Protokoll der Sitzung vom 13.12.2012

Ich möchte an das, was Sie zu den Studierendenzahlen gesagt haben, anknüpfen. Was diese Zahlen betrifft, muss man feststellen, dass es mehr Wirrwarr als Klarheit gibt. Laut den Kennzahlen im Haushaltsplan-Entwurf – darauf ist hingewiesen worden – sinken die Studierendenzahlen kontinuierlich, aber vergangene Woche konnten wir in den Medien lesen, dass wir in Hamburg insgesamt tausend Studienanfänger mehr als gedacht haben. Die Wissenschaftsbehörde erklärt das mit dem Wort Überbuchung und verweist dabei beispielhaft auf den Studiengang Betriebswirtschaft. Von der Behörde wird ausgeführt, dass 535 Studienanfänger auf 430 Plätzen angenommen worden sind, also überbucht. Daraufhin habe ich einen Blick in meine Schriftliche Kleine Anfrage geworfen, die ich am 4. Dezember gestellt habe. Dort wird mir schriftlich mitgeteilt, dass in Betriebswirtschaft 623 Studienanfänger in Hamburg aufgenommen wurden. Ich frage mich, welche Zahl eigentlich stimmt. Das ist symptomatisch für die gesamte Haushaltsdebatte, man kann sich auf keine Zahl wirklich verlassen.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das ist aber nicht nur in Hamburg der Fall, sondern auch auf Bundesebene. Die KMK hat sich mal so eben um 20 000 Studienplätze für die Erstsemester im gesamten Bundesgebiet verschätzt. Man kann sich natürlich an das Motto von Hans Scheibner "Das macht doch nichts, das merkt doch keiner" halten. Wir merken es doch, dafür ist die Opposition da, und wir werden hier auch nicht locker lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die GRÜNEN beantragen eine volle Kompensation der Studiengebühren, und zwar für jeden einzelnen Studierenden. Das unterstützen wir und haben das auch in mehreren Ausschusssitzungen immer wieder betont. Im Haushalt der Wissenschaftsbehörde hat sich in einem wesentlichen Punkt nichts geändert, das ist die Fortschreibung der Unterfinanzierung der Universität Hamburg und der fünf staatlichen Hochschulen, und die Hochschulvereinbarungen verstärken das Problem noch. Wenn Sie, Herr Kienscherf, sagen, diese hätten jetzt endlich Planungssicherheit, dann haben Sie zur Hälfte recht. Sie müssen damit planen, dass sie immer weniger Geld zur Verfügung haben. Diese Planungssicherheit hat dieser Senat hinbekommen.

Sie sagen, Sie würden dafür sorgen, dass der Botanische Garten erhalten bliebe. Haben Sie denn wirklich ernsthaft überlegt, den Botanischen Garten platt zu machen?

(Dirk Kienscherf SPD: Wir nicht! – Dr. An- dreas Dressel SPD: Wir sicherlich nicht, aber der Präsident!)

Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Wenn man sich Ihren Antrag zum Botanischen Garten ansieht, dann bemerkt man genau das, was sich insgesamt durchzieht. Sie lassen kürzen. Sie geben den Institutionen zu wenig Geld und dann müssen die sehen, wie sie damit fertig werden, aber es sind Kürzungen auf der ganzen Breite. Das betrifft auch die Kompensation der Studiengebühren. Da die Studierendenzahlen entgegen der Prognosen im Haushaltsplan-Entwurf steigen werden, werden die Löcher in den Haushalten der Hochschulen noch größer, und die Begrenzung der Tarifsteigerungen auf 1,5 Prozent und die Kappung der Etatsteigerung pro Jahr auf 0,88 Prozent wird das noch verstärken. Hinzu kommt, dass von der SPD und insbesondere von Frau Stapelfeldt – Frau Gümbel und Herr Schinnenburg haben in ihrer sehr eigenen Art schon darauf hingewiesen – ein Wahlversprechen gebrochen wurde. Ich kann mich noch erinnern, dass Sie, Frau Stapelfeldt, vollmundig angekündigt haben, dafür zu sorgen, dass jeder Bachelor-Absolvent, der sich auf einen Master-Studienplatz bewirbt, diesen Platz auch bekommt. Wie wir vor einigen Tagen lesen konnten, ist das bei Weitem nicht eingehalten worden; die Zeitungen waren voll davon. Ich habe im Sommer eine Schriftliche Kleine Anfrage gestellt und dezidiert nachgefragt, was aus diesem Versprechen geworden ist. Die Antwort war auch wieder symptomatisch. Mir wurde vorgerechnet, dass es rein rechnerisch genauso viele Master-Plätze wie Hamburger Absolventen mit einem BachelorStudium gibt. Das stimmt aber eben nur rein rechnerisch, denn, so wurde weiter ausgeführt, es würden sich auch noch Bachelor-Absolventen aus anderen Bundesländern bewerben, und dann reiche die Zahl an Master-Plätzen eben nicht. Dann wirke der überall eingezogene Numerus Clausus, und dann müssten eben Studierende mit einem Bachelor-Abschluss abgelehnt werden. Das ist blanker Zynismus, und durch blanken Zynismus wird ein Wahlversprechen nicht eingelöst, im Gegenteil, es wird immer schlimmer.

