Protokoll der Sitzung vom 27.03.2013

Zu den Unterzeichnern gehört übrigens Antje Hermenau, die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN im Landtag von Sachsen, jenem Bundesland, das neben Mecklenburg-Vorpommern wohl am stärksten unter den Aktivitäten der NPD zu leiden hat. Die Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN haben recht,

(Katharina Fegebank GRÜNE: Was denkt die FDP?)

denn es ist keinesfalls sicher, dass ein neues Verfahren zum Erfolg führt. Nach allen bisherigen Erkenntnissen ist eine enge Verzahnung zwischen der Zwickauer Terrorzelle und der NPD nicht nachweisbar, und die V-Leute-Problematik ist dabei noch nicht einmal berücksichtigt. Sie wissen, dass nicht alle Landesinnenminister bereit waren zu attestieren, dass das von ihnen gesammelte Material V-Leute-frei ist; einiges hat Frau Möller schon dazu gesagt. Ein absoluter Super-GAU aber wäre ein erneutes Scheitern des NPD-Verbotsantrags. Bereits nach dem ersten Versuch vor zehn Jahren ging die NPD nämlich bedauerlicherweise gestärkt aus dem Verfahren hervor, und das darf nicht wieder geschehen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die NPD ist in den vergangenen Jahren an den Rand ihrer Möglichkeiten gebracht worden, personell ausgedünnt und finanziell und organisatorisch am Ende. Beim Wähler findet sie glücklicherweise kaum noch Anklang. In Niedersachsen kam sie nicht einmal auf 1 Prozent der Stimmen. Ein neues, gescheitertes Verfahren mit einer gerichtlichen Überprüfung der Verfassungstreue der NPD würde nicht nur unsere Anstrengungen massiv behindern, sondern es würde diesen menschenverachtenden Strömungen auch noch Auftrieb geben. Und das wollen wir nicht.

(Beifall bei der FDP)

Eine Bemerkung noch. Ich erwarte von Ihnen, Herr Senator, eine Entschuldigung für Ihre ungeheuerlichen Äußerungen in den vergangenen Tagen. Den Liberalen vorzuwerfen, die Grundlagen des Rechtsstaats zu verlassen und vor dem Rechtsextremismus zu kapitulieren, ist weder mit Ihrer Position zu vereinbaren noch ist es dem Ernst der Angelegenheit angemessen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ihr Beitrag, Herr Wysocki, war auch nicht gerade hilfreich. Zu glauben, dass ein Verbotsverfahren, dem sich alle drei Verfassungsorgane anschließen, mehr Erfolg, mehr Druck auf Karlsruhe ausüben könnte, ist doch ziemlich naiv.

Ich fordere Sie also auf, die Diskussion nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen zu missbrauchen, sondern mit uns eine sachliche Debatte darüber zu führen, wie wir gemeinsam den Rechtsextremismus weiter zurückdrängen und bekämpfen können.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Frau Suding, Herr Voet van Vormizeele und auch Frau Möller, Sie haben recht, es gibt viele gute Gründe, sehr sorgfältig abzuwägen und die Bedingungen eines erfolgreichen Verbots zu prüfen und herzustellen. Von den Gegnern eines NPD-Verbots aus der FDP und der CDU im Bund werden aber vor allem zwei Gründe genannt. Der erste Grund lautet, die NPD sei auf dem absteigenden Ast und habe in keinem einzigen Bundesland mehr ernsthaften Zulauf. So hat es zum Beispiel vor einigen Tagen der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Herr Laschet, gesagt. Gibt es also eine Entwarnung? Falsch, die NPD ist in zwei Landtagen vertreten und sie verfügt über 400 kommunale Mandatsträger.

