Protokoll der Sitzung vom 13.02.2013

(Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)

Und die Tatsache, dass wir künftig mehr Politikunterricht für 16-Jährige oder Jüngere machen wollen, zeigt, dass Sie selbst erkannt haben, dass dies bisher nicht erfolgt ist. Wenn man überhaupt darüber nachdenkt, das Wahlrecht mit 16 Jahren

einzuführen, dann kann es nur das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses sein, indem der Politikunterricht bei den unter 16-Jährigen intensiviert wird. Sie machen – aus welchen Gründen auch immer, das will ich nicht weiter vertiefen – den zweiten Schritt vor dem ersten, und das ist falsch. Deshalb bitte ich Sie, diesem Gesetzentwurf nicht zuzustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Dr. Scheuerl, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte zunächst Montesquieu zitieren, weil wir als Parlament zusammensitzen. Montesquieu ist bekanntlich der Vater der Gewaltenteilung und der modernen Verfassung, und er hat einen sehr klugen, heute Abend sehr wichtigen Satz gesagt.

(Arno Münster SPD: Aber doch nicht in Echt- zeit!)

"Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen."

Über was für ein Gesetz sprechen wir heute? Es ist ein Antrag der GRÜNEN, der von der LINKEN unterstützt wird und bisher auch von den Abgeordneten der SPD.

(Ksenija Bekeris SPD: Das bleibt auch so!)

Deswegen, meine Damen und Herren von der SPD, möchte ich mich vor allem an Sie wenden, denn für die verfassungsändernde Mehrheit braucht es Sie und Ihre Gewissensentscheidung als Abgeordnete. Für wen soll, um noch einmal auf Montesquieu zurückzukommen, dieses Gesetz notwendig sein? Es könnten die Jugendlichen sein, sie sind es aber nicht. Die Jugendlichen haben sich bei allen Umfragen mit großer Mehrheit gegen die Absenkung des Wahlalters ausgesprochen. An Orten, wo die Jugendlichen wählen können, bei Kommunalwahlen oder bei Landtagswahlen wie in Bremen, liegt die Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen unter der allgemeinen Wahlbeteiligung, und auch in Hamburg bestätigen dies die aktuellen Umfragen. Die Schüler aus den Bergedorfer Gymnasien sind hier anwesend.

(Zurufe von der SPD)

Sie haben sich mit großer Mehrheit gegen die Absenkung des Wahlalters ausgesprochen.

Herr Bürgermeister Scholz, Sie und die SPD-Abgeordneten sind doch auch an der Mehrheit in der Stadt interessiert. Ist das Gesetz vielleicht für die Hamburgerinnen und Hamburger notwendig? Dazu

(Dr. Wieland Schinnenburg)

gibt es eine aktuelle NDR-Umfrage, die seit zwei Wochen läuft, seit der ersten Lesung.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Repräsentativ oder Online-Test? Mit Klick oder Anrufen?)

Und mehr als 75 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger, die dort mitgemacht haben, haben sich gegen die Absenkung des Wahlalters ausgesprochen. Eine Bürgerbeteiligung, das haben wir gerade in der Debatte schon gehört, hat es bei Ihnen nicht gegeben.

Wem könnte das Gesetz also nützen? Natürlich den Parteien. Da kommen wir zu einem interessanten Punkt. Herr Golke, der Abgeordnete der LINKEN, hat am Freitag in der Bergedorfer Zeitung sehr treffend gesagt – ich zitiere –:

"In Bremen hat es funktioniert. Und wir – die Linken – haben davon profitiert."

Die Linken profitieren also schon einmal nach dieser Einschätzung, die GRÜNEN profitieren auch, das wissen wir aus den Ergebnissen in Bremen und bei den U18-Wahlen, die testweise durchgeführt wurden.

Nun wäre es – und jetzt komme ich zu dem entscheidenden Punkt –

(Zuruf von Heike Sudmann DIE LINKE)

nicht so schlimm, wenn wir ein Gesetz erlassen, das politisch dazu führt, dass die GRÜNEN und die Linken davon profitieren. Sie müssen sich überlegen, ob Sie die verfassungsändernde Mehrheit dafür geben. Aber wir wissen – und jetzt hören Sie gut zu – aus den Ergebnissen in Bremen, wir wissen aus den Ergebnissen der U18-Wahlen, die in allen Bundesländern durchgeführt werden, dass aufgrund der generellen Anfälligkeiten Jugendlicher für extreme Positionen

(Dora Heyenn DIE LINKE: Blödsinn! – Julia- ne Timmermann SPD: Ihr Jugendbild möch- te ich nicht haben!)

die NPD einen übermäßig hohen Anteil an Stimmen der 16- und 17-Jährigen bekommt. So ist es in Bremen, in Baden-Württemberg und in Brandenburg. Sie können die Augen davor nicht verschließen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte Sie, das einmal zu berücksichtigen. In Hamburg lag die NPD bisher immer deutlich unter 1 Prozent.

