intensiven Verhandlungen der Bundesregierung so

(Dr. Wieland Schinnenburg)

manches Zugeständnis abgerungen haben, insbesondere auch die stärkere Rolle der Länder in der Bedarfsplanung, und dazu gehört dieses Gremium. Deshalb muss man den Dank doch eher an die Länder richten.

(Beifall bei der SPD)

Die Landeskonferenz Versorgung soll gemeinsame Vorschläge zur Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen in Hamburg und zur Bedarfsplanung entwickeln. Die Bedarfsplanung ist also nur ein Thema in diesem Gremium.

Wenn wir darüber reden, dass wir die Sektorengrenzen überwinden müssen, die Grenzen zwischen ambulant und stationär, an denen insbesondere chronisch kranke Patientinnen und Patienten sehr leiden, dann müssen wir offenbar zunächst einmal die Kommunikationsgrenzen zwischen den Sektoren überwinden. Wenn man sich bewusst macht, dass es kein Gremium gibt, in dem der Krankenhausbereich mit dem niedergelassenen Bereich regelmäßig kommuniziert und plant, und dass sich die Begegnungen eigentlich darauf beschränken, im Krankenhausplanungsausschuss gelegentlich über die Frage zu streiten, welches Krankenhaus für ambulante Behandlung vorgesehen wird, dann ist wohl klar, dass gerade im Interesse der Patienten ein solches Gremium, eine solche Landeskonferenz überfällig ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben sehr bewusst alle bedeutenden Akteure der Gesundheitsversorgung in Hamburg für dieses Gremium vorgesehen. Und wir haben auch sehr bewusst eine breite Beteiligung von Patientenvertreterinnen und -vertretern vorgesehen. Gerade das stellt bundesweit ein Novum dar. Im gemeinsamen Bundesausschuss sitzen die Patientenvertreterinnen und Patientenvertreter nur mitberatend dabei, sie haben kein Stimmrecht. In den mir bekannten Landesgesetzen oder Entwürfen ist eine solche Beteiligung auch nicht vorgesehen. Deshalb wollen wir die Patientenvertretungen nicht am Katzentisch haben, sondern als voll stimmberechtigte Mitglieder, damit sie die spezifischen Interessen der Patientinnen und Patienten hier einbringen können.

(Beifall bei der SPD)

Der Durchbruch in der Bedarfsplanung ist nicht durch ein Gremium allein zu erwarten, der Durchbruch wird höchstens gelingen, wenn die neuen Bedarfsplanungsrichtlinien gut sind. Auf die warten wir im Moment, und an der Erarbeitung sind auch die Länder beteiligt. Hamburg steht als eines von zwei Ländern stellvertretend für alle 16 Bundesländer.

Eine neue Richtlinie ist dringend notwendig, denn das, was wir im Moment an Kennzahlen über das Arzt-Einwohner-Verhältnis haben, ist eine Fort

schreibung des Status quo aus dem Jahr 1990. Die neuen Richtlinien sollen die Möglichkeit vorsehen, Morbidität, Demografie, aber auch die Umlandversorgung stärker zu berücksichtigen und hier die regionalen Verhältnisse einzubringen. Das ist für eine Medizinmetropole wie Hamburg immens wichtig. Jeder fünfte Patient in Hamburger Praxen kommt aus dem Umland, und das wird im Moment bei der Bedarfsplanung überhaupt nicht berücksichtigt.

Wir wollen die Beratungen im Planungsausschuss dadurch unterstützen, dass wir im Moment einen Morbiditätsatlas für Hamburg erarbeiten lassen, um die Betroffenheit der einzelnen Bezirke, bis hinein in den Stadtteil mit Krankheitslasten, festzustellen und anhand dieser Gutachten auch eine regionalisierte und kleinräumige Bedarfsplanung in dem Gremium vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD und bei Christiane Schneider DIE LINKE)