(Beifall bei der LINKEN)

Dieses Versprechen auf ausreichende Master-Plätze haben Sie vor der Wahl 2011 gegeben und auch in den Hochschulvereinbarungen festgelegt. Somit wurde es gleich zweimal gebrochen.

Die lange überfällige Abschaffung der Studiengebühren zum Wintersemester 2012/2013 – Sie haben sich damit sehr viel Zeit gelassen – hat die finanzielle Belastung der Studierenden zwar gemildert, aber ein Studium in Hamburg ist immer noch unverhältnismäßig teuer. Dafür gibt es viele Gründe: erstens die Verwaltungsgebühren. Die sind vom CDU/FDP/Schill-Senat 2005 als erster Schritt der Studiengebühren eingeführt worden.

(Olaf Ohlsen CDU: Oh, oh!)

Sie betragen pro Studierenden und pro Semester 50 Euro. Im Jahr 2005 haben die damalige GAL und die SPD dagegen gestimmt. Konsequenterweise müssten die Sozialdemokraten sie jetzt wieder abschaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie müssen nämlich auf keinen Koalitionspartner Rücksicht nehmen; Sie sind alleinregierend, das sollten Sie einmal richtig ausnutzen.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Wir müssen auf den Haushalt Rücksicht nehmen!)

Ich habe versucht, eine Begründung für die Erhebung der Verwaltungsgebühr zu bekommen, und drei verschiedene Antworten erhalten. Es gibt keine Begründung. Das ist auf jeden Fall etwas, was abgeschafft werden muss. Das sind 8 Millionen Euro pro Jahr, und die dürfen auf keinen Fall zur Haushaltskonsolidierung herangezogen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Damit schröpft man die Studierenden in unzulässiger Weise. Es sind versteckte Studiengebühren, und wir fordern die Abschaffung.

Zweitens haben Studierende in Hamburg hohe Lebenshaltungskosten wegen hoher beziehungsweise unbezahlbarer Mieten, und das Studierendenwerk hat den Auftrag, hier kostensenkend zu wirken. Das Problem ist aber, dass seit 2005 der Zuschuss der Freien und Hansestadt Hamburg für das Studierendenwerk kontinuierlich gekürzt worden ist.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Und wer hat ihn wieder angehoben? Das waren wir!)

Darauf komme ich gleich, und dann werden wir einmal rechnen üben, Herr Dressel.

(Heiterkeit im Plenum – Dr. Andreas Dressel SPD: 1,2 Millionen!)

Einige nennen das Mathematik, das sind Grundrechenarten.

Schwarz-Grün hat dem Studierendenwerk 2,3 Millionen Euro gekürzt. Sie haben recht, die SPD hat jetzt 1,2 Millionen Euro wieder eingesetzt. Das ist genau die Hälfte zu wenig, das ist der Punkt.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Andreas Dres- sel SPD: Ja, immerhin!)

Die Folge dieser Finanzierungslücke sind höhere Mensa-Preise, höhere Semesterbeiträge und höhere Mieten, und die Bafög-Anträge nehmen ständig zu.

(Dirk Kienscherf SPD: Es gibt doch keine höheren Mensa-Preise!)

