Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Die erste Phase mit dem Elbekulturfonds gilt es jetzt abzuwarten, aber auf jeden Fall haben wir die Rahmenbedingungen der freien Tanz- und Theaterszene schon beachtlich verbessern können und werden das auch Schritt für Schritt in den nächsten

zwei Jahren tun, denn Hamburg ohne lebendige freie Szene – das geht gar nicht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Herr Wersich.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Bedeutung der freien Tanz- und Theaterszene für die Kulturmetropole Hamburg wird in der Öffentlichkeit in der Regel unterschätzt. Sie bildet einen unverzichtbaren kreativen Nährboden, sie ist wichtig in ihrer Innovationskraft, auch in ihren experimentellen Formaten, sie ist wichtig für die Herausbildung des künstlerischen Nachwuchses, und sie stellt insgesamt eine Bereicherung für unsere Kulturmetropole dar.

Frau Dobusch, deshalb waren wir ein bisschen erstaunt, dass gerade Sie die vorgelegte Drucksache zur Debatte angemeldet haben. Das Ersuchen der Bürgerschaft ist vor mehr als 15 Monaten verabschiedet worden. Der Senat war aufgefordert worden, seine Überlegungen und Planungen zum 30. Juni letzten Jahres rechtzeitig vor den Haushaltsberatungen vorzulegen, und die zugrundeliegende Evaluation ist sogar schon über zwei Jahre alt. Diese Trödelei von Senat und Kulturbehörde ist bemerkenswert, übrigens genauso, dass dieses Ersuchen der Bürgerschaft nicht einmal mit einer Senatsdrucksache beantwortet worden ist, sondern lediglich durch einen Brief an die Präsidentin.

(Beifall bei der CDU)

Das spricht doch eher dafür, dass die freie Szene bei der SPD einen nicht besonders hohen Stellenwert hat. Bislang wurden auch nur einige wenige Punkte – in der Förderstruktur und im Juryverfahren – umgesetzt, die wir durchaus begrüßen, aber es sind nicht einmal alle kostenneutralen Empfehlungen aus dem Gutachten umgesetzt worden, geschweige denn Konsequenzen gezogen worden, die mit finanziellen Folgen verbunden sind. Und es ist auch keine Leistung, wenn von der neuen Kulturtaxe nicht einmal 4 Prozent in die Förderung der freien Szene fließen. Das ist einfach nur ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Norbert Hackbusch DIE LINKE)

Frau Dobusch, wenn Sie sich mit leicht zitternder Stimme hier hinstellen und über die Armut in dem Bereich reden: Was bedeutet denn Mindestlohn in der freien Szene? Viele Künstler liegen mit ihren Honoraren weit darunter, und das hat auch etwas mit den Förderbedingungen in der Stadt zu tun. Auch dafür brauchen Sie kein Gesetz, sondern dazu brauchen Sie politischen Willen, den Sie hier in Sonntagsreden so gerne betonen.

(Gabi Dobusch)

Zentrale Forderungen aus dieser Potenzialanalyse werden nicht umgesetzt, und ganz spannend ist natürlich auch, was wir nicht in diesem Brief finden. Es fehlt eine Aussage zu dem neuen Protestbündnis, das sich Ende Januar auf Kampnagel gegründet hat, die "Koalition der Freien Szene", die der freien Szene in Hamburg einen besseren Stellenwert geben will. Das findet offenbar durch Ihre rosarote Brille gar nicht statt.

(Beifall bei der CDU)

Völlig unerwähnt bleibt auch das zentrale Projekt der freien Szene am Wiesendamm, wo ein Bildungs- und Theaterzentrum entwickelt werden soll. Da gibt es Akteure, da gibt es Pläne, und da gibt es übrigens auch die kommunalpolitische Unterstützung, aber es gibt kein einziges Wort vom Senat zu diesem Projekt. Was will die Stadt tun, um das Projekt am Wiesendamm möglich zu machen, oder bedeutet die Nichterwähnung, dass die SPD dieses Projekt sterben lassen will? Ebenfalls unerwähnt bleibt die Entscheidung der Kulturbehörde, unter anderem mit der Einstellung der Förderung für das "Theater N.N." die Szene strukturell weiter zu schwächen.

