Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

(Beifall bei der SPD)

Übrigens gehört auch dazu, dass wir eine Haftungs- und Garantieübernahme bekommen haben, wie wir sie sicherlich und auch kein anderer öffentlicher Bauherr in künftigen Verträgen jemals bekommen werden. Es ist nämlich an dieser Stelle zugesichert worden, dass unsere Vertragspartner die Haftung und Verantwortung übernehmen, auch für Fehler, die zum Beispiel der Generalplaner und die Architekten begangen haben, oder möglicherweise Fehler – was wir uns gar nicht vorstellen können –, die die Stadt und ihre Beauftragten gemacht haben. Auch diese sind gewissermaßen Teil der Garantie unseres Vertragspartners. Er hat – und dagegen hat er sich bis zur letzten Sekunde gesträubt – die Verantwortung für das Bauvorhaben von Anfang an übernommen auch für die Teile, die bisher von anderen verantwortet worden sind. Das gab es noch nie, das wird es auch kein zweites Mal geben. Das ist nur durch dieses schwierige Projekt und durch unsere Verhandlungsposition zu erklären.

(Beifall bei der SPD)

Dann zum Punkt, "das hätte man alles sofort haben können". Das ist widerlegt durch die Akten, durch die Transparenz, durch alles, was Sie wissen. Selbstverständlich hätte man das nicht bekommen können. Was man sofort immer hätte haben können, ist, einen Blankoscheck auszustellen und alles zu zahlen, was gefordert wird, ohne ein einziges Problem der Vertragskonstruktion der Vergangenheit zu lösen.

(Zuruf von Dietrich Wersich CDU)

Die Garantien, über die ich eben gesprochen habe und die der Kern des Lobs der Gutachter und Sachverständigen sind, gab es erst in den letzten zwei Wochen. Die hätte es nicht drei Monate vorher, nicht sechs Monate vorher und auch nicht zwölf Monate vorher geben können. Und deshalb sage ich auch: Hätte der Senat nicht hart und stark verhandelt,

(Zuruf von Jörg Hamann CDU)

hätte es dieses Ergebnis und diese Garantien nicht gegeben.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Aber wahrscheinlich braucht man dazu etwas, das nicht jedermanns Sache ist, nämlich starke Nerven; starke Nerven, die das, was Sie diskutieren und möglicherweise als ein Selbstbeschreibungsproblem erläutern, nicht begleiten, nämlich zu denken, man müsse nächste Woche oder in drei Wochen fertig sein.

(Anja Hajduk GRÜNE: Ja, bis Weihnachten!)

Wenn man es bis dahin nicht geschafft hat, dann gibt es ein Problem. Hätte die Stadt nicht mit aller Konsequenz auch die andere Variante der Kündigung und das Nachfolgende vorbereitet, dann hätte sie nicht diese Bedingungen bekommen, sondern wir wären bei einem viel teureren Bauvorhaben gelandet, das weit oberhalb der jetzt diskutierten Dimensionen gelegen hätte.

(Beifall bei der SPD)

Trotz der hier diskutierten Schwierigkeiten, die mit einer Kündigung verbunden sind, trotz der Tatsache, dass niemand wirklich sicher sagen kann, wie es selbst trotz bester Vorbereitung 10 oder 15 Jahre später vor den Gerichten ausgehen könnte, hätten wir – wenn nicht die letzten Angebote noch gekommen wären – im Dezember des letzten Jahres gekündigt,

(Dietrich Wersich CDU: Also doch! – Dr. An- dreas Dressel SPD: Ja, damals!)

weil das, was man als Vereinbarung, als Vergleich abschließen kann, gut genug sein muss, um auf diese Variante zu verzichten. Deshalb sage ich: Nur wer starke Nerven hat, nur wer verhandelt, wer nicht mit der Logik des politischen Prozesses, sondern mit einer klaren Interessenvertretung der

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

Stadt in dieser Sache agiert, kann ein so gutes Ergebnis erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Übrigens, wenn wir nicht diese letzten Vorschläge bekommen hätten

(Zuruf von Roland Heintze CDU)

und uns dafür entschieden hätten, zu kündigen und dies der Bürgerschaft im Dezember letzten Jahres vorzuschlagen, dann hätten wir gesagt, wir haben die Kündigung gut vorbereitet, und zwar auf unseren Wunsch hin. Aber wir hätten nicht sagen können, wie es dann in 10 oder 15 Jahren vor den Gerichten ausgehen könnte. Wir haben gerechnet, was es kostet, auf eigene Rechnung weiterzubauen. Übrigens sind wir da in etwa auf die Zahlen gekommen, die jetzt Gegenstand der Preiserhöhung sind.