Inzwischen beläuft sich der Semesterbeitrag auf 288 Euro pro Semester, und durch die Erhöhung der HVV-Preise wird er mit Sicherheit im Sommer 2013 die 300-Euro-Marge reißen. Wenn 288 oder 300 Euro pro Semester keine versteckten Studiengebühren sind, dann heiße ich Oskar.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ach ja!)

Wir sind der Auffassung, dass der Senat die Studierenden entlasten muss und auf diesem Weg für einen sozial gerechten Zugang zum Studium sorgen muss. Das Studierendenwerk muss besser finanziert werden.

Drittens: Mit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2009 hat sich Deutschland zur Inklusion verpflichtet. Durch die Novellierung des Hamburgischen Schulgesetzes ist das in den allgemeinbildenden Schulen täglich eine schwere, aber lohnende Aufgabe. An den Hochschulen jedoch ist die Inklusion noch nicht einmal ansatzweise umgesetzt. Das Deutsche Studierendenwerk hat am 4. Juni 2012 die Untersuchung "beeinträchtigt studieren" veröffentlicht. Danach sind die Hochschulen in Deutschland noch weit davon entfernt, Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen Bedingungen für eine gleichberechtigte Teilnahme am Studium zu bieten, und das ist in Hamburg nicht anders. Nicht nur, dass generell keine Mittel zur Verwirklichung der inklusiven Hochschule in den HaushaltsplanEntwurf eingestellt sind, die SPD will jetzt alles, nur keine Lösung, nicht einmal eine vorübergehende, für das Zentrum für Disability Studies der Uni Hamburg.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Das stimmt doch nicht!)

Das werde ich Ihnen gleich vorrechnen. Wir können auch noch einmal rechnen üben.

(Beifall bei der LINKEN – Philipp-Sebastian Kühn SPD: Haben Sie mal mit dem Zentrum gesprochen?)

Ja, da war ich auch einmal.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Das scheint lange her zu sein!)

Ich glaube zu wissen, dass wir alle in diesem Zentrum für Disability Studies waren, und wir waren alle zutiefst beeindruckt. Dort wird nicht über Inklusion an der Hochschule aus prinzipiellen Erwägun

gen für disabled persons nachgedacht, sondern es arbeiten dort Menschen mit Handicaps aus eigener Erfahrung für Menschen mit Handicaps. Das ist ein großer und qualitativ gravierender Unterschied. Deshalb verstehe ich nicht, dass die SPD in ihrem Antrag zum ZeDiS nur aus Haushaltsmitteln fördern will, das heißt, dass die Uni wieder alles allein machen darf.

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Oder die ESF! Das ist doch nicht die Uni!)

Sie lassen wieder kürzen. Und dann kommt noch dieser unglaubliche Zusatz, es könne aus dem Globalbudget der Uni gefördert werden, sofern die Arbeit von ZeDiS positiv bewertet werde. Wie kommen Sie denn auf die Idee, dass das bisher nicht positiv bewertet worden ist?

(Philipp-Sebastian Kühn SPD: Herr Lenzen hat es nicht positiv bewertet!)

Und von wem soll es denn bewertet werden? Hoffentlich nicht von Ihnen, das wäre fürchterlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum zweiten Teil Ihres Antrags. Eine Finanzierung über das ESF in einer dritten Förderperiode will das ZeDiS nicht. Sie wollen eine Langzeitperspektive und nicht alle zwei Jahre neu verhandeln, ob sie weiter existieren können oder nicht.

(Beifall bei Tim Golke DIE LINKE)

Wir als LINKE wollen die Umsetzung der Inklusion auch nicht auf dieses Institut beschränkt sehen, wie es bei den GRÜNEN der Fall ist. Wir fordern nicht nur den Erhalt und die langfristige Finanzierung von ZeDiS, wir fordern einen Inklusionsfonds von bescheidenen 1,5 bis 2 Millionen Euro.

(Dirk Kienscherf SPD: Jetzt kommen Sie mal zu den Deckungsvorschlägen! Sie fordern immer mehr von allem!)

Ich will das Argument von gestern bezüglich der Brücke nicht wiederholen. Das können Sie, glaube ich, allein ausrechnen.