Natürlich gibt es viele Einzelfragen: Der Religionsunterricht wird uns heute auf jeden Fall nicht das letzte Mal beschäftigen, sondern es ist gewissermaßen ein Verhandlungsmandat, das wir mit dem Vertrag aussprechen, denn – das sage ich auch für unsere Fraktion – uns liegt dieser Religionsunterricht für alle ganz besonders am Herzen. Es ist ein gutes Stück Hamburger Bildungstradition, das über die Jahre gewachsen ist und mit dem wir pfleglich umgehen müssen. Wir haben jetzt den Beteiligten ein Verhandlungsmandat gegeben, dieses unter Wahrung von Artikel 7 Absatz 3 des Grundgesetzes auszuverhandeln. Wir werden uns in der Bürgerschaft wieder damit befassen, wenn die Verhandlungspartner hoffentlich mit einem guten Ergebnis zurückkommen, und wir werden auch dafür Sorge tragen, dass dieses gute Beispiel – denn dieser Religionsunterricht für alle ist ein gutes Beispiel für interreligiösen Dialog von klein auf – auch gemeinsam und verfassungskonform weitergelebt werden kann. Und deswegen wünschen wir den Partnern viel Erfolg für diese Verhandlungen zum Religionsunterricht für alle.
Einige Hinweise noch zu der Frage, wie man mit Extremismus umgeht. Da komme ich zu einer etwas anderen Bewertung, als ich sie von Herrn Wersich vorhin gehört habe. Ich weiß auch nicht, ob das jetzt seine Auffassung war oder die von Teilen der Fraktion. Wenn man in den Vertrag hineinschaut, dann stärkt er eben gerade nicht die extremistischen Kräfte, sondern er stärkt die Gemeinschaften, weil er ihnen die notwendigen Wertefundamente vermittelt – die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die Werte, die die Zweite Bürgermeisterin eben ausgeführt hat –, klare Grenzen im eigenen Verband gegen Extremisten zu ziehen. Das steht glasklar in den Verträgen drin, und wir sind sicher, dass das ein wichtiger Faktor sein wird und einen guten Einfluss auf die Gemeinschaft haben wird, dass wir zusammen auch für dieses Grundgesetz stehen in dieser Stadt.
Auch zum Thema Kopftuch steht weder etwas für noch gegen das Kopftuch darin oder für oder gegen die Burka, sondern darin steht, dass es darum geht, dass muslimische Frauen nicht wegen einer ihrer religiösen Überzeugung entsprechenden Bekleidung an ihrer Berufsausübung – das wichtige Wort kommt jetzt – ungerechtfertigt beschränkt werden dürfen. Das heißt natürlich, dass wir an der geltenden Lage, die wir in den Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen haben, überhaupt nichts ändern. Wenn es andere Gegenrechte gibt, zum Beispiel, dass der Schulfrieden gestört sein kann, dann wird es immer möglich sein, im Einzelfall die richtigen Entscheidungen zum Beispiel für den Schulfrieden zu treffen. Und es wäre schwierig gewesen, hier etwas anderes hineinzuschreiben. Deshalb ist es richtig, dass diese Frage so geregelt ist, wie es hier im Vertrag steht.
Wir haben uns die Zeit genommen, zwischen den Fraktionen miteinander zu sprechen. Deswegen finde ich es auch nicht schlimm, dass Bremen vor uns durchs Ziel geht. Der Vertrag war in der Tat vom Senat als Erster vorgelegt worden, aber wir haben uns als Bürgerschaft die Zeit genommen, und das ehrt uns miteinander. Es gab aber kein Einvernehmen über einen Begleitantrag. Wir haben untereinander gesprochen, aber wir haben natürlich auch mit den Vertragspartnern gesprochen, und die haben darauf hingewiesen, dass wir bei der evangelischen Kirche, beim Heiligen Stuhl und bei der jüdischen Gemeinde keinen politischen Beipackzettel miteinander beschlossen haben. Und wenn wir die Gleichberechtigung und die Gleichbehandlung ernst meinen, dann muss das gerade auch an der Stelle für die muslimischen Gemeinden gelten; das war jedenfalls das Einvernehmen zwischen der Mehrheit der Fraktionen. Deshalb ist es trotzdem richtig, dass wir breit diskutieren, und ich hoffe auf eine breite Zustimmung
aus der CDU-Fraktion. Aber es war richtig, dass wir auf diesen politischen Beipackzettel miteinander verzichtet haben.
