Protokoll der Sitzung vom 29.05.2013

(Christiane Schneider DIE LINKE: Und dann bleiben sie auf der Straße! – Gegenruf von Karin Timmermann SPD: Nun warten Sie doch mal ab!)

Ruhig Blut.

Ich will noch auf einen Hinweis eingehen, den auch Frau Bekeris genannt hat. Es ist nicht so, dass die Infrastruktur in Hamburg für Menschen, die aus anderen Ländern kommen, ganz schlecht ist, sie steht auch diesen Menschen offen. Die Tagesaufenthaltsstätten, vier an der Zahl, geben Essen und Kleidung, und die Kleiderkammern sind voll. Wenn jemand krank ist, haben wir im Gespräch mit den Flüchtlingen die Adressen der Arztpraxen ausgehändigt, die sich auch um illegal in Hamburg lebende Menschen kümmern, sodass auch dort eine Anlaufmöglichkeit besteht. Ich habe gestern schon gesagt, dass es die Nummer 112 in dieser Stadt gibt, und wer krank ist, wird in einem Krankenhaus aufgenommen und behandelt. Die Kostenfrage wird geklärt, wenn die Behandlung beendet ist. Ich lege darauf wert, dass das in dieser Stadt so ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind mit dem Flüchtlingszentrum, der Diakonie und der Kirche seit mehreren Wochen, zuletzt sehr intensiv, im Gespräch – auch die Kirchen haben nach Räumen in ihren eigenen Ressourcen gesucht, aber zunächst nichts gefunden –, wie wir, wenn es um eine geordnete Rückreise geht, diese bei dem Wetter, das wir zurzeit haben, humaner ablaufen lassen können. Der Senat ist bereit, wenn es uns gelingt, eine solche Unterkunft zu finden – es sollen keine Zelte sein, sondern eine feste Unterkunft –, diese für vier bis sechs Wochen zur Verfügung zu stellen unter der Bedingung, dass das ein Bestandteil der Rückreise nach Italien ist. Mit dieser Unterbringung aus humanitären Gründen soll ein Schutz vor Krankheiten stattfinden. Das versuchen wir mit der Diakonie und der Kirche hinzubekommen, die Geld und ehrenamtliches Engagement geben. Wir bedanken uns ausdrücklich, dass wir hier nicht alleine stehen.

(Beifall bei der SPD und bei Carl-Edgar Jar- chow FDP)

Ich kann Ihnen heute nicht sagen, wann wir das realisiert haben werden. Hier ist darauf hingewiesen worden, wie schwer die öffentlich-rechtliche Unterbringung in Hamburg zurzeit zu organisieren ist; das haben wir öfter miteinander besprochen. Wir bemühen uns und versuchen auch nicht, solche Standards zu finden, wie wir sie bei öffentlichrechtlicher Unterbringung haben, damit wir überhaupt etwas finden. Unser Angebot ist: medizinische Versorgung, Tagesaufenthaltsstätten mit Kleidung und Essen, der Versuch einer befristeten Unterkunft für wenige Wochen im Rahmen eines Gesamtkonzepts zur Rückführung nach Italien oder,

(Senator Detlef Scheele)

wenn es im Einzelfall gewünscht ist, auch in die ursprünglichen Heimatländer. Wenn das der Wunsch sein sollte, dann geht das auch. Aber der Senat hat keine Möglichkeit, hier eine dauerhafte Bleibeperspektive zu eröffnen. Die Kooperation zwischen der Hamburger Landesregierung, der Bundesregierung, der italienischen Botschaft und den Behörden in Italien ist augenblicklich gut, sodass wir hoffen, auch im Herkunftsland eine Perspektive entwickeln zu können, in die man verantwortbar zurückschicken kann. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Jetzt haben die Fraktionen Gelegenheit, darauf zu antworten. Frau Schneider hat das Wort.

Meine Damen und Herren! Die Debatte wird emotional geführt, weil wir Menschen sind und weil Menschen in einer reichen Stadt inmitten von Reichtum auf der Straße leben.

Herr Senator, es ist außerordentlich bedauerlich, dass Sie auf keinen einzigen der konkret erhobenen Vorwürfe eingegangen sind. Zuletzt hat Frau Kaesbach in ihrer Rede, die ich sehr begrüße, sehr konkrete Vorwürfe erhoben, wie Sie sich weggeduckt und wochenlang überhaupt nicht reagiert haben.

(Karin Timmermann SPD: Hat er doch!)

Sie sind mit keinem einzigen Wort darauf eingegangen, und ich frage Sie, was Sie eigentlich bis kurz nach Pfingsten gemacht haben.

