Protokoll der Sitzung vom 24.04.2013

(Dora Heyenn DIE LINKE: Wir werden uns enthalten!)

Auf jeden Fall bleibt es Ihre Aufgabe, dem Parlament und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu erklären, warum für Sie kein Mindestlohngesetz besser ist als dieses.

(Beifall bei der SPD)

Dass man in seiner Überzeugungsarbeit, was einen Mindestlohn angeht, nie aufgeben soll, habe ich heute der Presse entnommen. Die CDU Niedersachsen hat dieses bisherige Unwort Mindestlohn nicht nur ausgesprochen, sondern schriftlich niedergelegt. Das zeigt mir zwei Dinge. Erstens, Arbeit lohnt sich und zweitens, auch die CDU ist eine lernfähige Organisation.

(Beifall bei der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Wer hat dir denn das aufgeschrieben?)

Ich möchte alle Fraktionen in diesem Hause einladen, unser Landesmindestlohngesetz zu unterstützen. Lassen Sie uns gemeinsam ein starkes Signal an alle Beschäftigten in unserer Stadt senden, damit wir am Ende des Tages sagen können, das ist ein guter Tag für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Hamburg und ein guter Tag für Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Frau Dr. Föcking hat das Wort.

Lieber Herr Kollege Schwieger, die Hoffnung auf Lernfähigkeit gebe ich natürlich gern zurück. Wir haben einen Änderungsund-Verbesserungsantrag vorzustellen, und hier können wir auch an Ihre Lernfähigkeit appellieren.

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin Bar- bara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Heute debattieren wir zum dritten Mal innerhalb eines Jahres über das Thema Mindestlohn. Das zeigt, wie wichtig, aber auch wie schwierig das Thema ist, denn es wird oft mit Schlagworten gearbeitet und grob vereinfacht. Dabei ist gerade hier genaues Hinsehen wirklich nötig. Gerade auf dem sehr weiten Feld der angemessenen Bezahlung von Arbeit nützt es nichts, irgendetwas von oben festzulegen und dann nicht zu schauen, was am Ende dabei herauskommt.

(Beifall bei der CDU)

Genau das aber tut die SPD, wenn sie für ganz Deutschland und für alle Branchen per Gesetz einen gleichen Mindestlohn festlegen will. Ein solcher politischer Mindestlohn – das ist wiederholt gesagt worden, aber an diesem Punkt zweifle ich manchmal an der Lernfähigkeit – wird nämlich im Zweifelsfall niemandem gerecht. Dann hätten wir automatisch in Hamburg den gleichen Mindestlohn wie in Vorpommern. Dabei sind weder die Kosten

(Jens-Peter Schwieger)

für die Lebenshaltung noch die Einkaufskraft vergleichbar. Vor allem aber wäre der Mindestlohn dann für alle Branchen ebenfalls gleich. Wer hochqualifiziert ist, bekommt in der Regel aber ohnehin jetzt schon mehr.

(Dirk Kienscherf SPD: Dann braucht er den Mindestlohn nicht!)

Wer geringqualifiziert ist, bekommt dann aber vielleicht nicht einmal mehr einen Arbeitsplatz. Das sieht das neue Frühjahrsgutachten der führenden Wirtschaftsinstitute genauso. Sie befürchten, dass bei einem gesetzlichen landesweit gleichen Mindestlohn vor allem in Ostdeutschland Arbeitsplätze verlorengehen. Schauen Sie nach Frankreich. Die Institute gehen davon aus, dass der Mindestlohn dort die wachsende Arbeitslosigkeit, die innerhalb eines Jahres noch einmal um 3 Prozent gestiegen ist, mitverursacht hat.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Gerade junge und schlecht ausgebildete Menschen finden dort immer schwieriger Arbeit. Der pauschale gesetzliche Mindestlohn ist also nicht die Lösung, auch wenn sie so schön einfach klingt. Wir als CDU schlagen einen, wie ich zugeben muss, schwierigeren Weg vor, denn auch wenn uns manchmal das Gegenteil unterstellt wird, auch heute wieder, so sind wir davon überzeugt, dass auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes die Marktwirtschaft sozial sein muss.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von Arno Mün- ster SPD)

Ebenso sind wir davon überzeugt, dass Arbeit nicht einfach eine Ware ist, Herr Münster, sondern jeder Arbeitnehmer für seine Arbeit angemessen entlohnt werden muss.

(Beifall bei der CDU)

Aber, und hier liegt der Unterschied zu Ihnen, wir sind uns sicher, dass es in erster Linie nicht der Staat ist, der diese Entlohnung festlegen soll.

(Arno Münster SPD: Die Arbeitnehmer?)

Das sollen die tun, die die Lage vor Ort und in der Branche wirklich kennen, also die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften.

(Dirk Kienscherf SPD: Aber wenn es die doch nicht gibt? Darum geht es doch!)

Das funktioniert in der Regel auch. Gerade vorgestern haben die Friseure mit ver.di einen tariflichen Mindestlohn ausgehandelt, ausgerechnet die Friseure, die immer als Beispiel für die Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns herangezogen wurden. Wenn man sich die Lösungen der Friseure anschaut, dann sieht man, dass dort Leute gehandelt haben, die die Lage kennen. Die gehen von einem zunächst unterschiedlichen Mindestlohn in Ost und West aus, der aber bis 2015 angeglichen

wird. Auf diese Weise gelingt es, dass in Ostdeutschland kein Friseur schließen muss, die Leute ihre Arbeit behalten, aber der tarifliche Mindestlohn durchgesetzt werden kann durch die Tarifparteien.

