Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

(Zuruf von Anja Hajduk GRÜNE – Jens Ker- stan GRÜNE: Mehr ist da nicht, oder was?)

und seien Sie ganz sicher, dass auch die CDU/ CSU-Fraktion im Bundestag dazu nicht Ja sagen

wird. Wir werden bei dem bleiben, was wir bisher gesagt haben. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort bekommt Frau Kaesbach.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Damen und Herren! Frau Steppat, Ihr Agieren ist sehr durchsichtig. Sie winden sich und wollen die beiden Anträge überweisen mit einem Argument, das wirklich herbeigeholt ist, mit dem Abwarten auf das Ergebnis der Prüfungen durch den Bremer Staatsgerichtshof. Stimmen Sie doch dem FDP-Antrag zu.

(Kazim Abaci SPD: Was machen Sie denn in Berlin?)

Dessen Petitum 1 ist ganz klar, da steht geschrieben: gleiche Unterstützung der Bundesinitiativen, die eben schon laufen.

(Kazim Abaci SPD: Was machen Sie denn im Bundestag?)

Wir kennen das doch: Sie zögern die Behandlung im Ausschuss hinaus, bis der Senat vorprescht, eine eigene Initiative startet und sich wieder einmal feiern lässt.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie denken immer so negativ!)

Herr van Vormizeele, Sie lenken ab mit Verweisen auf die doppelte Staatsbürgerschaft und dass die Verfassung geändert werden müsse. Die Verfassung muss geändert werden, das wissen wir auch,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das müssen Sie mal in Berlin besprechen!)

insofern muss man da einfach auf Bundesebene eine Initiative starten. Wir haben gehört, woran es liegt und wodurch es gebremst wurde. Seien Sie doch ehrlich und sagen ganz offen, dass Sie Drittstaatlern das kommunale Wahlrecht einfach nicht zugestehen wollen.

(Ksenija Bekeris SPD: Dann lesen Sie sich das doch mal durch, Frau Kaesbach!)

Die FDP-Fraktion schließt sich der Intention des GRÜNEN-Antrags an. Ein kommunales Wahlrecht für Drittstaatsangehörige zu fordern und einzuführen ist wichtig und richtig,

(Beifall bei der FDP, vereinzelt bei den GRÜNEN und bei Tim Golke DIE LINKE)

nicht zuletzt, weil die Forderung eine urliberale Forderung ist. So trieb der damalige Kultur- und Wissenschaftssenator und zudem Zweite Bürgermeister Hamburgs, Ingo von Münch, die Einführung eines Gesetzes zur Einführung des Wahl

rechts für Ausländer zu den Bezirksversammlungen vom 20. Februar 1989 maßgeblich voran.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist denn daraus geworden?)

Wir hören es gleich.

Das hatte auch seinen Grund, Herr Dr. Dressel. Damals wurde genau dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Warum? Weil nur alle Macht vom Volke und damit damals nur von den deutschen Staatsangehörigen ausgehen durfte. Mittlerweile, das haben wir hier schon mehrfach gehört, hat Artikel 28 Grundgesetz eine Reform erfahren, und so dürfen EU-Bürger bereits an Wahlen für die Kreise und Gemeinden teilnehmen.

Genau dieses Wahlrecht soll nun nach unseren Vorstellungen auch Nicht-EU-Bürgern möglich sein. Genau dieses ist aber nur durch eine Änderung des Grundgesetzes möglich. Der Wortlaut von Artikel 28 Grundgesetz ist dahingehend mehr als eindeutig. Daher macht ein Prüfauftrag, so wie die GRÜNEN es in ihrem Antrag fordern, keinen Sinn. Warum prüfen, wenn wir das Ergebnis schon kennen? Daher fordern wir klar und deutlich, dass sich auf Bundesebene aktiv für die Einführung des kommunalen Wahlrechts für Drittstaatsangehörige eingesetzt und sich vorhandenen Initiativen anderer Bundesländer angeschlossen wird, damit das Grundgesetz geändert werden kann.