(Zuruf von der SPD: Sie müssen mal hinhö- ren!)

Ich habe hingehört und nichts gehört. Bis kurz nach Pfingsten ist überhaupt nichts passiert.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Kurz nach Pfingsten sind die Verhandlungen mit der Kirche aufgenommen worden. Die Kirche hatte konkrete Vorschläge, wie eine Nothilfe geleistet werden kann, da waren die Flüchtlinge bereits über fünf Wochen obdachlos.

Zum Zweiten. Heute haben die sieben afrikanischen Flüchtlinge aus Libyen, die am BismarckDenkmal übernachten, folgende Verfügung des Bezirksamts Hamburg-Mitte bekommen:

"Hiermit werden Sie aufgefordert, bis zum 29.5.13, 15.00 Uhr, die Parkanlage zu verlassen. Sollten Sie dieser Weisung nicht Folge leisten, werden gegen Sie unverzüglich, nach Fristenablauf, Zwangsmaßnahmen eingeleitet. Sie verstoßen gegen geltendes Recht. Hier: Grün- und Erholungsanlagen"

(Jens Kerstan GRÜNE: Humanitäre Hilfe!)

Ich habe den stellvertretenden Bezirksamtsleiter angerufen und ihn gefragt, was er sich dabei denke. Er war zunächst nicht informiert, hat aber sofort versichert, dass es um die Grünanlagen gehe. Ich habe entgegnet, dass es um die Menschenwürde gehe, und daraufhin sagte er: "Das mögen Sie für wichtiger halten, hier geht es um die Grünanlagen." Das ist eine Bankrotterklärung.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Ich hoffe, dass den Flüchtlingen nicht die wenigen Habseligkeiten, die sie noch haben, weggenommen werden und dass sie nicht vertrieben werden und wenigstens auf Rasen schlafen dürfen und nicht auf Beton.

Herr Scheele, das ist – und das wissen Sie wahrscheinlich so gut wie ich – in gewisser Weise eine Kapitulation. Es handelt sich um 300 Flüchtlinge, um Kriegsflüchtlinge aus Libyen. Mehrere Hunderttausend der Kriegsflüchtlinge aus Libyen, Schwarzafrikaner, sind in schwarzafrikanische Länder gegangen, zum Beispiel allein – ich habe es heute noch einmal nachgelesen – 200 000 nach Niger, wo private Hilfsorganisationen versucht haben, Hilfe zu leisten, um diese Menschen irgendwie zu unterstützen. Deren Familien waren zerrüttet, weil sie wochenlang nichts mehr bekommen haben, und die Frauen wurden zur Prostitution gezwungen. Das wird sehr eindrücklich geschildert.

Italien hat circa 60 000 Flüchtlinge aufgenommen. Die EU hat sich geweigert, einen gerechten Verteilungsschlüssel vorzunehmen, damit die Länder, die eine höhere Wirtschaftskraft haben, auch mehr leisten, und das Problem Italien aufgebürdet. Ich kritisiere den Umgang der italienischen Regierung und Behörden mit den Flüchtlingen, aber es ist völlig klar, dass dieses Problem nicht von Italien, Malta oder Griechenland gelöst werden kann, sondern nur gemeinsam.

Warum ich sage, dass das eine Kapitulation ist: Wir wissen, wie viele Hunderttausend Flüchtlinge aus Syrien in Lagern in der Türkei, Jordanien und im Libanon leben, und wir wissen, dass das angesichts der großen Umwälzungen ein kleiner Eisberg ist, den wir hier zu bewältigen haben. Ich halte es für eine Kapitulation, wenn wir sagen, dass wir auch diesen kleinen Eisberg nicht lösen wollen, dass wir ihn hier nicht haben wollen und dass wir mit diesem Problem nichts zu tun haben wollen. Wir haben mit dem Problem zu tun, und wir werden in größerem Ausmaß mit dem Problem zu tun bekommen. Die Menschen immer wieder nach Italien zurückzuschicken ist keine Lösung.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie müssen sich auf Bundesebene und auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass es eine europäische Lösung gibt und dass die Bundesre

(Senator Detlef Scheele)

publik Deutschland und Hamburg ihren angemessenen Anteil an der Lösung dieses Problems tragen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN)

Frau Möller hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nur einen Aspekt aus Ihrer Rede aufgreifen, Herr Scheele. Sie haben keine Informationen darüber gegeben, was seit dem Schreiben des BMI vom 27. März in Hamburg getan wurde. Die Situation war doch absehbar. Was wäre eigentlich passiert, wenn die Flüchtlinge nicht an die Öffentlichkeit gegangen wären? Würden Sie dann jetzt auch an einer Lösung arbeiten? Hätten Sie sich an die Bundesregierung gewendet, und so, wie Sie es geschildert haben, mit Vertretern der italienischen Behörden gesprochen? Das alles erscheint mir wenig glaubhaft. Sie hätten ohne den öffentlichen Druck nicht gehandelt, und das ist eine bittere Erkenntnis.