(Beifall bei der CDU)

Das macht deutlich, dass Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer diese Frage sehr viel besser als wir Politiker regeln. Die Politik muss nur in Ausnahmen gefordert sein, dort, wo es eklatante Fehlentwicklungen gibt, wo Tarifverträge fehlen und wirklich Dumpinglöhne gezahlt werden.

Wir von der CDU wollen – das ist schwierig, das gebe ich zu, aber der Sache angemessen – für das Bundesgebiet eine Tarifkommission aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern unter neutralen Vorsitzenden. Diese Kommission soll dann eine Lohnuntergrenze für die Bereiche festlegen, für die es nötig ist. Dieser Weg ist schwieriger, aber er führt auch zu den richtigen Lösungen.

(Beifall bei der CDU)

Auf dieser Basis haben wir uns Ihren Gesetzentwurf sehr genau angeschaut. Er hat im Wesentlichen zwei Teile. Der erste regelt, was die Stadt zahlt, wenn sie selbst Arbeitgeberin ist oder quasi hoheitliche Aufgaben auf andere überträgt. Der zweite Teil will über das Vergaberecht auch Unternehmen und Handwerksbetrieben bestimmte Löhne vorschreiben, wenn sie Leistungen an die Stadt erbringen. Dabei müssen solche Firmen auch jetzt schon tariftreu sein. Ist die neue Regelung also wirklich nötig oder schafft sie nur neuen bürokratischen Aufwand?

Auch sonst enthält dieser Teil viele offene Fragen. Über die Folgen der neuen Öko-Standards auch für kleine Unternehmen haben wir gar nicht gesprochen. Offen ist auch, ob die Regel überhaupt mit der Dienstleistungsfreiheit des Europarechts vereinbart ist. Wir hätten deshalb gern eine Expertenanhörung gemacht, doch das lehnte die SPD für beide zuständigen Ausschüsse ab. Deshalb gab es dann auf unsere Initiative hin – das war ein Minderheitenrecht, das wir geltend gemacht haben – eine öffentliche Anhörung.

(Ksenija Bekeris SPD: Wir waren aber mit dabei!)

Mussten Sie doch, das konnten Sie nicht verhindern.

Und sie hat eben doch deutlich gemacht, dass der Gesetzentwurf vielleicht gut gemeint ist, aber längst nicht in allen Teilen gut gemacht. Deshalb lehnen wir den Artikel 2 des Gesetzentwurfs auch ab.

(Beifall bei der CDU)

Was der Artikel 1 hingegen will, halten wir im Großen und Ganzen für vernünftig. Hier verpflichtet die Stadt nicht andere, sondern vor allem sich selbst als Arbeitgeberin, also als eine Tarifpartei. Es gilt zwar ohnehin schon fast überall, dass die Betroffenen 8,50 Euro bekommen, auch bei den Zuwendungsempfängern und den Sozialdienstleistern, das haben die Tarifparteien auch ganz ohne Gesetz erreicht. Aber wir finden es im Prinzip richtig, wenn die Stadt da noch einmal sagt, sie mache das so.

Nicht richtig finden wir es allerdings, dass in Zukunft die Löhne dann einfach durch den Senat festgelegt werden sollen. Geht es dann wirklich um faire Bezahlung oder geht es vielleicht schon um Wahlkampf?

(Beifall bei der CDU)

Sie, Herr Senator Scheele, und auch der Bürgermeister haben da wohl selbst gewisse Zweifel, denn Sie haben schon öffentlich das britische Vorbild einer "Low Pay Commission" ins Spiel gebracht. Wir fordern deshalb schon jetzt eine solche unabhängige Tarifkommission von Arbeitnehmerund Arbeitgeberseite auch für den Hamburger öffentlichen Bereich. Diese Kommission soll, anders als von den GRÜNEN vorgeschlagen, nicht nur empfehlen, sondern beschließen können. Das soll die Kommission alle zwei Jahre tun, nicht jedes Jahr, wie von der LINKEN gefordert, denn zwei Jahre lang laufen auch die Tarifverträge im öffentlichen Dienst; da soll die Kommission nicht dazwischen regieren.

Unser Vorschlag, und damit sind wir wieder beim Anfang, stärkt die Tarifparteien und nimmt ihnen nicht das Heft des Handelns aus der Hand. Das entspricht dem Grundgesetz und dem Ziel, auch Menschen mit geringer Qualifikation die Chance auf einen Arbeitsplatz nicht zu verbauen.

(Ksenija Bekeris SPD: Auch immer wieder die gleichen Argumente!)

Jetzt werden Sie fragen, warum wir außerdem eine andere Begrifflichkeit wollen und lieber von Mindestentgelt sprechen. Das ist zum einen der korrekte Begriff aus dem Arbeitnehmerentsendegesetz, zum anderen aber lädt der Begriff des Mindestlohns auch dazu ein, ihn immer zu verstehen als landesweit, gesetzlich und branchenübergreifend. Das ist aber im Hamburger Entwurf nicht gewollt, nicht gemeint und auch nicht gesetzt.

(Beifall bei der CDU)

Sie sehen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir von der CDU wissen, dass faire Löhne nicht einfach zu finden sind, dass Schlagworte nicht weiterhelfen, wenn wir Lohndumping verhindern und gleichzeitig Arbeitsplätze – und das ist ganz wichtig – nicht gefährden wollen. Schließen Sie sich unserem Änderungsantrag an und seien Sie lernfähig, dann ist

Artikel 1 des Gesetzes nicht nur gut gemeint, sondern auch besser gemacht. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Demirel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hamburg wird heute nach Bremen als zweites Bundesland ein Landesmindestlohngesetz verabschieden. Wir GRÜNE haben es lange gefordert und freuen uns, dass wir mit unseren Anträgen gemeinsam mit der Fraktion DIE LINKE dazu beitragen konnten.