Protokoll der Sitzung vom 15.05.2013

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist absolut verständlich, dass wir uns heute zum zweiten Mal in einer Aktuellen Stunde mit der Neuordnung der Elbphilharmonie beschäftigen, ist doch die Zustimmung zur Neuordnung, um die der Senat die Bürgerschaft am 23. April gebeten hat, in der Tat eine wichtige Entscheidung. Erst mit Ihrer Zustimmung wird diese Neuordnung rechtswirksam, und wir alle können bei diesem scheinbar unendlichen Bauvorhaben wieder nach vorn blicken.

Ich kann es nachvollziehen, dass sich die Bürgerschaft die Entscheidung nicht leicht macht. Die letzte Debatte zur Elbphilharmonie im Rahmen der Aktuellen Stunde vor drei Wochen war ein signifikantes Beispiel dafür. Dass wir heute erneut in der Aktuellen Stunde hierzu debattieren, macht allerdings deutlich, dass wir gut beraten wären, zügig in die Ausschussberatung einzusteigen.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Farid Müller GRÜNE)

Einige der bisherigen Redebeiträge zeigen, dass eine Pauschalierung und eine inhaltliche Verkürzung der Debatte weder dem Thema angemessen sind noch zu der von Ihnen so erstrebten inhaltlichen Auseinandersetzung führen können.

(Beifall bei der SPD)

Da Sie für die heutige Sitzung jedoch erneut den Weg der Aktuellen Stunde gewählt haben, um Fragen rund um die Neuordnung zu klären, möchte ich Ihnen gern auch hier vor der Bürgerschaft antworten.

(Jens Kerstan GRÜNE: Das ist sehr freund- lich!)

So bin ich.

Sie fragen, warum der Senat auf Hunderte Millionen verzichtet. Die Frage taugt für die schnelle aufgeregte Berichterstattung oder auch für die eine oder andere Titelzeile in den Medien, aber für mehr auch nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die eigentliche Frage, meine Damen und Herren von der Opposition, müsste lauten: Ist der Weiter

(Norbert Hackbusch)

bau mit HOCHTIEF oder die Kündigung die richtige Entscheidung? Stellt man diese Frage, dann wird die Diskussion um einiges unaufgeregter, und auch die "Hamburger Morgenpost" ist am Samstag nach der Schlagzeile auf Seite 1 schon auf Seite 2 im Kommentar zu dem Ergebnis gekommen – ich zitiere –:

"Doch die Einigung mit HOCHTIEF erscheint sinnvoll. Schließlich vermeidet der Senat damit Gerichtsprozesse, die jahrelang dauern können, deren Ausgang nicht absehbar ist […]."

(Jens Kerstan GRÜNE: Dann wären Sie schon wieder raus! – Jörg Hamann CDU: Was ist denn mit den 275 Millionen?)

Genauso ist es. Kein Mensch, auch nicht der versierteste Jurist der Opposition, kann uns garantieren, dass wir nach einer Kündigung vor Gericht in dem Umfang gewonnen hätten, wie wir es uns vielleicht erhofft hätten.

(Zurufe von Jens Kerstan GRÜNE)

Es wird nicht besser, wenn Sie dazwischen rufen, Herr Kerstan.

Sehr viel realistischer wäre es hingegen gewesen, dass auch HOCHTIEF seinerseits Schadensersatzforderungen geltend gemacht hätte und wir in einen Baurechtsprozess hineingeschlittert wären, der mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Vergleich geendet wäre, bei dem nur eine Seite wirklich gewonnen hätte, nämlich die Anwälte.

(Beifall bei der SPD)

Es bleibt dabei, dass unser Schadensersatzanspruch mit großen Unsicherheiten verbunden ist; Frau Vértes-Schütter hat gerade darauf hingewiesen.

Bei der Frage, ob wir mit HOCHTIEF oder nach einer Kündigung in Eigenregie weiterbauen, hatten wir uns nicht nur zu fragen, was wir möglicherweise irgendwann vor Gericht wiederbekommen könnten, sondern auch, welche sonstigen Risiken wir bei dem Bau in Eigenregie eingehen würden. Wir haben dies ausführlich in der Drucksache beschrieben, die Ihnen zur Beratung vorliegt. Herr Wersich, dazu hat auch der Senat in der Drucksache 20/7738 Stellung genommen – ich habe sie mir gerade noch einmal geben lassen –, als er auf Seite 6 sagte:

"Die prognostizierten Kosten für die bauliche Fertigstellung der Elbphilharmonie liegen damit in beiden Szenarien so nahe beieinander, dass deren jeweilige Höhe letztlich nicht für oder gegen das eine oder andere Szenario sprachen und sprechen."

(Glocke – Norbert Hackbusch DIE LINKE: Wo ist die Rechnung?)

Frau Senatorin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Schinnenburg?

(fortfahrend) : Es reicht ein Blick in die Geschichte des Baus, um zu sehen, dass natürlich auch der Weiterbau noch mit dem einen oder anderen Risiko behaftet ist. Dass diese Risiken beim Bau, verbunden mit umfangreichen Garantien zur Qualitätssicherung, die wir ausgehandelt haben, künftig einzig und allein bei HOCHTIEF liegen, stellt eine zusätzliche erhebliche Sicherheit für die Stadt dar, auch in finanzieller Hinsicht.

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GRÜNE: Das müssen Sie doch auch vor Gericht durchsetzen!)

