Achtens: kein Bürokratiekostencheck. Es gibt kein Wort dazu, welche Kosten das Gesetz für diejenigen Unternehmen verursacht, die sich bereits jetzt anständig und korrekt an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen.
Neuntens: Dass ein hamburgisches Register Korruptionstäter tatsächlich abschreckt, ist bislang weder bewiesen, noch ist es menschlich nachvollziehbar. Denn selbstverständlich sind Korruption, Steuerhinterziehung und Sozialversicherungsbetrug bereits heute strafbar und in schweren Fällen mit mehrjährigen Haftstrafen oder hohen Geldstrafen bedroht, ohne dass dies bislang eine durchschlagende Abschreckungswirkung gezeigt hätte.
Zehntens und Letztens: Die FDP hält es daher für besser, nicht nur auf Repression zu setzen. Wir wollen nicht nur die schwarzen Schafe zählen,
sondern lieber die weißen Schafe belohnen. Wir halten es daher für den besseren Weg, anstelle eines überflüssigen, kostenträchtigen und zumal bürokratischen neuen Korruptionsregisters lieber ein Positivregister für solche Unternehmen zu schaffen, die gute Compliance-Konzepte nachgewiesen haben. Wir freuen uns auf spannende Diskussionen im Ausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben in dieser und der letzten Legislaturperiode bereits öfter über die Frage der Korruptionsbekämpfung diskutiert. Frau Prien, Sie sprachen von Korruptionshysterie. Tatsächlich ist aber Korruption auch in der Bundesrepublik Deutschland ein großes wirtschaftliches Problem. Ich finde interessant, dass wir unterschiedliche Zahlen haben – wenn Sie sich alle unterhalten, dann spreche ich eben nur zu Frau Prien –, aber vor ungefähr einem Jahr erschien in der "Welt" ein Bericht, laut dem Forscher davon ausgehen, dass in der Bundesrepublik Deutschland zurzeit jährlich ein wirtschaftlicher Schaden von 250 Milliarden Euro für die gesamte Wirtschaft verursacht wird. Und solch einen Schaden kann sich keine Gesellschaft leisten.
Korruption ist auch ein großes Problem für die Demokratie, daran möchte ich erinnern. Wenn private Unternehmen staatliche Stellen schmieren und ihre Profitinteressen damit direkt auf staatliches Handeln durchgreifen, dann untergraben sie demokratische Entscheidungsprozesse, und zwar zum Nachteil der Öffentlichkeit. Ein Problem gibt es also auf jeden Fall. Deshalb finden wir es grundsätzlich gut, dass jetzt ein Gesetzentwurf vorliegt.
Frau Prien, ich möchte auch Sie daran erinnern, warum dieser jetzt vorliegen muss und warum wir das gut finden. 2008 ist der Versuch einer Bundesregelung gescheitert; darauf wird in der Gesetzesbegründung hingewiesen. Der Bundesrat hatte damals vergeblich angemahnt, den Gesetzentwurf zur Modernisierung des Vergaberechts zu erweitern und die gesetzliche Grundlage für die Einrichtung eines bundesweiten Registers für schwere Verfehlungen von Bietern zu schaffen. Nun umgeht der Senat die Blockadepolitik von SchwarzGelb auf Bundesebene und legt einen Gesetzentwurf vor, der die Kooperation mit Nachbarländern oder eben eine bundesweite Lösung offenhält. Das begrüßen wir prinzipiell.
Wir begrüßen auch – und hier stimme ich mit Herrn Kluth überhaupt nicht überein –, dass unser Einwand, den wir in der letzten Legislaturperiode gegen einen Gesetzentwurf der SPD – Sie waren damals in der Opposition – in der Bürgerschaft zur Debatte gestellt haben, im jetzigen Gesetzentwurf berücksichtigt ist. In Ihrem damaligen Entwurf trug die SPD der Unschuldsvermutung nicht ausreichend Rechnung. Es ging darum, dass der Eintrag in das Register bereits dann erfolgt, wenn die Anklage zugelassen wird. Das Problem ist jetzt behoben. Herr Kluth, bei dem Paragrafen 4 geht es nicht um den Eintrag in das Register, sondern um die Mitteilung an die Informationsstelle, und zwar über die Eröffnung und den Abschluss eines Verfahrens. Das betrifft nicht die Unschuldsvermutung, sondern ist wirklich etwas anderes als der Eintrag in ein Informationsregister.
