Protokoll der Sitzung vom 27.02.2013

Bis dahin ist es nicht mehr lange, und ich hoffe von daher, dass auch die Opposition diese wichtige gesamtgesellschaftliche Frage konstruktiv begleitet.

(Beifall bei der SPD)

Letztlich geht es darum, zeitgerecht die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen und vor allem auch darum, das Land Schleswig-Hol

stein nicht im Regen stehen zu lassen. Denn kommen wir nicht zu einer Umsetzung des Staatsvertrags bis zum 31. Mai 2013, wäre völlig unklar, was mit den Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein geschehen sollte. Eine alternative verfassungskonforme Unterbringung wäre dann jedenfalls nicht sicher gewährleistet.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das fällt Ihnen aber spät ein!)

Das sei auch denjenigen Zweiflern und Mahnern gesagt, die die Verfassungsmäßigkeit der Einrichtung für Sicherungsverwahrte in Fuhlsbüttel mit einem Fragezeichen versehen. Im Wesentlichen geht die heutige Unterbringung der Sicherungsverwahrten auf dem Gelände der JVA Fuhlsbüttel auf schwarz-grüne Regierungszeiten zurück und wurde von einem Justizsenator der CDU eingeweiht. Das ist natürlich noch keine Garantie dafür, dass alles verfassungskonform geplant und umgesetzt wurde,

(Farid Müller GRÜNE: Sie wissen es doch besser! – Antje Möller GRÜNE: Sie hatten zwei Jahre Zeit!)

aber die kritischen Fragen aus Richtung SchwarzGrün sollten doch vor diesem Hintergrund des eigenen Handelns bewertet werden.

(Beifall bei der SPD)

Auch wenn immer wieder auf einen Beschluss des sachsen-anhaltinischen OLG Naumburg verwiesen wird, in dem in einem Obiter Dictum – für Nichtjuristen: das ist eine rechtlich nicht bindende Aussage – weder für Sachsen-Anhalt noch für uns in Hamburg Anregungen zur Raumgröße gemacht werden, so muss alleinige Messlatte für die Verfassungsmäßigkeit der Unterbringung Sicherungsverwahrter in Hamburg die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sein. Unserer Ansicht nach ist jedenfalls derzeit das Abstandsgebot in Fuhlsbüttel eingehalten. Davon konnten wir uns als Justizausschuss im Jahre 2011, also nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, bereits gemeinsam vor Ort ein Bild machen. Wir haben doppelt so große Räumlichkeiten wie im Strafvollzug vorgefunden, einen eigenen Sanitärbereich und großräumige Küchen. All das war vorhanden, und ich habe damals auch nicht den Eindruck gehabt, dass einer der Kollegen ernsthafte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hatte.

Wenn nun von Teilen der Opposition gefordert wird, vor der Umsetzung des Staatsvertrags müsse noch eine gemeinsame Justizausschusssitzung mit den Kollegen aus Schleswig-Holstein stattfinden, möglichst begleitet durch eine Expertenanhörung, dann habe ich damit nicht nur vor dem Hintergrund der vom Bundesverfassungsgericht gesetzten Umsetzungsfrist ein Problem, sondern auch im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorgehens. Allein maßgeblich nach dem hier diskutierten

Staatsvertrag ist nämlich hamburgisches Landesrecht, und deswegen werden wir genau dieses geplante Landesrecht im Justizausschuss der Bürgerschaft einer Expertenanhörung unterziehen. Ein millimetergenauer Abgleich zweier Landesgesetze, die ohnehin für unterschiedliche Gebiete gelten, bringt uns aber nicht wirklich weiter und kostet nur wertvolle Zeit.

(Beifall bei der SPD)

Unser Vorschlag ist daher auch, den schleswigholsteinischen Kollegen einen Besuch in der Unterbringung Fuhlsbüttel zu ermöglichen und sich dort gemeinsam mit ihnen ein Bild vor Ort zu machen; wir haben das schon gemacht, Herr Müller.

(Farid Müller GRÜNE: Ach so!)