(Ksenija Bekeris SPD: Das ist aber auch ei- ne Unterstellung!)

Was aber das Ergebnis dieses Handelns ist, will ich noch einmal aufgreifen. Sie machen eine zwingende Verknüpfung, nämlich dass es eine Unterkunft gibt, wenn die Menschen sich registrieren lassen und ihre Rückreisebereitschaft dokumentieren. Was ist denn eigentlich, wenn nicht? Was mit Italien und auf europäischer Ebene zu verhandeln ist, kann doch noch Wochen und Monate dauern. Ebenso kann es noch Wochen und Monate dauern, bis auf Bundesebene entschieden sein wird, ob man überhaupt auf die europäische Kommission zugeht. Sie können doch nicht so lange solch eine Zwangshaftung und die zwingende Verknüpfung vornehmen, dass es eine Unterkunft nur dann gibt, wenn die Menschen eindeutig erklären, dass sie bereit sind, zurückzureisen. Wohin denn eigentlich?

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Nach Italien!)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Dann ist die Aktuelle Stunde beendet.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 29, Drucksache 20/7996, Antrag der FDP-Fraktion: Kein Wertpapierankauf durch den hsh finanzfonds!

[Antrag der FDP-Fraktion: Kein Wertpapierankauf durch den hsh finanzfonds!

Drs 20/7996 –]

Diese Drucksache möchte die FDP-Fraktion an den Ausschuss Öffentliche Unternehmen überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Kluth hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kollegen und Kolleginnen! Als ich die Drucksache des Senats zur Garantieerhöhung gelesen habe, habe ich mir zwei Fragen gestellt.

Ich will an dieser Stelle ausdrücklich nicht zur Frage der Garantieerhöhung selbst sprechen, denn die Diskussion in der Bürgerschaft dazu steht uns noch bevor, sondern nur zur Frage der Option eines Verkaufs von Wertpapieren an den Finanzfonds.

Ich habe mir die Frage gestellt, wer eigentlich auf die hanebüchene Idee kommt, hochriskante, toxische Wertpapiere aus dem Bestand der HSH Nordbank an die Länder Hamburg und SchleswigHolstein zu verkaufen, also an den gemeinsamen Finanzfonds.

Die zweite Frage ist, wer die Idee hatte, eine solch abwegige Überlegung in die uns vorliegende Drucksache, mit der der Senat um die Zustimmung für die Wiedererhöhung der Ländergarantien auf 10 Milliarden Euro bittet, zu schreiben und in dieser Drucksache ernsthaft als – ich zitiere – "zusätzliche Handlungsoptionen" zu bezeichnen. Wer kommt auf solche abwegigen Ideen? Denn was bedeutet eine solche Transaktion konkret, ein solcher Verkauf von Wertpapieren mit hohen Risikogewichten, wie sie in der Drucksache als Option dargestellt wird? Frau Heinold, die Finanzministerin von Schleswig-Holstein, hat das in der dortigen Landtagssitzung am 25. April sehr anschaulich beschrieben – ich zitiere –:

"Entweder werden die Wertpapiere an Dritte verkauft […] oder die Anstalt kauft die Papiere selbst – mit der Chance einer Wertaufholung, aber auch mit dem Risiko eines weiteren Wertverlustes."

Ich wiederhole ausdrücklich: "mit dem Risiko eines weiteren Wertverlustes" und ich ergänze: "auch mit dem Risiko eines Totalverlustes". Es handelt sich um amerikanische Immobilienkredite, fast eine Milliarde verbriefte Kredite gegen amerikanische Studenten. Wer, bitte schön, soll ein solches Portfolio beim Finanzfonds ernsthaft managen, wenn dazu offenbar noch nicht einmal die Spezialisten der HSH Nordbank in der Lage waren?

Meine Damen und Herren! Damit würde der Finanzfonds in der Tat zu einer Bad Bank mutieren. Das Kaufen von Wertpapieren in der Hoffnung auf Gewinn und mit dem Risiko auf Verlust bezeichnet