Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Des Weiteren beantragen wir die Vorauszahlung der Abschläge für das erste Quartal 2013 an die Beschäftigungs- und Bildungsträger. Sie, Herr Senator, haben gegenüber der Presse behauptet, dies sei nicht möglich. Dass das sehr wohl möglich ist, wissen Sie ganz genau, tun aber nichts. Alle Menschen haben das Recht auf eine gleichberechtigte Teilhabe in unserer Gesellschaft. Ohne eine sichere und gerecht bezahlte Arbeit ist das jedoch nicht möglich. Deshalb, liebe SPD, hören Sie auf mit Ihrer kurzatmigen Tagespolitik, die nach Wetterlage entscheidet, wer wie viel bekommt, und gehen Sie an die Wurzel der Probleme. – Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat nun Herr Dr. Kluth.

(Arno Münster SPD: Jetzt kommt Arbeit für alle!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe Ihre Vorfreude, aber lassen Sie mich diese Debatte nach so viel Kritik mit einem positiven Aspekt beginnen. Noch niemals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland waren so viele Menschen in Arbeit wie heute.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Noch niemals waren so viele Menschen in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Hamburger Arbeitsmarkt wider. Im November 2012 wuchs die Anzahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs in Hamburg auf den Höchststand von 889 000 Arbeitsplätzen. Das sind knapp 18 300 Arbeitsplätze mehr als im Vorjahr, und trotzdem ist die Zahl der offenen Stellen hoch und die Zahl der Arbeitslosen weiter rückläufig. Wir haben es also auch in Hamburg zwischenzeitlich mit der Realität eines gedrehten Arbeitsmarkts zu tun: steigende Beschäftigung, sinkende Arbeitslosenzahlen, erstmals seit vielen Jahren deutliche Steigerungen bei den Vergütungen. Mindestlohndebatten waren gestern, Fachkräftemangel ist heute.

(Beifall bei der FDP – Jens-Peter Schwieger SPD: Da sollten Sie mal die Damen bei der Reinigung fragen!)

Das beste Beispiel hierfür ist das Schicksal der Schlecker-Beschäftigten. Die Schlecker-Beschäftigten sind nämlich auch in Hamburg bereits kurze Zeit nach der Insolvenz wieder in Beschäftigung, in Umschulung oder Qualifizierung gewesen, und ich sage: zum Glück und ohne Transfergesellschaft.

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will diese gute Entwicklung in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gar nicht allein als Erfolg der Bundesregierung reklamieren. Es kann vielmehr gelegentlich daran erinnert werden, dass es sozialdemokratische Bundeskanzler und Arbeitsminister waren, die mit der Agenda 2010 ganz wichtige Grundlagen für diese positive Entwicklung gelegt haben.

(Beifall bei der FDP – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Das erklären Sie mir mal!)

Gerne, Herr Hackbusch.

Es sind nämlich sozialdemokratische Bundesarbeitsminister gewesen, unter denen der Bezug von Arbeitslosengeld drastisch gekürzt und Hartz IV eigeführt worden ist,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Das ist ja das Traurige!)

da werden Sie mir zustimmen. So sind unter sozialdemokratischen Bundesregierungen die Zumutbarkeitskriterien für eine Arbeitsaufnahme drastisch verschärft worden. Beides sind Maßnahmen, die die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme verbessert haben.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Nicht zu fassen!)

Schließlich sind auch unter sozialdemokratischen Bundesregierungen der starre Kündigungsschutz gelockert, die private Arbeitsvermittlung liberalisiert und das Angebot von Leiharbeit vereinfacht worden.

(Phyliss Demirel)

Meine Damen und Herren! Das war der richtige Weg, und ich kann an die sozialdemokratischen Kollegen nur appellieren, bei diesem Kurs zu bleiben.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die FDP steht allen Maßnahmen positiv gegenüber, die helfen, Menschen in Beschäftigung zu bringen. Uns sind befristete Arbeitsverhältnisse lieber als Arbeitslosigkeit,

(Jens Kerstan GRÜNE: Was hat das denn jetzt mit dem Arbeitsmarkt zu tun?)

uns sind Minijobs lieber als Transferleistungen,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Wer einen Mini- job hat, bekommt trotzdem Transferleistun- gen oder gerade deswegen!)

und uns ist es lieber, wenn ein Unternehmen bei Kapazitätsspitzen durch Zeitarbeit zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze schafft, statt die Stammbelegschaft Überstunden schieben zu lassen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Scheele, ich möchte daher an dieser Stelle an Sie gerichtet sagen: Es war eine völlig richtige Entscheidung von Ihnen, die Schaffung von Arbeitsplätzen in Zeitarbeitsunternehmen weiterhin zu fördern. Das war nicht nur rechtlich geboten, das war auch arbeitsmarktpolitisch sinnvoll.