Ich möchte mich für die SPD-Fraktion zum Schluss noch einmal ausdrücklich dem Dank an die Vertragspartner, den Jens Kerstan schon ausgesprochen hat, anschließen, aber ich möchte ihn noch erweitern, weil noch mehr zu diesem Dialog dazugehören,
so zum Beispiel der Vertreter der katholischen Kirche, den wir heute auch herzlich begrüßen. Wir haben nämlich diesen Dialog auch mit der katholischen Kirche und der evangelischen Kirche geführt, die beide diesen Prozess sehr intensiv begleitet haben, und – was nicht selbstverständlich ist, wenn man sich in der Welt umschaut –, und mit der jüdischen Gemeinde, die auf einer Veranstaltung der SPD-Fraktion sehr deutlich gesagt hat, dass sie diesen Vertrag begrüßt. Dass die Verhandlungen von den anderen Religionsgemeinschaften in solch einem Geist der Toleranz begleitet und unterstützt worden sind, ist auch einen großen Dank wert und bringt den interreligiösen Dialog voran. Vielen Dank also auch an die anderen Religionsgemeinschaften.
Zum Schluss: Es ist ein großer Schritt für die Integration, für den interreligiösen Dialog und vor allem gegen Vorurteile. Das ist in einer Zeit, wo man anderswo in der Welt ganz andere, nämlich feindselige und mit Hass erfüllte Diskussionen über Religion führt, ein Zeichen der Toleranz und des Gemeinsinns in Hamburg, dem Tor zur Welt, und es ist ein gutes Zeichen, das von Hamburg heute ausgeht. Jetzt geht es darum, dass erstens ganz viele mit Ja stimmen und wir uns danach miteinander an die Umsetzung machen und diesen Vertrag mit Leben füllen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist vollbracht, und ich freue mich ganz besonders, weil wir viele Jahre gemeinsam daran gearbeitet haben. Herr Dressel hat den Dank schon vorweggenommen, da auch die Senats- und Bürgerschaftsbeauftragten der beiden Kirchen hier sitzen, die nicht nur mit Wohlwollen dabei waren, sondern viel Herzblut eingesetzt ha
Wir haben heute viel über Toleranz und den interreligiösen Dialog gehört. Der interreligiöse Dialog ist aber mehr, als nur Toleranz zu haben. Wenn wir uns im interreligiösen Dialog wirklich bewegen, dann gehört zu diesem Zusammenarbeiten auch dazu, um etwas zu streiten und sich miteinander über Gleichheit und Differenz auseinanderzusetzen. Ich will natürlich in erster Linie noch einmal auf den Religionsunterricht eingehen, um die Bedenken der FDP und von Herrn Dr. Duwe vielleicht noch ausräumen zu können. Interreligiöser Dialog ist etwas Anstrengendes und eine Herausforderung in der Einwanderungsgesellschaft, und diese jahrelange Auseinandersetzung um ein gutes Ergebnis war im wahrsten Sinne des Wortes ein interreligiöser Dialog.
Ich will noch ein anderes Signal nennen, bevor ich zum Religionsunterricht komme. Die Verträge, die mit der Alevitischen Gemeinde geschlossen wurden, sind auch ein wichtiges Signal an die Türkei, wo die Alevitische Gemeinde nicht die Anerkennung hat, die sie durch die Verträge hier in Hamburg jetzt erhält. Das ist gerade in den jetzigen Zeiten ein wichtiger Punkt.