Man sollte sich aber die Ergebnisse von Wahlen, bei denen die NPD nicht in Parlamente eingezogen ist, unbedingt genauer ansehen. Ich nehme einmal als Beispiel Sachsen-Anhalt im Jahr 2011. Die NPD ist an der 5-Prozent-Hürde gescheitert, aber sie erreichte zweistellige Wahlergebnisse bei Arbeitslosen und prekär Beschäftigten, bei unter 30 Jahre alten Männern, auf dem Land und übrigens auch bei Probevoten von Schülerinnen und Schülern, also bei der Jugend. Das ist in anderen Regionen Deutschlands, im Osten und auch im Westen, ähnlich. Im Westen ist die Zustimmung nicht unbedingt genauso hoch, aber es gibt ähnliche Ergebnisse. Das zeigt schon, dass es überhaupt keine Gewähr für eine auch zukünftig relativ geringe Zustimmung bei Wahlen gibt. Die Langzeitstudie "Deutsche Zustände" von Professor Heitmeyer zeigt, dass die – ich zitiere – "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" zunimmt und in diesem Zusammenhang auch die Akzeptanz von Gewalt, und zwar bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. Das ist ein Nährboden für Neonazismus. Wir sehen gegenwärtig in mehreren EU-Ländern, wie schnell die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit sich parteimäßig organisiert, wie solche Parteien anwachsen – ich erinnere an Griechenland, aber auch zum Beispiel an Ungarn – und zu offener Gewalt übergehen. Richtig ist, das wurde schon gesagt, dass ein Verbot der NPD nicht Rassismus, Antisemitismus, Islamophobie

(Katja Suding)

oder andere Arten gruppenbezogener Menschfeindlichkeit erledigt.

Doch damit komme ich zum zweiten Hauptargument aus dem CDU/FDP-Lager gegen das NPDVerbot. Herr Rösler, er ist schon zitiert worden, hat das so formuliert, dass man Dummheit nicht verbieten könne. Es ist bereits kritisiert worden, und zwar völlig zu Recht, dass er damit die Neonazis auf schlimme Weise verharmlost.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und bei Dr. Till Steffen GRÜNE)

Ich möchte trotzdem einmal bei dem Argument bleiben. Man kann Dummheit – ich setze das in Anführungszeichen – nicht verbieten, aber man darf der Dummheit nicht gestatten, um bei Röslers Sprachgebrauch zu bleiben, sich als Partei zu organisieren.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Es ist falsch und es ist schlimm, wenn Herr Meier oder Frau Müller die kulturelle Vielfalt der Gesellschaft als Bedrohung empfinden und Ressentiments entwickeln.

(Zurufe aus dem Plenum)

Ich meinte keine konkrete Person, sondern Lieschen Müller.

Es ist aber immer noch ein Unterschied, ob Individuen solche Ressentiments entwickeln oder ob sich aufgrund solcher Ressentiments Parteien organisieren und diese Parteien hetzen und zum Beispiel massenhafte Ausweisungen von Migrantinnen und Migranten oder dergleichen fordern. Insofern, Herr Voet van Vormizeele, ist ein Parteienverbot nicht nur, aber auch ein Symbol dafür, dass solche Auffassungen tatsächlich politisch bekämpft werden müssen.

(Beifall bei der LINKEN, vereinzelt bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE)

Es geht bei der Verbotsfrage aber darum, ob ein solches extrem menschenfeindliches und antidemokratisches Gedankengut mit Parteienprivilegien ausgestattet wird. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen können die Auftritte der NPD in den Landtagen über das Internet verfolgt werden, und die NPD stellt tatsächlich alle Reden, die das Fernsehen bereitstellt, ins Internet, immer mit dem Hinweis verbunden, dass es eine Dokumentation des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern ist. Ihre Anträge, Anfragen und Reden stehen in der Parlamentsdatenbank. Die NPD ist in diesen Ländern Teil der Legislative. Sie kann sich mit dieser Autorität schmücken und mit ihr die ihr verhasste Demokratie von innen heraus bekämpfen. Sie kann sogar aus dem Landtag heraus Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten begrüßen und propagieren. Ich habe mir einige Reden angesehen und ich

sage Ihnen, das ist diesbezüglich unappetitlich. Der Grat, wann derartige Aussagen strafbar oder nicht strafbar sind, ist sehr schmal. Den beherrscht und beachtet sie, aber es sind unverkennbar Aufforderungen, zum Beispiel die Gewalt in die Hand zu nehmen.