Die FDP hat es im vergangenen Jahr ausdrücklich begrüßt, dass der Senat, die Arbeitsagentur und auch team.arbeit.hamburg mit dem gemeinsamen Arbeitsmarktprogramm 2012 in der Hamburger Arbeitsmarktpolitik ein Umsteuern eingeleitet haben. Es war der richtige Weg, die Zahl der Ein-EuroJobs drastisch herunterzufahren, denn zahlreiche Untersuchungen belegen – wir haben das hier mehrfach debattiert –, dass Ein-Euro-Jobber im Vergleich zu Langzeitarbeitslosen ohne Ein-EuroJob deutlich seltener und deutlich später in reguläre Arbeitsverhältnisse wechseln. Der Hamburger Arbeitsmarkt hat, darauf sollte hingewiesen werden, diese Verminderung der Ein-Euro-Jobs auch außerordentlich gut verkraftet.

Genauso wichtig ist und bleibt es aber auch, das Monitoring und das Controlling bei der Vielzahl von Trägern zu verbessern. Hier sehen wir Defizite, Herr Scheele, denn die Vermittlungserfolge und die Betreuungsgüte dieser Träger sind offensichtlich sehr unterschiedlich. Arbeitsmarktpolitische Mittel sind aber dazu bestimmt, Menschen wieder in reguläre Arbeitsverhältnisse zu bringen. Sie dürfen daher nicht in der Verwaltung einer unübersichtlichen Struktur von Trägern mit zweifelhafter Effizienz und Güte versickern.

(Beifall bei der FDP)

Herr Scheele, Sie haben das gemeinsame Arbeitsmarktprogramm 2012 bereits im August des Vorjahres, also 2011, vorgestellt. Daher stellt sich wenige Tage vor Jahresende 2012 die Frage: Wird es eine Fortschreibung des gemeinsamen Arbeitsmarktprogramms in 2013 geben? Wo werden Sie die Schwerpunkte setzen? Wie wollen Sie den arbeitsmarktpolitischen Instrumentenkasten weiter fortentwickeln? Diese Antworten sind Sie bislang schuldig geblieben, die Beantwortung dieser Fragen ist aber wichtig, damit aus Hamburg nicht im dritten Jahr in Folge Bundesmittel in Millionenhöhe, die für die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen bestimmt waren, nach Berlin zurücküberwiesen werden müssen; Frau Föcking hat mit Recht darauf hingewiesen.

(Beifall bei der FDP)

Die FDP-Fraktion sagt daher, dass diese Mittel besser für andere Schwerpunkte verwandt werden können. Ich will Ihnen auch nennen, wofür.

Erstens: In Zeiten von Fachkräftebedarf und demografischem Wandel müssen bestehende Beschäftigungsreserven noch wirksamer gehoben werden. Das heißt, wir brauchen mehr und gezieltere Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer und für Menschen mit einem gesundheitlichen Handicap.

(Beifall bei der FDP)

Zweitens: Wir brauchen mehr und zielgenauere Maßnahmen für Menschen, deren Vermittlungsfähigkeit in reguläre Arbeitsverhältnisse überhaupt erst einmal wiederhergestellt werden muss. Chronisch Kranke müssen umgeschult, Leseund Schreibkenntnisse müssen erst erworben und bestimmte Alltagsfertigkeiten wieder eingeübt werden.

Drittens: Die FDP spricht sich dafür aus, in der Beschäftigungsförderung bei Langzeitarbeitslosen umzusteuern. Die Maßnahmen müssen noch stärker unternehmensnah organisiert werden und weniger über Beschäftigungsträger, denn bei der Förderung über einen Träger endet im Regelfall mit der Beendigung der Maßnahme auch die Beschäftigung. Das ist bei mittelständischen Unternehmen anders; hier ist die Quote derjenigen Menschen höher, die von einem zunächst geförderten Beschäftigungsverhältnis in eine reguläre Beschäftigung wechseln. Das ist nicht nur eine Frage des Arbeitskräftebedarfs, sondern vor allem eine Frage der persönlichen Bindung und auch der sozialen Verantwortung. Gerade bei kleinen und mittleren Unternehmen wird eher geschaut, ob man einen Menschen nach Abschluss der Förderung nicht im Betrieb halten kann, gegebenenfalls mit einer anderen Beschäftigung, in einem anderen Umfang oder zu anderen Bedingungen, aber zumindest in Arbeit.