Natürlich unterstützen wir das Hamburger Modell des Religionsunterrichts für alle. Seit 1996 gibt es einen gemeinsamen Weg mit einem interfraktionellen Beschluss – damals von CDU, SPD und GRÜNEN –, und er wird natürlich auch durch die anderen Parteien, die inzwischen in der Bürgerschaft sitzen, getragen. Es gibt keine Sorge – wir haben es im Verfassungsausschuss schon kurz erwähnt –, dass hier irgendetwas verändert wird, ohne die Bürgerschaft zu befassen. Der Religionsunterricht ist ein Thema, das in der Schulbehörde befasst wird und das natürlich in jeglicher Veränderung immer durch eine Drucksache in die Bürgerschaft befasst werden muss.
Ich betone noch einmal ausdrücklich, dass beide Verträge sich zum Religionsunterricht für alle bekennen. Natürlich hätten die Aleviten und die Muslime das Recht nach Artikel 7 Absatz 3 Grundgesetz, eigenen Religionsunterricht zu machen, das ist selbstverständlich. Aber wir wissen doch alle, dass 40 Prozent der Kinder in unserer Stadt überhaupt keiner Religionsgemeinschaft und die anderen Kinder sehr unterschiedlichen Glaubensrichtungen angehören. Wir sind in Hamburg keine protestantisch geprägte Stadt mehr, sondern wir sind eine sehr pluralistische, heterogene und von über 100 Religionsgemeinschaften geprägte Stadt. Insofern ist der Religionsunterricht für alle der einzige Weg, um pädagogisch-organisatorisch, aber auch nicht desintegrierend zu arbeiten.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir alle hier zum Religionsunterricht für alle stehen. Und ich hoffe sehr, dass wir diese Herausforderung meistern. Herr Dressel hat es gesagt, dass es ein Verhandlungsauftrag ist, wie wir Religionsunterricht gestalten können, dass der alevitische und der muslimische Unterricht entsprechend Platz finden und durchgeführt werden muss. Wir haben das große Glück, dass seit über 15 Jahren die Aleviten und die Muslime in den Gremien der Bildungskommissionen sitzen und mitarbeiten. Das ist ein großes Pfund, und da ist Hamburg wirklich ganz vorne.
Natürlich ist jeglicher Fanatismus und Extremismus abzulehnen, aber wie kann man besser als mit verantwortungsvollen Lehrerinnen und Lehrern in einem gemeinsamen Unterricht durch das Verständnis und das Kennenlernen der Religionen dagegen angehen?
Ich bekomme jetzt ein Zeichen, dass ich zum Ende kommen muss, aber einen Punkt will ich noch erwähnen. Hamburg ist auch ein Garant dafür, dass wir den Religionsunterricht für alle weiterentwickeln werden. Wir haben seit 2010 die Akademie der Weltreligionen, wir haben den Lehrstuhl für islamische Theologie, hochkarätig besetzt mit entsprechenden Professorinnen und Professoren, und damit fundierte Voraussetzungen, um diesen Weg gemeinsam weitergehen zu können.
Ich denke, es steht Hamburg gut zu Gesicht, dass nicht nur das Christentum und das Judentum dazugehören, sondern auch die Muslime und die Aleviten, deren Religionen nicht besser oder schlechter sind als andere Weltreligionen, und 100 weitere Religionsgemeinschaften. Für eine reife demokratische Stadtgesellschaft ist es wichtig, gleichberechtigtes Ausüben der Religionen zu ermöglichen, und es ist unsere Pflicht, dies weiter zu gestalten und dafür zu streiten. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der heutige Tag ist nicht nur für die ältere Generation, sprich für die Gastarbeiter, ein historischer Moment, er ist auch für die dritte Generation, die jungen Menschen, die in Hamburg aufgewachsen sind und einen alevitischen oder muslimischen Hintergrund haben, sehr wichtig. Dieser Tag ist ein historischer Moment, und auch integrationspolitisch gesehen hat er eine große Bedeutung, nicht nur für die Gegenwart, sondern auch für die Zukunft.