Fragen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen in den beiden Bundesländern, wie schwer es ist, mit solchen Situationen umzugehen, in der die NPD alle Möglichkeiten nutzt, die Demokratie und Parlamentarismus ihr als Partei bieten, um die Demokratie, das parlamentarische Regierungssystem und das friedliche Zusammenleben in diesem Land zu bekämpfen. Der Verzicht der Bundesregierung sendet mit diesen Begründungen die falschen Botschaften.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und ver- einzelt bei den GRÜNEN)

Das Wort bekommt Senator Neumann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin froh darüber, dass wir zumindest in dieser Bürgerschaft ein großes Einvernehmen zwischen den Bürgerschaftsparteien, aber auch dem Senat haben, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus natürlich eine mehrdimensionale Aufgabe ist, die sich nicht allein darauf reduzieren lässt, ein Parteienverbot anzustrengen, sondern dass wir auf verschiedenen Wegen dagegen angehen müssen, etwa im politischen oder gesellschaftlichen Meinungskampf. Vor allem aber haben wir auch in den Bereich der Bildung und der Aufklärung zu investieren. Wir können nicht nur das Heil darin suchen, eine Partei zu verbieten, sondern wir müssen auf allen drei Gebieten entschlossen gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass auftreten. Dieses Signal geht nicht erst seit heute, sondern seit Jahren von der Bürgerschaft und vom Senat aus. Das ist etwas, worauf Hamburg stolz sein kann.

(Beifall bei der SPD)

Dem Thema politische Bildung und Aufklärungsarbeit widmen sich viele Menschen in unserer Stadt, viele hauptamtlich, aber noch mehr sind ehrenamtlich engagiert. Diese Menschen machen sich damit mehr als verdient und ihnen gebührt Dank und Anerkennung. Aber wir müssen auch unsere Pflicht tun und mit den rechtsstaatlichen Mitteln dieser Bedrohung unserer Gesellschaft, der Form, wie wir in unserer Republik leben wollen, begegnen. Zu den rechtsstaatlichen Mitteln gehört es eben auch, das Instrument – das letzte Instrument, wie es vorhin schon in der Debatte genannt worden ist – eines möglichen Parteienverbots nicht nur abzuwägen, sondern, wenn wir zu der Überzeugung kommen, auch anzuwenden. Wie es gerade beschrie

(Christiane Schneider)

ben worden ist, geht es natürlich genau um die Möglichkeit, Finanzierungswege zu beschneiden, Organisationsstrukturen zu beschneiden und schlichtweg deutlich zu machen, dass es in unserem Land unvorstellbar, undenkbar und eine große Qual ist hinzunehmen, dass mit öffentlichen Steuermitteln diese Hetze auch noch finanziert wird. Deshalb ist es aus Sicht des Senats richtig, dieses Verbot anzustreben.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und ver- einzelt bei den GRÜNEN)