Viertens: Alles – jedenfalls fast alles – ist gut, was die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärkt und

verbessert. Das reicht von 24-Stunden-Kitas bis zur Förderung von Teilzeitstellen im Rahmen arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen oder der Anrechnung von Meistergründungsdarlehen, wie wir auf Antrag der FDP-Fraktion in der letzten Bürgerschaftssitzung beschlossen haben.

(Beifall bei der FDP)

Jedoch gilt auch für den Bereich der Arbeitsmarktförderung das Gleiche wie für alle anderen Bereiche des Landeshaushalts, nämlich das Gebot eines sparsamen und effizienten Umgangs mit den zur Verfügung stehenden Steuermitteln. Sinken die Arbeitslosenzahlen und verbessert sich die Arbeitsmarktsituation, dann können auch die Arbeitsmarktmittel zurückgefahren werden. Das hat auch Senator Scheele erkannt und den Titel "Förderung der nachhaltigen Integration Arbeitsloser durch Programme der BASFI" abgesenkt. Wir meinen, dass da noch mehr geht und man trotzdem den gleichen Stand hat, wie er an Mitteln in den Jahren 2005 und 2006 zur Verfügung stand. Insoweit bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag "Arbeitsmarktmittel effizient einsetzen". – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Nun hat Herr Golke das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Der Haushalt der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration ist weit überwiegend geprägt von gesetzlichen Leistungen, so auch im Arbeitsmarktbereich von Leistungen aus Hartz IV oder Kosten der Unterkunft, die von der Stadt bezahlt werden. Sie sagen, Sie kürzen nicht bei gesetzlichen Leistungen. Das wäre auch töricht, schließlich lassen sich Steigerungen im Bereich von sozialen Leistungen nicht auf 0, 0,88 oder 1,5 Prozent begrenzen; sie fallen schlicht an, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Sie kürzen subtil. Da heißt es: Vom Jobcenter lernen heißt siegen lernen. Es werden Verträge mit Leistungserbringern korrigiert oder um die genannten Steigerungssätze ergänzt. Das führt zu einer Ausdünnung der Qualität. Aus Partizipation wird Aufbewahrung und das bei Menschen, die jeden Tag darum kämpfen müssen, eine Stimme zu haben und gehört zu werden, bei Menschen mit Behinderung und bei Kindern und Jugendlichen.

Und Sie lassen kürzen. Niemand wird daran gehindert, einen Antrag auf Grundsicherung zu stellen, wenn die zuständige Abteilung des Sozialamts statt in Wilhelmsburg in der Kurt-Schumacher-Allee ist. Wirklich niemand? Haben Sie sich den Weg von den Fahrstühlen der S-Bahn zum Sozialamt in der Kurt-Schumacher-Allee in diesen Tagen einmal

angesehen? Ich habe mir das heute Morgen angetan. Unzureichend geräumte Wege, Glätte und Matschhaufen an Straßenübergängen – für gehbehinderte Menschen eine unüberwindbare Barriere, von den erhöhten Kosten einer Fahrkarte von Wilhelmsburg zum Hauptbahnhof einmal ganz abgesehen.

Meine Damen und Herren! Wer das macht, hat nur eines im Sinn: weniger Antragstellerinnen und Antragsteller, weniger Menschen, die ihre Rechte in Anspruch nehmen. Ich rufe Ihnen zu: Wer so etwas macht, der gefährdet den sozialen Frieden in dieser Stadt.

(Beifall bei der LINKEN – Jens-Peter Schwieger SPD: Das ist ein bisschen weit hergeholt!)

In der Arbeitsmarktpolitik hatten wir zuletzt die von der Bundesregierung zu verantwortende sogenannte Instrumentenreform. Dadurch sind vom Bund aus drastische Mittelkürzungen im Bereich der Eingliederung von langzeiterwerbslosen Menschen erfolgt. Das hat auch das Jobcenter team.arbeit.hamburg massiv betroffen.