Zusammenfassend gibt es wirklich keinen Grund zur Euphorie. Es gibt leider nur Lippenbekenntnisse, und es bleibt im Gegenteil viel zu tun, damit die freie Tanz- und Theaterszene in Hamburg die notwendigen kreativen Impulse für die Kulturstadt Hamburg geben kann. Es gibt noch viel zu tun für den Senat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Goetsch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gibt viel zu tun, aber ich bin erst einmal froh, dass wir überhaupt diese Potenzialanalyse gemacht haben.

(Dietrich Wersich CDU: Genau, 2010!)

Wir haben sie in der letzten Legislaturperiode in Auftrag gegeben und Anfang dieser Legislaturperiode im Kulturausschuss im Rahmen einer Anhörung mit den Experten besprochen, sodass man jetzt wirklich auf der fundierten Grundlage diskutieren kann. Nun ist es richtig, wie Herr Wersich schon angemahnt hat, dass es zwei Jahre gedauert hat, bis sozusagen ein gewisser Teil der Empfehlungen, zum Beispiel die Förderrichtlinien, umgesetzt ist. Es gibt auch ein bisschen mehr Geld, und man könnte sagen, das sei ein gemeinsamer kleiner Erfolg, aber es ist nicht so, dass man sich jetzt darauf ausruhen kann, im Gegenteil.

Wenn Sie sich die langfristigen Empfehlungen der Potenzialanalyse angucken, dann ist ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 2,5 Millionen Euro ange

setzt. Die 100 000 Euro und die zusätzlichen Mittel aus der Kulturtaxe mit dem Verweis auf den Elbekulturfonds sind da allenfalls ein Trostpflaster. Wenn Sie sich erinnern, haben wir in den Haushaltsberatungen 100 Prozent aus der Kulturtaxe gefordert, und das hätte für den Innovationsfonds, den wir Alsterfonds genannt haben, 5 bis 7 Millionen Euro bedeutet, und zwar für die gesamte Szene, nicht nur für die freie.

Ich habe mir einmal die 31 Spiegelstriche der Empfehlungen angeschaut. 14 davon sind jetzt umgesetzt, also haben wir noch reichlich zu tun. Die Theater in Eimsbüttel und Wandsbek hat Herr Wersich eben angesprochen. Da gibt es das Problem, dass man zwei Theater schließt, die als Stadtteiltheater eine wichtige Rolle spielen. Dazu muss man natürlich auch sagen, dass sie die Kriterien nicht erfüllt haben, die sie sich selbst im Rahmen der Richtlinien gesteckt hatten. Das Problem ist, wenn die Theater jetzt geschlossen werden, dann werden wichtige Identifikationsorte im Stadtteil und auch Bühnen für den Nachwuchs geschlossen. Da befinden wir uns in einem gewissen Zwiespalt.

Es gibt auch noch andere Baustellen, die weiß Gott nicht behoben sind. Der Projektetopf der OffProjekte wurde vom neuen – inzwischen auch alten – Senat gestrichen. Zum Beispiel finden die konspirativen Küchenkonzerte in Wilhelmsburg nicht mehr statt, obwohl sie mehrfach für den Grimme-Preis nominiert wurden. In der Potenzialanalyse ist das Projekt WIESE, wie eben schon angesprochen, gefordert. Da war ein großer Schritt gemacht worden, und jetzt hakt es an städtischen beziehungsweise privaten Bürgschaften. Daran muss weiter gearbeitet werden, und zwar mit Unterstützung der Politik und der Verwaltung. Wir haben weiterhin kaum Spielstätten und Probenräume für freies zeitgenössisches Musiktheater. Auch Kooperationen zwischen Freien und Staatlichen sind kaum ausgeprägt, hier könnten Anreize geschaffen werden. Bei Kooperationen entstehen Reibungen, das könnte Hitze für beide Seiten bringen.

Meine Damen und Herren! Der Senat muss sich auch die Frage stellen, warum sich gerade jetzt eine Koalition der Freien bildet, warum gerade jetzt zum Protest aufgerufen wird. Ich glaube, das hat nicht nur etwas mit Geld zu tun. Es hat auch nicht nur etwas mit finanzieller Unterstützung, die zum Teil von der Kulturbehörde kommt, zu tun, sondern es hat mit den Rahmenbedingungen insgesamt zu tun. Es hat mit Entlohnung zu tun, es hat vor allen Dingen mit Wertschätzung zu tun, die viel zu gering ist. Es hat mit Räumen zu tun, die zur Verfügung stehen. In der Kulturbehörde ist die Wertschätzung nicht das Hauptproblem, sondern es sind eher die Finanz-, die Wirtschafts- und die Stadtentwicklungsbehörde, die immer wieder Probleme machen und den Freien Steine in den Weg legen, gerade, wenn es um die Räume geht.