Und eines ist doch klar: Sollte sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ändern, die im Übrigen bisher keine Angaben zur Raumgröße gemacht hat, werden wir die entsprechenden Vorgaben natürlich umsetzen, aber derzeit können wir Anregungen, wie sie das OLG Naumburg gemacht hat, der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnehmen.

Alle Kritiker des von mir nun vorgeschlagenen Vorgehens mögen dann gleich aufzeigen, welche Alternativen sie dafür bereithalten, fristgerecht bis zum 31. Mai 2013 den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts auf dem Gebiet der Sicherungsverwahrung zu entsprechen; Realitätsverweigerung ist jedenfalls keine Alternative. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Trepoll, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordnete! Fast zwei Jahre ist es her, dass das Bundesverfassungsgericht die bis dahin praktizierte Unterbringung von Sicherungsverwahrten mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt hat. Es hat gleichzeitig Bund und Länder aufgefordert, Regelungen zur Wahrung des Abstandsgebots zu schaffen. Hamburg hat daraufhin entschieden, in Fuhlsbüttel einen Trakt so umzubauen, dass das Abstandsgebot eingehalten werden kann. Ich konnte mir davon in der letzten Woche auch noch einmal persönlich einen Eindruck verschaffen. Das wurde gut, ausreichend und vor allen Dingen rechtzeitig umgesetzt – das Lob von Ihnen, Herr Tabbert, nehme ich dankend entgegen. Die Zellen sind in etwa doppelt so groß und auch besser ausgestattet als im normalen Strafvollzug. Die teilweise überzogenen Forderungen der Sicherungsverwahrten sind aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar und entbehren hoffentlich auch zukünftig jeder rechtlichen Grundlage.

Meine Damen und Herren! Der jetzt vom Senat vorgelegte Entwurf über das Gesetz zum Staatsvertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Freien und Hansestadt Hamburg über die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherungsverwahrung und der Therapieunterbringung ist jedoch wahrlich kein großer Wurf. Viele Fragen sind aus unserer Sicht noch offen. Dazu kommt, dass dieser Staatsvertrag vom Senat – das liegt in der Natur der Sache – ausgehandelt wurde, ohne die Bürgerschaft im Vorwege zu beteiligen. Die Bürgerschaft muss dem Vertrag zwar noch zustimmen, Änderungen sind aber eher unwahrscheinlich. Besonders misslich ist natürlich, dass das Gesetz, nach dem die Unterbringungen stattfinden sollen, erst noch im Ausschuss beraten werden muss. Anders wäre es aber wahrscheinlich auch gar nicht möglich; das gehört zur Wahrheit auch dazu. Dabei gibt es mehrere Punkte, bei denen man das Verhandlungsergebnis zumindest hinterfragen kann, und das werden wir im Ausschuss auch tun. Eine Überweisung an den Justizausschuss zur weiteren Beratung ist sinnvoll und aus meiner Sicht auch geboten.

Schleswig-Holstein hat also eine für sich günstige Lösung gefunden, ihre Sicherungsverwahrten in Hamburg unterzubringen, denn ansonsten hätten Sie mindestens 7 Millionen Euro aufwenden müssen, um selbst eine Unterbringung zu schaffen und dabei dem Abstandsgebot zu entsprechen. Da ist es schon auch unsere Aufgabe, einmal die Frage zu stellen, warum sich Schleswig-Holstein dann nicht an den für Hamburg anfallenden Umbaukosten beteiligen wird. Ich finde, dass wir auch die Frage stellen müssen, ob die mit Schleswig-Holstein vereinbarten Kostenpauschalen wirklich ausreichen, um die bereits entstandenen Kosten – damit meine ich die Kosten für den Umbau – und die zusätzlich anfallenden Kosten ausreichend auszugleichen, oder ob dann Hamburgs Steuerzahler künftig für die Unterbringung der Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein mitbezahlen dürfen. Ich habe, genauso wie Sie, Herr Tabbert, die Debatte in Schleswig-Holstein verfolgt und auch noch einmal das Protokoll durchgelesen. Es ist schon interessant, dass bei dieser wichtigen Frage keine Fraktion im Landtag in Kiel gesagt hat, das wäre zu teuer. Da muss man als Hamburger dann schon einmal nachfragen. Es ist ein recht bemerkenswerter Vorgang, wenn sich dort keiner beschwert, dass wir ihnen das zu preisintensiv anbieten würden.