(Sören Schumacher SPD: Sie sagen ja, dass die Jugendlichen NPD wählen!)

Bei 1 Prozent liegt die Grenze für die Wahlkampfkostenerstattung. Wenn Sie dafür sorgen, dass die 16- und 17-Jährigen mitbestimmen, werden sich die radikalen Parteien vor die Schulen stellen. Sie werden dort Wahlkampf machen, sie werden den

Schulfrieden stören, und sie werden es in Hamburg schaffen, die 1-Prozent-Grenze zu übersteigen. Das heißt, de facto tragen Sie dazu bei, dass sie als Trittbrettfahrer in die staatliche Parteienfinanzierung kommen.

Meine Damen und Herren! Wir beschließen nachher noch die Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre. Dies ist ein 5-Euro-Schein. Staatliche Parteienfinanzierung, 85 Cent pro Jahr, bedeutet für alle Parteien oberhalb von 1 Prozent 4,25 Euro in der nächsten Wahlperiode. Das ist weniger als dieser 5-Euro-Schein. Und das ist es nicht wert, dass wir die NPD hier über 1 Prozent erheben.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD und von Heike Sudmann DIE LINKE)

Politikverdrossenheit bekämpft man mit guter Politik,

(Jens Kerstan GRÜNE: Aber nicht mit Ihren Reden!)

aber nicht damit, dass man Jugendlichen ein Erwachsenenprojekt überstülpt. Dieses Gesetz ist nicht notwendig, und deswegen ist es nötig, dieses Gesetz nicht zu erlassen. Denken Sie bei der Abstimmung daran. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt hat Herr Dr. Dressel das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich fange direkt damit an, womit Herr Scheuerl aufgehört hat. Politikverdrossenheit bekämpft man mit guter Politik, und da fangen Sie bei 23 Prozent in den Umfragen gerade einmal an, Herr Scheuerl und liebe CDU-Fraktion.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Das war, glaube ich, Ihr Bundestagsergeb- nis bei der letzten Wahl!)

Diese Angelegenheit haben wir nun wahrlich sehr lange beraten. Schauen Sie nur einmal, welche Drucksachennummer der Antrag der GRÜNEN trägt, es ist Drucksache 20/474. Wenn wir in die Parlamentsdatenbank schauen, werden wir wenige Vorgänge finden, mit denen wir uns so lange befasst haben im Ausschuss, in den Fraktionen, und wir haben sogar noch unsere Partei konsultiert.

(André Trepoll CDU: Weil Sie noch Ihren Landesparteitagsbeschluss brauchten!)

Das haben viele andere auch gemacht, das gehört alles zu einem demokratischen Willensbildungsprozess. Bei dieser ganzen Aktualität, die Sie hineinbringen wollen, müssen Sie einmal schauen, von wann die 15. Shell-Jugendstudie ist. Ich glaube, sie ist nicht vom letzten Sonntag, sodass Sie das auf Ihrer Fraktionssitzung erst am Montag be

(Dr. Walter Scheuerl)

schließen konnten, sie ist nämlich von 2006. Soviel zum Thema Aktualität Ihres Antrags.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN)

Natürlich gibt es bei dem Thema ein Pro und Contra, das ist ganz normal. Deshalb war uns an der Stelle auch wichtig, nicht einfach zu sagen, wir senken die Grenze des Wahlalters ab, sondern wir müssen das Ganze mit dem Thema verbinden, wie wir die politische Bildung ausweiten und wie wir hier etwas zu einem wirklichen Gewinn für die Demokratie gestalten. Das ist auch das Ergebnis der Ausschussberatungen.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Hier ist ein gemeinsames Petitum von SPD, GRÜNEN und Linken herausgekommen, das besagt, dass diese Themen verzahnt werden müssen. Das ist genau das Erfolgsmodell, das es in Bremen gegeben hat. Ich will Ihnen einmal die Bremer Zahlen nennen. Wir hatten den Landeswahlleiter hier – Herr Scheuerl, ich habe Sie bei der Anhörung nicht im Ausschuss gesehen –, das ist schon ein bisschen länger her. Aber es wäre sinnvoll, wenn Sie in die gesamten Unterlagen noch einmal hineingesehen hätten. Dann hätten Sie nämlich gesehen, dass die Wahlbeteiligung bei den jungen Erstwählern – man hatte nicht extra das Alter von 16 bis 18 Jahren ausgewertet, sondern von 16 bis 21 –

(Zurufe von der CDU)

ein Plus von 0,7 Prozent hatte, während parallel überall die Wahlbeteiligung gesunken ist. Das ist doch ein vielversprechendes Zeichen, und genau daran müssen wir in Hamburg anknüpfen.