(Dietrich Wersich)

Es geht hier nicht nur um Alimentierung von Künstlern oder um staatliche Förderung. Die ganze Stadt sollte begreifen, dass die freie Szene und kreatives Schaffen ein wichtiger Wertschöpfungsprozess sind und viele in Hamburg von den vielfältigen Kulturangeboten der freien Szene profitieren; auch das wurde schon mehrfach gesagt. Wir müssen die freie Kunst und Kultur, die freie Tanz- und Theaterszene als wichtige Inspirationsquelle für die Stadt sehen.

Ich würde mir wünschen, dass wir gemeinsam mit den freien Künstlerinnen und Künstlern und Kreativen diese neuen Wege gehen, ihre impulsive Kraft nutzen und dass alles getan wird, jetzt zügig die Empfehlungen der Potenzialanalyse umzusetzen. Ich könnte mir vorstellen, dass wir da eine ganz große Koalition bilden könnten, und hoffe auf die Einsicht der Regierungsfraktion. – Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Frau Suding.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In dem Bericht, den wir heute debattieren, sind einige bemerkenswerte Punkte. Bevor ich allerdings zur inhaltlichen Bewertung komme, springen mir, wie Herrn Wersich, auch ein paar Daten ins Auge.

Wir beraten heute eine Unterrichtung durch die Präsidentin über einen Bericht, der auf einen Beschluss der Bürgerschaft vom 24. November 2011 zurückgeht und diesen Bericht bis zum 30. Juni 2012 einforderte, der Behörde also ein gutes halbes Jahr Zeit ließ. Diesem Ersuchen ist die zuständige Behörde auch nachgekommen, allerdings erst am 6. Februar 2013. Ich will an dieser Stelle nicht zu viel über Formalien reden, aber warum dieser nun wirklich nicht besonders umfangreiche Bericht mit einer Verspätung von sieben Monaten – Frau Dobusch, Sie haben gesagt, etwas verzögert – die Bürgerschaft erreicht, das wundert uns dann schon. Vielleicht gibt es auch eine gute Erklärung dafür, darauf wäre ich besonders gespannt, denn ich hätte mir schon erhofft, dass wir die Aussagen in der Unterrichtung in den Beratungen zum Doppelhaushalt 2013 und 2014 hätten berücksichtigen können.

Es geht noch weiter. Der Senat beantwortet das bürgerschaftliche Ersuchen, das gegen die Stimmen der gesamten Opposition zustande kam, mit einem Verweis auf die Förderrichtlinie, die bereits zum 1. November 2011 das Licht der Welt erblickte, also drei Wochen, bevor der Antrag hier im Hause beschlossen wurde. Das heißt im Umkehrschluss: Für die flexible und sich stetig erneuernde Besetzung der Jury beispielsweise hätte es diesen Antrag gar nicht gebraucht. Die Mehrheits

fraktion hat also etwas beantragt, was zu diesem Zeitpunkt längst umgesetzt war.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, warum das so ist oder so war: Entweder wusste die Mehrheitsfraktion nichts davon, was eher unwahrscheinlich ist, weil man doch davon ausgehen müsste, dass Haushaltsanträge mit der zuständigen Behörde abgestimmt werden. Die andere Möglichkeit ist, dass die Mehrheitsfraktion einen reinen Showantrag gestellt hat. Beides wirft kein gutes Licht auf die Mehrheitsfraktion und die Behörde.

(Beifall bei der FDP – Jan Quast SPD: Des- halb ist es die Möglichkeit drei!)

Meine Damen und Herren! Noch ein bisschen zum Inhalt dieses Berichts. Die von der SPD in Teilen vorgetragene Euphorie, Frau Dobusch, kann ich beim besten Willen nicht nachvollziehen. Die vom Senat vorgelegten Punkte sind, insbesondere was die Fördermittel angeht, wirklich ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir begrüßen natürlich grundsätzlich neue Fördermaßnahmen für junge und kreative Künstler. Der große Wurf ist das allerdings nicht.