Meine Damen und Herren! In der Drucksache haben wir sehr ausführlich beschrieben, weshalb wir uns zu dieser Neuordnung entschieden haben, und dabei spielte auch eine entscheidende Rolle, dass wir gerade nach der Ihnen allen bestens bekannten Projektgeschichte größtmögliche Sicherheit vor erneuten Kostensteigerungen haben wollten. Wenn Sie in den letzten Wochen die Wirtschaftsfachpresse verfolgt haben, dann werden Sie gelesen haben – der eine oder andere hat es vielleicht nicht so gern gelesen –, dass diese Verlagerung des Risikos weg von der Stadt hin zu HOCHTIEF für die Stadt durchaus als großer Erfolg gesehen werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Nicht umsonst hat diese Regelung innerhalb des Konzerns zu kontroversen Diskussionen geführt. Ich freue mich, dass wir nun einen Fahrplan für die parlamentarische Beratung gefunden haben. Lassen Sie uns, darum bitte ich Sie, die Neuordnung in den Ausschüssen mit der gebotenen Ernsthaftigkeit diskutieren, um den Bau der Elbphilharmonie – daran glaube ich im Übrigen immer noch – möglichst wieder gemeinsam auf einen guten Weg zu bringen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Nun erhält das Wort Frau Hajduk.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Gemessen am Informationsgehalt dieser Drucksache bezogen auf die Grundsatzentscheidung, mit oder ohne HOCHTIEF weiterzubauen, kann ich nur sagen, dass es gut ist, dass der "Spiegel" berichtet hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Dort sind Größenordnungen auf den Tisch gekommen, bei denen ich als Abgeordnete, die selbstver

(Senatorin Barbara Kisseler)

ständlich weiß, dass sie nicht befugt ist, hier über genaue Details der Aktenvorlage zu berichten, nicht gezwungen bin, guten Gewissens diesen Zahlen und Behauptungen widersprechen zu müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Wenn das so ist, dann wird eines klar. Der komplizierte Sachverhalt ist unbestritten, Kollege Hackbusch, aber man kann die Sache, wenn man will, auch zusammenfassen. Das hat der Bürgermeister getan und Frau Kisseler gerade auch noch einmal. Die Kostenabschätzung für das Bauen mit HOCHTIEF liegt höher. Da kommen wir mindestens auf diesen berühmten Betrag von rund 250 Millionen Euro. Und wenn wir es allein gemacht hätten, so die Vorbereitung in der entsprechenden Bau KG, dann wäre die Summe ähnlich gewesen. Also ob mit oder ohne, die Summe ist ähnlich, aber ohne die gesamten gesammelten, durch Gutachten geprüften Rechtsansprüche von diesen, wie der "Spiegel" berichtet, angeblich 244 Millionen Euro. Und wenn man diese zusätzlichen Kosten zu den möglicherweise erstreitbaren Kosten ins Verhältnis setzt – sicherlich nicht übermorgen und auch nicht in zwei, drei Jahren –, dann handelt es sich bei konservativer Schätzung, das ist anscheinend gutachterlich betrachtet worden, und bei 50 Prozent Durchsetzungswahrscheinlichkeit immer noch um einen deutlichen dreistelligen Millionenbetrag, der in der Kostenabwägung nüchtern abgewogen werden muss.

(Beifall bei Dietrich Wersich CDU)

Von einer nüchternen Abwägung in dieser Größenordnung kann man in der Drucksache nichts lesen,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Christiane Schneider DIE LINKE)

außer, dass dort steht, und das finde ich sogar fachlich falsch:

"Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung müsste die Stadt wirtschaftlich in Vorleistung treten."

Dass wir wirtschaftlich in Vorleistung treten müssten angesichts zweier Szenarien, die annährend gleich teuer sind, dabei aber komplett auf unsere Ansprüche verzichten, ist nicht ein In-VorleistungTreten, sondern ein Weglassen und Kleinschreiben der Ansprüche der Stadt, auf die wir verzichten sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dennoch sind wir in unserer Fraktion noch nicht so weit, die Argumente bezüglich der Übergabe der Baustelle, des Rechtsstreits und anderer Dinge vom Tisch zu wischen, und wir sagen nicht, dass das einfach auszurechnen wäre. Ich habe nur die Größenordnung dieses Abwägungsproblems be

schrieben. Es ist doppelt und dreifach erklärungsbedürftig, dass dieser Verzicht aufgrund eines Schwenks stattgefunden hat und dass sich der Senat fast von einem Tag auf den anderen am 15. Dezember zu einer Entscheidung durchgerungen hat, die im Aufsichtsrat über ein Jahr anders vorbereitet war. In diesem Aufsichtsrat, Herr Bürgermeister, sitzen der Staatsrat der Kulturbehörde, der Haushaltsdirektor der Stadt und der ehemalige Senatsdirektor der BSU, der jetzt Staatsrat der Wissenschaftsbehörde ist. Das sind Leute, die sich im Interesse der Stadt eingehend mit diesem Thema beschäftigt haben. Und wenn das dann so umgedreht wird, dann stellt sich folgende Frage an Sie, Frau Kisseler, an den Senat und den Bürgermeister: Wenn Sie partout sagen, Sie wollen dieses Risiko, letztlich allein zu gehen, nicht eingehen, wenn Sie also davon überzeugt sind, dass es zu viele Unwägbarkeiten gibt, dann frage ich mich, warum Sie diese Entscheidung erst am 15. Dezember 2012 getroffen haben und nicht über ein Jahr vorher. Wenn Sie dem grundsätzlich so zweifelnd gegenüberstehen, dann hätten Sie wenigstens einen zweistelligen Millionenbetrag – wir schätzen rund 50 Millionen Euro – an Kosten einsparen können, die Sie durch die Verlängerung des Baus und den Stillstand verursacht haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei Dr. Walter Scheuerl und Dietrich Wersich, beide CDU)

Das heißt, dass Ihre Strategie Ende vergangenen Jahres zusammengebrochen ist, und jetzt mühen Sie sich, dass wir Ihren zeitlichen Irrtümern zu einem sehr hohen Preis folgen sollen.