(Beifall bei der FDP)

Im Anschluss an die Grundgesetzänderung sollte das hamburgische Gesetz über die Wahl zu den Bezirksversammlungen in Paragraf 4 Absatz 2 entsprechend angepasst werden. Auch hierfür ist der geforderte Prüfauftrag der GRÜNEN aus unserer Sicht nicht notwendig. Während die GRÜNEN das kommunale Wahlrecht ohne Voraussetzungen vergeben wollen, setzen wir einen legalen Aufenthalt in Deutschland von fünf Jahren voraus. Wir bleiben bei dieser Forderung unter der relativ hohen Bedingung für die Einbürgerung, denn eine Einbürgerung erfolgt in der Regel erst nach acht Jahren legalen Aufenthalts in Deutschland. Nach fünf Jahren ist aber davon auszugehen, dass der NichtEU-Bürger die Sprache und die behördlichen wie auch die kulturellen Verhältnisse hier kennengelernt und auch einen Eigenbezug zu diesem Land entwickelt hat.

(Zuruf von Mehmet Yildiz DIE LINKE)

Hält sich ein Drittstaatsangehöriger fünf Jahre lang legal und rechtmäßig in Deutschland auf, so soll ihm die Möglichkeit eröffnet werden, sowohl das passive als auch das aktive Wahlrecht auszuüben. Wer hier lebt, arbeitet und Teil der Gesellschaft ist, sollte auch an der Gestaltung des Gemeinwesens teilnehmen können.

(Beifall bei der FDP)

(Kai Voet van Vormizeele)

Er sollte bestimmen dürfen, wie seine gezahlten Steuern, zumindest kommunal, verwendet werden. Er sollte sich einbringen und seine Umgebung mitgestalten dürfen. Gerade unserer Weltstadt Hamburg, wie sie von so vielen betitelt wird, steht es gut an, für das kommunale Wahlrecht von Drittstaatlern einzutreten.

Deshalb fordere ich Sie auf, unserem Zusatzantrag zuzustimmen. Wir begrüßen es schon, dass die SPD-Fraktion der Überweisung zustimmen wird. Geben Sie unseren in Hamburg lebenden NichtEU-Bürgern die Möglichkeit, sich vor Ort einzusetzen und ihre Umgebung mitzugestalten. Lassen Sie uns jetzt eine Bundesratsinitiative starten, um dann in Hamburg loslegen zu können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Herr Golke.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr van Vormizeele, ich finde es schon fragwürdig, das Wahlrecht, und sei es das Wahlrecht für Menschen aus Nicht-EU-Mitgliedsstaaten, als Quatsch zu bezeichnen.

(Kai Voet van Vormizeele CDU: Wann habe ich das Wort Quatsch gesagt? Das sagen Sie mir bitte!)

Gerade eben. Irgendeinen Quatsch an den Staatsgerichtshof in Bremen, so Ihre Worte. Das können wir gerne klären, die Plenarprotokolle liegen demnächst vor.

(Dirk Kienscherf SPD: Können wir mal zum Thema kommen? – Jens Kerstan GRÜNE: Irgend so einen Quatsch beschließen, ir- gend so etwas war das!)

Wir haben einen Antrag der GRÜNEN, das ist gut, und wir unterstützen ihn, keine Frage. Ich habe mich ein bisschen damit auseinandergesetzt, was in der letzten Legislaturperiode so gelaufen ist, und das war ganz interessant.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Da gab es be- stimmt einen Antrag der SPD!)

Da gab es einen Antrag der SPD und einen Antrag der LINKEN, die in einer Sitzung nach einer heftigen Debatte von den GRÜNEN mitabgelehnt wurden. Und Sie haben einen Antrag eingebracht, in dem steht:

"Der Senat wird ersucht, der Bürgerschaft über die Entscheidungsfindung zum kommunalen Wahlrecht von Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern in Bundestag und Bundesrat regelmäßig zu berichten."

