Was ist der Anlass für unsere Kritik? Eine Schriftliche Kleine Anfrage von mir im März ergab Folgendes. Der Landesbetrieb für Geoinformation und Vermessung durfte ohne vorherige Ankündigung 3D-Panorama-Aufnahmen machen, immerhin auf 25 Kilometern Länge als erste Teststrecke. Weitere Fahrten sollen laut gestern zurückgekommener Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage an
scheinend nicht mehr folgen. Weitere Entscheidungen sind aber erst nach der Projektevaluation im Herbst 2013 vorgesehen. Der Senat sah im März noch keine Veröffentlichungspflicht der erhobenen Geodaten, obwohl diese laut Transparenzgesetz bestehen könnte. Die Begründung hierfür gemäß gestern zurückgekommener Nachfrage lautet, dass die Daten wohl nicht ins Liegenschaftskataster beziehungsweise in andere offizielle Datenbanken übernommen werden sollen, es seien eben nur Testdaten. Aus meiner Sicht bewegt sich die Behörde hier auf ziemlich dünnem Eis, doch dazu später noch mehr.
Noch vor drei Jahren wurde vom damaligen schwarz-grünen Senat im Bundesrat eine Gesetzesinitiative eingebracht, die nur auf bestimmte Anbieter der Internetwirtschaft zugeschnitten war und eine Ankündigungspflicht entsprechender Aufnahmen vorsah. Der mittlerweile erlassene Selbstverpflichtungskodex der Internetwirtschaft geht viel weiter und sieht Ankündigungspflichten und Widerspruchsrechte der Betroffenen vor. Das halten wir Liberale für sehr begrüßenswert. Weniger begrüßenswert ist allerdings, dass der jetzige SPD-Senat sich aus der Verantwortung auf Landesebene ziehen möchte, wenn er keinen Ankündigungsbedarf für öffentlich-rechtliche Geodatenerhebung annimmt. Die Argumentation bezüglich der Rechtsgrundlagen in meiner Nachfrage SKA ist sehr widersprüchlich. Einerseits seien es doch nur Testdaten und müssten also nach dem Transparenzgesetz nicht veröffentlicht werden. Andererseits bezieht man sich auf Rechtsgrundlagen, die aber wiederum nur für veröffentlichungspflichtige Geobasisdaten gelten. Zudem müssten bei regelhafter Fortführung des Projekts eventuell Rechtsgrundlagen überarbeitet werden. Ich frage den Senat oder auch Herrn Tabbert, der nachher darauf antworten wird: Was gilt denn nun?
Meine Damen und Herren auf der Senatsbank! Auch ein bisschen Grundrechtsverstoß bleibt ein Grundrechtsverstoß, und dagegen kämpfen wir Liberale.
Der richtige und sensible Umgang mit Daten, die gegebenenfalls auch den Schutz der Privatsphäre berühren, scheint dem Senat jedenfalls fremd zu sein. Der schwarz-grüne Hamburger Senat predigte im Bundesrat vor drei Jahren also noch Wasser, der jetzige rote Senat trinkt aber daheim plötzlich Wein, und die SPD-Fraktion scheint dabei einen kräftigen Schluck aus der Pulle nehmen zu wollen. Das ist in Fragen des Datenschutzes und erst recht beim Umgang des Staates mit den Bürgern inakzeptabel.
Das von der gesamten Bürgerschaft verabschiedete Hamburgische Transparenzgesetz ist und bleibt ein Meilenstein der Bürgernähe 2.0. Nichtsdestotrotz wird mit diesem Gesetz von Staat und Verwaltung auch mehr Sensibilität in puncto Datenschutz verlangt. Einer entsprechenden Ausgestaltung von Verwaltungsprozessen kommt also eine hohe Bedeutung zu. Auch vor diesem Hintergrund sollten Behörden und Betriebe der Stadt rechtzeitig den Zweck und Umfang entsprechender Datenerhebungen ankündigen und über gegebenenfalls mögliche Veröffentlichungen informieren. Heutzutage kann ein besonders zeitaufwendiger bürokratischer Vorgang also nicht mehr der Grund sein, das nicht zu tun, und es kann im weiteren Verlauf gegebenenfalls in Kombination mit Widerspruchsmöglichkeiten für Betroffene sicher einige Geschäftsprozesse vereinfachen und unnötige Streitigkeiten verhindern. Wir Liberale sind der Auffassung, je früher mögliche Konflikte mit Bürgern erkannt und beigelegt werden können, desto niedriger sind Bürokratie- und gegebenenfalls sogar Gerichtskosten für die Stadt.
Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir Liberale möchten mit Ihnen und dem Senat das Thema rechtzeitige Inkenntnissetzung der Bürgerinnen und Bürger über Zweck, Umfang und Veröffentlichung staatlicher Datenerhebung gerne im zuständigen Fachausschuss sprechen. Wir bitten Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Überweisungsbegehren, auch um die ganzen Ungereimtheiten in der Schriftlichen Kleinen Anfrage zu klären.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Ritter, der Aufhänger, den Sie für Ihren Antrag gewählt haben, sind Testfahrten. Hier teilen wir als SPD-Fraktion die von Ihnen schon dargestellte Position des Senats. Und wenn es darüber hinausgeht, also bei regelhaften Aufnahmen, dann wird das, was Sie fordern, ohnehin durch die bestehende Rechtslage abgedeckt. Ich darf – ich glaube, er wurde in dieser Legislaturperiode schon einmal bemüht – den französischen Philosophen Montesquieu zitieren, der sagte:
Dieser Satz sollte doch gerade Ihnen als Liberalen zu denken geben, Herr Kollege Ritter. Zwar geht aus Ihrem Antrag nicht klar hervor, ob Sie ein Gesetz wollen oder nicht; immerhin wollen Sie einen zusätzlichen Widerspruch einführen, ob er nun ge
setzlich verankert ist oder wie auch immer er ausgestaltet werden soll. Hier ist Ihr Antrag reichlich unklar.
Warum sollten wir uns mit Anträgen, die man nicht richtig verstehen kann, im Ausschuss befassen? Dann stellen Sie Ihre Anträge so, dass klar ist, mit was wir es zu tun haben.
Sie fordern also eine Regelung, die nicht notwendig erscheint. Bisher hatten wir, was Datenschutzfragen anbelangt, meist keine großen Meinungsunterschiede; hier schienen wir einmal einen zu haben.
Zu Punkt 1 Ihres Antrags: Die mit Ihrem Antrag geforderten Veröffentlichungen sind nach den gesetzlichen Vorschriften unserer Ansicht nach schlicht nicht erforderlich. Wenn Sie wirklich ein Gesetz wollen, dann sagen Sie es; auch das geht aus Ihrem Antrag nicht hervor.
Zu Punkt 2 Ihres Antrags: Die Möglichkeit eines Widerspruchs gegen die Datenerhebung an sich würde es dem Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung schlicht unmöglich machen, seine gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen. So gehören zum Beispiel die amtlichen Luftbilder entsprechend dem Hamburgischen Vermessungsgesetz zu den Geobasisdaten, deren Errichtung, Führung und Bereitstellung gesetzliche Aufgabe des LGV ist. Die Möglichkeit, Bereiche bei der Veröffentlichung unkenntlich zu machen, besteht im Übrigen bereits heute, sehr geehrter Herr Kollege Ritter. Für Luftbildaufnahmen, aus denen die digitalen Orthofotos erzeugt werden, ist bereits geregelt, dass diese mit einer Bodenauflösung von 10 Zentimetern und kleiner nur an Dienststellen der FHH zur Erfüllung ihrer Aufgaben abgegeben werden dürfen. Außerdem ist geregelt, dass bei einer Bodenauflösung von mehr als 20 Zentimetern und kleiner auf Antrag Betroffener Bereiche zum Beispiel durch Verpixelung unkenntlich gemacht werden können, wenn die Betroffenen darlegen können, in welcher Weise ihre privaten Belange betroffen sind. Diese Regelungen sind auch für die Regelungen nach dem Transparenzgesetz bindend.
Zu Punkt 3 Ihres Antrags: Wir halten es für ausreichend, wenn der Hamburgische Datenschutzbeauftragte, wie bereits heute üblich, rechtzeitig vor Einführung neuer Verfahren einbezogen wird.
Schließlich zu Punkt 4 Ihres Antrags: Nach Paragraf 3 Absatz 1 Nummer 9 Hamburgisches Transparenzgesetz sind Geodaten im Informationsregister zu veröffentlichen. Laut Gesetzesbegründung – und das wissen Sie so gut wie ich, denn wir haben uns reichlich mit dem Gesetz befasst – sind damit aber nur Geobasis- und Fachdaten gemeint. Nach Paragraf 4 Absatz 1 Hamburgisches Transparenzgesetz sind personenbezogene Daten bei
der Veröffentlichung im Informationsregister grundsätzlich unkenntlich zu machen. Soweit Geodaten personenbezogene Daten enthalten, sind diese nach Maßgabe der geltenden Datenschutzbestimmungen geschützt. Eine über die Einhaltung der bereits geltenden gesetzlichen Vorschriften hinausgehende Informationspflicht halten wir schlicht nicht für erforderlich. Wenn Sie da anderer Meinung sind, ist das Ihr gutes Recht; Sie haben zudem auch nicht gesagt, dass das verfassungswidrig sei, sondern mutmaßen,
es könnte womöglich und so weiter. Wir glauben allerdings, dass der Datenschutz durch die bereits bestehenden Bestimmungen im Hinblick auf Geodaten ausreichend gewährleistet ist. Deswegen werden wir, ganz im Sinne Montesquieus, Ihren Antrag ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war doch nur ein Test. Diese Aussage des Kollegen Tabbert und des Senats hat das Potenzial zum Satz des Monats: Wir wollten doch nur spielen, war doch alles nicht so gemeint. Lieber Senat, auch ein Test muss den üblichen Vorgaben und gesetzlichen Grundlagen entsprechen.