Frau Senatorin, liebe SPD, Sie wissen auch ganz genau, warum. Erstens war eine Anpassung der Fördermittel im Bereich der freien Tanz- und Theaterszene mehr als überfällig, vor allem, wenn man sich den staatlichen Tanz- und Theaterbereich daneben ansieht. Während nämlich die Zuwendungen allein im staatlichen Bereich um 9 Millionen Euro im letzten Jahr angestiegen sind, ist in der freien Tanz- und Theaterszene wenig passiert. Nun haben wir die Kulturtaxe. Ob und wie viel wirklich davon kommt, das wissen wir noch nicht.

(Jan Quast SPD: Sind Sie jetzt dafür? Ist ja super!)

Aus den geplanten Einnahmen von 12 Millionen Euro werden aber für die freie Tanz- und Theaterszene sagenhafte 100 000 Euro zusätzlich aufgebracht. Wir haben also 9 Millionen Euro zusätzlich auf der einen Seite und einmal 100 000 Euro auf der anderen Seite. Da ist es nicht besonders schwer, eine Schwerpunktsetzung zu erkennen, Frau Senatorin der Hochkultur.

Dabei haben wir Ihnen während der letzten Haushaltsberatungen doch gute Möglichkeiten aufgezeigt, wie Gelder in Richtung der Off- und Stadtteilkultur umzuschichten sind, ohne dass dabei spürbare materielle Veränderungen vorgenommen werden müssten. Und an den Stellen im Bericht, an denen es dann wirklich einmal interessant wird und wo auch mit einem Erkenntnisgewinn zu rechnen wäre – ich nenne das Stichwort Wiederaufnahmeförderung, da gäbe es nämlich tatsächlich etwas zu tun –, da gibt sich die Behörde leider wortkarg und verweist auf notwendige Abstimmungsprozesse.

(Christa Goetsch)

Trotzdem noch eine positive Bemerkung am Schluss. Aus Sicht der FDP-Fraktion ist es wirklich erfreulich, was die Arbeit der Kreativgesellschaft angeht. Wenn wir hier lesen, dass zusätzliche knapp 7000 Quadratmeter für die Zwischennutzung beziehungsweise die temporäre Nutzung vermittelt werden können, dann freut uns das sehr.

Fazit: Es gibt in diesem Bericht kaum einen Erkenntnisgewinn, Beifall dürfen Sie von uns dafür nicht erwarten, denn dafür gibt es leider keinen Anlass. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU)

Das Wort bekommt Herr Hackbusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Anmeldung dieses Themas durch die SPD ist mutig.

(Dr. Andreas Dressel SPD und Dirk Kien- scherf SPD: So sind wir! – Dietrich Wersich CDU: Mutig bis übermutig!)

Die Bilanz des dafür zuständigen Dachverbandes der Freien Theater ist eindeutig, nämlich dass die damals verlangten Forderungen im Wesentlichen nicht umgesetzt sind, dass die Zusammenarbeit mit der Kulturbehörde nicht gut funktioniert und dass dementsprechend etliche Aufgaben weiterhin bestehen bleiben. Es gibt also keine Möglichkeit, hier etwas Positives zu berichten, sondern es ist mutig von Ihnen, auf die Schwachpunkte Ihrer Politik hinzuweisen.

Die verschiedenen Einzelpunkte sind auch von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern genannt worden, ich will sie nicht noch einmal wiederholen. Ich will noch einmal versuchen, die wesentlichen, markanten Punkte deutlich darzustellen. Wir haben damals im Kulturausschuss diese Fragestellung diskutiert, weil wir feststellten, dass wir große Probleme haben, die freie Szene in Hamburg zu halten, und zwar an zwei Stellen. Wir hatten eine völlig erschreckende soziale Situation, und außerdem gab es so gut wie kaum Spielstätten für die freie Theaterszene. Beides, das haben wir gemeinsam im Kulturausschuss festgestellt, muss geändert werden. Wir stellen jetzt in der Bilanz fest, dass in dem zentralen Punkt Spielstätten, wo es durchaus einiges an Möglichkeiten gab, nichts Entscheidendes passiert ist. Die Situation ist immer noch die gleiche wie damals, und man muss feststellen, dass Ihre Politik nicht erfolgreich gewesen ist.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)