Hamburg setzt mit diesem Vertrag ein sehr wichtiges Zeichen, und zwar bundesweit. Aber ich denke, dass hier die Grenze gar keine Rolle spielt, denn das ist, wie Frau Goetsch schon gesagt hat, auch ein wichtiges Zeichen an die Türkei. Hamburg zeigt damit, dass es tolerant ist, dass wir uns darum bemühen, dass die Stadt interkultureller wird, die Menschen gut aufgenommen werden und sich hier wohlfühlen.
Als Kind einer alevitischen Mutter und eines sunnitischen Vaters, was nicht sehr häufig vorkommt, hatte ich das Glück, beide Kulturen zu leben. In Hamburg bin ich zur Schule gegangen, im Dorf meiner Mutter besuchte ich das Cem-Haus und im Dorf meines Vaters die Moschee. Das war für uns in der Familie ganz normal, für andere ist es das vielleicht noch nicht. Deshalb denke ich, dass dieser Vertrag auch den Dialog zwischen den muslimischen Gemeinden und der alevitischen Gemeinde stärken wird, dass sich dort ein Dialog entwickeln wird.
Den Aleviten ist in der Türkei in der Vergangenheit viel Unrecht getan worden. Wir wissen, dass Massaker stattgefunden haben, woraufhin alevitische Menschen dann nach Hamburg geflüchtet sind und versucht haben, ihre Religion hier frei zu leben. Deshalb ist es gerade für die Aleviten historisch gesehen ein sehr, sehr wichtiger, aber auch ein sehr emotionaler Moment, und darum danke ich allen, die heute zustimmen werden.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, den GRÜ- NEN und bei Robert Heinemann, Karin Prien, beide CDU, und Dr. Thomas-Sönke Kluth, FDP)
Ich sage es einmal so: Ich finde mich selber in diesem Vertrag wieder. Ich sehe Hamburg, ich sehe die muslimische Seite, aber auch die alevitische Seite. Es wäre wirklich gut, wenn heute alle zustimmen würden, denn dieser Vertrag ist nicht nur ein wichtiger Schritt in die Zukunft, sondern auch ein Stück Aufarbeitung der Vergangenheit von Menschen, die Schlimmes erlebt haben, aber jetzt in dieser Stadt angekommen sind und hier versuchen, eine neue Zukunft aufzubauen. Deshalb bitte ich Sie, für Hamburg, für die Zukunft der vielen jungen Menschen, die hier leben, aber auch für den interreligiösen Dialog zwischen den Vertragspartnern und auch den anderen religiösen Gruppen in dieser Stadt zuzustimmen. – Vielen Dank.
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Bericht des Verfassungs- und Bezirksausschusses aus Drucksache 20/8152.
Meine Damen und Herren! Sieben Abgeordnete unseres Hauses haben nach Paragraf 33 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung verlangt, dass über Ziffer 1 des Petitums aus der Drucksache 20/5830 gesondert abgestimmt wird.
Wer möchte sich somit Ziffer 1 der Ausschussempfehlungen in Bezug auf die Ziffer 1a des Petitums aus der Drucksache 20/5830 anschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Somit ist die Ziffer 1a des Petitums mit großer Mehrheit angenommen worden.
Wer möchte darüber hinaus Ziffer 1 der Ausschussempfehlungen in Bezug auf die Ziffer 1b des Petitums aus der Drucksache 20/5830 folgen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist ebenfalls mit großer Mehrheit angenommen worden.
Wer möchte sodann Ziffer 2 der Ausschussempfehlung folgen und das Vierte Gesetz zur Änderung des Feiertagsgesetzes aus Drucksache 20/ 5830 beschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Sodann ist die Ziffer 2 mit großer Mehrheit angenommen.
Wer will das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz in zweiter Lesung beschließen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Gesetz auch in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.