Ein großes Problem, auf das ich bei dieser Gelegenheit hinweisen möchte, ist mit einem Hamburger Gesetz generell nicht zu lösen. Deutschland hat nach wie vor weder die UN-Konvention gegen Korruption ratifiziert noch das Strafrechtsabkommen über Korruption des Europarats. Dazu bedarf es unter anderem und vor allem einer Erweiterung des jetzigen Paragrafen 108e des Strafgesetzbuches, nämlich der Abgeordnetenbestechung, was von Schwarz-Gelb bisher verhindert wird. Die jetzige Fassung des Paragrafen 108e beschränkt den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung auf den eher kleineren Teilbereich des Stimmenkaufs beziehungsweise Stimmenverkaufs. Auch die Empfehlungen des Europarats, mehr Transparenz im Bereich der Parteienfinanzierung zu schaffen, werden missachtet. Das ist kein geringes Problem für die Demokratie, muss jedoch auf Bundesebene geregelt werden, und zwar hoffentlich nach den nächsten Wahlen.
Die politische Wirkung, die von der Einrichtung eines Korruptionsregisters in Hamburg ausgeht, ist sicher hilfreich für die bedingungslose und umfassende Bekämpfung von Korruption. Die einzelnen Regelungen des Gesetzentwurfs können wir dann gern im Ausschuss erörtern.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Vorhaben des Korruptionsregisters spricht für sich. Frau Prien, ich würde wegen des Begriffs "Korruptionsregister" nicht gleich weglaufen. Es geht um Wirtschaftskriminalität und Korruption, aber nicht nur – insofern
haben Sie recht –, sondern es geht auch um wettbewerbswidriges Verhalten, illegale Beschäftigung und viele andere Dinge dieser Art. Das wirkt für Unternehmen auf den ersten Blick schwierig, aber wir haben die Hinweise der Kammern und Verbände aufgenommen. Es ist gut für die Mehrzahl der Betriebe, wenn die schwarzen Schafe, die es leider gibt, von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen werden, ohne dass man etwas vergisst und übersieht. Weil das Konzept so überzeugend ist, hat es Freunde gefunden. Wir wollen das gern gemeinsam mit anderen Ländern betreiben. Es gibt schon ein deutliches Interesse in SchleswigHolstein, vielleicht auch in Niedersachsen. Der Sinn der Übung ist, dass man die Daten gemeinsam erhebt, gut aufbereitet und nutzt, um bei der öffentlichen Auftragsvergabe die vielen gut arbeitenden Unternehmen in einem fairen Wettbewerb zu beauftragen. – Vielen Dank.
Wer einer Überweisung der Drucksache 20/7202 an den Haushaltsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist einstimmig angenommen worden.
Wir kommen zum Punkt 7 der Tagesordnung, Drucksache 20/6935, Große Anfrage der SPDFraktion: Zwei Jahre Gleichstellungspolitik – was hat sich in Hamburg im LGBTI-Bereich getan?
[Große Anfrage der SPD-Fraktion: Zwei Jahre Gleichstellungspolitik – was hat sich in Hamburg im LGBTI-Bereich getan? – Drs 20/6935 –]
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Meiner Fraktion, dem Senat, aber auch mir persönlich war es sehr wichtig, dieses Thema heute zur Debatte anzumelden, weil wir über das Thema Regenbogenpolitik oder LGBT selten genug in diesem Hohen Hause sprechen. Sie haben sicher mitbekommen, dass die Diskussion zu diesen Themen in den vergangenen Wochen und Monaten an Dynamik gewonnen hat, gerade wenn man dieses mit den Debatten in den anderen europäischen Ländern vergleicht, auch wenn die Ergebnisse – zumindest aus Sicht der SPD-Fraktion – noch nicht befriedigend sind. Aber dass wir diese Diskussion
Begrüßenswert ist auch die Entscheidung, die heute in Frankreich getroffen wurde. Sie zeigt, dass die Diskussion, die wir in der Bundesrepublik über die Öffnung der Ehe führen, keine rein deutsche ist, sondern dass sie in einem größeren europäischen Kontext stattfindet. Es ist begrüßenswert, dass der französische Senat dem neuen Gesetz für Frankreich nach der Entscheidung der Nationalversammlung von vor ein paar Wochen zugestimmt hat. Das ist ein Beispiel, dem die Bundesrepublik Deutschland und vor allem auch die Bundesregierung endlich folgen sollten.