Wir haben lange im Kreis der Innenminister der Länder und auch des Bundes darüber diskutiert, und es gab auch bei Herrn Friedrich Bewegung dahingehend, der offensichtlichen und absoluten Mehrheitsmeinung, der Einstimmigkeit der Länder zu folgen. Auch der Kollege Bosbach, der immer gut dafür ist, eine andere Meinung zu vertreten, hat sich deutlich bewegt hinsichtlich seiner Äußerungen zu einem möglichen Verbotsverfahren. Herr Schünemann, er ist bereits angesprochen worden, ist ein Mann, der lange darum gekämpft hat, Wege zu finden, um ohne ein Parteienverbot die Finanzierungswege der NPD trocken zu legen. Er hat sich dann aber überzeugen lassen. Dass alle Landesinnenminister, gleich welcher Couleur, mit der vollen Spannbreite aller denkbaren Koalitionen zu diesem Ergebnis gekommen sind, ist doch auch ein Indiz dafür, dass die im Moment noch unter Verschluss gehaltene Materialsammlung so aussagekräftig ist, dass alle Parteien, angefangen von der CDU/CSU über Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bis hin zu den GRÜNEN und der Linkspartei, auf Landesebene gemeinsam zu dem Ergebnis gekommen sind, dass ein Verbotsverfahren richtig, angemessen und erfolgreich sein wird. Auch hier können wir vielleicht voller Stolz sagen, dass Förderalismus unserem Land gut tut. Offensichtlich scheinen die Länder andere und bessere Erkenntnisse zu haben als der Bund.

(Beifall bei der SPD)

Dabei muss man aber wissen, dass ein Großteil der Materialsammlung auf Erkenntnisse des Bundes zurückgeht, also Herr Friedrich genau die Dinge geliefert hat, mit denen die Länder überzeugt worden sind, und dass wir auch von vornherein gesagt haben, wir folgen schlichtweg der Gebrauchsanweisung des Bundesverfassungsgerichts, um sicherzustellen, dass wir nicht wieder, wie vor zehn Jahren, vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern. Die Tatsache, dass die V-Mann-Freiheit noch nicht schriftlich bestätigt worden ist, liegt schlichtweg darin begründet, dass wir während der gesamten Phase, auch während der heutigen Diskussion, weiter Materialien sammeln. Alle Materialien, die bisher in dieser Sammlung sind, sind V-Mannfrei, und es werden ständig welche hinzugefügt. Mit der Klageabgabe werden alle Innenminister inklusive des Bundesinnenministers diese V-Mann

Freiheit bestätigen. Deshalb bitte ich, dieses Argument, das in der Sache falsch ist, in Zukunft nicht mehr zu verwenden. Wir haben uns in der Innenministerkonferenz darüber verständigt, dass wir erst am Ende des Prozesses, wenn die Klageschrift formuliert ist, der Materialsammlung VMann-Freiheit bestätigen. Sie ist es aber bereits jetzt, und es ist kein Argument gegen die Einbringung dieser Klage.

(Beifall bei der SPD)

Ich will die Sache mit dem Argument, Dummheit könne man nicht verbieten, auf den Punkt bringen, sehr geehrte Frau Suding. Man kann, genau wie der Kollege van Vormizeele gesagt hat, Zweifel haben, man kann das fachlich und sachlich diskutieren, und Sie haben da heute auch Argumente gebracht, keine Frage. Aber Ihr Bundesvorsitzender hat nicht sachlich argumentiert.

(Dietrich Wersich CDU: Lassen Sie das doch!)

Ihr Bundesvorsitzender hat keine Argumente genannt, sondern er hat gesagt, Dummheit könne man nicht verbieten, und das war sein Fehler, der auch angesprochen werden muss. Er hat damit nicht nur der Forderung des Verbots, sondern generell auch der FDP schweren Schaden zugefügt, und deshalb haben Sie selbst damit zu einem großen Schaden für unsere Demokratie beigetragen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Diese Argumentation überzeugt nicht,

(Beifall bei der SPD)

denn erstens handelt es sich dabei nicht um Dummheit, sondern es handelt sich um Straftäter. Es handelt sich um politisch motivierte Verbrechen, die dort begangen werden, und es handelt sich um Hetze, Verfolgung und Agitation.

(Finn-Ole Ritter FDP: Ist ja gut!)

Und das Zweite: Wenn ich der Argumentation des Herrn Rösler folge, hätte Herr Ahlhaus beispielsweise niemals, was ich von der Entscheidung her absolut richtig fand, die Al-Quds-Moschee verbieten können.