(Urs Tabbert SPD: Ja, weil sie 7 Millionen gespart haben; das haben Sie doch gesagt!)

Da müssen wir noch einmal schauen, ob dort richtig kalkuliert wurde.

Wieso wird Hamburg nicht an der Entscheidung beteiligt, welche Sicherungsverwahrten aus Schleswig-Holstein zukünftig in Hamburg unterge

(Urs Tabbert)

bracht werden, und wieso hat Hamburg dabei kein Vetorecht? Vor einem Jahr hat das Ministerium in Schleswig-Holstein als Prognose für die Zahl der Plätze der Sicherungsverwahrten noch 20 genannt, jetzt haben wir elf. Da müssen wir also auch noch einmal nacharbeiten, was passiert, wenn ein höherer Bedarf da ist, und wie das dann abzulaufen hat. Am Ende stellt sich natürlich auch die Frage – Sie haben es angesprochen –, wie sicher es aus Sicht des Senats eigentlich ist, dass das vom Bundesverfassungsgericht verlangte Abstandsgebot den Gegebenheiten in Fuhlsbüttel entspricht – wir werden das mit dem zuständigen Gesetz beraten – und welche Vorkehrungen für den Fall getroffen sind, dass dies nicht so ist. Ein weiterer Punkt ist auch die Verteilung der Häftlinge. Schleswig-Holstein behält sich vor, einige in der Sozialtherapie in Lübeck unterzubringen, andere in der Sicherungsstation der JVA in Lübeck und wieder andere in Hamburg. Ich würde gerne wissen, nach welchen Kriterien da verteilt wird. Das müssen wir als Hamburger wissen, weil diese Menschen dann unter unserer Obhut stehen.

Es sind einige Fragen offen, und es gibt noch viele weitere, die vom Senat beantwortet werden müssen. Bevor wir endgültig entscheiden, werden wir den vorgelegten Staatsvertrag am Ende der Ausschussberatung bewerten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Müller, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir GRÜNE unterstützen eine verstärkte Kooperation mit Schleswig-Holstein, auch im justizpolitischen Bereich.

(Beifall bei Antje Möller GRÜNE und Urs Tabbert SPD)

Das ist durchaus keine Sache, die man immer gut hinbekommt mit den Nachbarländern.

(Olaf Ohlsen CDU: Gib doch mal ein Bei- spiel!)

Wir halten allerdings den Staatsvertrag für verfrüht, und ich sage Ihnen auch, warum.

(Urs Tabbert SPD: Ihr Kollege nicht in Schleswig-Holstein!)

Es mag sein, dass er aus schleswig-holsteinischer Sicht gewisse Vorteile hat, aber wir müssen auch aus Hamburger Sicht beraten.

Ich sage Ihnen, warum wir den Staatsvertrag für verfrüht halten. Tatsächlich ist es so, dass die Unterkünfte in Fuhlsbüttel umgebaut wurden nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, aber vor dem Urteil in Karlsruhe.

(Urs Tabbert SPD: Das steht da so nicht!)

Das Urteil in Karlsruhe hat sehr genau noch einmal definiert, was es vom Gesetzgeber in puncto Abstandsgebot erwartet. Das heißt, viele Regelungen konnten gar nicht vorhergesehen werden in diesem Ausmaß.

(Urs Tabbert SPD: Welche denn?)