Wir gehen in der Bundesrepublik einen etwas anderen Weg. Hier haben vor allem in dieser Frage Gerichte Grundsatzentscheidungen zu fällen beziehungsweise müssen Betroffene über Gerichte ihre Rechte einklagen. Das ist ganz grundsätzlich ein unbefriedigendes Verständnis von Rechtsstaat. Es kann nicht sein, dass der Staat oder eine Regierung darauf bauen, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Rechte, für deren Durchsetzung man selbst nicht die politische Kraft hat, vor Gerichten einklagen müssen. Wir alle sollten gemeinsam für eine andere politische Kultur werben und selber dazu unseren Beitrag leisten.
Meine Fraktion hat dieses Thema aber nicht nur angemeldet, weil uns das Thema wichtig ist, sondern weil es nach zwei Jahren SPD-Regierung eine sehenswerte und beachtliche Bilanz gibt. Hamburg ist in der Bundesrepublik zu einem Vorreiter geworden. Es ist gemeinsam mit Berlin und anderen Bundesländern eines der Bundesländer, die in diesem Land mit Initiativen – etwa im Bundesrat zur Öffnung der Ehe, aber auch zum Paragrafen 175 – beispielgebend sind und hierbei eine Arbeit leisten, die für andere beispielhaft ist.
Über das Thema Öffnung der Ehe ist hinlänglich diskutiert worden. Ich will aus Sicht der SPD-Fraktion nur festhalten, dass ich dem Senat und vor allem der Justiz- und Gleichstellungssenatorin Jana Schiedek persönlich sehr dankbar bin, dass sie sich mit einem hohen persönlichen Engagement im Bundesrat, aber auch bundesweit in diese Debatte eingebracht hat und mit klugen Argumenten die Diskussion sinnvoll bereichert hat, was man weiß Gott nicht von allen Beiträgen zu dieser Diskussion behaupten kann.
Ich will an dieser Stelle auf einen Punkt eingehen, der mir persönlich – das mag mit meinem Background als Historiker zu tun haben – sehr wichtig ist. Hamburg hat sich entschieden, den Paragrafen
175, vor allem seine Anwendung zwischen den Jahren 1949 und 1969, aufzuarbeiten und hat damit eine Entscheidung getroffen, wie sie bislang kein anderes Bundesland getroffen hat. Man muss, das gestatten Sie mir an dieser Stelle bitte, zur historischen Einordnung kurz einiges sagen.
Das Erstaunliche bei der Strafrechtsprechung gegen Homosexuelle ist, dass im späten Kaiserreich und in der Weimarer Republik die Rechtsprechung und Rechtsauffassung wesentlich liberaler als unter den Nationalsozialisten war. Die Nationalsozialisten haben 1935 nach dem Röhm-Putsch eine massive Verschärfung der Rechtsprechung durchgeführt, wie sie in anderen europäischen Ländern so nicht stattgefunden hat. Das Besondere am Paragrafen 175 ist aber nicht – das ist zumindest für die Historiker keine Überraschung –, dass die Nationalsozialisten dieses neue Gesetz nach dem Röhm-Putsch mit einer massiven Anti-Homosexuellen-Propaganda in der deutschen Bevölkerung zu verankern versucht haben, sondern dass der Paragraf 175 nach Ende des Zweiten Weltkriegs und dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ohne irgendeine Änderung in die Rechtsprechung der Bundesrepublik Deutschland übernommen und von 1949 bis 1969 auch hier in Hamburg konsequent verfolgt wurde. Die letzte Zahl, mit der ich historisch argumentieren möchte: Zwischen 1935 und 1945 sind im Deutschen Reich 50 000 Urteile nach Paragraf 175 erfolgt, in der Zeitspanne zwischen 1949 und 1969, also in zwanzig Jahren Bundesrepublik, sind genauso viele Urteile, nämlich 50 000, gesprochen worden. Man kann also feststellen, dass in 20 Jahren Bundesrepublik genauso viele Menschen nach Paragraf 175 verurteilt wurden wie nach zehn Jahren nationalsozialistischer Gewaltherrschaft. Es ist richtig und wichtig, dass diese Stadt diesen Punkt aufarbeitet, auch wenn das rechtsphilosophisch eine schwierige Frage ist. Denn hätte man 1949, 1959 oder Anfang der Sechzigerjahre eine Befragung unter der Hamburger Bevölkerung gemacht, so hätte eine Mehrheit diesen Paragrafen für richtig befunden. Es ist für uns alle kollektiv eine große Herausforderung, diesen historischen Aspekt zu betrachten und festzustellen, dass das, was damals die Mehrheit als richtig empfunden hat, nach heutiger Perspektive nicht mehr rechtens sein kann. Es ist eine Herausforderung für den Rechtsstaat zu erkennen, dass sich das, was einmal als Recht empfunden wurde, im Nachhinein als Unrecht herausstellt. Dass Hamburg diesen mutigen Schritt geht, ist richtig, wichtig und sehr begrüßenswert.