(Jörg Hamann CDU: Mit Ihren starken Ner- ven!)

Das steht überall in Ihren Unterlagen, und das wissen Sie auch. Sie reden es nur weg, aber es steht da wirklich. Schauen Sie noch einmal hinein.

(Beifall bei der SPD)

Wir hätten gesagt, dass es das ist, was wir kalkulieren, aber es sein könne, dass es anders kommt und viel teurer wird. Da sind nämlich noch 50 Millionen Euro Planungskosten, die gewissermaßen anzeigen, dass in diesem Projekt noch Dinge auftreten können, die es viel teurer machen. Deshalb auch die Gegenleistung, dass unsere Vertragspartner das Risiko tragen und nicht die Stadt, wenn so etwas eintritt.

(Beifall bei der SPD)

Wir hätten sagen können, wir haben geplant, wann es fertig wird, aber es kann auch später werden, denn auf dieser Strecke gibt es noch viele Risiken. Deshalb ist die geschlossene Vereinbarung leicht zu verstehen. Unsere ReGe und wir haben ermittelt, was es kostet, weiterzubauen. Das ist Ihnen alles dargestellt worden. Wir wissen, was die Gegenseite für sich kalkuliert und was es sie kostet, weiterzubauen. Das steht in Ihren Unterlagen, die Sie gelesen haben.

Wir haben eine Lösung, in der steht, dass es auf diesem Niveau eine Verständigung geben wird. Dabei haben wir Kosten, die bisher die Stadt immer nebenbei getragen hat, wie beispielsweise die Architektenkosten und sonstige Dinge, auf den Vertragspartner abgewälzt. Das wird immer unterschlagen, das war früher in den Summen nicht enthalten, war aber trotzdem zu bezahlen. Diese Regelung haben wir gewissermaßen für die Gegenleistung bekommen, dass wir nicht austesten, ob wir in 15 Jahren nicht etwas davon wiederbekommen. Dafür bekommen wir aber die Sicherheit, dass, wenn es teurer wird – es ist nicht ganz un

wahrscheinlich, dass das im Bauprozess noch einmal auftritt –, nicht die Stadt diese Risiken zu tragen hat. Zu dieser Konstruktion haben alle Gutachter gesagt, sie sei super gemacht, so etwas hätten sie noch nicht gesehen, wir sollten alle zustimmen. Und mit den Gutachtern sage ich: Bitte stimmen Sie alle zu.

(Beifall bei der SPD)

Ich frage mich auch, was Sie machen, wenn diese Sache ganz ordentlich läuft. Streichen Sie dann Ihre Reden aus dem Protokoll der Bürgerschaft? Oder welchen Plan haben Sie dann?

(André Trepoll CDU: Was machen Sie, wenn es nicht klappt?)

Das ist aus meiner Sicht die Situation, die man jetzt diskutieren muss. Dass dies eine schwierige Entscheidung ist, will ich ausdrücklich sagen. Wenn man diesen Weg nicht gehen will, muss man kündigen, das betone ich auch ausdrücklich. Wir hätten auch gekündigt, wenn die Bedingungen nicht so gewesen wären, wie sie jetzt sind. Deshalb war es genau zu diesem Zeitpunkt möglich, die Vereinbarung zu schließen, das Geld der Steuerzahler so gut wie möglich zu schonen und gleichzeitig sicherzustellen, dass dieses Gebäude fertig wird.

Ich sage noch einmal ausdrücklich: Es liegt an den Fehlern des Anfangs, dass es so teuer geworden ist. Und dass viele in dieser Bürgerschaft diesem Projekt zugestimmt haben, ändert nichts an der exekutiven Verantwortung derjenigen, die damals im Amt waren. Sie haben nämlich nicht das gemacht, was man machen muss, wenn man auf ein solches Projekt zumarschiert: Nämlich erst einmal 50 Millionen Euro für eine ordentliche Planung auszugeben, bevor man die endgültige Entscheidung trifft. Und weil man das nicht gemacht hat, sind wir immer wieder in neue Verstrickungen geraten. Jetzt haben wir die Sache gut zu Ende gedacht und gut zu Ende verhandelt. Ich bin sicher, dass dieses Projekt im Sinne der Hamburgerinnen und Hamburger ein großartiges werden wird, und wir werden es gemeinsam bei der Eröffnung feiern.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Frau Dr. Vértes-Schütter hat das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer Steuermittel in Höhe von insgesamt 256,6 Millionen Euro zur Neuordnung des Projekts Elbphilharmonie einsetzen will, hat sich zu rechtfertigen. Die abschließende Entscheidung liegt beim Parlament in seiner Gesamtheit. Ich sage Ihnen sehr deutlich, dass weder mir noch einem anderen Mitglied meiner Fraktion die Zustimmung zur Neuord