Zu einem solchen Antrag – nicht zum Wahlrecht, sondern zu etwas anderem –, der in diesem Haus unter meiner Anwesenheit beraten wurde, habe ich schon einmal gesagt, er habe den Regelungsgehalt eines Brötchenkorbs – und das trifft auf diesen auch zu.

Aber vielleicht bessern Sie sich. Vielleicht liegt es auch daran, dass Sie in der Opposition sind, oder möglicherweise – da stimme ich Herrn Voet van Vormizeele zu – liegt es daran, dass wir gerade Wahlkampf haben. Umso besser, aber dann frage ich mich, warum Sie für Hamburg das kommunale Wahlrecht, meint übersetzt natürlich das Wahlrecht zu den Bezirksversammlungen, fordern. Sie begründen das mit einem massiven Gewinn an Entscheidungsqualität, wobei die Liste dessen, was Bezirksversammlungen dürfen, doch wesentlich kürzer ist als die Liste dessen, was sie nicht dürfen, gerade hinsichtlich der Entscheidungsfragen, die auch in Ihrer Rede genannt wurden, Frau Demirel. Schulpolitik wird nicht in den Bezirksversammlungen gemacht, sondern – wir erleben es hier jede Sitzung wieder – in der Bürgerschaft. Ich will jetzt kein Bezirks-Bashing oder Ähnliches betreiben, aber ich fände es sinnvoll, weil Hamburg eine Sonderrolle einnimmt mit einem Landesparlament, das faktisch eine Zwitterrolle zwischen einer Kommunalvertretung und einem Landesparlament wahrnimmt, dass man sich auch damit auseinandersetzt, ob man nicht zum einen Menschen aus EU-Staaten und zum anderen auch Menschen aus Nicht-EU-Staaten das Wahlrecht für die Bürgerschaft ermöglicht. Es gibt eben gewichtige Themen, die in Flächenländern eher auf Kommunalebene angesiedelt sind – wenige Länder sind komplett Schulträger –, und das findet eher in Landkreisen, manchmal sogar in Samtgemeinden statt. Da könnte man sich eine hamburgische Lösung überlegen und im Zweifelsfall auch auf eine grundgesetzliche Regelung hinarbeiten, die die hamburgische Sonderkonstellation an dieser Stelle berücksichtigt. Das wäre aus unserer Sicht vernünftig, denn dass diese Menschen mitentscheiden können sollen und wahrscheinlich auch wollen, ist klar.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielleicht wollen sie bei Wahlen auch mit darüber abstimmen, dass dieser Senat sich positiv zum Widerspruch der Bundesregierung gegen das europäische Fürsorgeabkommen im Bereich des SGB II geäußert hat und eben nicht mitmachen möchte bei Bundesratsinitiativen, die da laufen.

Ich möchte meine Rede schließen – wir unterstützen die Ausschussüberweisung genauso wie den Antrag – mit einem kleinen Hinweis in Richtung FDP. Es ist aus meiner Sicht nicht einzusehen, warum wir hier eine weitere Hürde einführen sollten. Die Hürde, die im Gesetz steht, sind drei Monate, die man – und Frau auch – in Hamburg ge

(Martina Kaesbach)

lebt haben muss, um zur Bezirkswahl oder zur Bürgerschaftswahl wahlberechtigt zu sein. Als ich nach Hamburg gekommen bin, wusste ich, wer der Hamburger Bürgermeister war, und ich wusste auch, wer es denn demnächst werden würde, aber von den Untiefen und Tiefen hamburgischer Politik hatte ich keine große Ahnung. Und ich komme immerhin nur aus dem 120 Kilometer weit entfernten Bremen.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Das hat sich geändert, aber ich war de facto nach drei Monaten wahlberechtigt. Ich sehe nicht ein, warum dann Menschen fünf Jahre warten sollen, die mit ähnlichen Voraussetzungen wie ich persönlich hierhergekommen sind.

(Beifall bei der LINKEN – Dora Heyenn DIE LINKE: Sagen Sie mal, wer da Bürgermeis- ter war!)