Außerdem ist die Erstellung von Panoramaaufnahmen ein heikles Thema, was grundsätzlich sensibel behandelt werden muss. Und nicht zuletzt, das haben auch die Vorredner schon ausdrücklich erwähnt, erinnert uns das Ganze an die Kontroverse um das Thema Google "Street View". Hier haben viele Bürger gezeigt, dass sie Grenzen in der Erfassung ihrer persönlichen Daten fordern. Auch der Senat muss diese Grenzen einhalten, und zwar ohne Wenn und Aber.
Der Senat muss bei der Erstellung solcher Aufnahmen auch dafür Sorge tragen, dass die Verfahrensabläufe gewährleistet sind. Das heißt, erstens müssen die betroffenen Anwohner im Vorwege informiert werden, und zweitens sollte auch der Hamburgische Datenschutzbeauftragte eingebunden werden. Warum ist das hier nicht geschehen? Auf Nachfrage stellt der Senat daraufhin lediglich lapidar fest, dass für eine Unterrichtung der Bevölkerung und des Hamburgischen Datenschutzbe
auftragten aufgrund des Testcharakters des Projekts keine Notwendigkeit bestehe. Auch ein Testprojekt kann die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Personen verletzen. Der Verweis auf den Testcharakter ist unzureichend und kann so nach Ansicht der CDU-Fraktion nicht hingenommen werden.
Das Vorgehen des Senats ist nach Auffassung der CDU-Bürgerschaftsfraktion auch rechtlich fragwürdig. Das Hamburgische Transparenzgesetz sieht in Paragraf 3 Absatz 2 Nummer 9 für Geodaten eine Veröffentlichungspflicht vor. Dieses Versäumnis muss im Ausschuss – das ist unsere feste Überzeugung – auch noch einmal ausführlich von den Senatsvertretern erläutert werden.
Es besteht oftmals ein Spannungsfeld zwischen den Erfordernissen der Informationsfreiheit auf der einen Seite und des Datenschutzes auf der anderen. Daher müssen wir gerade bei der Erhebung und Bereitstellung öffentlicher Informationen stets sorgfältig abwägen. Ziel sollte deshalb sein, eine größtmögliche Transparenz zu erreichen. Nur wenn ein Bürger genau weiß, erstens wann, zweitens wo, drittens zu welchem Zweck und viertens in welchem Umfang Daten erhoben werden, kann er persönlich auch abwägen, ob er sich in seinen Rechten beeinträchtigt sieht oder nicht. In dem vorliegenden Fall ist also nicht der Schutz der Daten selbst das Hauptproblem, sondern insbesondere die Intransparenz der Arbeit von Behörden oder Landesbetrieben. Der Bürger erfährt gar nicht erst, dass diese Aufnahmen gemacht werden. Allein damit schränkt der Senat die Rechte der betroffenen Bürger ein.
Der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Professor Caspar hat auf einer Bundestagung zur Informationsfreiheit im September eine interessante grundsätzliche Aussage zu dieser Problematik formuliert. Er hat in einem Fachvortrag gesagt:
"In der Demokratie als der Regierungsform, die auf der Herrschaft des Volkes gründet, muss das Wissen zum Volk kommen. […] Der Zugang zu Informationen, die im Besitz der öffentlichen Verwaltung sind, vermittelt erst die Möglichkeit einer qualifizierten demokratischen Teilhabe."
Demnach eignet sich auch dieses Thema für eine grundsätzliche Debatte über Informationsfreiheit. Dass der Senat Nachhilfe genau in dieser Frage benötigt, ist allen Beteiligten in diesem Hause hin
länglich bekannt. Nicht umsonst bemängelt das Parlament ständig, dass der Senat Schriftliche Kleine Anfragen nur unzureichend beantwortet, ein Missstand, der abgeschafft gehört.
Auch die 32 Rügen der Bürgerschaftspräsidentin an den Senat innerhalb der ersten zwei Jahre der SPD-Alleinregierung sprechen eine deutliche Sprache. Die CDU-Fraktion unterstützt daher den Antrag auf Überweisung an den Rechtsausschuss, um sich sodann im Unterausschuss für Datenschutz und Informationsfreiheit dieses Themas noch einmal ausführlich annehmen zu können.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, Herr Tabbert, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen schätzen die Bedeutung des Themas ein bisschen zu gering ein, wenn Sie uns damit abspeisen wollen, dass das nur ein Test gewesen sei. Erinnern Sie sich einmal daran, was los war, als Google das gemacht hat.