Deswegen glauben wir, dass die juristische Sicherheit, die man damals beim Umbau hatte, heute per se gar nicht gegeben ist; ob das alles im Sinne von Karlsruhe war, werden wir noch sehen. Vor dem Hintergrund, dass dann auch noch mit der inzwischen beim Oberlandesgericht gelandeten Klage der Sicherungsverwahrten in puncto Ausstattung Sanitärbereich – so nennt es Schleswig-Holstein, wir haben es anders genannt im Gesetz – eine offene Frage im Raum steht, die kostenintensiv sein könnte, hat man schon einmal eine kleine Vorstellung davon, weshalb dieser Staatsvertrag in einigen seiner Regelungen tatsächlich verfrüht sein könnte. Es gibt Hinweise darauf – das finde ich wiederum gut –, dass dieser Staatsvertrag immerhin jährlich kündbar sein soll, und es gibt auch Verwaltungsvereinbarungen, die uns noch nicht vorliegen. Ich würde darum bitten, dass wir diese im Ausschuss beraten können, damit wir den Staatsvertrag im Falle entsprechender Urteile nicht mit einer Änderungskündigung beenden müssen, sondern das auf andere Weise korrigiert werden kann und wir in Hamburg im Zweifel nicht auf den Kosten sitzen bleiben.

Es gibt also viele Fragen. Deswegen ist es richtig, dass dieses Gesetz an den Justizausschuss überwiesen wird. Wegen der Verquickung mit dem Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz macht es Sinn, das mit einer Expertenanhörung zu verbinden. Das haben wir bisher im Ausschuss noch nicht beschlossen, ich würde aber dringend anraten, dass wir uns das gemeinsam mit Experten anschauen und nicht alleine.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei André Tre- poll CDU)

Eines noch zum Schluss. Erklärungsbedürftig ist ein Punkt – Herr Tabbert hat ihn angeführt und er steht auch so im Gesetz –, dass nämlich die Entlassung der Sicherungsverwahrten in Richtung Schleswig-Holstein erfolgen soll. Wir erinnern uns noch an die Debatten, die wir im alten Jahr zum Thema Unterkünfte für ehemalige Sicherungsverwahrte in Moorburg hatten. Es besteht Erklärungsbedarf seitens des Senats, was aus Moorburg werden soll, angefangen mit dem umgebauten Haus. Da sind viele Fragen und ich denke, nicht nur die Moorburger verdienen Antworten.

Ich freue mich auf die Ausschussberatung. Die Anregung, das mit Schleswig-Holstein gemeinsam zu beraten, habe ich ernst gemeint. Wenn man wirklich will, dass man in einer Frage, die beide Länder

(André Trepoll)

betrifft, kooperiert, dann kann man auch noch eine gemeinsame Expertenanhörung hinbekommen oder parallele Ausschusssitzungen für die Auswertung machen. Da gibt auch das Argument nichts her, es sei ega, was Schleswig-Holstein mache, weil wir ein eigenes Gesetz hätten, nach dem die Sicherungsverwahrten auch verwahrt werden. So einfach kann man es sich nicht machen, denn natürlich möchte der schleswig-holsteinische Gesetzgeber nicht, dass die ihm anvertrauten Sicherungsverwahrten in Schleswig-Holstein anders behandelt werden als die, die er nach Hamburg gibt. Wenn Sie das so in den Raum stellen würden, würde ich mich sehr wundern; das hätte dann nichts mehr mit einer positiven Nordkooperation zu tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau von Treuenfels, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eines ist bei diesem Staatsvertrag zur Sicherungsverwahrung sicher, nämlich dass ziemlich viel noch unsicher ist zwischen Hamburg und SchleswigHolstein. Das beginnt schon bei der Zahl der in Hamburg unterzubringenden Sicherungsverwahrten. Die ist naturgemäß nicht genau planbar, weswegen Hamburg in der JVA Fuhlsbüttel seit 2011 immerhin 31 Plätze vorhält. Was dieser Staatsvertrag jedoch nicht sicher regelt, sind die zwei zwingenden Folgefragen: Was passiert, wenn nicht nur 18 Plätze belegt sind wie zurzeit, sondern alle? Wer hat das Erstunterbringungsrecht, wenn beide Länder mehr Unterbringungsbedarf haben, Hamburg, wie es vielleicht normal wäre, oder Schleswig-Holstein? Alles unsicher, alles ungeklärt in diesem Vertrag.