Zu guter Letzt will ich noch kurz auf einen weiteren wichtigen Aspekt eingehen, nämlich auf die Frage der Städtepartnerschaft mit Russland. Man kann sich nach zwei Jahren Halbzeitbilanz nicht um die
Auseinandersetzung mit dem Thema Sankt Petersburg und Russland allgemein drücken, denn die aktuelle Gesetzgebung in Russland hat verheerende Auswirkungen. Es ist nicht mehr möglich – und das ist vielleicht ein Beispiel, was für viele hier im Hause gut nachvollziehbar ist –, sexuelle Präventionsarbeit gezielt für Schwule und Lesben zu machen. Das ist ein gewaltiges Problem. Russland hat ungefähr 145 Millionen Einwohner und nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation 1,3 Millionen HIV-Infizierte, und zwar deshalb – ich will dieses Argument hier einmal bringen –, weil diese sogenannten Gesetze gegen Schwulenpropaganda in Russland dazu führen, dass dort überhaupt keine Präventionsarbeit mehr gemacht werden kann. Wir alle sollten uns verdeutlichen, dass die Problematik, mit der wir es gerade in Russland zu tun haben, in den kommenden Jahren massiv zunehmen wird. Zu glauben, dass das, was dort passiert, nicht irgendwann auch ganz reale Konsequenzen für Westeuropa haben wird, ist eine Illusion. Es hat genügend Beispiele auch in der jüngeren Vergangenheit dafür gegeben. Dieses Thema zu bewegen liegt also in unser aller Interesse, weil es uns irgendwann in Westeuropa betreffen wird. Insofern sind wir alle gefordert, dieses Thema offensiv gegenüber der russischen Seite anzugehen.
Kurz noch zum Aspekt der schwul-lesbischen Jugendarbeit. Es ist inhaltlich ein entscheidender Punkt, dass wir in den vergangenen zwei Jahren hier eine Neuausrichtung vorgenommen haben, und zwar anders, als von CDU und GRÜNEN geplant, nicht mit einem komplett neuen Träger, sondern indem wir auf die Arbeit bewährter Träger gesetzt haben und diese fortführen wollen. Dort wird ein integratives Angebot gemacht.
Was mir und der Fraktion wichtig war, das will ich noch einmal feststellen: Wenn wir zusätzliche Mittel in den Jugendbereich geben, dann müssen das Mittel sein, die für schwule, lesbische und weitere Jugendliche in Frage kommen. In Ihrem Konzept wurde allein für schwule Jungen in dieser Stadt ein Angebot gemacht. Das ist ein Punkt, den ich nie nachvollziehen konnte. Auch junge Lesben brauchen Hilfe. Das haben wir konsequent umgesetzt. So weit zur Halbzeitbilanz der SPD in diesem Punkt.
Ich bin sehr zufrieden und danke dem Senat, dass er, obwohl es kein offizielles schwules oder lesbisches Senatsmitglied gibt, absolut hinter diesem Thema steht und dieses sehr glaubwürdig bewegt, glaubwürdiger als viele Senate, die vielleicht mehr Homosexuelle in ihren Reihen zu versammeln hatten. – Vielen Dank.