(Erster Bürgermeister Olaf Scholz)

nung leichtgefallen ist, wie hier gern suggeriert wird.

(Beifall bei der SPD)

Wir alle stehen für diese Entscheidung mit unserem Namen. Einen solchen Schritt geht nur, wer nach Abwägung zu dem Ergebnis kommt, dass dieser Schritt der bessere Weg ist, eine verfahrene Situation zu lösen und weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden. Wir stehen nicht vor einer völlig offenen Entscheidungssituation. Wir haben es mit einer halb fertigen Baustelle zu tun. Wir stehen vor einer hochkomplexen Vertragssituation. Es gilt, baurechtlich überaus schwierige Fragen einer Neuregelung zuzuführen, und es gilt am Ende, eine Risikoabwägung vorzunehmen, um nach einer ganzen Reihe von Versäumnissen endlich zu einer Lösung zu gelangen, die abschließend trägt.

Heute nicht abschließend zu entscheiden oder die Neuordnung abzulehnen, ist keine kostenneutrale Option. Auch wer die Neuordnung ablehnt, hat sich zu erklären.

(Beifall bei der SPD und bei Carl-Edgar Jar- chow FDP)

Die erste entscheidende Frage für uns lautet, ob die Neuordnung trägt. Die zweite entscheidende Frage lautet, ob es zu der vorliegenden Neuordnungsvereinbarung mit dem Kündigungsszenario eine tatsächlich belastbare Alternative gibt. Um diese zwei Alternativen geht es. Alles andere sind Nachhutgefechte oder politische Nebelkerzen.

(Beifall bei der SPD und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Hier lohnt sich der Blick von außen. Dieser Blick von außen, frei von politischen Schuldzuschreibungen oder dem Drang, eigene Versäumnisse relativieren zu wollen, haben uns die externen Sachverständigen gewährt. Sie haben sich ganz auf die Frage konzentriert, was jetzt zu tun ist und welcher Handlungsalternative aus juristischer Sicht und aus ökonomischer Sicht der Vorzug zu geben ist. Und die Antworten waren eindeutig, wie Sie alle wissen.

Ich will nicht alle schon angeführten Argumente, die Neuordnung betreffend, wiederholen, sondern für die Öffentlichkeit festhalten, dass auch wir von der Entschiedenheit und Einhelligkeit, mit der uns die externen Sachverständigen zur Neuordnung geraten haben, etwas überrascht waren. Das gilt auch für die zum Teil sehr deutliche Kritik am Kündigungsszenario. Mein Eindruck ist, dass wir damit wohl nicht allein standen, und das mag vielleicht erklären, wie die heutige Debatte vor allem von CDU und GRÜNEN eröffnet wurde. Eines ist doch sehr deutlich geworden: Der Senat musste als Ultima Ratio auf ein Kündigungsszenario vorbereitet sein, und er war bereit, diese Option zu ziehen. Wir müssen aber in unseren Abwägungsprozess einbeziehen, wie es um die tatsächlichen Chancen ei

ner solchen Option bestellt ist. Diese Informationen sind uns allen in öffentlicher Sitzung vermittelt worden.

Sie erinnern alle die Diskussion zu diesem Thema in der Aktuellen Stunde. Es ging um einen angeblichen Millionenverzicht des Senats gegenüber HOCHTIEF. Einer der externen Gutachter bezeichnete die Behauptung, die Stadt hätte auf 244 Millionen Euro verzichtet, als – ich zitiere – "absolut irreal".

Die Einschätzungen hinsichtlich der möglichen Verfahrensdauer über Jahrzehnte wurden bestätigt. Die Frage aber, ob wir in der Sache tatsächlich Recht bekommen würden, ist, ohne dass wir das Vorbringen von HOCHTIEF kennen, völlig offen. Das konnte, wer wollte, sehr wohl verstehen.